Der ZDF Fernsehrat hat seit einer Woche ein neues Mitglied, den altgedienten SPD-Genossen und ehemaligen Minister Thomas Oppermann. Das finden nicht alle gut, denn erst im März diesen Jahres stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Sicherung der Meinungsvielfalt ein Gut ist, das im Rahmen des Grundgesetzes besonderen Schutz geniesst. Dies gilt auch für die öffentlich-rechtlichen Sender – ergo für den ZDF-Rundfunkrat.
Daher haben sich die Karlsruher Richter Gedanken gemacht und festgestellt, dass im Aufsichtsgremium des Zweiten Deutschen Fernsehens zu viele Vertreter von Staat und Parteien sitzen. Das Urteil, das im März 2014 gefällt wurde, hat der Politik aus guten Grund verordnet, die Staatsferne in den Öffentlich-Rechtlichen ausreichend zu gewährleisten. Denn die Möglichkeit politisch Einfluss auf Medien zu nehmen, ist mit Meinungsvielfalt nicht gemeint. Also eine gute Idee des Gerichtes, die Pluralität der Meinungen im Fernsehen zu erhalten – nur hindert die SPD das Urteil der obersten Verfassungshüter leider nicht daran, einmal mehr einen Politiker statt eines unabhängigen Fachmannes in das mächtige Fernsehgremium zu schicken. Die Politik hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht.
Von 77 Mitglieder sind 45,4 % entweder Vertreter von Bund und Ländern oder Mitglieder von Parteien, dazu kommen 27,3 % Vertreter von Verbänden und 20,8 % von verschiedenen Berufsgruppen. Die Zahlen zeigen, warum das Urteil fordert, Staatsferne in den Öffentlich-Rechtlichen herzustellen. Rheinland-Pfalz und Hamburg hatten gegen verschiedenen Regelungen des Rundfunkvertrages geklagt. Die Proporz-Regelung der bisher 44% staatsnahen Mitglieder muss ab 2015 auf ein Drittel gesenkt werden – denn diese Regelung des ZDF-Staatsvertrags hält das Gericht für verfassungswidrig. Daher enttäuscht es, dass die SPD mit dem Juristen Thomas Oppermann einen ausgewiesenen Nicht-Medienfachmann los schickt. Auch politische Unabhängigkeit oder Staatsferne möchte man dem SPD-Fraktionschef nicht unterstellen.
Das wirft einmal mehr die Frage auf, ob es überhaupt Sinn macht, dass Vertreter aus Politik im Fernsehrat sitzen und immer mehr fragen sich, was genau die Konstruktion des Gremiums für die Meinungsvielfalt und die Freiheit des Journalismus bedeutet? Wer sich ein wirklich unabhängiges Fernsehen wünscht, wird das kritisch sehen. Und viele Gebührenzahler sehen als Legitimation der verpflichtenden GEZ-Gebühren eine freie öffentlich-rechtliche Berichterstattung an, die jenseits privatwirtschaftlicher Bedingungen funktioniert, denen private Fernseh- und Rundfunksender unterliegen. Kurz gesagt: Ein vielfältiger Journalismus, der unabhängig von Einschaltquoten zwischen den Werbeblöcken ist.
Zu Vielfalt gehört aber auch die Minderheitenmeinung dazu und selbst „special-interest“-Themen möchten vermutlich die wenigsten im Fernsehprogramm vermissen. Das sieht das Grundrecht der Rundfunkfreiheit im Grundgesetz unter Art. 5 Abs. 1 Satz 2 auch so vor – es regelt die Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und verlangt den Grundsatz der Vielfaltsicherung, aber auch eine konsequente Begrenzung des Anteils staatlicher und staatsnaher Mitglieder in den Aufsichtsgremien – also auch von Politikern. Vertreter aus Parteien, wie zum Beispiel Landtags- und Europaabgeordnete und Minister a.D. finden sich aber nicht nur unter den Landesvertretern, sondern zusätzlich auch „versteckt“ beispielsweise im Kessel Buntes, in der Rubrik „Vertreter aus den Bereichen des Erziehungs- und Bildungswesens, der Wissenschaft, der Kunst, der Kultur, der Filmwirtschaft, der Freien Berufe, der Familienarbeit, des Kinderschutzes, der Jugendarbeit, des Verbraucherschutzes und des Tierschutzes“.
