Die Innenminister haben beschlossen, das Verbot der NPD zu beantragen. Doch Menschenverachtung lässt sich nicht verbieten.
Ich halte die Chancen dass, die NPD verboten wird für gering. Klar, die NPD ist eine Nazi-Partei, sie ist verfassungsfeindlich und arbeitet eng mit rechtsradikalen Straftätern aus dem Milieu der Kameradschaften zusammen.
Wenn es nicht wieder ein V-Leute Desaster kommt und man man die Maßstäbe anlegt, die beim Verbot der KPD 1956 galten, könnte es vor dem Bundesverfassunsgericht reichen:
„Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung […] nicht anerkennt; es muß vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen.“
Kämpferisch aggressiv – das passt. Aber reicht das? Die NPD hat angekündigt, gegen ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht vor dem Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu klagen. Und dort gelten andere Maßstäbe:
Eine Partei muss, neben allem anderen, auch eine echte Chance haben, die politische Macht zu ergreifen – das zumindest war der Maßstab des EGMR beim der Bestätigung des Verbots der türkischen Refah Partisi (Wohlfahrtspartei) 2003.
Die NPD ist weder politisch noch militärisch in der Lage, die Macht zu ergreifen und ihre Ziele durchzusetzen: Politisch ist sie es nicht, weil sie bei den Wahlen, von wenigen Ausnahmen im Osten abgesehen, notorisch erfolglos ist und gerade einmal 6.000 Mitglieder hat. Und würde sie versuchen, mit Gewalt an die Macht zu kommen, könnte eine Hundertschaft von GSG9-Beamten mit entsicherten Waffen das Problem innerhalb weniger Minuten final lösen.
Sicher, ein erneutes Verbotsverfahren könnte die NPD stören. Mitglieder könnten abspringen, zu Parteien wie Pro NRW oder Die Rechte wechseln, ein paar würden aufgeben.
Weniger Nazis gäbe dadurch so wo wenig wie weniger Ausländerfeindlichkeit oder Antisemitismus. Der rechte Rand, Parteien wie Pro NRW, Die Rechte oder Pro NRW sind nur die radikalen Auswüchse einer Menschenverachtung, die tief in der Gesellschaft verankert ist. Ihm ist mit einem Verbot nicht beizukommen. Und der Verbotsantrag lenkt genau von dieser notwendigen Debatte über die Wurzeln des Hasses ab. Und er lenkt ab von dem Versagen des Staates im Umgang mit dem NSU. Ein NPD-Verbotsverfahren wird die Naziszene, unabhängig vom Ausgang, weder stärken noch schwächen. Es ist Symbolpolitik, mehr nicht.
Das Positive an einem (erfolgreichen) Verbot der NPD wäre, dass dieses als Symbolpolitik dann nicht mehr zur Verfügung steht.
ich verstehe eigentlich nicht, was jetzt anders sein soll als beim ersten Versuch.
Auf allen Ebenen befinde sich weiter V-Männer, die teilweise Straftaten begehen und zu Straftaten auffordern – wie immer mal wieder rauskam.
müsste man nicht erstmal alle V-Männer abziehen bzw. offenlegen?
als Anwalt der NPD würd ich doch die NPD als Partei des Verfassungsschutzes hinstellen, weil ein Großteil meiner Funktionäre für diesen tätig ist…
wie z.B. dieser https://www.mdr.de/thueringen/npd_thueringen100.html
In der Tat. Spätestens auf europäischer Ebene wird es eng. Statt eines ablenkenden Verbotsverfahrens, wäre aus meiner Sicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen wichtiger, die im Übrigen auch, wie im Beitrag richtig dargestellt, im gesellschaftlichen Kontext zu sehen sind. Kein Gedanke wäre mit dem Verbot aus der Welt. Und wenn dieses Verbot dann noch gekippt wird, schafft man noch Märtyrer. Schließlich: Statt Verbot sollte man die Menschen, oder möglichst viele, lieber wieder zurück holen und NPD, PRO etc. nicht die Debatte um Heimat, Identität oder die Probleme der Integration überlassen.
Der EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) hat meines Wissens nur zwei nationale Parteiverbote bestätigt: den der Refah-Partei (drohende Zwei-Drittel-Mehrheit) und den der baskischen Batasuna (Zusammenarbeit mit der terroristischen ETA). Eine Reihe von türkischen sowie ein bulgarisches Parteiverbot wurden zurückgewiesen. Sieht man sich das oben erwähnte Papier der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags und andere Literatur dazu an, bleibt kein anderer Schluss, als dass der EGMR ein NPD-Verbot zurückweisen wird. Keins der beiden Verbots-Szenarien trifft zu, die Zurückweisungen drängen sich als Vergleichsmaßstab auf.
