Als wäre die unerwartet hohe 0:5-Klatsche des FC Schalke 04 beim FC Bayern München im Top-Spiel des 19. Spieltags der Fußball-Bundesliga nicht schon ärgerlich genug gewesen, für den Anhang der Königsblauen, mussten sich viele Fußballfreunde am Abend auch noch über ein Interview von Clemens Tönnies beim Abo-Sender ‚Sky‘ ärgern.
Der Wurstfabrikant aus dem Westfälischen scheint auch Monate nach dem vom ihm ausgelösten Rassismus-Skandal vom vergangenen August nicht wirklich verstanden zu haben, was er damals falsch gemacht hat. Und bei Sky bot man ihm erstaunlich unkritisch die Bühne dazu dies vor hunderttausenden Zuschauern frisch unter Beweis zu stellen.
Wer sich Sorgen über die Qualität der öffentlichen Debatte macht, hat den Battle of Ideas in London noch nicht erlebt. Das politische Festival, mit seinen 100+ Podiumsdebatten, 450 Rednern und über 3500 Teilnehmern findet jedes Jahr an einem Wochenende im Herbst statt. Gegründet wurde es vor 15 Jahren von Claire Fox – und weil es immer beliebter wurde, zog es vor acht Jahren in das Barbican Centre, das größte Kultur- und Konferenzzentrum der Stadt.
Von unserer Gastautorin Sabine Beppler-Spahl.
Free Speech Allowed (freie Rede erlaubt) ist das Motto des Festivals und es sei bemerkenswert, so Fox, dass sie in den ersten Jahren deswegen belächelt wurde. Die freie Rede sei doch gar nicht bedroht, wurde ihr damals gesagt. Heute – da die Verrohung der Debattenkultur von zahlreichen Politikern beklagt wird und viele überlegen, wo die Grenzen des Sagbaren verlaufen sollten – erscheint es dagegen geradezu radikal.
Über viele Wochen und Monate tobte zuletzt landesweit die emotional aufgeladene Flüchtlingsdebatte. Aktuell ist es etwas ruhiger um das Thema geworden, obwohl die Situation ja noch immer völlig ungeregelt vor sich hin schwelt. Das wollten Aktivisten in Waltrop (Kreis Recklinghausen) so nicht länger akzeptieren und schritten entschlossen zur Tat.
Mit etlichen Plakaten und Bannern an der örtlichen St. Peter-Kirche im Zentrum des 30.000-Einwohner-Städtchens machten sie in der Nacht von Montag auf Dienstag auf die ihrer Meinung nach völlig unzureichende Flüchtlings-Politik der EU aufmerksam.
Trainer in der Bundesliga zu sein war schon immer ein ziemlich kurzlebiger Job. Gefühlt haben die Ansprüche an die Übungsleiter zuletzt aber noch einmal deutlich zugenommen. Kaum ein Klub, bei dem der Coach wirklich fest im Sattel zu sitzen scheint. Die halbe Liga wird aktuell mit Trainerwechseln in Verbindung gebracht. Ganz verrückt wird es aber dann, wenn sogar die beiden besten Teams der Liga über ihre Trainer diskutieren, so wie in diesen Tagen.
Trotz der Erfüllung aller Saisonziele werden die Namen Niko Kovac und Lucien Favre öffentlich zur Diskussion gestellt. Sowohl im Umfeld von Bayern München als auch bei Borussia Dortmund wird offenkundig ernsthaft überlegt, ob die beiden wirklich die Richtigen für eine sportlich erfolgreiche Zukunft sind. Schon irre!
Deutschland ist ein Land, in dem man leben kann. Einige meinen, man kann hier sogar recht gut leben. Andere finden, dass man eigentlich nur in dem Deutschland leben kann, das sie sich erträumen. Das Ausmaß dieser Träume geht von Auflösungs- bis Großmachtsphantasien. Ich lebe gerne in der Realität. Und eigentlich auch ganz gerne in Deutschland. Doch sollten wir reden.
Die Journalistin Nicola Kiermeier ist bei ‚SPORT1‘ als ‚Head of Branded Content & Partnerships‘ tätig. Dort ist sie die Schnittstelle zwischen Digital Redaktion und Vermarktung. In München entwickelt die studierte Historikerin Sportmedia Konzepte und schafft Vermarktungsflächen auf den Social & Digital Plattformen des Konzerns.
Im Jahre 2009 war Kiermeier noch als Praktikantin beim DFB tätig. In insgesamt sechs Monaten arbeitete sie unter dem Präsidenten Theo Zwanziger, der sich selber für seine Präsidentschaft die Themen Frauenfußball, Integration und soziale Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben hatte, allesamt Bereiche die grundsätzlich auch heute noch von großer Aktualität sind.
