Bling, bling! Woher die AfD-„Fürstin“ vermutlich ihren Namen hat

Photo by Amanda Kerr on Unsplash

Warum legen manche Leute so großen Wert auf ein „von“ oder „zu“? Warum finden sie Adelige, die sie adoptieren und ihnen den Namen übertragen? Seit dem letzten AfD-Parteitag geistert die AfD-Politikerin Doris „von Sayn-Wittgenstein“ durch die Zeitungen, deren hohe Geburt im Zweifel steht. Sie spielt nur die neuste Rolle in einer endlosen Seifenoper, die schon so … ähem… seriöse Hauptdarsteller wie „Frédéric von Anhalt“, „Marcus von Anhalt“, und „Mario-Max Prinz zu Schaumburg-Lippe“ hatte. Nun liegt ein Hinweis vor, wie die AfD-Politikerin zu ihrem klingenden Namen gekommen sein könnte.

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Freiherren, Freigeister und diese Sehnsucht: ein Wintermärchen als Vorschlag zur Güte

Die stellvertretende Vorsitzende der Partei „Die Linke“ Katja Kipping hat die Weihnachtspause genutzt, die Abschaffung der Adelstitel zu fordern. Unter Bezug auf das österreichische „Adelsaufhebungsgesetz“ von 1919 sagte Kipping: „Es ist an der Zeit, dass wir das auch in Deutschland tun.“ Adelstitel seien nämlich in einer Demokratie überflüssig.

Auch in Deutschland wurden zwar seit 1918 keine Adelstitel mehr verliehen, und mit der Weimarer Reichsverfassung alle Privilegien des Adels zumindest juristisch beseitigt, nach wie vor ist es jedoch gestattet, den Titel als Namenzusatz zu führen – wenn man adelig ist, versteht sich. Derlei Traditionspflege hat keinerlei juristische Konsequenzen; man kann nicht einmal einen Anspruch darauf geltend machen, entsprechend angeredet zu werden.
Schon insofern hat Frau Kipping Recht: solch ein Titel ist so überflüssig wie nur was. Und dennoch scheinen diese mehr oder weniger hübschen Titel ganz so überflüssig doch nicht zu sein. Immerhin ließe sich mit all den Vons und Zus eine „vordemokratische“ Sehnsucht stillen, die Kipping „in Teilen der Bevölkerung“ auszumachen glaubt.
Diese werde insbesondere von Verteidigungsminister Guttenberg ausgenutzt, der versuche, „sich als jemand darzustellen, der anders ist als das politische Establishment“, erklärte Kipping der Süddeutschen Zeitung. Damit knüpfe Guttenberg „an die Unzufriedenheit mit der real existierenden Demokratie“ an und spiele „mit dem Bedürfnis nach einem aristokratischen Führungsstil“.

Ganz offensichtlich hat Katja Kipping mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Adelstitel ein gutes Näschen bewiesen. Denn kaum hatte sie ihren Vorschlag gemacht, hagelte es auch schon Widerspruch von allen Seiten. Mehr ist über Weihnachten kaum zu erwarten. Sowohl in den Kommentaren unter den entsprechenden Meldungen als auch in den Blogs war zu vernehmen, dass nicht die Adelstitel, sondern vielmehr Forderungen nach ihrer Abschaffung überflüssig seien.
Schließlich sei doch der Adel in Deutschland seit 1919 abgeschafft, die heutigen Namenszusatzträger genössen keinerlei Privilegien, bei dem ganzen blaublütigen Gedöns handele es sich ohnehin nur um ein Unterhaltungssegment der Klatschpresse, und außerdem gäbe es im Lande weitaus wichtigere Themen.
Mit diesen sollten sich Politiker, insbesondere linke Politiker befassen, anstatt zu versuchen, um der eigenen Profilierung willen unpolitische Diskussionen über unpolitische Sachverhalte zu entfachen. Adelstitel seien letztlich bedeutungslos, und deshalb messe ihnen auch kein Mensch – von einigen den Lady-Di-Heftchen verfallenen älteren Damen einmal abgesehen – auch nur irgendeine Bedeutung zu.

