SPD-Wahlkampf: „Wenn es klopft, könnte ein Sozialdemokrat vor der Tür stehen“

Olaf Scholz 2021 beim Wahlkampfauftakt der SPD in Bochum (Foto: Roland W. Waniek)

Bullshit Jobs nannte Anthropologe und Publizist David Graeber Beschäftigungen, die vollkommen sinnlos sind. Wahlkampf für die SPD zu machen, könnte eine dieser Tätigkeiten sein: Die von der SPD geführte Ampel-Koalition ist auseinandergebrochen und galt als schlechteste und unbeliebteste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik. Bundeskanzler Olaf Scholz, der designierte Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl am 23. Februar, liegt im Ranking der beliebtesten Politiker nicht nur hinter Stars wie seinem Parteifreund, dem Verteidigungsminister Boris Pistorius, dem Kanzlerkandidaten der Union, Friedrich Merz, Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne), sondern sogar hinter Alice Weidel (AfD), Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Nancy Faeser (SPD). Für einen Bundeskanzler eine außergewöhnliche Leistung.

Die SPD dümpelt in den Umfragen wie schon vor fünf Jahren wieder um die 15 Prozent. Nur 2021 war das anders, und das lag nicht an den Sozialdemokraten, schreibt Eckart Lohse in seinem Buch „Die Täuschung: Angela Merkel und ihre Deutschen“: „Hätte die SPD ihren Vorrat an kanzlertauglichem Führungspersonal nicht komplett verschlissen, wäre der in der Partei lange unbeliebte Scholz kaum zum Kanzlerkandidaten geworden. Und hätte die Union unter Führung des bayerischen Ministerpräsidenten Söder die Aussichten auf einen Wahlsieg ihres Kandidaten Armin Laschet nicht selbst systematisch torpediert, wäre Scholz kaum Kanzler geworden.“ Olaf Scholz sähe das allerdings anders: „Mit der ihm eigenen Fähigkeit zur Autosuggestion hat der Sozialdemokrat seinen Sieg jedoch als Produkt seiner Fähigkeiten und seines Wahlkampfes dargestellt.“

Die Fähigkeit zur Autosuggestion hat sich die SPD erhalten. Deutlich wird das in einer Wahlkampf-Präsentation, die sich an die Bundestagskandidaten richtet.

Unter dem Motto „Aufschwung für alle“ fordern die Sozialdemokraten einen aktiven Staat, versprechen stabile Renten und günstige Energie durch den Ausbau der Erneuerbaren und Respekt für Leistungsträger.

Folgt man dem Deutschlandtrend der ARD, sind die wichtigsten Themen für die Bürger Migration (48 Prozent), Wirtschaft (20 Prozent) und gleichauf auf dem dritten Platz soziale Ungerechtigkeit und Klimaschutz (zwölf Prozent). Mit ihrem Beharren auf Erneuerbaren Energien und Anti-Atomkraft Parolen zeigt die SPD, dass sie ein Anhängsel der Grünen ist. Auch das kein Bonus in der Zeit nach dem Ende der grün-woken Hegemonie. Und wirtschaftliche Kompetenz vermutet ohnehin kaum jemand bei den Roten.

Besonders gut passen die Themen der SPD und die der Bürger nicht zusammen. Dass die Genossen der Union unterstellen, sie wolle die Rente ab 70 einführen, deutet an, dass es ein harter Wahlkampf wird, bei dem auch die demokratischen Parteien auf Fake-News setzen. CDU-Chef Friedrich Merz sagte schon im August: „Es wird weder im Wahlprogramm noch in einem möglichen Koalitionsvertrag mit uns eine Rente mit 70 geben.“

Ihr größtes Potenzial sieht die SPD bei den Merz-Skeptikern. Das ist sicher nicht falsch. Merz ist kein Sympathieträger, das Land liegt ihm nicht zu Füßen. Doch dass sein Gegenspieler bei der SPD heißt auch nicht Günther Jauch, sondern Olaf Scholz. Und obwohl der Unmut über Scholz auf den billigen Plätzen der SPD größer wird, stehen seine Chancen bislang gut, am 30. November auf der „Wahlsiegkonferenz“ der SPD auch offiziell zum Spitzenkandidaten ernannt zu werden.

Der Wahlkampf wird kurz und kalt. Im Januar und Februar macht es Sinn, nicht unbedacht die Tür zu öffnen, wenn es klopft, denn es könnte ein Sozialdemokrat im Flur stehen. Die Genossen wollen einen Haustürwahlkampf machen und erhoffen sich davon ein Plus von fünf Prozentpunkten.

Aber natürlich haben auch die Sozialdemokraten mittlerweile das Internet für sich entdeckt. Mehr noch, sie wollen „zurückgewinnen“, gerade so, als ob es einmal in ihrem Besitz gewesen wäre. Das ist niedlich, keine Frage. Die Zentrale bietet den Kandidaten für ihren Online-Wahlkampf zudem eine eigene Plattform an, mit der sie effizient digital werben können. Da das von der SPD genutzte Tool auch von den US-Demokraten eingesetzt wurde, wird es den CDU-Wahlkämpfern kaum den Nachtschlaf kosten. Für die Kandidaten, die es nutzen, ist es allerdings kein preiswertes Vergnügen:
Die SPD stürzt sich mit Drolligkeit, Pathos und dem Mut des Verzweifelten in den Wahlkampf. Am 23. Februar werden wir wissen, ob sich die Mühen gelohnt haben.

 

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