Steinmeier wird immer noch am Hindukusch verteidigt

Eigentlich sollte sich die SPD gerettet fühlen. Der Afghanistan-Krieg ist kein Top-Thema mehr. Doch von Erleichterung kann keine Rede sein. Denn dank der sozialdemokratischen Zustimmung zum Krieg werden immer noch deutsche Soldaten in ein unsinniges Risiko nach Kunduz und Umgebung geschickt. Es werden im kommenen Jahr Soldaten getötet, verstümmelt und verletzt. Ohne einen erreichbaren, sinnvollen Sieg vor Augen zu haben. Die Soldaten werden im Feld gehalten – aus einem einzigen Grund. Sie sollen die Glaubwürdigkeit der Genossen im Krieg erhalten. Am Hindukusch wird nicht Deutschland beschützt. Am Hindukusch wird die politische Eitelkeit von Frank-Walter Steinmeier verteidigt. Nicht mehr und nicht weniger. Es sterben Menschen dafür, dass ein Mann sein Gesicht bewahrt.

Die SPD hat eine große Chance vertan. Hätte sie dem Entschließungsantrag der Bundesregierung zum Afghanistaneinsatz am 26. Februar nicht zugestimmt. Wäre sie zur Partei des Abzugs geworden, der Deeskalation und der Kriegsgegner. Stattdessen setzt die Sozialdemokratie in Deutschland mit dem gesamten Bundestag gegen die Stimmen der Linken auf die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes. Der Beschluss nennt zwar auch das Jahr 2014 als Abzugstermin, aber das ist wage und fern. Steinmeier hat seine Genossen nochmals zum Kriegsdienst verpflichtet. Damit hat er seine eigene politische Karriere für ein paar Monate, vielleicht Jahre gerettet – aber die Glaubwürdigkeit der SPD als Partei des Friedens zerstört.

Die zurückgetretene Bischöfin Margot Käßmann hat nämlich Recht, „nichts ist gut in Afghanistan“. Die richtige Antwort auf diese Erkenntnis kann für Deutschland nur der sofortige Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan sein.

Denn was soll eine Frist von einem, zwei oder drei Jahren bringen? Was soll sich denn in Afghanistan ändern, so dass dann ein Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan gegenüber heute eine größere Rechtfertigung hätte. Die Polizistenausbildung in Afghanistan etwa? Neun Jahr hat sie nichts gebracht, warum glaubt noch einer, dass diese jetzt erfolgreich sein wird?

Das Versprechen für den Abzug der Bundeswehr in dem Antrag der Bundesregierung fußt zudem auf den Aussagen eines windigen Gesellen:

„Für den Sicherheitssektor hat die afghanische Regierung ihre Entschlossenheit bekräftigt, innerhalb der nächsten fünf Jahre (d. h. bis Ende 2014) die Sicherheitsverantwortung für ihr Land selbstständig zu übernehmen. Damit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden für einen schrittweisen Abzug der internationalen Militärpräsenz. Die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich dieses von Präsident Hamid Karzai erklärte Ziel.“

Warum sollte Deutschland Hamid Karzai vertrauen, der seine Wiederwahl gefälscht hat, der die eigene Hauptstadt Kabul nicht kontrolliert kann und dessen Bruder in Drogengeschäfte verwickelt ist? Karzai ist kein Partner für den Afghanistaneinsatz.

Die Zustimmung Steinmeiers und seiner Genossen ist wie der Schwur des Trinkers nach der einen letzten Flasche wirklich aufzuhören.

Nicht ist gut in Afghanistan, und die deutsche Bundeswehr machte es auch nichts besser. Als deutsche Soldaten 2001 die Stellung im Norden Afghanistans bezogen, galten die Regionen um Kundus und Faisabad als ruhig und friedlich. Später kam noch Masar-e-sharif hinzu. Kundus war im afghanischen Bürgerkrieg ein berüchtigtes Räubernest. Erst die Taliban, die Kundus 1998 eroberten , brachten in die paschtunische Enklave so etwas wie zivile Sicherheit. Die Bundeswehr konnte sich 2001 in Kundus nur aus einem Grund sicher fühlen , da die Taliban vorher in der Nordprovinz für Ruhe gesorgt hatten.

Neun Jahre später sind Krieg und Chaos in den Norden zurückgekehrt. Die deutschen Soldaten haben die anfängliche Ruhe nicht halten können. Die Zeit, da die Bundeswehrsoldaten als bewaffnete Brunnenbauer und Schulenbauer galten, ist vorbei. Die Soldaten igeln sich in den Lagern ein und trauen sich nicht mehr auf die Straße. Als Journalist konnte ich 2006 noch mühelos von der tadschikisch-afghanischen Grenze mit einem Auto nach Kundus fahren und vor dort weiter nach Kabul oder Masar-e-sharif reisen. Das ist heute nicht mehr möglich. Straßenräuber und Bandenchefs haben wieder die Macht in Kundus.

