Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michaela Engelmeier hat den Vorsitzenden der AfD-Fraktion in Thüringen, Björn Höcke, wegen Volksverhetzung angezeigt. Höcke hatte gestern bei einer Rede von Kameraden in Dresden das Holocaust -Mahnmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnet. Engelmeier schrieb auf Facebook: „Es reicht, Herr Höcke!
Immer nur reden und empört aufschreien hilft nicht viel. Daher habe ich mich entschlossen gegen Herrn AFD Höcke Strafanzeige zu stellen. Volksverhetzung ist ein schwerwiegender Straftatbestand!“
Höcke indes spielt das altbekannte AfD-Spiel aus Provokation, Grenzverschiebung und nachgeschobener Heuchelei. In einer vorhin veröffentlichten persönlichen Erklärung schreibt Höcke, die Unschuld aus der Zone: „Ich bin erstaunt über die Berichterstattung zu meiner Rede vom 17. Januar in Dresden. Angeblich soll ich dort das Holocaust-Gedenken der Deutschen kritisiert haben. Diese Auslegung ist eine bösartige und bewusst verleumdende Interpretation dessen, was ich tatsächlich gesagt habe. Wörtlich habe ich gesagt: ,Wir Deutschen sind das einzige Volk, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat. (…) Unzweifelhaft haben wir mit dem Holocaust-Mahnmal in Berlin unserer Schande ein Denkmal gesetzt. Der Begriff ,Denkmal der Schande‘ stammt übrigens gar nicht von mir, sondern ist schon vor langer Zeit zumindest in den politischen Sprachgebrauch eingegangen. So heißt es etwa in einer Drucksache (14/3126) des Deutschen Bundestages: ,Denkmäler der Schande und der Trauer, des Stolzes und der Freude sind notwendige Grundsteine des neuen Deutschland und der neuen Bundeshauptstadt“
Die ochestrierte Empörung der üblichen Verdächtigen (Zentralrat der Juden ausgenommen) erscheint mir etwas sehr scheinheilig, sagt doch Höcke im Jahr 2017 nicht anderes, als vor ihm schon Walser und Augstein im Jahr 1998.
„Dieses “Schandmal” sei "gegen die Hauptstadt und das in Berlin sich neu formierende Deutschland" gerichtet. Augstein: "Man wird es aber nicht wagen, so sehr die Muskeln auch schwellen, mit Rücksicht auf die New Yorker Presse und die Haifische im Anwaltsgewand, die Mitte Berlins freizuhalten von solch einer Monstrosität".
http://www.hagalil.com/antisemitismus/deutschland/walser-1.htm
@Rudolf Gottfried: Er ist eben genau so ein Hetzer wie Walser. So what?
Ein Land, in dem die Ansicht vorherrscht, dass man die "unwichtige" und "bedeutungslose" NPD nicht zu verbieten braucht, das muss eben auch Herrn Höcke und die AfD ertragen.
Es gibt in diesem Land nicht nur zu viele Nazis, sondern auch zu viele liberale Wischi-Waschis, die sie dulden.
@Rudolf: ich erinnere mich nicht, dass irgendein Ruhrbaron jemals positiv über Walser oder Augstein geschrieben hätte…
Es sei an Avi Primor erinnert, den großen Botschafter Israels in Deutschland:
"Tatsächlich ist Deutschland mit der Zeit in Sachen Erinnerung und Gewissenserforschung vorbildlich geworden, weltweit vorbildlich. Alle Länder der Welt errichten nach wie vor Mahnmäler und Gedenkstätten. Sie errichten sie, um sich an ihre Siege, an ihre Helden der Nation und Wissenschaftler, Sportler, Schriftsteller, Künstler, Geistliche etc. zu erinnern, die ihrem Vaterland Ruhm bringen. Auch an die Trauer der eigenen Nation erinnert man sich. Aber wo haben Sie jemals weltweit eine Nation gesehen, die Denkmäler baut, um sich an die eigene Schande, um an das eigene Verbrechen zu erinnern und um die Erinnerung an die eigene nationale Schande zu verewigen?
Das haben bis heute nur die Deutschen getan.
Ganz vorbildlich! "
(http://www.volkstrauertag.de/2014/gedenkrede-avi-primor.html)
Ob der Höcke gerade Herrn Primor zitieren wollte? Ich habe da so meine Zweifel …
Da ist Frau Engelmeier brav über das Stöckchen gesprungen, das Höcke ihr(und allen anderen) hingehalten hat. Die medial sehr intensive Empörung ist genau das, was er mit seiner nicht eindeutigen Wortwahl bezweckte. Er bekommt PR für lau und kann sich als die verfolgte und falsch verstandene Unschuld in Szene setzen.
Höcke ist unsympathisch und verbreitet sein rechtes Gedankengut. Geschenkt.
Aber Höcke befindet sich im demokratischen Spektrum.
Und dass er sprachlich geschickt vorgeht und reden/manipulieren kann, kann man ihm nicht vorwerfen. Das ist der Job eines Politikers.
@Yilmaz: Höcke ist ein Hetzer und befindet sich nicht im demokratischen Spektrum. Dieser vorlaute Lehrer hat ein Spiel begonnen, das ihm am Ende hoffentlich seine bürgerliche Existenz kosten wird. Thüringen plant ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten. Wenn es gut läuft, verliert er seinen Job und seine Pension. Ich hoffe aber, er wird kein Sozialfall, sonst muss man ihn noch durchfüttern.
