Duisburgs SPD-Oberbürgermeister Sören Link steckt Flüchtlinge in Zelte, will Roma abschieben, verbietet moderne Kunst und begrüßt CSU-Papiere zum angeblichen Sozialmissbrauch. Der Mann wird auch weiterhin Erfolg haben. Denn mit gegenderter, kultursensibler veganer Wurst auf den Stadtfesten bleibt man in Duisburg nicht Oberbürgermeister.
In den sozialen Netzwerken ist Duisburg Oberbürgermeister Sören Link zur Zeit nicht besonders beliebt: Mitten im kühlen Frühherbst will er Flüchtlinge in Zelten unterbringen, obwohl es in Duisburg zahlreiche Leerstände gibt, in denen die Menschen leben könnten. Und die oft auch noch im Besitz der Stadt oder ihrer Tochterunternehmen sind. Sich als links empfindende Sozialdemokraten sind davon ebenso empört wie Pfarrer und die CDU. Auch beim Streit um das Kunstwerk von Gregor Schneider , das im Rahmen der Ruhrtriennale in Duisburg aufgebaut werden sollte, handelte Link nicht so, wie man es von einem aufgeklärten Großstadtoberbürgermeister erwartete. Er rief bei Ruhrtriennale-Chef Heiner Goebbels an und verhinderte Schneiders Werk in Duisburg – und sorgte so für einen mittleren, bundesweiten Skandal. Geht es um Ausländer, ist Link ohnehin eher bei der wahren, bayerischen sozialdemokratischen Partei als bei den Jusos: Pläne der CSU für Gesetze gegen einen – real nicht vorhandenen – Sozialmissbrauch finden seine Unterstützung.
Ein Duisburger Grüner beklagt sich schon über die Verwendung des Begriffs Sozialmissbrauch:
„Was ist eigentlich Sozialmißbrauch ? Wenn das SGB II mißbraucht wird um Einwohner*innen zu schickanieren ?“
Es gibt auch Appelle an Parteifreunde Links, tätig zu werden und die Flüchtlinge vor einem Herbst im Zelt zu bewahren :
…neben dem Überleben,der „Abwesenheit von Krieg und Tod“ ist Menschlichkeit gefordert,eine Willkommenskultur,die neben dem Überleben,auch deutlich macht,wir wollen euch hier,wir sind bereit alles menschenmöglich zu unternehmen und wir schützen euch vor Angriffen aller Art aus dieser Gesellschaft,vor anderen,die euch nicht hier wollen und dafür sogar den Boden unserer Verfassung verlassen,wir beziehen Position ,eindeutig und unmißverständlich,sei es durch Hilfe,durch menschenwürdige Unterbringung und Umgang,sei es durch eindeutige Worte ,beispielsweise durch den Herrn OB.Und natürlich haben Sie als Mitglied der sozialdemokratischen Partei die Möglichkeit einzuwirken auf Parteifreunde,damit mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden,damit nicht wieder einmal mit den Stimmen der SPD fragwürdige Asylkompromisse zustande kommen und damit nicht der Eindruck entsteht,es gäbe Teile der Duisburger SPD,die mit dieser Thematik nach Stimmen fischen wollen im Trüben.
Und ein weiterer wird in seiner Kritik an Link fundamentaler:
„Der Herr Link entpuppt sich immer mehr als kleingeistiger reaktionärer Karrierist. Irgendwie leider ein Bild der SPD das Sie so ganz sicher nicht will. Aber eben abgibt.“
Ja, Link ist sicher ein „kleingeistiger reaktionärer Karrierist“. Das wichtigste Buch in seiner Wohnung ist das Parteibuch. Es schützte ihn vor den Unbilden des Arbeitsmarktes und ermöglichte ihm sowohl den Einzug in den Landtag als auch den Aufstieg auf den gut dotierten Posten des Oberbürgermeisters. Aber will die SPD wirklich nicht das Bild, dass Link als in Duisburg führender Sozialdemokrat von ihr zeichnet?