Als dann die Bundeswehr im September 2009 beweisen wollte, dass sie auch Krieg kann, ging alles schief. Ein deutscher Oberst ließ bei einem völlig unnötigen Luftangriff zwei in einem Flussbett festsitzende Tanklastwagen zerbomben. Über 100 Zivilisten auch viele Kinder verbrannten im Feuerinferno. Seit dieser Bluttat hat auch die deutsche Öffentlichkeit begriffen, dass deutsche Soldaten wieder im Krieg sind.

Steinmeier dagegen tarnte von Anfang an den deutschen Militäreinsatz in Afghanistan als bewaffnete Entwicklungshilfe. In der Feigheit der Verantwortlichen der Rot-grünen Bundesregierung und später der großen Koalition – an beiden war Steinmeier maßgeblich beteiligt – den Krieg in Afghanistan als einen Krieg zu sehen, liegt die Mitschuld an dem Desaster der afghanischen Bundeswehrmission.

Und Steinmeier taucht bis zuletzt in diese Nebelwand. In der Bundestagrede im Februar 2010 verwahrt sich der Sozialdemokrat dagegen, das Wort Krieg zu benutzen. Und bezeichnet den Einsatz der Soldaten als Aufenthalt als ging es um einen Urlaub auf Malle.

Halten wir fest: Nach neun Jahren Bundeswehr in Afghanistan verwandelt sich der recht friedliche Norden in ein wildes Kriegsgebiet. Was erhofft sich bitte die Bundesregierung und Steinmeier für ein weiteres Jahr?

Um die neun Jahre afghanisches Desaster zu organisieren, war Steinmeier zudem bereit den usbekischen Despoten Islam Karimow zu huldigen, nur damit die Bundeswehr in dessen Herrschaftsgebiet einen Flugplatz nutzen können. In Usbekistan wird systematisch gefoltert, der Volksaufstand in Andischan im Mai 2005 wurde mit Panzerwagen niedergeschossen, Kinder werden vom Staat wie Sklaven in die Baumwollfelder gepresst. Aber Steinmeier machte sich und die deutsche Außenpolitik zum Lobbyisten des Blutsaugers aus Taschkent. Die Bilanz der deutschen Außenpolitik unter Steinmeier ist trist: Krieg und Chaos in Afghanistan und einen usbekischen Despoten als Partner.

Wenn die SPD im Bundestag gegen den Afghanistaneinsatz gestimmt hätte, dann wäre auch endlich die Karriere Steinmeiers kaputt und die Genossen hätten Mut für einen Neuanfang gewonnen.

Foto: bundesregierung

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Angelika
Angelika
14 Jahre zuvor

„…Halten wir fest: Nach neun Jahren Bundeswehr in Afghanistan verwandelt sich der recht friedliche Norden in ein wildes Kriegsgebiet. Was erhofft sich bitte die Bundesregierung und Steinmeier für ein weiteres Jahr?…“ (siehe Artikel oben)

Genau das frage ich mich auch. Und alle Antwortversuche, die ich bisher hörte, Abwehr von Terrorgefahren, Verteidigung der Rechte afghan. Frauen u. Mädchen usw. usw., überzeugen mich nicht.

trackback

[…] Steinmeier: wird immer noch am Hindukusch verteidigt … ruhrbarone […]

Werner Jurga
14 Jahre zuvor

Ich könnte belegen, dass ich gegen Steinmeier als SPD-Fraktionsvorsitzenden bin. Weiter könnte ich belegen, dass ich gegen die Besetzung Afghanistans bin. Aber ich brauche nicht zu belegen, dass die Kernaussage diese Beitrags, die da lautet „Am Hindukusch wird die politische Eitelkeit von Frank-Walter Steinmeier verteidigt. Nicht mehr und nicht weniger“ einfach nur Stuss ist. Absoluter Blödsinn, nicht mehr und nicht weniger.

Christian S.
14 Jahre zuvor

a. Der Afghanistan-Einsatz war und ist richtig. Dass Fehler gemacht wurden, ist leider wahr.
b. Die Grünen haben ebenfalls gegen den Afghanistan-Einsatz gestimmt.
c. Die SPD hat Verantwortung bewiesen. So, wie es sich für eine gute Oppositionspartei gehört.
d. Ein sofortiger Rückzug würde Afghanistan wieder den Taiban überlassen. Der Fehler der Amerikaner im Kalten Krief würde wiederholt, als man das Land nach dem Rückzug der Russen den radikalen Islamisten überließ.
e. Zu behaupten, die SPD habe für den Einsatz gestimmt, um die „politische Eitelkeit von Frank-Walter Steinmeier“ zu verteidigen, das ist selten dämlich. Es gab eine Afghanistan-Konferenz, Mitglieder und Gliederungen haben sich eingeklinkt, die Abstimmung war offen: jeder Abgeordnete konnte sich frei entscheiden.

Ein selten dämlicher Beitrag.

Marcus
Marcus
14 Jahre zuvor

Das Argument, ein sofortiger Rückzug der Bundeswehr würde Afghanistan wieder den Taliban überlassen, ist ja bekannt.

Allerdings sind die Taliban doch schon längst wieder da und der „Aufenthalt“ der Bundeswehr in Afghanistan hat gerade dies nicht verhindern können.

