Das Beispiel Bochum zeigt: Die Kassen der Stadtwerke im Ruhrgebiet sind oft die Nebenhaushalte der Städte. Experten halten das für undemokratisch.
Der Chef der Bochumer Stadtwerke, Bernd Wilmert, wirkte betroffen, als er am Donnerstag vor den Rat der Stadt Bochum trat und sich zur Affäre um den Atrium-Talk, die üppigen Honorare für von bis zu 25.000 Euro für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und andere Prominente Redner wie Bundespräsident Joachim Gauck, FC-Bayern München Präsident Uli Hoeneß oder Schauspielerin Senta Berger äußerte: „Ich stehe auch hier, weil ich als Mensch tief betroffen bin. Es war immer unser bestreben, Schaden von den Stadtwerke abzuwenden. Das ist uns nicht gelungen. Es gab auch Versäumnisse von meiner Seite. Ich entschuldige mich in aller Form.“ Es habe Missverständnisse gegeben, nicht allen Teilnehmern sei klar vermittelt worden, dass das Honorar gespendet werden soll, entsprechende Vereinbahrungen waren mit dem Organisator des Promi-Auftriebs, der Hellen Medien Projekte GmbH nur mündlich getroffen worden. Mit einer Ausnahme: „Bei Hoeneß war die Spendenerwartung deutlich formuliert.“
Daran kann sich der Bayern Präsident auf Anfrage der Welt am Sonntag Zeitung nicht erinnern: „Es gab keine Verpflichtung von Seiten der Stadtwerke, mein Honorar zu spenden.“ Allerdings eine Verpflichtung der Stadtwerke durch Hoeneß: „Ich absolvieren zehn bis 15 Auftritte im Jahr und mache es zur Bedingung, dass meine Honorare gespendet werden.“ Sein Atrium-Talk-Honorar sei an die Kinderkrebsstation eines Münchener Krankenhauses gegangen.
Es war Hoeneß, der die Spende seines Honorars zur Bedingung machte, nicht die Stadtwerke Bochum.
Doch Wilmert legte im Rathhaus auch dar, wie gering die Summen, gut 160.000 Euro im Jahr, waren, welche die Stadtwerke für den Atrium-Talk gaben, vor allem im Vergleich zu ihren sonstigen Sponsoring Aktivitäten: 4,5 Millionen Euro, sagte Wilmert, flössen von den Stadtwerken an 173 Vereine, Schulen und Initiativen in Bochum.
Detlev Sack, Politik-Professor an der Uni-Bielefeld, sieht diese Großzügigkeit skeptisch: „Die Einnahmen der Stadtwerke müssen an die Städte fließen und nicht für Sponsoring oder eigene Projekte ausgegeben werden . Die Stadtwerke sollten die Leistungsfähigkeit der Kommunen stärken und darüber was mit dem Geld geschieht, müssen die Räte entscheiden.“
Wenn das Geld, wie im Fall Bochum, für Charity-Veranstaltungen ausgegeben werde, sei das, sagt Sack, mehr als nur peinlich, es sei auch auch undemokratisch.
Nicht nur die Stadtwerke Bochum zeigen sich großzügig. Zwar sind Promi-Shows wie der Atrium-Talk eine Bochumer Spezialität, über die in den anderen Stadtwerken nur mit dem Kopf geschüttelt wird, aber auch sie unterstützen, wo die Städte es sich nicht mehr leisten können. DSW21, die Stadtwerke der Stadt Dortmund, sieht sich verpflichtet, sich bei „sozialen Themen, kulturellen Aufgabenstellungen der Stadt, bei sportlichen Ereignissen und gesellschaftsrelevanten Aufgabenfeldern zu engagieren.“ Die Stadtwerke Essen veranstalten eine Amateur-Sport-Gala und unterstützen zahlreiche soziale und kulturelle Projekte. Auch der Fußballverein Rot-Weiss-Essen wird bedacht. Zurückhaltender sind da die Stadtwerke Duisburg. Ein Sprecher sagte dieser Zeitung, das Unternehmen bewerbe seine Marke Rheinpower mit dem MSV, aber das sei eine wirtschaftliche Entscheidung. Bei Sponsoring ist man in Duisburg sonst eher zurückhaltend. Politik und Unternehmensführung hätten sich darauf geeinigt, dass die Stadtwerke ihren Gewinn an die Stadt abführen.
Das ist auch nach Ansicht von Rainer Kambeck vom Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI der bessere Weg: „Gemessen am Umsatz der Stadtwerke Bochum sind Honorarzahlungen in Höhe 25.000 Euro keine große Summe, aber mit dem Geld könnte auch könnte auch eine halbe Stelle in einem Jugendzentrum finanziert werden.“ Ein Problem sei, dass die Stadtwerke sich auf Augenhöhe mit normalen Unternehmen sehen. Kambeck: „Ihre Gewinne sind mit denen privater Unternehmen aber nicht vergleichbar, weil sie etwa die Höhe der Gebühren für den Strom festlegen können, ohne sich auf einem funktionierenden Markt im Wettbewerb durchsetzen zu müssen.