Für die "Nie-dabei-und-nie-dafür-Gewesenen" und "Erst-viel-später-erfahren-Habenden", hier die fragliche Rede Höckes in Wort *und Bild* inkl. Saalton, um nicht den Eindruck zu verfestigen, es handele sich bei Höcke um einen kleinen, armen Blogger, der sich seiner Polemik nicht vollkommen bewusst sei:
Ach ja, Höckes Auftritt ist ab ca. 00:55:50 zu sehen.
Stefan#8, das ändert nichts an der richtigen Erkenntnis von Gerd in #6. Genau so taktiert Höcke, Trump macht es noch besser … je mehr Empörung, desto besser. Dann wird er freigesprochen, wovon ich ausgehe und die rhetorischen Freiräume in Zukunft größer. Klassisches Eigentor.
Es geht um die Diskurshoheit, nicht um Wahrheit oder Moral …
Der Höcke ist Beamter des Landes Hessen, von daher kann ihm der Freistadt Thüringen den Job nicht streitig machen. Was aber viel interessanter ist: Der hat in Bonn, Gießen und Marburg Geschichte (!) studiert und offenbar in Marburg sein Examen gemacht. Und die Uni Marburg ist ja nicht so allgemein als rechte Kaderschmiede bekannt. Aber vielleicht hat er damals bei den K-Gruppen zu polemisieren gelernt …
Wie auch immer. Der feinsinnige und intellektuelle Avi Primor, der hervoragend deutsch spricht, hat so viel für das israelisch-deutsche Verhältnis geleistet, daß ich nicht möchte, daß der Höcke mit seinen aus dem Zusammenhang (von Avi Primor!) gerissenen Wörtern (nicht Sätzen!) eine Aufmerksamkeit bekommt, die ihm nicht zusteht.
@discipulussenecae: Dann soll Hessen ihn rauswerfen.
Nun gut, Nantes ist zwar keine Hauptstadt, aber ein Beleg dafür, daß man auch außerhalb Deutschlands "Denkmäler der Schande" errichtet:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/sklavenhandel-nantes-baut-mahnmal-fuer-abschaffung-der-sklaverei-a-828112.html
Es hat immer schon Historiker gegeben, die Geschichte für politische Zwecke instrumentalisiert haben. Davor schützt das Studium leider nicht. Um ein ebenfalls aktuelles Beispiel zu nennen: Auch der ehemalige NPD-Landtagsabgeordnete Gansel hat sein Geschichtsstudium erfolgreich mit einem Master beendet. Das ändert natürlich nichts daran, dass Leute wie Gansel und Höcke eine Schande für die Geschichtswissenschaft sind.
Auch diese Diskussion unterstreicht -neben den vielen anderen in allen Medien- ,daß Höcke ein völkisch-nationalistischer-antidemokratischer Überzeugungstäter ist , der sich mehr und mehr und und zunehmend rücksichtsloser / "ungeschminkter" zu präsentieren bereit ist, Diese und vergleichbare Diskussionen belegen zudem, daß Höcke ein offenkundig überdurchschnittlich begabter Demagoge und ein überdurchschnittlich fähiger politischer Agitator ist, dem es mit wachsender Tendenz zu gelingen scheint, sich und seine Ideen in das Zentrum der politischen Diskussion zu rücken ("statt über Trump reden wir über den Herrn Höcke!!".)
Adolf H. galt in weiten Kreisen des politischen Establishments der Weimarer Republik in den
2oer Jahren, ja noch bis 1933 als Polit-Clown. Wer mit Höcke ähnlich umzugehen gedenkt, macht m.E. einen großen politischen Fehler. Damit habe ich Höcke nicht mit Hitler gleichgesetzt, wohl aber Ähnlichkeiten andeuten wollen zwischen der Unterschätzung Hitlers durch die politische Gesellschaft der Weimarer Republik und einer von mir nach wie vor wahrgenommenen
Unterschätzung der Person Höcke und seiner völkisch-nationalistisch-antidemokratischen Gesinnungsgemeinschaft.
Im übrigen -und das mag der notwendigen Auseinandersetzung mit Höcke und seiner AFD jetzt die "richtige Richtung" geben:
Höcke als einer der Führungskräfte der AFD -als "Chefideologe", als "Propagandist"- hat in seiner jüngste Rede in Thüringen für jedermann unmißverständlich klar gemacht, daß die AFD eben nicht eine rechtskonservative – nationale Partei ist, sondern eine völkisch-nationalistisch-antidemokratische, die als solche von allen (!)Demokraten benannt werden muß und die folglich in Gegnerschaft, ja in Feindschaft zu allen anderen demokratischen Parteien gesehen werden muß steht -mit Höcke als ihrer Gallionsfigur-.
PS
Meine diesbezügliche Kritik an Höcke hat nichts damit zu tun, daß er -so wie viele andere in Deutschland -auch hier bei den Ruhrbaronen- meint sagen zu sollen, daß Deutschland " nicht nur der Holocaust" ist und der meint sagen zu sollen, die Deutschen müßten sich von ihrem "ewigen Schuldkomplex" befreien. Das zu sagen, steht jedem frei. Damit habe ich mich, da ich diese Artikulation für falsch halte,kritisch auseinanderzusetzen -nicht mehr und nicht weniger. Nur darum geht es mit Blick auf die aktuelle Rede Höckes in Thüringen nicht; es geht um sein für mich erkennbares nationalsozialistisches Gedankengut und darum, daß er mit dessen Publikation zunehmend Beifall zu finden scheint -vornehmlich in den sog. neuen Bundesländern!!!
Höcke ist eben Höcke!