Gewiss wäre es schade, wenn jetzt – ausgerechnet an Weihnachten – Zank und Streit darüber entstünde, wie wir es in diesem unserem Lande mit den vom blauen Blute zeugenden Titeln halten. Deshalb halte ich es mit Kippings Kritikern: eine solche Debatte wäre überflüssig. Die kann dieses Land nun wirklich nicht gebrauchen. Und sie tut auch nicht Not.
Denn bei allen Differenzen im Detail stimmen ja ihre Kritiker mit Frau Kipping überein, dass nicht nur eine Diskussion über sie, sondern auch die Adelstitel selbst heutzutage absolut überflüssig sind. Deswegen mache ich um des lieben Friedens willens folgenden Vorschlag zur Güte:
ausgehend von der Einigkeit aller Demokraten in dieser Sache verständigen sich die Fraktionen des Deutschen Bundestages darauf, ohne viel Aufhebens – sagen wir: eingestilt über den Ältestenrat – unter dem Tagesordnungspunkt „ferner liefen“ die Adelstitel abzuschaffen und das Tragen dieser Namenszusätze zu verbieten.

Dieses ganze Prozedere kann ohne eine solche einer Demokratie absolut unwürdigen öffentlichen Debatte über die Bühne gehen. Das Parlament beschließt diese reine Selbstverständlichkeit ohne irgendeine Aussprache, so wie der Bundestag alle möglichen anderen Lappalien ebenfalls beschließt, ohne dass irgendjemand irgendeine Notiz davon nähme. Der Beschluss kommt ins Bundesgesetzblatt, und fertig ist die Lauge.
Die Betroffenen erhalten nach Inkrafttreten des Gesetzes eine amtliche Mitteilung, wann und wo sie sich ihre neuen Personalausweise, Pässe, Führerscheine etc. abzuholen haben. Die Gebühren für diesen Verwaltungsakt dürfen die üblichen kommunalen Preise nicht überschreiten. Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger sind von den Kosten der Entadeligung ihrer Namen freizustellen. Gewiss kämen mit dieser massenhaften Streichung von Namenszusätzen erhebliche Kosten auf die Städte und Gemeinden zu.
Doch dieses Geld ist den Demokraten die Demokratie wert. Das Adelstitelaufhebungsgesetz regelt im einzelnen, dass und wie Bund und Länder den Kommunen den Großteil dieser (Opportunitäts-) Kosten abnehmen. Obgleich sie sich in den vertraulichen Beratungen des Ältestenrats nicht mit ihrem Ansinnen durchsetzen konnte, dem ehemaligen sog. Adel selbst diese Kosten aufzubrummen, trägt die Linksfraktion diesen interfraktionellen Antrag mit.

Die Linke ist froh, diesen Fremdkörper aus der Demokratie verbannt zu haben, und bildet sich ein, auf ihrem Weg zum demokratischen Sozialismus ein Stück voran gekommen zu sein. Die anderen Fraktionen sind froh, Frau Kipping in ihrer Agitation gegen die „real existierende Demokratie“ etwas Wind aus den Segeln genommen zu haben. Die ehemaligen sog. Adeligen sind froh, diese absolut lächerlichen Namenszusätze endlich losgeworden zu sein, ohne befürchten zu müssen, auf ihren Sippentreffen blöde angeguckt zu werden.
Und alle Demokraten sind froh, dass nach langer, langer Zeit ein weiteres Stück Mittelalter abgeschüttelt werden konnte. Grafen, Fürsten und Barone und wie sie alle heißen gibt es jetzt nur noch im Märchen. Wohlbemerkt: das war jetzt nur so ein Vorschlag zur Güte von mir. Wenn Sie so wollen: ein Märchen. Denn selbstverständlich lassen sich die Adelstitel nicht einfach mal so nebenbei abschaffen.
Für solch ein Wintermärchen gäbe es nie und nimmer eine politische Mehrheit. Das weiß jeder; das weiß auch Katja Kipping. Man mag über ihre Motive streiten, man mag ihr Wort von der „real existierenden Demokratie“ für verunglückt halten, doch es ist ihr Verdienst, darauf aufmerksam gemacht zu haben. Adelstitel abschaffen, Revolution spielen, und sei es auch nur eine bürgerliche Revolution. So etwas gibt es hier nicht! Nicht in Deutschland. Wenn hier überhaupt mal Revolution gemacht wird, dann …

Ach, lassen wir das! Es ist noch Weihnachten.