Das widerspricht eindeutig dem Urteil, dass nicht nur vorsieht, dass der Anteil staatsnaher Mitglieder gesenkt werden muss, sondern auch, dass alle weiteren Mitglieder konsequent staatsfern sein sollen. Wie staatsfern aber ist ein Europaabgeordneter? Hinzu kommt, dass die Vertreter der Exekutive auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben dürfen – aber wie will man das gewährleisten? Auch der wichtige Verwaltungsrat ist fast zur Hälfte politisch besetzt – was in der Vergangenheit zu Streit bei der Besetzung der Intendantenposten geführt hatte, denn es wurde unbestritten versucht, politisch Einfluss zu gewinnen. Die Behauptung mancher, es werde durch den Rat kein Einfluss auf die konkrete Programmgestaltung genommen, zieht also nicht. Spätestens bei der Intendantenwahl geht es sehr konkret um das Fernsehprogramm. Der Intendant leitet nicht nur die Geschäfte des ZDF, sondern ist explizit für die Programmgestaltung verantwortlich!
Eine weitere Ohrfeige des Gerichtes gab es für die so genannten „Freundeskreise“, eine parallel geschaffene informelle Kommunikationsstruktur, die unter direkten parteipolitischen Einfluss steht. Die Verfassungsrichter meinen dazu im Klartext: „Damit die staatlichen und staatsnahen Mitglieder über derartige informelle Gremien, deren Arbeit als solche unmittelbar kaum geregelt werden kann, auch tatsächlich keinen übermäßigen Einfluss erhalten, ist ihr Anteil konsequent zu begrenzen.“ Deutlicher kann man es nicht sagen. Bis 30. Juni 2015 haben die Länder Zeit, um eine Neuregelung zu schaffen. Der Aufschlag mit Oppermann war ein schlechter Startschuss für ehrlich gemeinte Veränderungen. Der Wille zur drastischen Reduzierung des Einflusses von Politik erscheint spätestens jetzt unglaubwürdig, dadurch wird das Vertrauen in die Unabhängigkeit des ZDF geschmälert. Denn die Problematik des Einflusses auf die Medien, sei es durch Gremienbesetzungen, sei es durch Stiftungs-Finanzierungsmodellen wird gerade im Kontext des neuen NRW-Landesmediengesetzes heftig diskutiert. Mögliche Einschränkungen der Pressefreiheit bleiben ein sensibles Thema.
Das der Fernsehrat insgesamt verkleinert wird, tröstet die Kritiker nur wenig. Denn nicht allein die Menge, sondern die parteipolitische Verteilung irritiert. Ausgerechnet eine Minderheitenpartei, die aus dem Bundestag bereits verschwunden ist, hat aktuell mit Rainer Brüderle, Bundesminister a.D. und dem kürzlich hinzugekommenen FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner gleich zwei Plätze im mächtigen ZDF-Fernsehrat besetzt. Das passt nicht unbedingt zur liberalen Idee der Freiheit, zu der Meinungsvielfalt dazu gehört. Und diese Sitzverteilung macht deutlich, dass sich weder der Wählerwille in dem Gremium widerspiegelt, noch ein für die Fernsehzuschauer nachvollziehbarer Verteilungsschlüssel transparent dargestellt wird. Beispiel: Auch die beiden großen Volkskirchen, die ohne Frage deutlich mehr Mitglieder als die schrumpfende FDP haben, sind mit zwei Sitzen bedacht.
Für den ein oder anderen Marktliberalen, der die die Öffentlich-Rechtlichen ohnehin für überflüssig hält, hat das Bundesverfassungsgericht eine Antwort gefunden: Der Auftrag von ARD und ZDF beschränkt sich nicht allein auf eine Mindestversorgung, aber auch nicht auf ein reines „Ausfüllen von Lücken und Nischen“, sondern umfasst „die gesamte Breite des klassischen Rundfunkauftrags“. Wer neben Sex, Soaps und Superstars ein Programm haben möchte, das eine breite Menge interessiert und nicht allein marktwirtschaftlichen Interessen folgen muss, der wird die „alten Tanten ARD und ZDF“ nicht vom Bildschirm verbannen wollen. Freier Journalismus funktioniert nicht nach marktliberalen Grundsätzen. Jenseits von Blogs und anderen Medienformaten, die in der Regel nicht gewinnbringend – teilweise noch nicht einmal kostendeckend – arbeiten können, wird immer Geld kosten.
