SPD: „Tritt ein und stimm ab“

Christian Soeder Foto: Privat

Deutschland steht am politischen Scheideweg. Es geht darum, ob unser Land eine weitere Große Koalition bekommt, die in Wahrheit ja gar keine „Große“ Koalition mehr sein würde, da die Volksparteien CDU, CSU und SPD im Parlament nur noch auf mickrige 53 Prozent kommen. Oder ob es dauerhaft belgische Verhältnisse mit einer geschäftsführenden Bundesregierung gibt, möglicherweise mit einer Übergangsphase einer Minderheitsregierung und dann irgendwann eine Neuwahl. Die SPD macht sich diese Entscheidung nicht leicht und wird darüber alle Mitglieder abstimmen lassen. Von unserem Gastautor Christian Soeder.

Wir müssen gar nicht in epischer Breite über die strategischen Fehlleistungen sprechen, die der SPD-Parteivorstand nach der Bundestagswahl sich geleistet hat. Es ist schon genug darüber geschrieben worden, dass nach dem Jamaika-Aus die zweite Absage an eine Neuauflage der Großen Koalition durch den SPD-Parteivorstand ein Fehler war. Oder dass die Kommunikation des Vorsitzenden, der zwischendurch gar nichts anstrebte, mit „durchwachsen“ noch freundlich umschrieben war. Das ist Vergangenheit, es zu beklagen bringt nichts.

Es geht nun aber um die Zukunft, und es geht um viel. Am Sonntag hat der SPD-Parteitag mit knapper Mehrheit den Weg freigemacht für Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU, unter Auflagen. Die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles hat die entscheidende Rede gehalten, die notwendig war, um den Parteitag mitzureißen. Die Jusos haben sich ihre Meriten verdient, indem sie ihre validen Argumente gegen eine neue „GroKo“ darlegen konnten, insbesonde der Vorsitzende Kevin Kühnert konnte sich durch seine besonnene Rede für künftige, höhere Aufgaben empfehlen.

Das Verhandlungsteam wird den Auftrag des Parteitags mitnehmen und hart verhandeln. Falls am Ende ein Koalitionsvertrag steht, wird er den SPD-Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt werden. Ich weiß heute noch nicht, was im Koalitionsvertrag stehen wird, deshalb kann und will ich heute auch noch keine Empfehlung zur Abstimmung abgeben. Klar ist aber: Die SPD macht sich auf den Weg, eine moderne Mitgliederpartei zu werden.

Das heißt auch, dass die Abstimmung über den Koalitionsvertrag, wie auch immer sie ausgeht, nicht das Ende der Fahnenstange ist. Die SPD will die Fenster weit aufmachen und frische Luft reinlassen. Und das klappt am besten mit neuen Mitgliedern, egal wie alt, egal welches Geschlecht, egal welche Religion. Das Ringen um die Zukunft der SPD beginnt nämlich jetzt. Verschiedene Konzepte, was die SPD leisten und wie sie sein soll, liegen auf dem Tisch. Manche stellen sich eine moderne Großstadtpartei vor, andere wollen die Renaissance der Kümmererpartei. Entschieden ist nichts.

Wer in die SPD eintritt, übernimmt damit Verantwortung. Aber man erhält damit auch ein Privileg: Man bekommt die Möglichkeit, die Zukunft Deutschlands und die Zukunft der EU mitzugestalten. Die eine mehr, der andere weniger, klar. Aber an entscheidenden Punkten wie jetzt bei der Abstimmung über den Koalitionsvertrag ist der Unterschied zu den anderen demokratischen Parteien klar: In der SPD kann man mitentscheiden, denn die SPD vertraut auf die Klugheit und das Verantwortungsbewusstsein ihrer Mitglieder.

Also: Tritt ein und stimm ab.
https://mitgliedwerden.spd.de/

Christian Soeder lebt in Mannheim, arbeitet im Bereich Online-Kommunikation und ist Mitglied der Medien- und Netzpolitischen Kommission beim SPD-Parteivorstand.

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Sara
Sara
6 Jahre zuvor

Darf man dann überhaupt abstimmen? Oder muss man schon eine gewisse Zeit in der Partei gewesen sein?

Arnold Voss
6 Jahre zuvor

Gute Frage. Der SPD Vorstand hat sich für eine Stichtagsregelung entschieden. Ein Datum gibt es aber noch nicht.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Parteiengesetz?

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Also,
wer über eine SPD-Mitgliedschaft nachdenkt:

Schnellsten Eintreten, denn einen rückwirkenden Stichtag wird es m.E. nicht geben können.
Aber "man weiß ett ja nicht". "Mein" Parteivorstand scheint vor dem Basis-Votum so viel Angst zu haben, daß er vor nichts zurückzuschrecken scheint.