Wenn das so ist, dann haben die Länder entweder
1) ihre Hausaufgaben nicht gemacht und jedenfalls den EGMR in ihren Überlegungen völlig außen vor gelassen,
2) oder sie gehen sehenden Auges in ein Jahre dauerndes Verfahren, das mit einem „Freispruch“ der NPD enden wird.
Was immer von diesen beiden Szenarien eher zutrifft: Auf jeden Fall wird die deutsche Öffentlichkeit und insbesondere auch die immer wieder gerne beschworene „Zivilgesellschaft“ gehörig verarscht. Im Fall 1 hätten sich die entsprechenden Politiker zusätzlich noch selbst verarscht.
@Stefan: Ich finde überhaupt nicht, dass ein Verbot der NPD reine „Symbolpolitik“ ist und bin froh, dass Jäger, weit mehr als seine Vorgänger, gegen rechte Organisationen durchgreift. Es ist wichtig mit Hilfe von Verboten die rechten Strukturen zwar leider nicht zu zerschlagen – aber dennoch deutlich zu schwächen.
Da ist die NPD, deren Material bei Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des Nationalen Widerstandes Dortmund (NWDO) gefunden wurde, genau der richtige Zielpunkt. Wünschenwert wäre auch der Verbotsversuch bei der Partei „Die Rechte“, denn es stimmt natürlich, dass sich nach den Verboten erstaunlich schnell neue Sammelbecken für die Mitglieder der verbotenen Kameradschaften gebildet haben.
Aber vielleicht ist es eine Chance, dass die Verbotsverfügung des NRW Innenministeriums auch „Nachfolge- oder Ersatzorganisationen“ des NWDO verbietet – und ein Verbot von der Partei „Die Rechte“ mit dem ehemaligen NWDO-Mitglied D. Giemsch als Vorsitzenden an der Spitze daher ein möglicherweise erfolgreicher Versuch werden könnte – und schon die Prüfung ist zumindest ein weiterer Störfaktor. Denn gemütlich einrichten sollen es sich die Rechten jedenfalls nicht in ihrem neuen Dortmunder Landesparteibüro!
RTL Nachtjournal hat zur derselben Fragestellung gestern einen Bericht gesendet. https://rtl-now.rtl.de/rtl-nachtjournal.php?player=1&play_now=1
https://blog.fefe.de/?ts=ae41a892
Einer der aktivsten Spitzenfunktionäre der NPD in Thüringen ist V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen.
Lest euch die Details durch!
Stefan,
1.
ob ein Parteiverbotsverfahren nach dem gegeben Sachverhalt hinreichend begründet erfolgversprechend erscheint und es deshalb durch die Bundesorgane -Bundesrat/Bundestag/Bundesregierung-beantragt werden sollte, kann nicht beurteilen, da ich weder den gesamten hier relevanten Sachverhalt kenne noch die darauf fußendende „hinreichend erscheinende Begründung“.
Es erscheint mir sehr angebracht, daß Du an die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Parteiverbotsverfahren erinnerst, insbesondere daran, wie das BVerfG 1956 die Tatbestände des Art.21(2)GG für ein Verbotsverfahren ausgelegt hat;seinerzeit zu Lasten der KPD, die folglich verboten wurde.
Daß nach dem Verfassungstext und der Rechtsprechung des BVerfG enem Parteiverbot „sehr hohen Hürden“ im Wege stehen, ergibt sich zum einen aus dem grundsätzlichen Prinzip der Freiheit, konkret aus der Freiheit zu politischer Meinungsbildung und Meinungsäußerung, aus der auf Parteien bezogen resuliert: „Ihre Gründung ist frei“ -sh.Art.21(1)GG-. Diese Freiheit und die sehr hohen Hürden für einen Eingriff in diese Freiheit durch ein Parteiverbot sind durch die „Verfassungsväter(und Mütter) auch ins Grundgesetz aufgenommen und entsprechend durch das BVerfG interpretiert worden wegen der Parteiverbote durch die Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme.
Da dieses alle wissen, die jetzt das Parteiverbotsverfahren beantragen wollen, muß ich -sh.einleitend-unterstellen, daß sie sich aufgrund des ihnen bekannten Sacherverhalten sicher sind, hinreichend beweisen zu können, daß die NPD -nicht einzelne ihrer Mitglieder(!!)- sich “ aktiv kämpferisch, aggressiv“ gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne unseres GG verhält.
