Eine rot-grüne Landtagsmehrheit ist nicht das wahrscheinlichste Ergebnis der Landtagswahl in NRW am kommenden Sonntag. Es ist allerdings das einzige Ergebnis, dass die SPD nicht in eine Krise stürzen würde.
„Wer zwischen Baum und Borke steckt, sitzt fest und weiß nicht, wie er sich zwischen zwei Alternativen entscheiden soll. Er ist eingeklemmt“, beschreibt Wissen.de das bekannte Bild. Die beiden Alternativen zwischen denen sich die SPD wahrscheinlich ab kommenden Sonntag um 18.00 Uhr entscheiden muss sind eine große und eine rot-rot-grüne-Koalition.
Erstere wäre unter der Führung von Kraft kein Problem, aber die Union lag bislang bei allen Umfragen vor der SPD. Ein Eintritt in eine Koalition unter Rüttgers Führung würde die SPD zerreißen. Das liegt nicht unbedingt an den Inhalten: NRW würde die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke verlängern, eine umfassende Schulreform der wird eher mit der Union als gegen sie durchzusetzen sein und im Bereich der Industrie- und Sozialpolitik sind sich Union und SPD programmatisch näher als das Wahlkampfgeschrei vermuten lässt. Aber wie würden die Parteimitglieder und die Wähler auf eine solche Koalition reagieren? Die SPD als Juniorpartner der CDU in ihrem einstigen Stammland – das im Alltag zu rechtfertigen, dafür gerade zu stehen in der Kneipe, am Arbeitsplatz und im Verein würde viele schwerfallen.
Rot-Rot-Grün.
Für die SPD ist es von entscheidender Bedeutung, dass Rot-Rot-Grün eine realistische Option wird. Auch wenn das Ergebnis der Bundestagswahl noch einmal eine klassische Zweierkoalition ermöglichte, werden solche Koalitionen seltener werden. Zumal mit einer SPD, die tendenziell deutlich kleiner ist als die Union. Doch damit das gelingt brauch es Erfolgsbeispiele. NRW war immer ein gutes Muster für künftige Koalitionen im Bund. Ob SPD/FDP, SPD,Grüne oder CDU/FDP – wer das große NRW regierte, dem traute man auch zu, die Bundesrepublik zu regieren.
Mit der Linkspartei wird das nicht nur inhaltlich schwierig. Bis auf Rüdiger Sagel wird die Fraktion aus Anfängern bestehen. Ein Problem. Die Grünen brauchten lange, bis sie in NRW zu einem zuverlässigen Koalitionspartner wurden, der die Angriffe der SPD ohne Hysterie abwehren und geschickt seine Positionen durchsetzen konnte. Der größte Erfolg der Grünen war das Düsseldorfer Signal, ein mit der SPD beschlossenes Modernisierungsprogramm für NRW, bei dem der Koch grün und der Kellner rot war. Die Linkspartei wird, erst einmal in der Regierung, auch das Schlucken von Kröten lernen – siehe Berlin – aber das wird dauern. Sonderparteitage, Mitgliederbefragungen und innerparteiliche Richtungskämpfe der Linkspartei werden es der SPD schwer machen, Rot-Rot-Grün als Zukunftsmodell zu verkaufen. Es ist zu früh für diese Koalition, die Linkspartei im Westen ist ganz praktisch gesehen nicht regierungsfähig. Viele in der konservativen SPD in NRW werden Rot-Rot-Grün nicht aushalten.
Der Streit um den Weg der SPD nach dem 9. Mai ist in der Partei schon ausgebrochen. Die Flügel kämpfen um die Vorherrschaft. Kein gutes Zeichen, denn eine Partei ist nur stark, wenn sich ihre Flügel über den Kurs halbwegs einig sind. Egal wie es am Sonntag ausgeht – für die SPD wird wahrscheinlich eine schwere Zeit anbrechen.
Angenommen, lieber Herr Laurin, Ihre Analyse ist richtig, was ich zunächst mal so bejahe.
Was folgert dann daraus? – Ergebnis:
Eine große Koalition!
Ich persönlich halte das unter der Vorraussetzung Ihrer Analyse für die einzig logische Konsequenz.
Ich halte das auf Grundlage der jetzt aktuellen Wahlumfragen sogar für das zwangsläufig eintretende Ereignis, sozusagen eine Selffullfilling Prophecy de facto.
