Jim Knopf entzündet eine Depesche mit einem Fidibus

Midjourneys Vorstellung von „Jim Knopf“ hat jedenfalls noch weniger Originalcharme als jede revidierte Fassung. Foto: Sebastian Bartoschek/Midjourney

Wenn Sie sich darüber aufregen, dass in der neuen Jim-Knopf-Ausgabe das Wort “Neger” fehlt, kann das gut daran liegen, dass Sie ein Rassist sind. Wenn man die Kommentare und Einlassungen zu diesem Thema liest, drängt sich jedenfalls der Eindruck auf, dass die Befürworter der alten Fassung sehr viel erregter, emotionaler und einfach dümmer sind. Deren Gegenargument beschränkt sich im Wesentlichen darauf, eine Diktatur einer “woken” Minderheit herbeizufantasieren, die irgendwie die Verlagsführung in Geiselhaft genommen hätte. Bei all dieser Empörung ist klar erkennbar, dass psychologische Mechanismen eine Rolle spielen.

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Von Rammstein bis Burzum – Zur Trennung von Künstler und Werk

Foto: Kreepin Deth, Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0

Dieser Tage wird wieder viel über die Trennung von Künstler und Werk gesprochen. Kann man, muss man, darf man Künstler und Werk trennen? Ist das „Lyrische Ich“ in den Gedichten von Till Lindemann identisch, ähnlich, komplett verschieden von Lindemanns „wahrem Ich“? Es geht hier nicht um Lindemann im Speziellen, sondern ganz allgemein um die Trennung oder Vermischung von Künstler und Werk bei Personen, die im Verdacht stehen oder überführt wurden, charakterlich mies zu sein, sei es durch Ideologie (z.B. Wagner), sei es durch Verbrechen (z.B. Marilyn Manson).

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Über das Tilgen von Wörtern

Personen, die Wörtern zum Abschied hinterherwinken. Foto: R. v. Cube

Dieser Tage geht es wieder viel über Wörter und welche man benutzen sollte und ob sie jemand verbieten will. Wie immer wird die Diskussion in Superlativen und mit Schaum vorm Mund geführt. Es kostet Kraft und Zeit, überhaupt herauszufinden, was die sich anschreienden Parteien eigentlich wollen. Das liegt daran, dass diejenigen, die eine Idee oder eine Kritik daran haben, meist nicht die gleichen sind, die diese Ideen oder diese Kritik im Ring verteidigen. Die Kämpfer an der Twitter-Front brechen sich aus der differenzierten Betrachtung grobe Stücke heraus, die sie als Keule verwenden, um auf den anderen einzuschlagen.

Kürzlich erschien ein Artikel in der NZZ, der wohl auf einen Beitrag in der New York Times zurückgeht, in dem vor der Abschaffung des Wortes „Frau“ gewarnt wird. Aufhänger ist ein Schreiben der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU zum Thema Abtreibungsrecht, in welchem angeblich das Wort „Frau“ nicht vorkomme.

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Hauptsache Streit – Zur Vortragsabsage an der Humboldt Universität

Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin im Palais des Prinzen Heinrich Foto (Ausschnitt): Christian Wolf (www.c-w-design.de) Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Die Absage eines Vortrags der Biologin Marie-Luise Vollbrecht bei der Humboldt-Universität Berlin zeigt mal wieder die Unredlichkeit auf allen Seiten in Zeiten des Internet-Kulturkampfes. “Transaktivisten” wie “Transkritiker” (in Ermangelung besserer Begriffe) schlachten das Ereignis gleichermaßen und teilweise sogar mit den gleichen Argumenten für sich aus. Da kann man eigentlich nur der seufzende Dritte sein und sich die Debatte von außen anschauen.