Stefan,
2.ich stimme Deiner politischen Abwägungen Pro-Contra eines Verbotsverfahrens im Ergebnis zu.
Parteien, also politische Organisationen, sind Subjekte und Objekte
p o l i t i s c h e n Streites;diesem p o l i t i s c h e n Streit darf man sich nicht entziehen,dem sollte man sich nicht entziehen wollen und letztendlich kann man sich einem solchen politischen Streit auch nicht durch ein Ausweichen
auf einen Rechtsstreit entziehen.Das wäre nicht nur der bequemere, sondern m.E. auch der erfolglose Weg auf dem Ziel, der NPD die politische Basis in der Gesellschaft weitestgehend zu entziehen.
Stefan,
3. Du sprichst in Deinem Beitrag von „radikalen Auswüchsen der Menschenverachtung, die tief in unserer Gesellschaft verankert sind“.
Es ist ganz sicher kein Zufall, daß von „Verachtung“ in einem ganz anderen Zusammenhang hier im Blog vor einigen Tage die Rede war -sh.Dein Beitrag „Wer aufsteigen will,….“-mit einem einschlägigen Literaturhinweis.
Wir haben -mehr denn je?- in unserer Gesellschaft Anlaß, über eine zunehmende Verachtung von Menschen durch andere Menschen nachzudenken. Wir können in das Nachdenken über „Verachtung“ unter den Menschen „Respektlosigkeit und Rücksichtlosigkiet“ einbeziehen. Gibt es noch irgend einen Bereich in unserer Gesellschaft der frei ist von „Verachtung“, der frei ist von „Respektlosigkeit“, der frei ist „von Rücksichtslosigkeit“?
Möglicherweise gelingt es dann, die Wurzeln aufzudecken für das Handeln von Neo-Nazis gegenüber Migraten, von Neo-Nazis gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, für das Handeln von Jugendlichen gegenüber hilflosen Älteren, für das Töten eines Linienrichters beim Fubßall, weil der fälschlicherweise“ Absetis gepfiffen hatte, für alltäglich festzustellende menschenunwürdige Worte und Taten gegenüber Odachlosen in unserern Städten, für menschenunwürdige Äußerungen aus dem sog. Bildungsbürgertum gegenüber Menschen aus sozial- bzw. bildungschwachen Schichten der Bevölkerung, für menschenunwürdige Äußerungen von Kindern/Jugendlichen aus den „wohlhabenden Vierteln unserer Städte“ gegenüber anderen Kindern/Jugendlichen usw.usw. Und möglicherweise kommt so auch an die Wurzeln dessen heran, was „Basis der NPD“ sein könnte.
Nicht in erster Linie die abzulehnende, die zumindest abzubauende wirtschaftliche und finanzielle Not der Menschen radikalisiert diese, sondern primär die Verachtung, die Respekt- und Rücksichtslosigkeit, die Menschen alltäglichen durch andere Menschen erfahren.
Das gilt vermutlich für manchen, der sich in der NPD radikalisiert, aber ebenso für so manchen, der sich durch Neo-Nazis verächtlich, respekt- und rücksichtlos behandelt fühlt.Das gilt für manchen Jugendlichen islamischen Glaubens, aber eben so für Manche, die sich von solchen Jugendlichen verächtlich, repekt- und rücksichtslos behandelt fühlen.
Anlässe zu einer Diskussion über wachsende „Verachtung, Respektlosigkeit,Rücksichtslosigkeit“ in unserer Gesellschaft gibt es alos genügend, nicht nur im Zusammenhang mit der NPD bzw. im Zusammenhang mit dem Verhalten ihrer Mitglieder . Aber…………..-kein wirkliche relevantes Thema in der Gesellschaft!
[…] erneuten NPD-Verbotsverfahren erst einmal in den Hintergrund gerückt. Denn, so wie Stefan Laurin hier an dieser Stelle bereits geschrieben hat, gibt es neben der ohnehin schwindenden Partei ohnehin […]
Symbolpolitik, mit der sich die Innenminister als stramme Antifaschisten ausgeben wollen (was sie nicht sind)? Ja.
Ein Parteienverbot hilft nicht gegen die hinter der Partei stehende Ideologie? Ja. Klar.
ABER: Die NPD benutzt demokratische Strukturen, um Neonazis eine organisierte Basis zu bieten und sich das sogar noch aus Steuermitteln finanzieren zu lassen. Wenn das Verbot nur dagegen hilft, ist das schon eine Menge wert.