Ja, das wird allerdings spannend! Nur muss man dazu sagen, dass ebenfalls harte Zeiten für die CDU anstehen, die ja, zumindest den Umfragen zufolge, mit hohen Verlusten rechnen muss. Zudem stehen eventuelle Strafzahlungen für die CDU an… daher kann ich mir eine große Koalition auch nicht vorstellen.
Welchen Einfluss hätte eine grosse Koalition auf die bisherige Bundesratsmehrheit von Schwarz/Gelb ?
@Bert: Die wäre dann weg…
Was mich als Grünen-Wähler bei der Option rot-rot-grün immer stört ist die Selbstverständlichkeit, mit der allseits die Grünen mitgerechnet werden. So wie hier auch wird gross diskutiert, ob die SPD nun mit den Linken kann oder nicht, aber über die Grünen stellt kaum jemand diese Frage. Meinem Eindruck nach ist die Linke in NRW zu links und Teile der Grünen in NRW sind zu bürgerlich, als dass beide gut zusammenpassen würden.
Ich werde grün wählen mit der Hoffnung auf rot-grün und notfalls der Akzeptanz von schwarz-grün. Bei rot-rot-grün würde ich mir aber beim nächsten mal eine neue politische Heimat suchen (das bliebe mir bei einer Grossen Koalition immerhin erspart…)
Ich bin vor einem Jahr in die SPD eingetreten, weil ich es nicht einsehe, als Steuerzahler die Spielschulden von triebhaften Bänkern und ex-McKinseys zu zahlen.
Merkel und Schäuble haben gestern beschlossen, dass wir mit 22 Milliarden in Haftung gehen für Hypo Real Estate, Deutsche Bank und WestLB.
Ich glaube, es hackt. Und ich hoffe, dass noch mehr Wähler in NRW so denken. Wenn ich mir die Foren so anschaue, dann haben selbst hartgesottene CDU-Wähler die Backen dicke.
Rüttgers wird nicht der Denkzettel für die Bundes-CDU. Es wird umgekehrt: Rüttgers wird einen Denkzettel von Hunderttausenden CDU-Wählern bekommen. Repräsentativ wird er den für die Bundeskanzlerin entgegen nehmen. Und danach wird es in der CDU rappeln.
@Frank: Das Verhältnis der SPD zu den Meckies war noch im vergangenem Jahr gut:
https://www.ruhrbarone.de/markus-klimmer-von-bochum-2015-zu-steinmeiers-wirtschafts-berater/
🙂
@Andi:
Ich denke nicht, dass, wer politisch „alle Tassen im Schrank“ hat, die Grünen automatisch einer rot-rot-grünen Option zurechnet. Ganz im Gegenteil: Erstens sehen Teile der Grünen ihre Chance als Funktionspartei die FDP abzulösen, wie es schon in Hamburg und im Saarland vorgemacht wurde. Zweitens ist die NRW-SPD immer noch in der Post-Schröder-Clement Krise. Die Hoffnung vieler Sozialdemokraten nährt sich von der Schwäche der CDU. Die SPD-Rechte wird rot-rot-grün nicht zulassen, aber auch kein rot-schwarz bekommen. Da wäre die CDU ja bekloppt, diese Option zu erwägen, da sie doch frisches Blut bei den Grünen saugen kann.
@Stefan: Ich finde deinen Artikel sehr gut, denke allerdings, dass die SPD schon längst in die Krise gestürzt ist (s.o.). Die Linken sehe ich zur Zeit so: Der Sagel ist natürlich mit seiner Erfahrung ein guter Mann, aber Zimmermann verfügt als Personalrat über politisches Handwerkszeug, ebenso Beuermann. Das Problem sind die vielen Neulinge, die ohne Erfahrung in der Politik sitzen und dazu oft noch selber Hartz IV beziehen und so mehr mit dem eigenen Überleben beschäftigt sind, als dass sie politische Konzepte entwickeln bzw. den Wählerauftrag erfüllen könnten.
In NRW scheinen sich alle Parteien bis auf die Grünen in der Krise zu befinden, aber die werden irgendwann auch noch von ihren „Leichen im Keller“ eingeholt.
Ansonsten bin ich froh, schon gewählt zu haben 😉
@Stefan: Ja, habe ich nicht vergessen. Da geht einem der Hut(h) noch nachträglich hoch. War ein Fehler.
In mehr als der Hälfte der Konzerne in Schwierigkeiten, die vom Steuerzahler alimentiert werden sollen, ist ein Ex-McKinsey am Ruder. Die sind mit Sicherheit Teil des Problems und nicht der Lösung.