Die bekannten Fakten sind dürftig: Die Humboldt-Universität hatte die Biologin Marie-Luise Vollbrecht zu einem Vortrag mit dem Titel „Geschlecht ist nicht gleich (Ge)schlecht. Sex, Gender und warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt“ zur „Langen Nacht der Wissenschaften“ eingeladen. Vollbrecht ist Mitautorin des umstrittenen „Welt“-Artikels über Transsexualität, der seinerseits starken Protest ausgelöst hatte. Die Gruppierung „Arbeitskreis kritischer Jurist*innen“ sowie der Referentinnenrat (RefRat) der Universität hatten daraufhin zu einer Demonstration gegen den Vortrag aufgerufen. Laut Universitätssprecherin seien dann auch „Gegenaktionen von Vollbrecht-Unterstützer:innen angekündigt und vorbereitet“ worden. Es habe daher Sicherheitsbedenken gegeben.

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Die Hindenburgstraße ist so wertvoll wie ein kaputtes Fahrrad

Die Hindenburgstraße spiegelt sich im Fenster der Neuen Synagoge Foto: R. v. Cube

Ein Teil der Ruhrbarone-Redaktion sitzt ja gar nicht im Ruhrgebiet, sondern in Mainz. Und hier ist gerade ein Streit neu aufgeflammt, um die Frage, ob man die Hindenburgstraße umbenennen soll. Diese Straße in der Mainzer Neustadt ist eine hübsche, kleine Allee, die sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass sie weitgehend von Bomben verschont blieb, so dass sie einer der wenigen Flecken in Mainz ist, der noch den Charme der Jahrhundertwende-Architektur ausstrahlt. Der Name ist Programm. Außerdem liegt hier die eindrucksvolle Neue Mainzer Synagoge.

Der Inhalt des Streits ist rasch zusammengefasst: Die einen wollen die Straße umbenennen, weil Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat und ein Monarchist und Kriegstreiber war, die anderen wollen den Namen so lassen, weil Hindenburg doch nicht so schlimm gewesen sei und weil es Geld koste, alle Personalausweise umzuschreiben. Eine Anwohnerbefragung soll ergeben haben, dass die große Mehrheit gegen eine Umbenennung ist. Es gab eine Historikerkommission, die minutiös ausgerechnet hat, zu wieviel Prozent Hindenburg ein Nazi war, und die zum Ergebnis kam, dass die Nazihaftigkeit nicht die Schwelle erreichen würde, bei der man die Straße umbenennen muss. Da waren die Konservativen erleichtert, aber jetzt haben die Linken einen neuen Vorstoß gemacht und es könnte sein, dass die Straße von einer Mehrheit aus Linken, SPD und Grünen doch noch umbenannt wird.

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Flüchtlinge, Geflüchtete oder Subjekte mit positivem Status des Geflüchtetseins?

Ist man schon „geflüchtet“, wenn die Schuhe das Festland erreicht haben? Quelle: Flickr.com, Foto: Stefanie Eisenschenk,CC BY 2.0

Es ist noch nicht lange her, dass ich erstmals die These hörte, das Wort „Flüchtling“ sei diskriminierend und solle durch „Geflüchteter“ ersetzt werden. Solche Vorwürfe erfahren viele Begriffe, aber hier scheint mir der Vorschlag ganz besonders rasant und mit besonders servilem Eifer umgesetzt zu werden. Wenige Jahre, nachdem diese Behauptung in die Welt gesetzt wurde, kann es einem bereits passieren, dass man im Internet ermahnt wird, wenn man „Flüchtling“ sagt.

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Schrödingers Cancel Culture

Quelle: Flickr.com, Foto: Jon Ross CC BY-ND 2.0 Team Rot nach der Zerstörung des Abendlandes

Mit der “Cancel Culture” scheint es sich zu verhalten wie mit Schrödingers Katze: Sie ist gleichzeitig da und nicht da. Für etwas, dass es vielleicht gar nicht gibt, sind die im Freifeld anzutreffenden Meinungen hierzu sehr stark. Da gibt es auf der einen Seite Menschen, die sehr prominent darüber sprechen ausgelöscht zu werden, also quasi Geisterstimmen aus dem Jenseits. Und auf der anderen Seite stehen jene, die mit klugen Argumenten darlegen, dass es gar niemanden gäbe, der jene Leute auslöschen will – auch wenn es freilich total schön wäre, sie wären weg. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass der Bruch zwischen diesen Parteien nicht einfach zwischen Links und Rechts verläuft, sondern sich als Zick-Zack-Linie entlang diverser Themen schlängelt.

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