@Walter Stach: Die Frage der NPD als „streitbares Politikum“ zu sehen, greift nach meiner Meinung zu kurz. Fakt ist, dass die NPD mit gewalttätigen und kriminellen rechten Organisationen gut verwoben ist. Ein Beispiel: Der NSU-Unterstützer und wegen Beihilfe zum Mord angeklagte Ralf Wohlleben hatte jahrelang intensive Kontakte zur NPD und wurde bestimmt nicht zufällig von Rechtsanwältin Nicole Schneiders (Kanzlei Harsch & Kollegen) vertreten: Sie war 2000/2001 im Vorstand des Jenaer NPD-Kreis. Ich glaube daher auch nicht, dass man Rechten mit „politischen Streiten“ den Nährboden entzieht, sondern mit konsequenten Handeln. In disem Sinne ist das Verbotsverfahren doch kein bequemes „Ausweichen auf einen Rechtsstreit“. Die Fragen des Umgangs mit der NPD stellen wir uns u.a. konkret im Dortmunder Rat, in dem zwei NPDler sitzen – da hilft der Diskurs über die gesellschaftliche Grundstimmung, die Sie kritisieren, nicht viel witer. Aber ein dankbares Forum für die Rechten will man im Sinne des „politischen Streites“ dort auch nicht zur Verfügung stellen.
Die allgemeine „Respekt- und Rücksichtslosigkeit“ ist nicht Ursache dafür, dass mancher sich in der NPD radikalisiert. Rechte sind keine Opfer von Intoleranz und einer rücksichtloser werdenen Gesellschaft, sondern tragen Gedankengut in sich, dass – wie Sie es beschreiben- vor allem eines ist: menschenverachtend.
Walter Stach:
Für mich führt das in eine ähnliche Richtung wie Diskussion um Gewalt an sich. Es wird von bestimmten Stellen immer wieder über die schlimme Gewalt in unserer Gesellschaft berichtet. Dabei ist es heute unwahrscheinlicher als jemals zuvor, Ofer eines Gewaltverbrechens zu werden. Die Statistiken sind da eindeutig.
Ich denke, die schlimmen Sachen bekommt man einfach nur immer schneller, häufiger und besser medial aufbereitet. Respektlosigkeit gabs schon immer, genauso wie Gewalt usw. Dazu muß nur das Kürzel RAF genannt werden oder die Unmengen von Rechtsterrorismus in der BRD und Europa. Mal ganz abgesehen von Nordirland, der Mafia in Italien usw.
Das Gefühl der zunehmenden Respektlosigkeit kommt vielleicht auch aus einem anderen Grund: Wuchs man als junger Mensch noch in einem gewachsenen homogenen Umfeld auf, verliert sich das mit der Zeit (Freunde, Familie sterben) und dem Arbeitsleben. Es kommen Menschen mit ganz anderen Lebensentwürfen hinzu, es prallen Weltbilder aufeinander, die man als junger Mensch oftmals weniger hatte. Immer mehr Menschen verlassen ihr soziales und geographisches Umfeld. Das Gefühl für Entwurzelung wächst (alles reine Thesen meinerseits).
Ganz leugnen möchte ich diese Beobachtung von Walter Stach aber auch nicht. So war es früher für viele von uns selbstverständlich im ÖPNV Platz für Ältere zu machen. Heute sehe ich das selten. Da ich meine Jugend im Osten verbracht habe, kann ich aber nicht sagen, ob das systembedingt ist (Spontanklischeethese: den Schülern und Studenten wird vor allem beigebracht, wie man sich selbst im Leben durchsetzt und ‚verwirklicht‘).
-4-Albrecht Kolthoff:
Danke für den Hinweis bzw. für die Erinnerun daran, daß es nicht nur das BVerfG gibt, das über einen Parteiverbot zu entscheiden hat, sondern auch den EGMR.
Ich habe den EGMR beim Schreiben meines Kommentars schlicht weg vergessen.
Diese Vergesslichkeit unterläuft den Innenministern des Bundes und der Länder in Gänze mit Sicherheit nicht. Sie werden also die Rechtsprechung ds EGMR in ihren Gutachten beachtet, gewertet und gewichtet haben.
@Walter Stach: Um Dein Vertrauen in die handwerkliche Qualität der Regierungen in Bund und Land beneide ich Dich 🙂
-11-AusMaus:
Ich habe Anlaß, über Ihre Anmerkungen zu meinen Aussagen zu „wachsender Verachtung, Respektlosigkeit,Rücksichtslosigkeit“ nachzudenken, auch über den Hinweis auf einschlägige Statistiken in Sachen „Gewalt“.