Kiermeier war mit im Team, als dort die eigene, kleine Abteilung für den Bereich ‚Integration‘ noch ganz neu war. Sie sieht die jüngsten Entwicklungen rund um die Özil/Erdogan-Affäre mit großem Bedauern. Jahrelange Arbeit drohe zunichte gemacht zu werden, wie sie im aktuellen Ruhrbarone-Interview meinte.
Ruhrbarone: „Hallo Nicola! Schön, dass Du Dir etwas Zeit für uns nimmst. Was sagst denn Du zur aktuellen Entwicklung rund um Mesut Özil?“
Kiermeier: „Das Thema hat immer schon stark polarisiert. Bereits beim Länderspiel im Berliner Olympiastadion im Jahre 2010 gegen die Türkei, nachdem er sich zur DFB-Elf und damit zu Deutschland bekannt hat, wurde Özil nahezu bei jedem Ballkontakt heftig ausgepfiffen. Seinerzeit waren die Türken im Stadion sauer, dass er sich gegen sie entschieden hatte. Danach beruhigte sich das dann etwas, aber er hat auch weiterhin immer wieder mal für Diskussionen gesorgt In den erfolgreicheren Jahren zuletzt, da wurde relativ viel von diesen alten Debatten verdrängt.“
Bis zum Beginn des G20-Gipfels in Hamburg sind es noch immer zwei Tage. Doch die Polizei hat die Stadt jetzt schon in den Ausnahmezustand versetzt. Am Dienstagabend wurden erstmals Wasserwerfer gegen feiernde Menschen eingesetzt. Was sonst normal und allgemein akzeptiert ist, wird in Hamburg jetzt unterbunden.
Am Sonntag waren es noch fünf Tage, bis die Staats- und Regierungschefs der G20 in Hamburg ankommen sollten. Doch schon da setzte die Polizei auf Eskalation. Ein Protestcamp auf einer weit abgelegenen Halbinsel wurde gestürmt, um 11 Zelte zu beschlagnahmen. Ein Eingriff in die Versammlung, der zu diesem Zeitpunkt mindestens fragwürdig war, denn einen Gerichtsbeschluss, der Schlafzelte verbot, erlangte die Polizei erst am nächsten Morgen. Inzwischen haben die antikapitalistischen Camper ihre Zelte abgebrochen. Sie wollen sich nun Freiräume in der Stadt suchen. Dass die Polizei gegen “wild campende” Linke vorgehen wird, steht außer Frage.
Eine Debatte darüber, ob das Verhalten der Hamburger Polizei rechts- oder gar verfassungswidrig ist, ist ausgebrochen. Doch zielführend ist diese Diskussion nicht. Es lohnt sich mehr, einen Blick auf die Protestrealität in Deutschland und anderen Demokratien, zu werfen. Seit Jahren gehören Protestcamps zum üblichen Prozedere bei Gipfeln oder auch einfach so, um sich für einige Tage zu treffen und ein politisches Streitthema zu bearbeiten. Bei diesen Camps geht es nicht immer so zu, wie sich Polizeiführungen dies wünschen. Manche Aktion, die von Campteilnehmern ausgeht, ist schlichtweg illegal. Trotzdem steht es einer Demokratie gut zu Gesicht die politischen Zeltlager zu akzeptieren. Gegen Straftaten, kann die Polizei gezielt vorgehen. Dafür ist das Personal geschult und gut ausgestattet. Auch der Punkt, dass Schlafen kein politischer Akt sei, wie es die Hamburger Richter anführen, trifft schlichtweg so nicht zu. Die Diskussionen und der Austausch mit wildfremden Menschen beim gemeinsamen Campen sind sehr wohl ein hochpolitischer Akt. Außerdem stellen Camps, dies stellten zuletzt bayrische Richter anlässlich des G7-Gipfels 2015 fest, eine notwendige Infrastruktur zur Verfügung, die den Menschen ihre mehrtägigen Proteste erst ermöglicht. Nicht jeder kann sich ein Hotelzimmer leisten und Protest darf nicht vom Geldbeutel abhängen.
Nach dem Tod einmal eingeäschert und dann in alle Winde verstreut zu werden? Für viele Menschen schon zu Lebzeiten eine irgendwie tröstliche Vorstellung. Mancherorts allerdings dann gar nicht so einfach umzusetzen.
Hier in Nordrhein Westfalen geht das grundsätzlich, trotz noch immer vorhandenem Friedhofzwang. Wer die Asche seiner Lieben in der Urne daheim auf dem Kamin haben will, der darf das bei uns so jedoch nicht. In den Niederlanden z.B. geht auch das. Soweit zumindest die Theorie.
In der Praxis sieht die Welt allerdings mal wieder ganz anders aus, wie ich am gestrigen Sonntag abermals erleben durfte. Da ist von der gewünschten Würde des Todes und angestrebten Ästhetik der Beisetzung dann mancherorts offensichtlich leider nicht mehr ganz so viel zu sehen. So auch bei mir, sprichwörtlich um die (Haus-)Ecke, hier in Waltrop (Kreis Recklinghausen).