Ein Blick ins Fernsehprogramm reicht. Aufwendig produzierte Reportagen und Berichte, die Ergebnis investigativer und damit kostenintensiver Recherchen sind, möchten die meisten Zuschauer nicht missen. Special-Interest-Sendungen, die oft ganz hinten in der Rubrik „Unser Programm für Nachteulen“ platziert sind, während auf den privaten Kanälen längst das Sex and Crime-Programm läuft, haben im Sinne der Meinungsvielfalt eine wichtige Funktion. Auch ohne jemals Anwärter auf den Quotenthron zu sein. Daraus zieht das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Berechtigung, die die Politik nicht aus reinen Machtinteressen verspielen darf.
Klar ist aber auch: Ungesetzlich ist die Besetzung des Fernsehrates mit Oppermann keineswegs, aber die Entsendung eines unabhängigen und durch Medien-Fachwissen legitimierten Kandidaten hätte der SPD in Blick auf die Forderung der Verfassungsgerichtes nach Staatsferne gut zu Gesicht gestanden. Das richtungsweisende Urteil der Kollegen hätte dem ehemaligen Richter Oppermann nicht egal sein dürfen. Und da er Mitglied des Wahlausschusses für die vom Bundestag zu berufenden Richter des Bundesverfassungsgerichtes ist, hätte man besonders große Sensibilität im Umgang mit der Forderung einer Neuregelung des Bundesverfassungsgerichtes erwartet. Aber offenbar war „Macht sichern“ wichtiger, als „Meinungsvielfalt sichern“ und damit ein Wegbereiter der demokratischeren Regelung zu sein. Die SPD hätte nicht nur anders entscheiden müssen, um dem Urteil der Verfassungsrichter nachzukommen, sondern vor allem aus Respekt vor den Fernsehzuschauern, die das ZDF bisher noch ohne großes Murren mitfinanzieren: Denn sie wünschen sich Medienfreiheit statt Staatsfernsehen.
Wenn die Politik von Staatsferne redet, lügst Sie. Parteien wollen Macht, um ihre Ideen durchzusetzen – dafür sollten sie nach Regierungsbeteilungen streben und möglichst großen Fraktionen – da gehört politische Macht hin. In den Medien haben sie nichts zu suchen.
Als vor dreieinhalb Jahren der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrat Kurt Beck Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichte, reagierte er auf den Streit um die Nichtverlängerung des Vertrages des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender. Roland Koch, Ex-Ministerpräsident von Hessen hatte seinerzeit die christdemokratischen Kräfte im Fernsehrat hinter sich vereint, um Brender aus dem Amt zu kicken.
Schon damals ging es weder Kurt Beck noch der SPD darum, den politischen Einfluss auf den Sender zu verdrängen, sondern den öffentlich-rechtlichen Kuchen zwischen den beiden großen Parteien ausgewogener zu verteilen. Das jetzt ausgerechnet Thomas Oppermann in den Fernsehrat einzieht, mag zwar für Empörung sorgen, aber dürfte eigentlich niemanden verwundern, immerhin war Oppermann damals schon ein entschiedener Gegner des von den Grünen initiierten Versuchs einer Normenkontrollklage.
Kurt Beck ist mittlerweile Geschichte und die SPD Teil der großen Opposition. Der Traum von einer stärkeren Entpolitisierung des Fernsehrates und damit des ZDF dürfte somit trotz höchstrichterlichen Urteils in weite Ferne gerückt sein, zumal der sozialdemokratische Chor auf dem Lerchenberg von niemand geringerem dirigiert wird, als dem „Doktor trotz großer Bedenken“ und der weiß sehr genau, wie man heutzutage den politischen Einfluss auf Medien kurz und klein redet.
hier noch ein Link zur Rolle der SPD aus dem Spiegel von Dezember 2009:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/streit-um-zdf-chefredakteur-spd-will-wegen-brender-abwahl-nicht-klagen-a-664750.html
> Freier Journalismus funktioniert nicht nach marktliberalen Grundsätzen.
Das heißt, ein sehr großer Teil der Bevölkerung hat keinen Bedarf für diesen freien Journalismus. Der Begriff „freier Journalismus“ ist ein theoretisches Konstrukt, denn jeder Schreiber unterliegt Zwängen, und wenn es nur seine eigenen neurotischen Vorstellungen von der Bedeutung eines bestimmten Themas sind.