Und damit wären wir – jedenfalls hier im Blog- wieder einmal dabei, über „Verachtung,Respektlosigkeit,Rücksichtslosigkeit“ unter den Menschen nebst Hass und Gewalt zu diskutieren.
Und das wäre „flächendeckend“ in der Gesellschaft mehr denn je und „umfassender“ denn je geboten, meine ich.
@Walter Stach: Nein, ganz vergessen wurde der EGMR von den Landesregierungen nicht. Immerhin haben Hessen und das Saarland zum Beschluss der Länder-Innenminister eine Protokollnotiz hinzugefügt, worin der EGMR Erwähnung findet und der Begriff „Risiko“ auftaucht. Wenn’s nicht so banal wäre, möchte man fast meinen, dass das Saarland halt näher zu Straßburg liegt …
Noch ein Verweis auf den Juristen und Parteienrechtler Martin Morlok, der meines Erachtens den Drang der Länderpolitiker zum NPD-Verbot treffend analysiert:
„Und mein Eindruck ist, dass dieses Thema eine Eigendynamik entfaltet hat, die von der Politik selbst angeheizt wurde. Jetzt haben die Länder, aber auch der Bund ein Problem und wissen nicht, wie sie es lösen können. Viele Argumente für ein neues Verbotsverfahren gibt es nicht, die derzeitige Debatte ist vor allem Symbolpolitik.“
Hinter diesem Link findet sich die Polizeistatistik des Jahres 2010 im Vergleich zum Jahr 2009. Bei den Gewaltverbrechen ist eine deutlich abnehmende Zahl zu sehen. Soweit ich weiß, gilt das grundsätzlich für die letzten Jahre: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2011/PKS2010.pdf?__blob=publicationFile
Ich möchte damit keinesfalls die Probleme marginalisieren, nur darauf aufmerksam machen, dass nicht umbedingt alles immer schlimmer wird, sondern evtl. auch die Aufmerksamkeit für solcherlei Dinge gewachsen ist. Was gut wäre.
Ein wichtiges Thema ist es allemal. Vielleicht ja irgendwann auch mal für ein Schulfach ‚Ethik‘, dass den Religionsunterricht ersetzt.
Und noch ein Nachtrag zum Unterthema EGMR/Länder-Politiker:
Dass ich mal einen Politiker wie den Hessen Bouffier positiv erwähnen würde, ist bislang jenseits des Denkbaren gewesen. Jetzt passiert es.
Hier beim Tagesspiegel nachlesen.
„Ein solches Verfahren sollte „nur beantragt werden, wenn die Risiken eines erneuten Scheiterns deutlich hinter den Erfolgschancen zurücktreten“, sagte Volker Bouffier (CDU) dem Tagesspiegel. Daran habe er „erhebliche Zweifel“. Ein „großes Risiko“ sieht der Ministerpräsident vor allem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dessen Kriterien beim Verbot einer Partei „lassen nicht erkennen, dass die NPD sie erfüllt“, sagte Bouffier.
So sage der Gerichtshof, eine Partei könne verboten werden, wenn sie den Terrorismus unterstütze. „Da gibt es in puncto NPD sachlich erhebliche Zweifel“, sagte der Regierungschef. Außerdem halte der Gerichtshof ein Verbot erst für notwendig, wenn eine extremistische Partei so stark werde, dass eine Übernahme staatlicher Strukturen zu befürchten sei. Bouffier: „Das ist glücklicherweise bei der NPD nicht der Fall.““
Diese Bedenken scheinen im Übrigen auch bei der Bundesjustizministerin präsent zu sein.
-17-Albrecht Kolthoff:
Was Bouffier dem Tagesspiegel gesag hat „….nur beantragt werden,wenn……“, ist für mich so selbstverständlich, das ich diese Aussage trival nennen möchte.
Wer strengt einen Rechtsstreit an,obwohl das Risiko zu unterliegen deutlich(!!) größer ist als die Erfolgschanchen?
Sind jetzt Bundesrat,Bundestag,Bundesregierung diejenigen, die wider alle Vernunft ein solches Risiko vorsätzlich eingehen, und zwar in vollem Bewußtsein dessen, welchen Folgen ein Scheitern des Verbotsverfahrens politisch haben wird?
Es sieht derzeit so aus.
Martin Morlock (sh. Ihr Hinweis -15-) erklärt, wo die Ursachen für ein solches rechtlich und politisch außerordentlich fragwürdiges Verhalten liegen könnte.
