57 Veranstaltungen mit 33.668 Besuchern, das sind 590 Besucher im Schnitt – wirtschaftlich steht die Kirche der Kulturen gut da. Ihre öffentliche Botschaft: gegen Terror, für Demokratie.
Die Corona-Delle noch nicht geglättet, aber herangearbeitet an die Zahlen, die vor der Pandemie galten: Mit 57 Veranstaltungen in der Spielzeit 2023/24 hat die Christuskirche Bochum 75 Prozent ihrer vor Corona üblichen Veranstaltungsdichte erreicht und mit 33.668 Besuchern ihr Ergebnis aus 2018/19 sogar leicht übertroffen. Als Spielzeit gelten die Monate von September bis Ende Mai.
Die Besuchszahl je Veranstaltung lag somit bei 590 Besuchern im Schnitt, die durchschnittliche Auslastung – gemessen an der Maximal-Kapazität von 853 Sitzplätzen – bei knapp 70 Prozent. Bemisst man die Auslastung an den jeweils tatsächlich verfügbaren Tickets – deren Zahl ist abhängig von Bühnenaufbau und anderen Faktoren – rückt sie der 80 Prozent-Marke entgegen.
Der Resonanzradius der Christuskirche reicht weit über die Stadt hinaus. Ein gutes Drittel der Tickets wurde nach Bochum verkauft, ein zweites Drittel in die umliegenden Städte des Ruhrgebiets, das restliche Drittel landesweit und darüber hinaus. Bei 9 der 57 Veranstaltungen – größtenteils Konzerte – trat die Christuskirche Bochum als alleiniger Veranstalter auf, bei den anderen 48 Abenden als Mitveranstalter; reine Überlassungen gab und gibt es keine.
Ästhetisch hat sich das Programm weit gefächert, es übergreift Genres, die so gut wie nie unter einem Dach zusammenkommen: Vokalmusik wie die von Chorwerk Ruhr steht neben Popmusik wie der von Frida Gold, der Jazz von Michael Wollny neben Dark Wave von Lebanon Hanover, Chris Hopkins‘ Swing neben den Liedern von Konstantin Wecker usw. Die ästhetische Vielfalt ist theologisch begründet: „Gute Konzerte sind Gottesdienste. Jedes Konzert kann gut werden“ lautet der Leitsatz für die Kirche der Kulturen, er hat einen baulichen Hintergrund: Der Kirchenraum erfüllt sämtliche Auflagen der Versammlungsstätten-Verordnung (SonderBauVO NRW), ist aber weiterhin ein dem Gottesdienst gewidmeter Raum in Trägerschaft des Evangelischen Kirchenkreises Bochum.
Der Architektur-Kritik gilt dieser Sakralraum schon lange als ikonisch und das Ensemble aus kriegsversehrtem Turm (1878) und modernem Kirchenschiff (1956-59; Arch. Dieter Oesterlen) als europäisches Denkmal gegen Gewalt. Künstler suchen diesen Ort, weil er ihnen einen Bedeutungsraum erschließt, in dem sich ihre Musik entfalten kann.
Wirtschaftlich hat sich die Christuskirche nach der Corona-Krise und dem wilden Neustart 2022/23 aus eigener Kraft konsolidiert. Bei einem knapp siebenstelligen Gesamt-Umsatz, den verschiedene Akteure in der Spielzeit 2023/24 in der Kirche der Kulturen erwirtschaftet haben, arbeitet die Christuskirche selber kostendeckend und nahezu fördermittelfrei (der Anteil öffentlicher Fördermittel am Umsatz liegt bei etwa 0,6 %):
Rechnet man – wie es kirchlich üblich ist – die reinen Veranstaltungskosten (Honorare für Künstler, Techniker, Küche, Security, Reinigung, Transporte, Grafik, Distribution usw., dazu Sachkosten für Ton- und Lichttechnik, Vorverkauf, Werbung, Hotel usf.) gegen die veranstaltungsbezogenen Einnahmen (Ticket- und Getränkeverkäufe, private Spendenerlöse und öffentliche Fördermittel), dann haben die 57 Veranstaltungen der jüngsten Spielzeit einen Netto-Gewinn in Höhe von 118.304,51 € erzielt. Mit dieser Summe lassen sich – über sämtliche Veranstaltungskosten hinaus – auch alle Gebäude-, Verwaltungs- und sonstigen Nebenkosten abdecken, die Christuskirche „nullt“.
Die einzige Personalstelle – eine permanent neu befristete Pfarrstelle – wird von der westfälischen Landeskirche finanziert. Alle anderen Mitarbeiter des Teams sind freiberuflich tätig oder arbeiten ehrenamtlich – so wie es zwei Initiativen von Ukrainern in Bochum tun, das Blau-Gelbe Kreuz und Turbota, die das Programm der Christuskirche mit ihren eigenen Präsentationen begleiten und es auf diese Weise kontextualisieren: In der Christuskirche beginnt der Platz des europäischen Versprechens. Für die ukrainischen Initiativen konnten die Spielzeit hindurch am Getränkestand in der Christuskirche gesamt 16.265,95 € an Spenden eingeworben werden.
Das Beispiel zeigt, was alle Zahlen erzählen: dass die Bochumer Kirche für ein öffentliches Bekenntnis steht. Gegen Terror, für Demokratie. Seit Jahren bereits hat sich die Christuskirche Bochum als Konzertort und -veranstalter eindeutig und weithin erkennbar gegen BDS gestellt, gegen jene Boykott- und Hetzkampagne, die vom Deutschen Bundestag, dem Landtag NRW sowie dem Rat der Stadt Bochum als antisemitisch gewertet wird. BDS – das Kürzel steht für Boykott, De-Investition, Sanktion – ist gerade im Kultursektor überaus aktiv und wohlgelitten, europaweit steht jeder Kulturveranstalter vor der Wahl, sich gegen eine Flut von Judenhass zu stemmen oder mitzuschwimmen in ihr. Wer in der Christuskirche auftritt, weiß, wo er spielt.
Allerdings hat sich die schrille BDS-Agitation zuletzt vor allem als „stiller Boykott“ etabliert, (pro-) israelische und (pro-) jüdische Künstler werden oftmals bereits im Vorfeld, im kuratorischen Bereich, aussortiert. Ob ein solch stiller Boykott auch die Christuskirche betrifft und manche Künstler sie gar nicht erst anfragen oder Anfragen der Christuskirche still abgeschlagen werden, lässt sich verlässlich nicht sagen.
Wohl aber, wo die stehen, die – eine solide fünfstellige Zahl – den Newsletter der Christuskirche beziehen: Nach den barbarischen Massakern der Hamas an israelischen Konzertgängern haben wir – „es gibt hier kein ‚Ja, aber‘“ – ihnen allen offeriert, „wer noch Verständnis aufbringt für BDS-Hamas, kann gerne zuhause bleiben; bereits gekaufte Tickets können mit dem Vermerk ‚Ja, aber‘ zurückgetauscht werden.“
Es kamen zwei Tickets zurück