Der ehemalige Kanzleramtsminister Bodo Hombach hat mit „Heimat und Macht“ hat ein Buch herausgegeben, dass sich den Ministerpräsidenten und der Landespolitik in Nordrhein-Westfalen widmet. Unser Gastautor Thomas Hüser ist Public Relations Experte aus Essen und ehemaliger Berater des EX-SPD-Chefs Sigmar Gabriel.
Nordrhein-Westfalen ist ein Land für Bindestriche. NRW-SPD ist nur ein Beispiel für das Zusammenfügen, manchmal auch Zusammenkleistern von Widersprüchlichkeiten, die besser als Blaupause für Abgrenzungen taugen. NRW und SPD ist so eine Zusammenschnürung von Gegensätzen genauso wie Rheinland und Westfalen. So wie Nordrhein-Westfalen eigentlich ein „schwarzes“ Land ist, das nur im Ruhrgebiet einen „roten“ Kern aufbauen konnte, so sind fröhliche Rheinländer und sture Westfalen ebenfalls im Widerspruch der Mentalitäten nach 60 Jahren friedlich vereint.
Auch die klugen Geister unter den Ministerpräsidenten hatten mit Bauch und Herz längst begriffen, was Ulrich Reitz als analytischer Kopf glänzend auf den Punkt bringt. Nur wer den Menschen ihre Unterschiede lässt, kann das Gemeinsame finden. Fast 350 Seiten dick ist Bodo Hombachs politische Streifzugsammlung durch die Geschichte unserer „Doppelprovinz“ Nordrhein-Westfalen. Der Publizist Ulrich Reitz liefert dazu ein Drittel. Eine essayistische Betrachtung über das, was „Uns in Nordrhein-Westfalen“ so ausmacht. Woher unsere politischen Macken genauso wie unsere Bedeutung kommen. Es ist wahrlich kein perfektes Bundesland, das er beschreibt, aber es ist an seinen Widersprüchen gewachsen und in vielerlei Hinsicht Vorbild. Unsere Identitäten, unsere Anstrengungen in der Integration oder auch unsere mal wachsende mal schwindende politische Bedeutung im Bund. Reitz findet gute Antworten, warum vieles unerledigt bleib, und auch manches Problem falsch angegangen wurde. Seine Analyse ist klar, sein Urteil fair. Nach der Lektüre kennt man die Versäumnisse der Politik gut, kann aber den Verantwortlichen nicht wirklich böse sein.
Edelfedern der Bundes- und Landespolitik haben sich in detaillierten Porträts aller NRW-Ministerpräsidenten, verwirklicht. Die Analyse von Stefan Willeke zu Armin Laschet wurde zu meinem Favoriten. Das Rennpferd Schabau, dass mit schläfrigem Start und überraschenden Finish einen Derbysieg in Hamburg landet, hat mir als Vergleich zu dem sympathisch unprätentiösen Ministerpräsidenten bestens gefallen.
Als jemand, der sich schon einmal beruflich mit den verzerrten und klischeebesetzten Images von Politikern befassen durfte, war es überraschend, wie akribisch renommierte Journalisten wie Reiner Burger von der „Frankfurter“ oder Hans Leyendecker von der „Süddeutschen“ mit den „Labeln“ und auch medialen Fehleinschätzungen der Regierungschefs aufräumen. Hannelore Kraft war eben keine „Kümmererin“, weil sie sich um die echten Probleme eben nicht gekümmert hat. Und bei dem „Menschenfischer“ Johannes Rau wurde auch dessen macciavellistische Seite nicht verschwiegen. Die Spin-Doktoren „gewünschter“ Images werden genauso decouvriert wie die Produzenten klischeehafter Fehlfarben in den Medien.
Die Autoren erlauben dem Leser einen persönlichen wie tiefen Einblick in das „Arkanum“ Düsseldorfer Staatskanzlei. Auch Insider werden Neues lesen. Ein Buch, das sich lohnt, weil es ein unterhaltsames wie faires Bild von der Landespolitik und ihren Akteuren zeichnet. Streifzüge, die das Metier der Politik erklären und dem Interessierten näherbringen. „Heimat und Macht“ ist ein Buch, das die Hintergründe des Politischen unverkrampft vermittelt und auf den moralischen Zeigefinger verzichtet. Ein Buch, das die politischen Köpfe und Mentalitäten in NRW näher zusammenbringt. Eben ein publizistischer Bindestrich für Bürger und ihre Politiker. Das ist in Zeiten des Verdrusses schon ein großer Verdienst.
Tectum-Verlag: Heimat & Macht. Von Arnold bis Rau, von Clement bis Laschet – Eine kurze Landesgeschichte NRWs.
Taschenbuch 2019