Ein lautes Rufen hallt durch die Eingangshalle: „Nahid, where are you?“ Es ist nicht die einzige Fremdsprache, die zu hören ist. Einer der Sicherheitsleute balanciert ein Tablett in die Küche, ein Betreuer schleppt ein Paket mit Babybekleidung in eine Kammer. Alltag in der Flüchtlingsnotunterkunft Adlerstraße in Dortmund. Menschen stehen in kleinen Gruppen auf den Fluren zusammen, andere sitzen verloren auf einem Stuhl und blicken ins Leere. Man spürt in der Betriebsamkeit, dass jeder von ihnen eine schwere Zeit erlebt hat. Hinter ihnen liegen Krieg, Verfolgung und Vertreibung aus der Heimat. Viele sind erschöpft und wirken dennoch erleichtert. In der ehemaligen Grundschule in Dortmund haben sie vorübergehend ein Zuhause gefunden. Wo einst konzentrierte Stille in den Klassenzimmern herrschte, fährt ein kleiner Junge rasant mit einem roten Bobby-Car um die Ecke. In diesem Moment wirkt er glücklich.
Der Artikel erschien in der Bodo 02/2015.
Das liegt sicher auch daran, dass seit der Eröffnung des im Eiltempo eingerichteten Flüchtlingsheims, die Welle der Hilfsbereitschaft nicht abreißt. Neben zahlreichen Sachspenden gibt es viele Hilfsangebote von Menschen, die ihre Zeit schenken wollen. Insgesamt haben 50 aktive Helfer zuverlässig Aufgaben übernommen. Viele von ihnen sind durch eine Internet-Gruppe auf die Ankunft der Flüchtlinge aufmerksam geworden.
Astrid C., die nicht weit vom Flüchtlingsheim entfernt lebt, hat sie ins Leben gerufen, um alle Hilfsangebote zu sammeln und zu verteilen – wie an einer Pinnwand. In rasanter Geschwindigkeit wuchs die Gruppe auf fast 900 Mitglieder an. Hier wird regelmäßig gepostet, was gerade angeboten oder dringend gebraucht wird.Der jüngste Bewohner in der Adlerstraße 44 ist nur wenige Tage alt, er wurde gerade geboren: „Der andere Kinderwagen ist schon weg. Ein neu geborenes Baby braucht jede Menge Windeln und Stramplern!“ „Ja, wir haben noch einen Buggy im Keller. Wann können wir vorbeikommen?“
Im Haus in der Adlerstrasse leben Menschen aus elf verschiedenen Ländern, unter anderen aus den Krisenregionen Afghanistan, Syrien und Irak. Einer von ihnen ist Ehan A. Er wurde als Kind in seiner afghanischen Heimatstadt Herat schwer verletzt. Beim Fußballspielen entdeckte er eine amerikanische Splitterbombe. Als er den Blindgänger aufheben wollte, explodierte er und riss dem damals 10-Jährigen ein Bein ab. Eine Hilfsorganisation finanzierte ihm die lebensrettende Amputation.