Die SPD war immer eine Klientelpartei der aufstiegswilligen Facharbeiter. Nachdem sie an die Macht kam, gesellte sich der Öffentliche-Dienst dazu, der gerade im Ruhrgebiet mit Sozialdemokraten auf allen Ebenen besetzt wurde. Der gemeine sozialdemokratische Wähler ist staatsfixiert, ordnungsliebend und glaubt, auch wenn er im Öffentlichen-Dienst ist, er würde Leistung schätzen. Arbeit ist ein mystischer Begriff für die SPD und ihre Anhänger und es ist nicht der Schlechteste. Eine Linke, die sich von diesem Mythos entfernt, gewinnt sicher eine Anschlussfähig an poststrukturalistische Debatten. Intellektuelle sind in Duisburg aber nicht wahlentscheidend – wahrscheinlich sind sie es, von ein paar Szenequartieren abgesehen, nirgendwo. Viele Wähler würde die SPD so nicht gewinnen. Die Duisburger SPD hat sich anders entschieden. Sie lehnt ab, was nicht ins Bild ihrer Klientel passt: Flüchtlinge, schwurbelige Künstler und was da alles noch kommen mag.
Aber Link wird auch in Zukunft viele Wähler gewinnen, denn er steht für eine konservative SPD und auf die kommt an. In Duisburg wie in Hamburg, wo OB Scholz schon früh den roten Sheriff gab. Ein Vorbild, dem Links Chef, NRW Innenminister und Duisburgs Ober-Sozialdemokrat Ralf Jäger, eifrig folgt.
Die SPD ist erfolgreich, wenn sie sich vom akademischen Milieu und seinen Debatten entfernt. Ob Link das erkannt hat weiß ich nicht, jedenfalls handelt er so. Vielleicht hat der Mann auch gute Instinkte. Das ist nicht schlecht für die SPD, die so wieder zu sich selbst findet. Es ist nur schlecht für alle, für die die SPD eine Projektionsfläche für linksalternative Träume ist. Löst Link die wirtschaftlichen Probleme seiner Stadt? Natürlich nicht – aber seine linken Kritiker würden das auch nicht hinbekommen. Die Link-SPD, Link selbst, sind das Erfolgsmodell. Bei ihm ist die SPD bei sich.
Ob man die Wahl durch 18% der Stimmberechtigten als Erfolg bezeichnen kann ist doch eher fragwürdig…
@Jos: Gewonnen ist gewonnen. Und er hat gute Chancen, das Amt zu halten. Nicht obwohl er ein „kleingeistiger reaktionärer Karrierist“ ist sondern weil er ein „kleingeistiger reaktionärer Karrierist“.
Mann, Stefan ist das traurig. Wahrscheinlich hast du Recht. Die Wähler in Duisburg sind vielleicht so, wie du das von außen siehst. Mir wird übel.
Aber es gibt auch keine Opposition. Die Gremien, die schlicht, wie im Fall des Kuratoriums geschehen, übergangen werden, nicken sogar noch im Nachhinein ab.
Da liegt das Problem aus meiner Sicht. die Wähler denken doch, alles sei gut.
Die Duisburger SPD war immer schon ein Hort der totalen kleingeistigen Piefigkeit. Reaktionär und restriktiv bis zum Erbrechen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die Duisburger Polizei mal irgendwann in den 90ern ein Szene-Lokal wegen angeblicher Ruhestörung (einige Gäste hatten vor dem Lokal gestanden und ihr Bierchen dort getrunken, weil es drinnen voll und draußen warm war) mit einer Hundestaffel(!) gestürmt hat. Am liebsten würde man wahrscheinlich noch heute eine allgemeine Ausgangssperre nach 22:00 Uhr verhängen, damit der „Malocher“ ja nichts anderes tut als das, was nach dem vorherrschenden Weltbild der SPD der Malocher halt tun soll: Malochen und schlafen, schlafen und malochen.
