Streitschrift gegen das Prostituiertenschutzgesetz

Demonstration der Prostituierten, Foto: Barbara Underberg


Der Verein für Prostituierte in Frankfurt Dona Carmen hat ein Mammutwerk vorgelegt. Das Buch „Entrechtung durch Schutz“ – Eine Streitschrift gegen das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). Die Anschaffung lohnt sich, um endlich einen Durchblick zu bekommen, warum das neue Prostituiertenschutzgesetz in der Praxis weder Schutz noch Rechte bedeutet. Von unserer Gastautorin Susanne Bleier Wilp.

Leider haben es viele Sexarbeitende und Kunden noch nicht mitbekommen. Das Prostituiertenschutzgesetz, das Sexarbeitende einer Anmeldepflicht unterwirft und Gewerbebetriebe einer Konzessionierung, muß weg. Und zwar komplett! Dieser Auffassung ist zumindest der Verein Dona Carmen aus Frankfurt. Denn das neue Gesetz schützt nicht, sondern entrechtet nur alle SexarbeiterInnen.

Entrechtung durch Schutz – warum das Prostituiertenschutzgesetz weg muß

Es gab eine lange Entwicklungsgeschichte über Gesetzentwürfe zur Neuordnung von Prostitution in Deutschland. Manch einer hat die Diskussionen um Gesetzentwürfe seit 2013 verfolgt, viele nicht. Für die meisten kam das Prostituiertenschutzgesetz überraschend. Nun nach 2 Jahren entfaltet es seine Wirkung und es ist Zeit, Bilanz zu ziehen.

Dies hat Dona Carmen nun getan. Das Buch bietet einen Überblick über die Etappen der Entstehung des Prostituiertenschutzgesetzes, erklärt, warum Kritik und der Widerstand nicht erfolgreich waren. Es zeigt auf, warum das Gesetz Sexarbeiterinnen nicht schützt.

Tatsächlich unterlaufen eine gesundheitliche Zwangsberatung, die Anmeldepflicht („Hurenpass“), die Kondompflicht und die Erlaubnispflicht für das Prostitutionsgewerbe den Schutzgedanken.

Prostituiertenschutzgesetz: eine unrühmliche Tradition von Repression und Kontrolle

In einem historischen Exkurs steht das Gesetz in einer Traditionslinie von Kontrollmassnahmen im Nationalsozialismus. Gemeinsamer Nenner ist es, Prostituierte zu überwachen. Registrierung und Kontrolle der Sexarbeiter und des Prostitutionsgewerbes in Deutschland ist nämlich auch das Ziel des seit 2 Jahren wirksamen Prostituiertenschutzgesetzes.

Schon im April 2014 hatte der Verein Dona Carmen einen eigenen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse in der Prostitution vorgelegt. Auch vor Verabschiedung des Gesetzes 2017 kündigte Dona Carmen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an. Dazu gab es bundesweite Treffen zur Vorbereitung einer Verfassungsklage.

Die 2017 eingereichte Verfassungsklage wurde schließlich 2018 durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Daraufhin mobilisierte Dona Carmen erneut, um vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu klagen. Das Verfahren ist noch anhängig.

Prostituiertenschutzgesetz macht Sexarbeitende verletzlicher

„Es scheint wie ein Treppenwitz der Geschichte: Waren in den 90er Jahren lediglich die Prostitutionsmigrantinnen hierzulande (aufenthaltsrechtlich) illegal, so treibt das neue Gesetz nunmehr auch deutsche Sexarbeiter in die Illegalität.“

Auch die Konzessionierung der Prostitutionsstätten hat zur Folge, daß Prostituierte vielfach gezwungen sind, allein und isoliert zu arbeiten. Denn viele Bordelle müssen schließen. Gute und sichere Arbeitsplätze fallen weg. Dies macht Sexarbeiterinnen verletzlicher, auch weil so der Zugang für Hilfsangebote erschwert ist und im Falle von Gewalt, Stalking, Erpressung, Zwangsouting das Anzeigeverhalten sinkt. Das Gesetz verkehrt sich also in sein Gegenteil. Es macht die Sexarbeitenden verletzlicher und bietet somit keinen Schutz.