Albrecht Kolthoff, -sh.17 im ersten Satz- ja, es ist auch für mich eine unverhofft neue Erfahrung, bei der Beantwortung einer rechtlich und politisch brisanten Frage ehe der Auffassung von Friedrich(CSU) und Bouffier (CDU) zuzustimmen als anderen Innenministern, auch „meiner“ SPD.
@Walter Stach: An Bouffiers Stellungnahme fand ich besonders interessant den Hinweis auf den EGMR. In ähnlicher Form hat sich jetzt auch Norbert Lammert (Bundestagspräsident) geäußert.
Außerdem fällt mir auf, dass der große Drang zu einem NPD-Verbot vor allem – oder fast ausschließlich – von Länder-Politikern kommt, dagegen eben nicht von Bundesregierung oder aus dem Bundestag. Mir drängt sich da der Eindruck auf, dass diejenigen am lautesten trommeln, die seit einem Jahr fast tagtäglich angesichts der Versäumnisse und Verfehlungen in puncto NSU, Verfassungsschutz usw. im Kreuzfeuer stehen.
„Klar, die NPD ist eine Nazi-Partei, sie ist verfassungsfeindlich und arbeitet eng mit rechtsradikalen Straftätern aus dem Milieu der Kameradschaften zusammen.“
Nein, es handelt sich um rechtsEXTREME (s. wikipedia)
Die NPD unterhält finanziell, ideell und materiell ihren eigenen Untergrund. Jugendarbeit macht sie aus dem Grund, um Nachwuchs für ihren Untergrund zu rekrutieren.
Der NSU ist die Miliz der NPD.
Die Rechte, das angebliche Zerwürfnis zwischen Horch und Apfel ist nur ein Fake.
Entscheidend sollte auch sein zu prüfen, wer von der NPD alles der KRR angehört.
Und sich zum NSL-Forum (s.psiram.com) zählt, das sich auch mit Waffen beschäftigt.
Vieles weltweit deutet darauf hin, dass es auf eine neue große Depression hinauslaufen soll.
Alleine schon aufgrund der aktuellen Antisemitismus-/Judenhass-Zahlen müssen alle rechten Parteien verboten werden, nicht nur die NPD. Es darf in Ex-Holocaust-Deutschland KEINE EINZIGE rechtsextreme Parteien, Vereine und Institutionen geben, weil alle den Nährboden für den Untergrund darstellen.
Pro NRW, Jörg Uckermann sagte im November 2010 vor der Duisburger Moshee am Schluss seiner Hetze: “Heut ist nicht alle Tage, wir kommen wieder keine Frage!” (s. youtube)
Ist das nicht eindeutig genug?
Anbetracht der Tatsache, dass das Wiederbeleben der NPD Verbotsdebatte unmittelbar mit den Verbrechen des NSU zusammenhängt, ist auf jeden Fall die Bezeichnung „Symbolpolitik“ in diesem Zusammenhang treffend, unabhängig davon, wie Gerichte das Verbotsverfahren einordnen werden. Was da abgezogen wird, ist im Endeffekt eine große Show, denn wenn man schon keinerlei Nutzen aus der Arbeit der Geheimdienste und Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes, die ja eigentlich zum Schutze des Bürgers und der Demokratie vorhanden sind, ziehen konnte, dann möchten die verantwortlichen Innenminister zumindest auf der politischen Bühne den Eindruck erwecken, als würde etwas passieren. Im Endeffekt passiert aber erst einmal gar nichts, denn die Idee, die NSU Morde hätten verhindert werden können, wenn es die NPD nicht gäbe, sind ein absoluter Trugschluss.
Vermutlich hätten sich so dubiose Vögel, wie Ex-Innenminister Fritz Behrens in ihrer geschmacklosen Fehleinschätzung, dass es rechtsradikalen Terror in NRW nicht geben kann, weil es ihn nicht geben darf, nach dem Nagelbombenattentats in Köln 2004 noch sicherer gefühlt, weil es ja noch nicht einmal eine rechtsradikale Partei in Deutschland gegeben hätte.
Die eigentlichen politischen Probleme sind mit der Diskussion um das Parteienverbot nicht gelöst. Es lenkt vielmehr wunderbar davon ab, dass bislang weder Bund noch Länder befriedigende Ergebnisse in Sachen Zukunft der Geheimdienste präsentieren konnten. Hier herrscht weiterhin Kompetenzgerangel und jeder beteiligte hat Angst er könnte an Macht verlieren. Für einen Neuanfang oder eine Neuausrichtung von MAD, BND und Verfassungsschutzämter sind das denkbar ungünstige Vorzeichen. Es wäre wünschenswert, wenn auch hier soviel Einigkeit herrschen und die Zusammenarbeit funktionieren würde, wie beim Thema NPD Verbot.