Eine Halb-Millionenstadt braucht mehr als Bratwurstfeste, um kulturell zu leben. Duisburg leidet schon so lange unter der Braindrift, das es dem verblödeten Durchschnitts-Duisburger schon gar nicht mehr auffällt. Mit der piefigen Schrebergärtner-MSV-Bildzeitungsklientel baut man keine neuen Industrien auf, damit gestaltet man nur Heldenfriedhöfe der Montanindustrie.
stefan, deine gedanken haben was, letztlich sind sie dennoch nicht ganz richtig.
dass die ruhrgebietsSPD heute besonders konservativ ist, sei mal gesetzt. sie lebt im gestern und da mag manches noch emanzipatorisch – wie die teilhabe von arbeiter/innen – gewesen sein, das sich längst ins gegenteil der pfründeverteidigung gewendet hat. in diesem klientel mag link wuchern können. aber dieses klientel stirbt aus und stellt längst nicht mehr die mehrheit der pottbewohner/innen. daher ist die strategie eben kein automatismus.
wichtiger sind mir aber zwei andere gedanken. seit dem ersten größeren rechtspopulistischen uprising zum asylrecht ist bekannt, mit reaktionären parolen mit rechtspopulisten und konservativen konkurrieren zu wollen, geht nach hinten los. zurecht wählen wahre reaktionäre das orginal, liberale und linksalternative menschen wenden sich mit grausen ab. mit solchen strategien ist die spd bundesweit auf 23% gefallen.
erfolgreich waren die sozis zumindestens bundesweit immer dann, wenn sie nicht einem vermeintlichen normalitätsdiskurs nachhechelten sondern eine hoffnung nach wie auch immer progressiver veränderung nachdruck verliehen (wie realistisch die war wäre hier nochmal eine andere frage). das geschah 1969 und erst recht im politischen wahlkampf 72 und dann wieder 98.
die spd heute ist eine andere, das ruhrgebiet mit seinem jahrzehntelangen downgraden sicher ein besonderes pflaster. was das genau bewirkt wäre eine frage an sozialwissenschaftler/innen. eindeutig erfolgreich jedenfalls ist links strategie nicht, denke ich. und hoffe ich natürlich auch.
@werner müller: Falsch. Genau auch mit solchen Sprüchen hat Schröder Wahlen gewonnen. Die linksalternative SPD liegt bei 23 Prozent. Und Hoffnung auf große Veränderung war 1998 auch nicht: „Wir wollen nicht alles anders machen, sondern vieles besser“ war der zentrale Slogan der SPD-Kampagne.
@stefan neulich war ich auf eine völlig irrationale Weise enttäuscht von Duisburg und habe diese Enttäuschung öffentlich nur auf Sören Link bezogen. Um mit Enttäuschungen zurecht zu kommen, hilft manchmal ja Schreiben:
http://zebrastreifenblog.wordpress.com/2014/08/06/soren-link-der-pott-und-liebeskummer/
Aber diese Enttäuschung verursachte eigentlich nicht nur Sören Link, sondern sie war gespeist aus dem Wissen, er kann etwas „Totlast“ absagen, ohne seine Position zu gefährden. Nun benennst du das mit klaren Worten, was meinen „Liebeskummer“ mit Duisburg neulich mitverursachte, was ich letztlich nicht wahrhaben will. Wollen die meisten Duisburger diese Politik, obwohl diese Art patriarchalisches Regiertwerden die Entwicklung der gesamten Region einschränkt?
Und @Helmut, es gibt ja Opposition, kritische Stimmen. Die zu wenig gehört werden? Wieder die Frage, misstrauen die Duisburger tatsächlich auch nach solchen Erfahrungen mit Sören Link neuen Wegen so sehr, dass sie die Sicherheit der etablierten Kräfte brauchen.
„Sören Link steckt Flüchtlinge in Zelte“
Halte ich als Übergangslösung besser als vergammelte Häuser in Marxloh.
Die Asylanträge sollten einfach schneller bearbeitet werden, dann könnten die anerkannten Flüchtlinge sofort eigene Wohnungen beziehen.