Hier wird eine ganze Berufsgruppe systematisch stigmatisiert und rechtlos gestellt. Was Sexarbeitende aber brauchen, ist der Schutz ihrer Grundrechte und die Abschaffung der bestehenden Diskriminierung im Ordnungsrecht, im Baurecht und im Polizeirecht. Sonst wird es eine gesellschaftliche Wertschätzung und Respekt für Sexarbeitende niemals geben. Das Stigma muß weg, das Sexarbeitende in ein Doppelleben zwingt.

Das Prostituiertenschutzgesetz ist ein Angriff auf Frauenrechte allgemein

Das Prostituiertenschutzgesetz ist auch ein Angriff auf Frauenrechte im allgemeinen. Denn Prostitution wird sehr weit gefaßt und als „gezielte Gewinnorientierung“ definiert. Hellhörig werden müßten hier auch alle Sugardaddys und Sugarbabys sowie Ehefrauen, deren Ehe nur noch auf einer rein ökonomischen Abhängigkeit fußt.

„Denn eine Reglementierung von Prostitution dient stets als Negativfolie für die soziale Disziplinierung von Frauen der Mehrheitsgesellschaft. (…) Frauen, die nicht bereit sind, sich im Rahmen serieller Monogamie der Kontrolle ihrer Gebärfähigkeit und dem Imperativ hinreichender sexueller Reproduktion zu unterwerfen und die es mit ihrer sexuellen Freizügigkeit möglicherweise „übertreiben“, haben mit einer gesellschaftlichen Ächtung zu rechnen („Schlampe“).“

Slutshaming ist für viele Frauen und Mädchen bereits Alltag, wenn sie mit ihrem Verhalten und Auftreten im Bezug auf Sexualität widersprechen. Promiskes Verhalten wird gesellschaftlich bestraft. Dies betrifft sexuell provokativ wahrgenommene Kleidung, die Nachfrage nach Empfängnisverhütung, vorehelicher Sex und eben Prostitution. In sogenannten „Slutwalks“ machen Frauen weltweit darauf aufmerksam. Denn letztlich geht es bei einer Prostitutionsgesetzgebung immer auch um die Disziplinierung aller Frauen.

Achtung: das Schwedische Modell ist auf dem Vormarsch

Dies ist nur ein grober Überblick, das Buch ist recht detailreich. Man möge der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof viel Erfolg wünschen. Ein Gesetz, das Sexarbeitende schützen soll und in der Praxis illegalisiert und das Gegenteil bewirkt, hat nicht den Namen Prostituiertenschutzgesetz verdient.

Es lohnt sich wirklich, sich den alternativen Gesetzentwurf von Dona Carmen vor Augen zu führen und als Community gemeinsam für die Rechte von Sexarbeitenden zu streiten. Denn auch die lieben Kunden sind davon betroffen, nicht nur durch die Einführung einer Kondompflicht.

Das Schwedische Modell ist nämlich schon bei deutschen Politikern aus SPD und CDU im Gespräch. Das bedeutet die Absicht, einen Rückgang der Nachfrage nach Prostitution durch ein Verbot von Sexkauf zu erreichen. Kunden werden einseitig kriminalisiert, aber in der Praxis trifft es auch die Sexarbeitenden gewaltig.

Das Modell gilt per Gesetz schon in 6 europäischen Ländern sowie Israel und Kanada und findet immer mehr Nachahmer. Also denkt daran: seid solidarisch und unterstützt die Sexworker Vereine und Verbände, die für die Rechte aller streiten.

Entrechtung durch Schutz“ – Streitschrift gegen das Prostituiertenschutzgesetz

Doña Carmen e.V. (Hrsg.)
1. Auflage: August 2019, ISBN 978-3-932246-95-1,
648 Seiten, Preis 19,90 €

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Marilou Monroe
Marilou Monroe
5 Jahre zuvor

Jeder Beruf hat seine Auflagen und unterliegt gewissen Kontrollfunktionen. Da, wo Prostituierte Kondome benutzen müssen gilt auf Baustellen die Helmpflicht und in der Nahrungmittelzubereitungsbranche das Haarnetz und der Kittel, die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.
Entweder macht die Prostitution zum normalen Job und reiht ihn damit in die Zwänge der normalen Arbeitswelt ein oder man belässt alles beim alten.