Vor dem Rat der Stadt hat Bernd Wilmert angekündigt, dass der Atrium-Talk künftig nicht mehr stattfindet. Über Charity will man neu nachdenken. Wilmert gab sich bescheiden. Eine Ausgabe sollte Wilmert allerdings noch tätigen: Der bekannte Mediziner Dietrich Grönemeyer moderierte in den Jahren 2008 und 2009 drei Mal gegen ein Honorar von 10.000 Euro den Atrium-Talk. Das Geld lies er sich auf das Konto der Dietrich Grönemeyer Stiftung überweisen, die sich unter anderem für Behinderte Kinder engagiert. Zwei Mal zahlten die Stadtwerke. Auf die dritte Überweisung, schrieb Grönemeyer auf Anfrage, wartet die Stiftung bis heute: „Der Eingang des dritten Honorars konnte bisher nicht festgestellt werden.“
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag.
Grundsätzlich sollten auch städtische Betriebe Imagepflege betreiben dürfen, und wenn das über Charity und Kultursponsering möglich ist, dann sollte das auch geschehen. Der Atrium Talk war aber sicherlich nicht die richtige Methode, das Ansehen der Stadtwerke zu fördern.
DSW21 machen doch nur den ÖPNV in Dortmund, Energieversorger ist doch die DEW21 (Dortmunder Energie und Wasser). Oder verwechsel ich da gerade was?
@Olaf: DEW21 ist ein Tochterunternehmen von DSW21.
Wieso sollte eine kommunale Aktiengesellschaft, eine andere Rechtsfreiheit beanspruchen, wie eine private AG?
Wieso zahlen die Bochumer Bürger einen Spendierbetrag den parteipolitisch vernetzte Stadtwerker verfeiern?
Der erweiterte Skandal, das kommunale Unternehmen nur „bedarfsdeckend“ und nicht „gewinnorientiert“ wirtschaften dürfen, bleibt allem Anschein nach „ausgeblendet“.
Es ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft, Anklage gegen die Verantwortlichen in kommunalen Unternehmen zu erheben, um die „Veruntreuung“ durch kostspieliges Mäzenatentum als eindeutige Rechtsverstöße zu ahnden.
Der Filz von Kommunalpolitikern, der in kommunalen Aktiengesellschaften Selbstbedienung betreibt, ist darüber ein Fall für den Landesrechnungshof Transparenz in die Vorgänge zu bringen.
@Hans Meier
„Der Filz von Kommunalpolitikern, der in kommunalen Aktiengesellschaften Selbstbedienung betreibt, ist darüber ein Fall für den Landesrechnungshof Transparenz in die Vorgänge zu bringen.“
Präsidentin des nordrheinwestfälischen Landesrechnungshofes ist seit Anfang des Jahres Brigitte Mandt. Die Sozialdemokratin war bis 2005 Büroleiterin des einstigen NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück… Noch Fragen? 😉
@ DER, DER AUSZOG
Danke für die Information, mit der sich das Dilemma, wie weit „Parteizugehörigkeit als Mehltau die öffentlichen Versorgungsränge der höheren Mitglieder-Versorgung durchzieht“ erschließt.
Wie sich mit größter Selbstverständlichkeit Parteikarrieren etablieren und sich selbst bedienen, da gerät die neutrale Objektivität unter parteilichen Vorbehalt.
Falls sich diese Infektion bis in die „Unabhängigkeit“ eines Landesrechnungshofes oder den Justizbehörden zieht, wäre das kein gutes Omen oder vielleicht sogar die Begünstigung für die Selbstverständlichkeit, mit der Stadtwerke und kommunale Unternehmen mit den Einnahmen großspurig umgehen, die sie den ihnen ausgelieferten Bürgern abpressen, ohne sich dafür wie in privaten Aktiengesellschaften zu riskieren „die Ohren auf XXL verlängert“ zu bekommen.
Die Stadtwerke Bochum erhöhen ihren Strompreis nun doch um 10 Prozent. Für einen normalen 4-Personen-Haushalt macht das ca. 100,– Euro.
https://www.derwesten.de/staedte/bochum/stadtwerke-warum-strom-teurer-wird-id7293908.html
Als Dank für ihre Treue laden die Stadtwerke und Sascha Hellen alle Stadtwerke-Kunden kostenlos zu einem Konzert von Paul McCartney ein.
https://www.derwesten.de/staedte/bochum/bochumer-stadttoechter-zahlen-fuer-konzert-von-paul-mccartney-id7293217.html
Zunächst zurückhaltend geplant, geht man davon aus, dass ein Konzert im Ruhrkongress ausreicht, da noch nicht absehbar ist, wie viele Kunden nach Steinbrück und Strompreiserhöhung ihren Vertrag kündigen werden.
Da hätte ich einen Vorschlag zu machen:
Stadtbad statt Steiger-Award:
https://www.lokalkompass.de/bochum/politik/stadtbad-statt-steiger-award-d231399.html
Zu erwähnen wäre noch, dass die Stadtwerke Dortmund auch der größte Anteilseigner des Dortmunder Pleiteflughafens ist… . Da liegt ja auch einiges im Argen.