Was mich ehrlich gesagt erschreckt, wenn ich unseren Innenminister Jäger, der ja die Führung in dieser Verbotsinitiative übernommen hat, reden höre oder sehe, ist zum einen, wie er versucht, die gefährliche Gleichgültigkeit, die sein Vorgänger und Parteifreund Behrens an den Tag gelegt hat, in der Öffentlichkeit herunterzuspielen, obwohl das Urteil des Untersuchungsausschusses bereits vernichtend gewesen ist. Zum anderen habe ich ein Problem damit, wie Jäger versucht, den Rechtsradikalismus in die neuen Bundesländer zu drücken. Im seinem Tagesthemeninterview vor zwei Tagen war bedauerlicherweise nur die Rede vom aggressiven Auftreten der NPD in den neuen Bundesländern. Wenn er wollte, könnte Jäger auch die NPD in seinem eigenen Bundesland wahrnehmen, Stichwort: Dortmund. Aber will er das? Es verunsichert zumindest nicht unerheblich, wenn das Naziproblem auf den Osten reduziert wird und unter einer rigorosen Aufklärung der Fälle, die NRW betreffen, verstehe ich auch etwas anderes, als das Herunterspielen der Fehler unter Innenminister Behrens.
Symbolpolitik, ja schon. Kann schon sein, daß sich da so einige in HInsicht auf das völlige Versagen in Sachen NSU auf die billige Art sanieren wollen. Nur ich fürchte, da wird die Dickfelligkeit einiger Protagonisten auch siegen, wenn die NPD nicht verboten wird.
Und dann hätte man noch nichtmal symbolisch reagiert.
Immerhin würde ein Verbot verhindern, daß die NPD auch noch durch Steuergelder finanziert wird (zumindest für ein paar Jahre, falls das Verbot vom Europäischen Gerichtshof wieder aufgehoben wird).
Und: Die Partei kann nicht mehr für sich reklamieren, die „schweigende Mehrheit“ zu repräsentieren, verliert also etwas von der eigenen Symbolik, was womöglich noch wirksamer ist als der Entzug der Staatsknete.
Natürlich werden die Parteimitglieder sich anderswo wieder sammeln – das gilt allerdings auch beim Verbot von sonstigen faschistischen Organisationen, wie jüngst durch Min. Jäger.
Es hilft nicht gegen rechtsradikale Gesinnung und Antisemitismus in der Gesellschaft. Richtig. Dagegen hilft nur alltäglicher Widerspruch, auch auf die Gefahr hin, sich unbeliebt zu machen.
Der einzige Unsicherheitsfaktor sind m. E. die Richter. Es geschehen ja zuweilen merkwürdige Dinge in D. Da wird zwar Neonazis „Minderheitenschutz“ zugebilligt – während andererseits das Verbot von verfassungswidrigen Symbolen so weit getrieben wird, daß auch durchgestrichene Hakenkreuze verfolgt werden und der Comic „Maus“ von Art Spiegelman beschlagnahmt, weil ein Hakenkreuz auf dem Cover ist und Hakenkreuze verboten sind. Ganz zu schweigen von so Albernheiten wie die Affaire „Hakenkreuze auf Knöpfen an Strickjacke von Esprit“, falls sich da noch jemand dran erinnert. Das ist dann in der Tat Symbolpolitik.., aber der garantiert kontraproduktiven Art.
[…] Symbolpolitik NPD-Verbot (Ruhrbarone) – Siehe auch: Wie geht man mit der extremen Rechten um?. […]
-22-Ergänzend zu Puck:
Eine radikalere Praxis als die bisherige seitens der Polizei- und Ordnungsbehörden bei öffentlichen Auftritten gewaltbereiter Neo-Nazis, selbstverständlich im Rahmen des geltenden Rechtes, eine radikalere Praxis der Polizeibehörden (und des Verfassungsschutzes!!) bei der Verfolgung von Straftätern aus der Neo-Nazi-Szene -selbstverständlich im Rahmen des geltenden Rechtes- und eine radikalere Strafjustiz gegenüber Neo-Nazis, egal ob sie verbal oder gar gewaltsam, Straftatbestände erfüllen, das scheint mir geboten zu sein.
Ich habe den Eindruck, daß es da noch „reichlich Spielraum“ gibt.