Nina
Nina
5 Jahre zuvor

@#1 Marilou Monroe: Ganz so einfach ist die Sache nicht. Prostituierte sind Freiberuflicher und nicht weisungsgebunden. Die Kondompflicht ist eine Pseudo-Maßnahme-bereits vor dieser Bevormundung gab und gibt es viele Regularien, Sex ohne Kondom zu verhindern. Es darf nicht damit geworben werden und die große Mehrheit der Sexarbeiter lehnt es aus eigenem Interesse ab. Da, wo ein Gast es versucht, wird es vereitelt und es werden andere in der Branche vor diesen (wenigen) Gästen gewarnt.
Blasen ohne Kondom bringt mir im Ruhrgebiet locker 30-50 € mehr ein. Ich biete es daher an. Punkt. Ich bin mir der möglichen Risiken bewusst, u.a. Rachentripper. Ich lasse mich freiwillig (!) alle halbe Jahre checken, aus eigenem Interesse. Ich bin der Meinung der Aidshilfe, dort gibt es eine Kampagne für Männer die nennt sich "Ich weiss was ich tue". Ich weiss auch, was ich tue.
Die Kondompflicht wird im Arbeitsalltag in den allermeisten Fällen nicht zu kontrollieren sein, es sei denn es handelt sich um eine ganz offizielle Adresse, in der eine Razzia stattfindet. Von daher ist es in der Praxis Augenwischerei.

Ke
Ke
5 Jahre zuvor

@1 ich sehe es ähnlich.

Es ist einfach ein Unding , dass in diesem Bereich oft volle Freizügigkeit mit Betriebsstätte im öffentlichen Raum gefordert wird.

HolleSonnenberg
HolleSonnenberg
5 Jahre zuvor

Mal im Ernst, wie realistisch ist denn eine wirksame Durchsetzung dieser Pflicht? Zumal es ja anscheinend unmöglich ist wenigstens gegen die gröbsten Auswüchse von Zwangsprostitution effektiv vorzugehen.
Und die Vorurteile die mal wieder aufschlagen sind so alt und abgedroschen.
Ja klar, diese gierigen Nutten die mit ihrer immensen Lobby immer nur die volle Freizügigkeit fordern. Wie überaus dreist….^^
Sämtliche Argumente werden nun seit… ich glaube 10 Jahren mindestens ausgetauscht, witziger Weise habe ich an keiner Stelle den Eindruck das man den Argumenten der von diesem Gesetz Betroffenen Gehör geschenkt wird.
Je nachdem wer spricht sind Prostituierte entweder per se alle Opfer irgendeiner Form von Gewalt die Ihnen eine Selbstbestimmte Entscheidung unmöglich macht, oder halt gierig, faul und maßlos.
Wie wäre als Arbeitshypothese damit das auch Prostituierte einfach nur genauso dumm sind wie alle anderen?
Wie die Leute die SPD´ler in die Gewerkschaft wählen, oder Beamte die nicht erkennen das der Schaden den sie anrichten sie ebenfalls betrifft, oder die Leute die mit dem SUV zum Biomarkt fahren?
Nur in einer gesellschaftlich extrem benachteiligten Situation und stark stigmatisiert.
Das mindeste was ich in einer Auseinandersetzung erwarten würde von Menschen die von sich selbst behaupten diese konstruktiv führen zu wollen, wäre das wenigstens der Versuch erkennbar ist diese Stigmatisierung nicht weiter zu reproduzieren.

Nina
Nina
5 Jahre zuvor

Danke, HolleSonnenberg, finde mich in den Worten wieder.
@#3 Ke: Das Gesetz zerstört sichere Infrastrukturen und Adressen von Prostituierten. Ich selbst habe vor dem Gesetz Vollzeit gearbeitet, danach pausiert und nun Teilzeit. Ich habe mich nicht registrieren lassen und arbeite seitdem unter dem Radar. Genau das hat das Gesetz bei mir persönlich erreicht.
Es fängt ja schon damit an, dass es auch vorher sehr schwer war, offiziell allein oder mit 2 Frauen einen Vermieter zu finden wo man sich selbst was aufbauen kann und alles offiziell laufen kann. Realität sieht so aus, dass es nur heimlich geht. Die offiziellen Adressen nehmen hohe Wochenmieten, das geht nur wenn man voll arbeitet. Jetzt ist es noch schwieriger geworden und es sind Strukturen weggebrochen. Dies geht zu Lasten der Sicherheit und der Einnahmen der Leute.

https://www.donacarmen.de/pressemitteilung-mangelnde-aufklaerung/#more-2236

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