Drei Tage lang besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Griechenland, hielt Reden und verteidigte den großen Betrug der Bundesrepublik an Griechenland.
Am 20. Mai 1941 begannen die Barbaren ihren Angriff auf Kreta: Deutsche Fallschirmjäger landeten auf der Insel. Doch sie mussten nicht nur gegen die dort stationierten Truppen des britischen Empires kämpfen, sondern auch gegen die Bevölkerung der größten griechischen Insel. Damit hatten sie nicht gerechnet. Der Geheimdienst der Luftwaffe hatte vorhergesagt, dass die Bevölkerung Kretas die Deutschen als Befreier empfangen würde. Der britische Historiker James Beevor nannte dies in seinem Buch „Crete. The Battle and the Resistance“ die größte Fehleinschätzung eines Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg.
Männer, Frauen und Kinder traten den Deutschen mit einer Entschlossenheit entgegen wie nirgendwo in Europa. Diese rächten sich mit Massakern. Eines der vielen Dörfer, die ihren barbarischen Vernichtungswillen zu spüren bekamen, war Kandanos, ein Dorf in den Bergen im Westen der Insel, wo 25 Fallschirmjäger zuvor im Kampf gegen die Kreter fielen. Kandanos wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Einwohner, die nicht schnell genug fliehen konnten, wurden ermordet.
Während seines Griechenlandbesuchs hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kandanos eine Rede. Er sagte, die Wehrmacht habe nicht mit dem „Mut und Widerstandsgeist der Kreter“ gerechnet. „Die Frauen und Männer, die hier unter der deutschen Besatzung ihre Heimat verteidigten, das waren Heldinnen und Helden!“
Der Bundespräsident bedankte sich dafür, in Kandanos sein zu dürfen, und bat um Vergebung. Aber Steinmeier sagte auch: „Wir können das Leid nicht ungeschehen machen. Wir können es wohl niemals aufrechnen.“ Während der erste Satz eine der vielen Binsenweisheiten war, für die Steinmeier bekannt ist, war der zweite eine Absage an die Forderung der Griechen nach Reparationen. Schon in Athen hatte er im Gespräch mit seiner griechischen Amtskollegin Katerina Sakellaropoulou kaltschnäuzig deutlich macht: „Wir haben unterschiedliche Rechtspositionen zu Reparationen, das wissen Sie. Für uns gilt die Sache juristisch als erledigt.“
Doch so einfach, wie Steinmeier es darstellt, ist die Sache nicht. Griechenland hatte sich wie andere Länder darauf verlassen, dass die Frage der Reparationen im Rahmen eines Friedensvertrags geregelt werden würde. Zwar wurden einzelne griechische Opfer des Naziterrors wie Angehörige anderer Nationen entschädigt, nicht jedoch der griechische Staat. Den hatten die Besatzer mit einer Zwangsanleihe ausgeplündert. 1942 wurde die Bank von Griechenland gezwungen, der Deutschen Reichsbank eine Zwangsanleihe zu gewähren und ihre Devisenreserven an das Deutsche Reich zu übergeben. Einer deutschen Akte aus dem Jahr 1945 zufolge hatte Deutschland gegenüber Griechenland Schulden in Höhe von 476 Millionen Reichsmark. Nach dem Krieg war Griechenland wegen des deutschen Besatzungsregimes eines der ärmsten Länder Europas. In Bezug auf die Größe der Bevölkerung hatte es zudem mehr Opfer zu beklagen als Frankreich, Großbritannien oder Italien, das wie Deutschland zu seinen Besatzern gehörte und 1940 einmarschierte und am Kampfeswillen der griechischen Armee scheiterte.
Der Friedensvertrag, auf den Griechenland wartete, kam nie. Stattdessen schlossen 1990 noch vor der Wiedervereinigung die Bundesrepublik und die DDR mit den vier Siegermächten USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich den 2+4-Vertrag ab, mit dem Deutschland seine volle Souveränität zurückerhielt. Deutschland hatte wegen der Reparationsforderungen kein Interesse an einem Friedensvertrag. Die Polen bestanden darauf, als erstes Opfer des Kriegs, dessen Truppen wie die Griechenlands bis zum letzten Tag gegen die Wehrmacht kämpften, an den Verhandlungen beteiligt zu werden und wurden ebenso brüsk abgewiesen wie die Italiener, deren damaliger Außenminister Gianni De Michelis sich während einer NATO-Sitzung Anfang 1990 von seinem Amtskollegen Hans-Dietrich Genscher anhören musste: „You are not part of the game!“
Doch das Recht und die Ansichten deutscher Politiker sind zweierlei. In einem Sachstandsbericht „Griechische und polnische Reparationsforderungen gegen Deutschland“ kam der Wissenschaftliche Dienst 2019 zu einem anderen Ergebnis. Anders als Polen, das auf Druck der Sowjetunion schon 1953 auf Reparationen verzichtet hatte, habe „Griechenland nie eine ausdrückliche Verzichtserklärung abgegeben.“ Im Hinblick auf etwaige Reparationsforderungen hatte sich Griechenland wie auch andere Staaten im Londoner Abkommen darauf geeinigt, die Klärung der Reparationsfrage auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. „Die griechische Regierung machte bereits im Nachgang hierzu 1960 ihre Erwartungen deutlich, dass noch Regelungen getroffen würden, sodass jedenfalls bis zum Zwei-plus-Vier-Vertrag von einem die Verwirkung hemmenden Moratorium auszugehen ist.“
Der Wissenschaftliche Dienst kommt zu einem Schluss, der Steinmeier und der Bundesregierung nicht gefallen kann: „Während für polnische Reparationsansprüche auch im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des polnischen Sejm selbst keine stichhaltigen juristischen Argumentationslinien zu erkennen sind, stellt sich die Situation in Bezug auf griechische Ansprüche weniger eindeutig dar. Die Position der Bundesregierung ist völkerrechtlich vertretbar, aber keineswegs zwingend.“ Selbst unter Zugrundelegung der Position der Bundesregierung sei es aus völkerrechtlicher Sicht fraglich, inwiefern sich die Regelung auf Nicht-Vertragsstaaten des 2+4-Abkommens wie Griechenland auswirkt. Nach der Wiener Vertragsrechtskonvention könne ein völkerrechtlicher Vertrag ohne ihre Zustimmung keine Pflichten und Rechte für Drittstaaten zur Folge haben. „Der Umstand, dass die Parteien den Vertrag als „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ schlossen und insoweit stellvertretend für die (nicht förmlich widersprechenden) übrigen ehemaligen Kriegsgegner handelten, ergibt aus völkerrechtlicher Perspektive nicht, dass die Staaten allein hierdurch ermächtigt worden wären, nachteilige Regelungen zu Lasten Dritter zu treffen. Dies gilt insbesondere, wenn diese wie die in Frage stehenden Reparationen nicht explizit benannt werden.“
Eine griechische Expertenkommission berechnete die offenen deutschen Reparationszahlungen auf bis zu 290 Milliarden Euro. Rechnet man die noch 1945 von Deutschland selbst bezifferten Schulden von 476 Millionen Reichsmark in Euro um, kommt man auf einen Betrag von acht bis elf Milliarden Euro. Auf welche Summe sich Deutschland und Griechenland am Ende von Verhandlungen einigen könnten, sei dahingestellt. Klar ist aber, dass Griechenland es sich nicht bieten lassen muss, von der ehemaligen Besatzungsmacht, die Hunderttausende seiner Bürger ermordete, betrogen zu werden. Daran ändern auch die weihevollen Worte Steinmeiers in Kandanos nichts.