@hubi: warum sollten nicht alle flüchtlinge sofort eigene wohnungen beziehen können. das wäre bei 10.000 leer stehenden wohnungen, die sicher nicht alle schrott sind sogar effektiver als leerstand.
@stefan: zum 98er wahlkampf, hab ich weiter ne ganz andere wahrnehmung. der war weniger als 2002 durch schröders populismus geprägt, sondern durch die hoffnung auf veränderung nach den ewigen kohljahren. es gab breite rotgrüne kampagnen mit der idee das land zu modernisieren, wieder stärker sozialstaatlich zu agieren und die ökologiefragen intensiver zu bearbeiten. zudem das engagement der gewerkschaften.
ich stimme Stefans Gedanken alle zu.
Nur zum lezten Satz… „Die Link-SPD, Link selbst, sind das Erfolgsmodell.“
Erfolg im Sinne von Wahlen gewinnen, ja.
Erfolg im Sinne von Verbesserung der Lebensqualität der Einwohner, nein.
Es erscheint allerdings auch irgendwie logisch, wenn sich die beiden größten Parteien Deutschlands sehr ähneln. Eine Ausrichtung an Wahlergebenissen statt Inhalten muss ja zwangsläufig zum Durchschnittswähler (Durchschnittsrentner) führen
@Stefan
„Die SPD ist erfolgreich, wenn sie sich vom akademischen Milieu und seinen Debatten entfernt.“
Hier in Dortmund *hat* sich die SPD schon seit den Neunzigern vom akademischen Milieu meilenweit entfernt (ich hab ja kürzlich, drüben beim „Internet-Startups“-Artikel, meine Erfahrungen kundgetan).
Studenten sind für den Dortmunder SPD-Stammwähler unnütze Zeitstehler, malochen und rabotten nicht, müpfen auf, beschädigen Einliegerwohnungsmobiliar und sind auch sonst für den gemeinen Hauer oder Eisenbieger intellektisch unter seinem Niewo.
Und der demoskopisch manchmal seeehr langsame Wandel durch Abgang ergibt dann halt, dass man in Dortmund immer noch *nichts* tun muss, um zumindest noch ein, zwei Kommunalwahlen mit den mickrigen Stammwählerzahlen zu gewinnen. Also stimmt Deine These;-)
Der Ruhri wählt SPD, weil der Ruhri SPD gewählt hat.
Der Ruhri wählt SPD, weil die CDU keine Gegenkandidaten, die wahrgenommen werden, aufstellt.
Was ist konservativ an der Politik der Duisburger SPD-Größen?
– Es ist doch eher eine ständige Effekthascherei und regelmäßig der letzte Platz in allen Rankings.
Wenn viele Menschen flüchten, sind auch Zelte als Notunterkünfte OK, insbesondere, wenn es sich um Großzelte mit Boden etc.handelt. Wichtiger wäre es, die Asylverfahren zu beschleunigen und insbesondere die Winterflüchtlinge einzudämmen. Hier hat die Landesregierung Möglichkeiten, die sie nicht nutzt.
Für die SPD wird es kritisch, wenn auch der letzte Hofffende merkt, dass sich das soziale Märchen von Oma SPD nicht erfüllt und die Anpassungen/Abpfindungen nicht mehr gezahlt werden.
– Sicherheit wird immer mehr zu Privatsache
– Die Justiz ist uneffektiv.
– Die Bildungsergebnisse sind regelmäßig auf den letzten Plätzen.
– Die Menschen verarmen. OK die soziale Kluft im Ruhrgebiet fällt vermutlich, weil alle verarmen.
– Das Land ist hochverschuldet.
Dank einer erschreckend schwachen Opposition wird es aber vermutlich noch viele Jahre rot/grün geben. Ich sehe die SPD aber auch deutlich aktiver in den Ortsvereinen etc.
Sie war stets bemüht…
Links anne Ruhr (20.08.2014)…
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