Und sollte das Strafrecht diesbezüglich lückenhaft sein, dann wäre über eine Gesetzesänderung nachzudenken.Das scheint mir jedenfalls naheliegender und zielführender zu sein als ein verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch problematisches Parteiverbotsverfahren.
Überraschend vernünftige Ansichten wieder von Hr.Laurin. Seinem Artikel ist nicht viel hinzuzufügen. Eine allgemeine Sache: Die Formulierung Laurins, dass GSG-9- Leute mittels Hundertschaft und entsicherten (Handfeuer)Waffen irgendwas -hier der aus jur.Argumentationsgründen v.Laurin angeführte gewaltätige hypothetisch unterstellte Putschversuch einer legal bleibenden NPD- FINAL lösen,ist daneben. In der Bundesrepublik wird nichts „final“ gelöst. Auch nicht hypothetisch in einer jur.Argumentationskette. Okay? Wir wollen und sollten gar nicht erst damit anfangen, „finale“ Handfeuerwaffen-Szenarien mit obrigkeitlichem Tenor zu denken-weil man sowas ,egal wie und mit welchem Personal man sich was denkt, dann auch komplett zuende denken muß. Und da bliebe kein Auge trocken. Ansonsten hat Laurin recht.
Ein symbolischer Akt ist der Verbotsversuch. Klappt der,auch vor dem Europäischem Gerichtshof, resp. hätte die „Selbstanzeige“ der NPD vor dem Bvg auf Prüfung ihrer Verfassungsgemäßheit (die vielleicht vor dem Verbotsentscheid entschieden wird) nicht den Erfolg den die Neonazis sich erhoffen, so hätte das Symbolische an einem dann kommendem Verbot eine abschreckende Wirkung auf potentielle Wähler der vormaligen NPD und also potentielle Wähler einer populistischen Rechtspartei die dann gewiss kommt analog zu der franz. Front Nationale und diesen holländischen Totalitären, da diese Wähler als deutsche (rechtsdumpfe) Michel sich,von Ausnahmen abgesehen, gewiss nicht zur Urne trauen würden. Die gehen dann erst wieder Rechts wählen , wenn ganz andere Wähler die legale neue rechtspopulistische Partei in irgendwelche Paralemte wählten.
Aber vielleicht ist es ja gerade das,was man will? Den Wählerpool erweitern für eine legalistisch und unbelastet auftretende deutsche „Wilders-und Le Pen“ -Partei mit sozialdarwinistischen,neoliberalen,semirassistischen und vor allem semittotalitär und sehr bürokratiebejahende Kontrollmanien an Inhalten;eine Partei , die vom formalgebildetem nationalem Dr.jur und Dr.med. und Dr.rer pol. über die gebeutelten armen Selbstständigen Klitschenbesitzer ,Polizisten, Beamte und öffentliche Angestellte anderer Art bis hin hin zum in kreatürlicher Existenzangst und dumpfen Werbe-und Propagandawelten dahinexistierendem Proleten dann alle wählen könnten? Den Platz dafür gäbe es dan-nach einem Wegfall der letzten legalen Rechtspartei NPD. Dann ist dort ein parteipolitisches legalistisches Vakuum. Das eine Populistenpartei dann ausfüllen kann,die auch Zulauf aus den Segmenten der anderen Parteien erhielte.
Möglchicherweise wäre ein Verbot der kontrollierten NPD,so irre sich das zunächst anhört, der wirkliche (gewollte??) Ruck nach rechts-wenn dann eine legalistische rechte und in den Wählergruppen dann breiter gestreute Partei aufträte.
So oder so – die Reise geht zunächst nach rechts.
Denn die wirklichen modernen Rechten, die modernen Totalitären und neoliberalen Sozialdarwinisten -die sitzen ganz wonanders, nicht bei den Dumpfbacken der jetzigen NPD ,so widerlich die einem auch sein mögen. Hierorts hält man echte Totalitäre und neoliberale Sozialdarwinisten in anderen Bereichen für die gefährlicheren Leute.
Insoweit hätte ein verbot und dessen hie rmal angedeutete Folgen auch sein Gutes: Ein Teil jener echten Rechten in „Nadelstreifen oder Kleinem Schwarzem“ würde und müßte aus ihren wohlbestallten Löchern kommen,denn sonst wählen die Dr. jur. und Dr. med usw. einen neuen rechten Verein nicht,weil solche echten Rechten unten im Volk nur echte Rechte in Funktionen wählen und eben nicht rechte Dumpfapfelbäcken.