„Was für Menschen in was für einer Situation lesen wohl den Live-Ticker zum TV-Duell bei SPON?“, fragte ich bei Facebook. Es hat sich niemand geoutet und es wird wahrscheinlich auch niemanden geben, der diesen Ticker verfolgt hat. Denn mal ehrlich: Wozu dieses Duell überhaupt gucken, geschweige denn, einen Live-Ticker dazu? Ein Grund, das zu schauen, könnte sein, dass man die Interaktion der beiden analysieren will, dass man ein Stimmungsbild einfangen will, aus Mimik und Körpersprache lesen will, ob Merkel siegessicher oder Schulz kämpferisch ist. Das kann einem nur das Original vermitteln. Wenn einen hingegen einfach eine Zusammenfassung der Inhalte interessiert und wer sich besser geschlagen hat, ist man mit einer Analyse am nächsten Tag viel besser bedient.
Ich ging davon aus, dass dieses Duell so langweilig wird, wie seine Protagonisten auch sonst rüberkommen. Nach allem, was ich jetzt gehört habe, wurde diese Erwartung erfüllt. Damit es anders kommt, hätte man schon einem der Kandidaten Engelstrompete ins Mineralwasser mischen oder die Moderation Kurt Krömer (zu seinen besseren Zeiten) überlassen müssen. Hat jemand erwartet, dass Schulz plötzlich Vorschläge aus der Tasche zieht, die er bislang verheimlicht hatte? Hat jemand erwartet, dass Frau Merkel sagt, alles was sie gemacht hat, war Mist und sie wird es in Zukunft ganz anders angehen? Inhaltlich war nichts Überraschendes denkbar und das gleiche gilt für die Perfomance.
Sich das das „Duell“ anzuschauen ist allenfalls gute Bürgerpflicht, sich zu entziehen so ähnlich wie ein Nicht-Wählen im Kleinformat. Ich wollte lieber lesen und ich bin sicher, dass ich nichts verpasst habe.
Zumal ich eine Viertelstunde dann doch noch gesehen habe, weil es sich so ergeben hat. Was ich sah, bestätigt meine Erwartungen. Bitte sagt bescheid, wenn ich mich irre und ich was spannendes verpasst habe.
Ein Moment gefiel mir dann übrigens doch. Da hat Frau Merkel in freundlichem, aber absolut bestimmtem Tonfall zu Schulz gesagt, dass er sie bitte Ausreden lassen soll und Schulz hat etwas wie „selbstverständlich!“ gemurmelt und einen ganz kleinen, aber umso subordinierenderen Diener angedeutet.
Das Duell: Bloß nicht so weiter!
Stefan Laurin hat Recht, das TV-Duell war eines: langweilig. Aber da hört auch schon fast meine Zustimmung mit ihm und seinem „Weitermachen!“ auf. Ich wünsche mir wieder Politik und Kontroverse – beides ist von einer Fortsetzung des GroKodils nicht zu erwarten.
Schulz war gewohnt einschläfernd und pseudo, pseudo-lustig, pseudo-angriffslustig, pseudo-volksnah, pseudo-dankbar. Er besitzt den Charme eines Finanzbeamten nach zwei Pils und einem Korn, und man ist dankbar, dass es nicht mehr ist, weil der dann immer so nah kommt und erzählt, was er alles dem Heiko und dem Sigmar sagen könnte. Schulz liest Sachen, Schulz telefoniert, Schulz geht auf Friedhöfe. Für die Kanzlerschaft ist das alles zu wenig, und Frageeinleitungen mit „Wenn Sie Kanzler wären,…“ hörten sich stets wie Hohn an. Schulz hat keine Machtoption, genauer: keine Kanzlerschaftsoption. Die SPD hat es verpaßt, die bestehende Möglichkeit mit der LINKEN und den GRÜNEN im Bundestag auszuprobieren, oder den Wählern links der Mitte klar zu machen, dass sie bereit wäre, diese Chance zu ergreifen, sollte sie sich bieten. Somit bleibt dann eben nur das GroKodil – und Schulz hofft auf eine Präsidentschaft nach Steinmeier.
Merkel war präsidial, und schafft es nun seit über einer Dekade damit durchzukommen. Sie hat keine Visionen, und ihre Anhänger lieben diesen einschläfernden Stil, und verwechseln ihn mit Pragmatismus. Auch Merkel ruft Leute an, auch Merkel hat Sachen gelesen, auch Merkel finde ersaufende Flüchtlinge und Erdogan (nicht-ersaufend) doof. Sowas nennt man dann derzeit schon Positionierung. Merkels CDU als politische Partei mit einer eigenen Dynamik gibt es nicht, und die oft etwas übergewichtigen Jungs von der Jungen Union freuen sich darüber. Es könnte ein Tucholsky-Gedicht sein, es ist die politikgewordene Realsatire. Es ist die Abwesenheit von strategischen Zielen und politischen Utopien. Und es ist eine Union, die in jedem Fall die Kanzlerin stellen wird, egal mit wem. Die Frage nach schwarz-grün war da für Merkel von der selben Qualität wie für Schulz die Frage was er täte, wenn er Kanzler wäre.
Boris Becker und Oliver Pocher auf RTL – Lächerlich? Peinlich? Vor allem überflüssig!
Am Freitag lief auf RTL die Show „„Alle auf den Kleinen“ – Das Duell: Becker gegen Pocher“ über die Mattscheiben der Nation. Der mediale Aufschrei war bereits im Vorfeld groß. Das Echo im Anschluss ist vernichtend. Reine Unterhaltung, oder Peinlichkeit? Wie konnte Boris Becker nur so tief sinken? Vieles wurde und wird seither darüber diskutiert.
‚Nebenan‘, bei der Online-WAZ, bei ‚Der Westen.de‘, fragt man sich nun gerade, ob nicht sogar der Sender RTL vielleicht noch mehr ‚abgewrackt‘ ist als Boris Becker?
Das Alles mag man natürlich diskutieren. Auch ich, der ich die Sendung am Freitagabend selber gar nicht gesehen habe, habe mich bei anschließender Ansicht der daraus veröffentlichten Bilder von Boris Becker und Oliver Pocher in den Medien gefragt, was wohl in die beiden Herren gefahren sein mag, sich diesen Peinlichkeiten freiwillig auszusetzen. Auch ich frage mich in dem Zusammenhang welche Programmdirektoren und ‚Fernsehmacher‘ eigentlich ein solches Programm zur Hauptsendezeit auf die Beine stellen?
Aber die eigentliche Frage die ich mir bei dieser Gelegenheit stelle ist: Was für Leute schauen sich eigentlich eine solche Sendung über die vollen 195 (!!!) Minuten freiwillig an?