Die Taliban kontrollieren wieder weite Teile der Kundusprovinz, obwohl sie 2001 aus dem Norden vertrieben waren. Neun Jahre hat die Bundeswehr die Rückkehr der Taliban nicht verhindern können.

Warum sollen deutsche Soldaten das in den nächsten drei Jahren schaffen? Und vor allem mit welchen Mitteln? Polizeiausbildung, Talibanaussteigerprogrammen, Zivilisten bomben?
Und dann kommt das Jahr 2014. Hören wir dann wieder, die Lage sei schlimm, aber ein sofortiger Rückzug der Bundeswehr sei nicht möglich, weil sonst die Taliban ….

Es ist an der Zeit zu verstehen, dass der Westen den Krieg in Afghanistan verloren hat.

Klaus
Klaus
14 Jahre zuvor

Nein! Der Afghanistan-Krieg und jedwede Beteiligung daran ist dämlich. Punkt. Dass die SPDler dieses noch bestreiten, ist m.E. der völlig dunkle Fleck in deren Bewusstsein.
Und der Kollege Steinheimer ist von derselben Verblendung.
Daher ist die Schlußfolgerung in der Überschrift möglich:
wäre er nicht eitel, wäre eine andere Entscheidung JEDERZEIT möglich. Aber so eben nicht. Ignoranz. Arme Menschheit. Hoffnung in die SPDeee? Neeee!

Ben
Ben
14 Jahre zuvor

Ich kann Christian S. nur beipflichten, jedoch möchte ich noch etwas anmerken: Langsam aber stetig werden die Ruhrbarone zu einer Gesinnungstankstelle für all die Genossen der Linken und der SPD Renegaten, die lieber heut‘ als morgen den Sozialismus mit menschlichen Antlitz in der BRD erneut erproben wollen, was gelinde gesagt sehr schade ist. Und für die, die sich immer noch hinter dem senilen PSL verstecken und meinen zu wissen, was ein Afghane so vom Leben will, sei gesagt:

Abzug = Taliban-Barbarei reloaded.

Wer sich gegen militärische Operationen am Hindukusch ausspricht, dem sind demnach die Menschen dort völlig egal und glaubt wahnhaft, Taliban und andere Djihadisten würden sich dann von Europa/ BRD abwenden, wenn sich keine Soldaten etc. dort mehr befinden. Denkt ihr ach so tollen Menschenfreunde eigentlich auch mal an die Millionen Frauen, denen die Taliban sicherlich nicht recht sein werden, zumal es insbesondere junge Mädchen sind die erstmalig das Privileg besitzen nun eine Schule zu besuchen. Anstatt also über einen Abzug zu schwadronieren, sollte man über eine immense Truppenaufstockung debattieren und damit die Amerikaner zu entlasten, anstatt sich in seiner Kaserne einzugraben.

Franz Kollege
14 Jahre zuvor

Das ist doch genau der Punkt, Ben. Uns sind die Menschen am Hindukusch egal. Das müssen sie auch, denn sonst wär die Bundeswehr auch in Somalia, Liberia, im Kongo und in Uzbekistan (auf der anderen Seite).

Wenn Du glaubst, wir sind in Afghanisten damit die Mädchen in die Schule gehen können, bist Du Stimmvieh, dem Politiker alles erzählen können.

Ben
Ben
14 Jahre zuvor

#Franz sein Kollege,

weil sich keine NATO-Truppen im Kongo, Somalia und Usbekistan befinden, schlussfolgern Sie daraus, dass es ebenfalls keine NATO-Soldaten in Afghanistan gebe dürfe, wow! Und weil nicht alle reich sein können, sollte Reichtum abgeschafft werden, nicht wahr? Wenigstens sind in Afghanistan NATO-Soldaten, um ein System zu konsolidieren, das mehr individuelle Freiheiten zulässt, als dies unter der Knute der Steinzeit-Mullahs je der Fall war. Aber nach Ihnen wird es dort wohl auch um die Suche nach Öl gehen, oder? „Die Menschen müssen uns in Afghanistan egal sein“, interessant, demnach sollte man also nirgendwo für eine bessere, humanere Welt eingreifen, sehr löblich und ebenfalls so einfach, schlicht selbstgerecht und feige. Das die Despoten in Usbekistan nicht auf gepackten Koffern sitzen und die Djihadisten in Somalia sich nicht alle gemeinsam auf die Hadsch ohne Wiederkehr machen, dürfte wohl daran liegen, dass sich in Europa eine überwältigende Mehrheit für die edelste aller heuchlerischen Wohlfühlmeinungen erwärmen kann: dem Pazifismus. Sie würde ich auch dieser Gattung Mensch zuschlagen, ist das zulässig Kollege Franz? Übrigens warum sollten sich NATO-Truppen in Liberia rumtreiben, nur so aus Interesse?
Beste Grüße,
Ben

Ben
Ben
14 Jahre zuvor

##Franz Kollege

Ich warte übrigens noch immer auf den Politiker, der sich für einen Waffengang gegen Baschir, Nasrallah etc. ausspricht. Da wäre ich gerne Stimmvieh…

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