Der Parteivorstand ist ganz alleine für dieses offenkundig von ihm so wahrgenommene Dilemma mit einer denkbar nur auf Zeit angelegten Mitgliedschaft verantwortlich. Man muß nicht, wie der Gastautor m.E. zutreffend feststellt, weiterhin und in empirischer Breite über "strategische Fehler" des Parteivorstandes reden, aber man darf feststellen, daß diese strategischen Fehler die SPD in eine politische Lage gebracht haben, die chaotisch wirkt, um nicht zu sagen, die "meine" Partei zu einer "Lachnummer" macht -und das gilt auch, aber für mich gar nicht 'mal in erster Linie dem parteiinternen Getöse über Neumitgliedern und deren Rechte.

Wie sieht diesbezüglich die Rechtslage aus? Gibt es dazu möglicherweise eine einschlägige Rechtsprechung? Im Moment weiß ich dazu nur Oberflächliches zu sagen.

Danach erscheint mir die "Einschränkung des Sttimmrechtes" eines formal korrekt aufgenommen neuen Mitgliedes -geschieht grundsätzlich per Beschluß des Vorstandes des Ortsvereine/ des Stadtverbandes- zumindest "auf den ersten Blick" -sh. § 10 (2) Parteiengesetz- juristisch nicht unproblematisch zu sein.

(Eine zeitliche befristete Aufnahmesperre, falls auch daran gedacht worden sein sollte, wäre gem.§ 10 (1) Parteingesetz zweifelsohne unzulässig..)

(Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme besteht nicht. Gem. §1o (1) entscheiden die zuständige Parteiorgane frei über die Aufnahme von Mitgliedern. Die Ablehnung muß nicht begründet werden.)

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Helmut,
ich habe Deine Frage erst gelesen, nachdem ich meinen Beitrag -4- versandt hatte.
Danach erscheint auch mir die Frage "Parteiengesetz" naheliegend zu sein.

Sara
Sara
6 Jahre zuvor

Ich bin nämlich durchaus am Überlegen einzutreten, da ich der CDU näher bin würde ich dann natürlich für eine Koalition stimmen. Aber der SPD einfach so Geld überweisen möchte ich nicht.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

@Sara, vielleicht sind ja all die SPD-Mitglieder, die pro Groko stimmen werden, auch genau wie Sie der CDU näher, und sogar bereit,dafür ihren Beitrag zu zahlen. Hab ich sowieso schon mal gedacht.
Die sind ja enger zusammen, als die CSU und die CDU. Zwischen diesen beiden Parteien gibt es nämlich oft Streit, während die SPD höchstens mal eine unliebsame Jugendorganisation oder Teile davon rausgeschmissen hat. Meist war dann wieder Ruhe in der Partei. Zwei Studentenorganisationen und auch Jusogruppen mußten raus.

Ke
Ke
6 Jahre zuvor

Ich habe die vielen Zeilen gelesen, bin aber noch auf der Suche nach dem Grund, warum ich in diese "moderne Mitgliederpartei" eintreten soll.

Wie wäre es mal mit konkreten Aussagen?

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

@KE (8), wer über mögliche Neuwahlen, oder eine weitere Groko mitentscheiden möchte, kann das zur Zeit nirgendwo besser als in der SPD. Keine andere Partei bietet diese Chance. Das ist ein Hauch direkter Demokratie. (Falls der Parteivorstand sich an den Mitgliederbeschluß hält)

ke
ke
6 Jahre zuvor

@9:
SPD und direkte Demokratie? Die 100% Partei 🙂 Die ihren 100% Chef dann sofort wieder loswerden möchte.

Direkte Demokratie ist klasse. Aber nicht als Light Version.

Paul Kaminski
Paul Kaminski
6 Jahre zuvor

Ich bin schon vor einer Woche eingetreten und werde natürlich mit NEIN stimmen. Eine bessere Chance Fr. Merkel von der Macht, die sie schon so oft missbraucht hat, fernzuhalten, wird es nicht mehr geben. Für die SPD gibt es in dieser Konstellation nichts zu gewinnen, die Durchsetzung von Mindestlohn und Rente mit 63 hat ihr ein Minus von 6% beschert. Die SPD und Schulze stehen nur deshalb so schlecht da, weil sie nicht bei ihrem Nein geblieben sind. Merkel könnte schon Geschichte sein, bzw. endlich unter parlamentarischer Kontrolle durch eine Minderheitsregierung – da kommt Steinmeier und hebt diese politisch Untote wieder aufs Parkett. Wahnsinn !

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Paul,
und das ist gut so, sage ich als "Altgenosse".
Ganz, ganz wichtig ist es, daß "man" auch als "Neuer" in der SPDalles versucht, andere Parteimitglieder davon zu überzeugen, mit NEIN zustimmen. Ich versuche das jeden Tag.

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