Tabakwerbeverbot: Erst gar nicht, dann falsch

Ging immer in die Luft: Werbe-Ikone HB-Männchen Quelle: Screenshot

Was haben sich Volker Kauder und die CDU/CSU Bundestagsfraktion schwer getan mit der Tabakwerbung. Der ehemalige Verbraucherschutzminister Christian Schmidt (CSU) hatte vergeblich versucht, im Rahmen der Umsetzung der EU-Tabakproduktrichtlinie auch in Deutschland ein Verbot für Plakate, Kino und Promotion-Aktionen einzuführen. Angeblich lag der Kompromiss mit einer Übergangszeit bis 2025 bereits auf dem Tisch, aber die Wirtschaftspolitiker der Union hatten Sorge, damit könne der Damm brechen für Alkohol, Zucker und andere risikobehaftete Lebensmittel. Wer einmal anfängt, Werbung für legale Produkte zu verbieten, so die Befürchtung, hört damit nicht so schnell wieder auf.

Inzwischen haben die Grünen den damaligen Antrag quasi unverändert noch einmal in den zuständigen Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft eingebracht. Jetzt heißt die Ministerin Julia Klöckner und der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus. Wenngleich sich an den ordnungspolitischen Bedenken nichts geändert haben dürfte, scheint ein Werbeverbot wahrscheinlicher zu werden. Die Forderungen der Gesundheitspolitiker in der Union um Erwin Rüddel sowie um Sabine Dittmer in der SPD mehren sich, dass die Tabakwerbung jetzt endlich fällig sei. Warum das, was für CDU-Wirtschaftsliberale wie Joachim Pfeifer und Christian von Stetten in der letzten Legislatur noch falsch war, jetzt auf einmal richtig sein soll, müssten sie gleichwohl noch erklären.

Gewohnheitsraucher könnten von risikoreduzierten Alternativen profitieren

Dabei hat sich inzwischen am Tabakmarkt so einiges getan, das die Aufmerksamkeit von Abgeordneten mit ökonomischem Sachverstand durchaus verdient hätte. Mittlerweile greifen nämlich immer mehr Menschen zu Elektronischen Zigaretten. Selbst der Marktführer Philip Morris mit seinem Tabakerhitzer IQOS will nach eigenen Angaben irgendwann einmal komplett aus dem konventionellen Geschäft aussteigen. Was von solchen Ankündigungen zu halten ist, weiß man aus der Automobilbranche, wo trotz großer Offensiven für die E-Mobilität noch immer der Diesel das Zugpferd Nummer eins ist. Aber Vorsicht vor Industrieversprechungen allein erklärt nicht, warum die Politik so gar nicht zur Kenntnis nehmen will, dass es inzwischen Innovationen gibt, die Tabak nicht mehr verbrennen und somit deutlich weniger Schadstoffe erzeugen. Stattdessen wird so getan als befände man sich noch in den 90er-jahren, als es praktisch nichts außer gleichermaßen schädliche Filterzigaretten gab.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) geben zu bedenken, dass die neuen Alternativen nicht harmlos seien und immer noch Nikotin enthielten, das süchtig mache. Abgesehen davon, dass das nicht einmal die Industrie selbst bestreitet, ist Nikotin nicht der Grund, warum Menschen an Lungenkrebs, COPD oder Herzinfarkt sterben. Das Problem ist die Verbrennung, durch die Partikel sowie über 5000 teilweise karzinogene Giftstoffe entstehen. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat bereits bestätigt, dass nicht-verbrennende Produkte eine erhebliche Schadstoffreduzierung erzielen (Quellen: hier). Auch wenn unabhängige Langzeitstudien zu den tatsächlichen gesundheitlichen Auswirkungen noch fehlen, kann man davon ausgehen, dass alles besser ist als die herkömmliche Zigarette.

Nun hat Philip Morris die Unternehmensberatung Roland Berger beauftragt, zu untersuchen, welche Auswirkungen es hätte, wenn Regulierung klar zwischen konventionellen und risikoreduzierten Produkten unterscheiden würde, so dass es auch bei den Konsumenten unmissverständlich ankommt. Angeblich könnte die Lebensqualität von Rauchern um bis zu 50 % erhöht werden, wenn sie in Folge dessen auf Schadstoffreduzierte Alternativen umsteigen. Das größte Potenzial zur Verbesserung der Lebensqualität besteht demnach bei Rauchern im Alter zwischen 45 und 64 Jahren. In dieser Gruppe würden es überdurchschnittlich viele Menschen geben, die über einen Zeitraum von länger als zehn Jahren mehr als zehn Zigaretten am Tag rauchen.