> Aufwendig produzierte Reportagen und Berichte, die Ergebnis investigativer und damit kostenintensiver Recherchen sind,
In den letzten Jahren sind die guten Reportagen in das Nachteulenprogramm verbannt oder durch Propaganda im Sinne von Parteien oder den ach so beliebten NGOs ersetzt worden.
> möchten die meisten Zuschauer nicht missen.
Wenn das tatsächlich die Mehrheit der Zuschauer sein sollte, dann könnte man ohne nennenswerte finanzielle Einbußen ARD und ZDF in Pay-TV Anbieter umwandeln; vielleicht müßte man dann auf überteuerte Sport- und Filmrechte verzichten, was qualitätsbewußte Zuschauer goutieren würden.
>Das richtungsweisende Urteil der Kollegen hätte dem ehemaligen Richter Oppermann nicht egal sein dürfen.
Das Urteil des BVerfG war nicht richtungsweisend, sondern feige, denn es dient dazu, den Einfluß der Parteien und den ihnen nahestehenden Gruppen in den Sendern zu zementieren. Vielleicht hat sich die Mehrheit der Richter daran erinnert, wer sie in ihr Amt gebracht hat? Jedenfalls braucht sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht zu sorgen, daß das BVerfG die Grundversorgung auf ein bezahlbares Maß zusammenstreicht.
Zum Glück gibt es die BBC. Die ist auch öffentlich finaziert und macht ein deutlich bessers Programm….mit deutlich weniger Geld….schaue ich immer wieder gerne…supernachrichten und tolle Magazine…eine Sendung wie „Top Gear“ sucht man hier in D. vergebens und dabei sind wir doch ein Nation von Autofahrern…und wenn mann die BBC Nachrichten mal schaut und sieht was sich dort Politiker an kritischen Fragen live gefallen lassen müssen der erkent in „Heute“ deutlich die reine Hofberichterstattung…hat sich was mit freiem Journalismus….
#4 ThomasB: Hier auf dem Blog wird ja gerade viel über den Freiheitsbegriff diskutiert. Im Kontext des Artikels meinte ich „frei“ allerdings nur im Sinne von „frei von politischen Einfluss“. Natürlich ist auch ein Journalist nicht völlig frei – zum Beispiel nicht von der Notwendigkeit von seiner Tätigkeit leben zu können. Das schränkt schon mal ein – und wiegt deutlich mehr als irgendwelche Selbstdarstellungswünsche.
Gute Reportagen und Spielfilme, die auch mal jenseits des Mainstream-TV produziert sind – auch für Frühaufsteher- gibt es noch bei arte. Und sogar das Genre Kurzfilm kommt zum Zug, das es sonst auch im Kino schwer hat. Ja ich weiss, das ist Minderheitenschutz. Und ja, wenn man überlegt, dass dieser öffentlich-rechtliche Sender einen Marktanteil von 0,9 Prozent beim Gesamtpublikum hat, müsste man nach Marktgesichtspunkten in jedem Fall akut die Existenzfrage stellen.
Doch ich glaube, dass selbst die unbestritten qualitätsbewußten arte-Zuschauer die Pay-TV-Variante eben nicht goutieren, sondern abschalten würden. Selbst wenn die Kosten bei den 17,98 Euro liegen würden, die einer GEZ-„Monatsgebühr“ entsprechen. Geiz ist geil. Dann müsste man als Befürworter der Abschaffung der öffentlichen Sender zumindest mit einem Verlust der Sender-Vielfalt leben. Für jemanden, der mit drei Programmen in Schwarz-Weiss aufgewachsen ist, allerdings eine ziemlich uncharmante Vorstellung …
Und ja, auch das stimmt: Mutig war die Entscheidung nicht und hat lediglich in einem ersten Schritt in die richtige Richtung gewiesen. Mutig wäre gewesen, konsequenterweise das ganze Modell zu hinterfragen und zu verändern, statt nur die Mitgliederanzahl zu reduzieren. Das ZDF würde auch ohne den Rundfunkrat überleben – ohne Anteil an den Milliarden Euro GEZ Gebühren nicht.
[…] Ulrike Maerkel ist enttäuscht, dass hier ein Politiker und kein Medienfachmann benannt wurde. Damit verschwinde […]