Bestandsschutz für die alte Tabakindustrie

Auch wenn Studien aus der Industrie immer mit Skepsis begegnet werden sollte, ist doch zumindest der Gedanken interessant, was passiert, wenn Regulierung die Branche mit sanftem Druck dazu bewegen würde, auf weniger schädliche Produkte zu setzen. Denn was ist mit den vielen Gewohnheitsrauchern, die bisher nicht aufgehört haben und es auch in absehbarer Zeit nicht tun werden – teils, weil sie nicht können, teils, weil sie nicht wollen? Schreibt man diese Menschen einfach nach dem Prinzip „Quit or Die!“ (hör auf, oder stirb) ab oder sollte man sich vielleicht lieber Gedanken machen, ob risikoreduzierte Produkte eine Alternative darstellen? Jugendliche und Nichtraucher sollen selbstverständlich weiterhin im Fokus der Tabakkontrollpolitik stehen, aber sie nehmen keinen Schaden, wenn Raucher umsteigen, um ihre Gesundheitsrisiken zu reduzieren. Und wenn doch jemand mit dem Nikotinlaster anfängt, was trotz aller staatlichen Bekehrungsversuche noch vorkommen soll, dann doch lieber mit elektronischen als normalen Zigaretten.

Prof. Dr. Torsten Oltmanns, Partner bei Roland Berger, ist zumindest überzeugt, dass eine Differenzierung zwischen Zigarette und neuen Alternativen dazu führen würde, dass Konsumenten Innovationen schneller annehmen. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass wenn alle Produkte ungeachtet ihrer Schädlichkeit über einen Kamm geschoren werden, die Markteinführung von risikoreduzierten Innovationen wahrscheinlich deutlich erschwert wird. Dann käme ein undifferenziertes Werbeverbot einer Art Bestandsschutz für die alte Tabakindustrie gleich. Man stelle sich eine Welt ohne Werbung für Hybride oder Ökostrom vor. Offenbar hält die Große Koalition wenig von einer Disruption des Tabakmarktes, im Gegensatz zu den Bereichen Energie und Mobilität, wo es mit den Alternativen und der Innovation gar nicht schnell genug gehen kann. Jedenfalls bleibt es schwer nachvollziehbar, warum man sich erst jahrelang gegen ein Tabakwerbeverbot wehrt, um dann eine selbst aus Sicht des Verbraucherschutzes zumindest im Ansatz vielversprechende Marktentwicklung abzuwürgen.

 

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ke
ke
6 Jahre zuvor

Wer auf Strassen Probleme mit Feinstaub hat, sollte eigentlich sofort das Rauchen verbieten.

Persönlich gehen mit die E-Zigaretten mit ihren riesigen Dampfwolken und Aromastoffen auf die Nerven. Das ist pure Belästigung der Umwelt.

Christoph Lövenich
Christoph Lövenich
6 Jahre zuvor

Der Philip-Morris-Konzern fährt schon lange die Strategie, Regulierung zu unterstützen, die den Konkurrenten mehr schadet als einem selbst. (Siehe Werbeverbote, von denen die Marktführer immer profitieren, weil sie ja bereits bekannte Markennamen haben platzieren können.) Oder, wie in diesem Fall, Regulierung zu fordern, die PM nützen soll zu Lasten der Konkurrenten.
Deren Tabakerhitzer ist ein Prohibitionsprodukt, dass ohne die massive Bekämpfung des Tabakrauchens – durch zahlreiche Verbote und turmhohe 'Sündensteuern ' – nie auf den Markt gekommen wäre. Jetzt will der Konzern auf ihn maßgeschneiderte Verbote. Richtig wäre vielmehr, allen Produkten normale Werbefreiheit zu gewähren, so dass sie zu gleichen Bedingungen miteinander um die Gunst des Konsumenten konkurrieren können. Dann wäre auch allen kleineren Wettbewerbern und sämtlichen Innovationen der Marktzugang gewährleistet. Manche Innovationen im Bereich der Risikominimierung ("Safer Cigarette") dürften übrigens bereits durch die EU-Tabakproduktrichlinie in ihrer Überarbeitung von vor wenigen Jahren verboten sein.

Die Lösung wäre ganz einfach: Lasst die Menschen doch einfach rauchen, dampfen oder sonstwas genießen, wie sie es möchten. Spart viele Gesetze, viele Ausgaben für deren Umsetzung, für "Präventions"propaganda, staatsfinanzierte Anti-Rauch-Lobbys usw. Aber dafür bräuchten wir Politiker, die nicht auf die Gängelung des Privaten ausweichen, um von ihrer Unfähigkeit im Bereich des Öffentlichen abzulenken.

P.S.: Die Drohung "Quit or die" darf geflissentlich ignoriert werden. Entdecken wir den Helmut Schmidt in uns allen!

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