Liebende Mütter, die sich vorstellen könnten, etwas ganz anderes zu sein? Mitte 2015 wurde ihnen durch die israelische Soziologin Orna Donath eine Stimme verliehen. Mit ihrer Studie stellte sie die diversen Schicksale von Betroffenen erstmals einem breiterem Publikum vor. Wie nicht anders zu erwarten, loggte sich daraufhin alles, was am traditonellem Familien- und Gesellschaftsbild festhält, bei Twitter ein und schimpfte diese Frauen Barbaren. Und laut Edo Reents in der Frankfurter Allgemeinen hätte die Debatte um die ihre Mutterschaft bereuenden Mütter durch das im Februar erschienene Buch Regretting Motherhood gar nicht erst wiederbelebt werden sollen. Zum Jugendamt müsse man eigentlich gehen, ob dieses fatalen Egoismus. Denn Frauen, die sich in ihrem späteren Leben mit ihrer einst frei gewählten Mutterrolle nicht mehr bedingungslos wohl fühlen, hält er für fehlgeleitet, »herzlos« und »brutal«. Dies stellt vielleicht insofern eine Besonderheit da, als er sich dabei auf Adorno beruft.
Wir leben grundsätzlich in einer herrlich-pluralistischen Gesellschaft, in welcher nicht nur viele unterschiedliche Lebensentwürfe möglich sind, sondern jede*r auch permanent die Möglichkeit hat, sich über andere als den eigenen zu informieren. Zugleich ist es auszeichnend für unsere Gesellschaft, dass es (in verschiedensten Lebensbereichen) noch sehr jungen Individuen abverlangt wird, Entscheidungen zu treffen, die derart endgültig sind, dass sie in ihrer Ausgereiftheit erst für viel ältere Personen echte Konsequenzen haben werden. Moderne Menschen haben sich mit diesen Tatsachen längst abgefunden. Moderne Menschen wissen nicht nur, dass Frauen einen höheren Daseinszweck als die Fortpflanzung für sich entdecken können, sondern auch, dass ein vielfältiger Lebenslauf für diverse Interessen stehen kann und nicht für eine umtriebige Persönlichkeit stehen muss. Sich umzuorientieren, seine Meinung zu ändern und Jugendsünden oder auch Mittzwanziger-Sünden zu benennen als das was sie sind – all dies bedeutet Fortschritt. Wir verabschieden uns in diesem Jahrtausend von einem sehr großen Teil lästiger Verbindlichkeiten; wir dürfen uns hin und wieder neu erfinden.
Freilich ist es einfacher, seiner Einsicht auch Taten folgen zu lassen, wenn man erst im fünften Semester Informatik bemerkt, dass einem Mathematik nicht liegt, als wenn man das Leben seines dreijährigen Kindes gegen ein eigenes, erfüllenderes eintauschen wollte. Aus genau diesem Grund besteht für die bereuende Mutter mehr Redebedarf. Auf der anderen Seite könnte das Brechen ihres Schweigens einen wichtigen Beitrag zu der Entscheidungsfindung von kommenden Generationen junger Frauen darstellen, was offenkundig vielen Menschen Angst bereitet. Eine Angst, die die Evolution in den Tiefen unseres Unbewussten vergraben hat; die primitive Angst vor dem Aussterben.
Während sich die einen Politiker nicht die Finger in Gesprächen mit den AfD-Rechtspopulisten schmutzig machen wollen, zog der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Theo Kruse zum Jahreswechsel auf seiner Homepage ordentlich gegen Flüchtlinge vom Leder. In der Landtagsdebatte zum Umgang mit der AfD kam es gestern zu einem Eklat. Der SPD-Fraktionsvorsitzender Norbert Römer meinte, dass die CDU „längst mit dem rechtspopulistischen Virus dieser Partei (AfD) infiziert“ sei – Kruse habe behauptet, dass „der Islam mit der freiheitlichen Grundordnung nicht vereinbar sei.“ Die Abgeordneten schimpften laut und verließen den Plenarsaal. Der Grüne Fraktionsvorsitzende Mehrdad Mostofizadeh legte nach und zitierte direkt von Theo Kruses Website. Dort sei von „einsickernden Flüchtlingen“ die Rede, die keinen Anspruch auf rechtsstaatliche Prinzipien haben sollen. Kruse, innenpolitischer Sprecher der CDU, ruderte zurück und änderte seinen Text: „ICH ERKENNE AN, DASS EINZELNE FORMULIERUNGEN MEINER AUSFÜHRUNGEN SACHLICH FALSCH SIND.“ Was ist jetzt wieder richtig, was war falsch und was war richtig falsch? Viele geändert hat sich nicht – ein Faktencheck.
1) Falsch? Theo Kruse auf seiner Website: „Aber wir müssen auch künftig äußerst wachsam sein. Für die einwandernden oder einsickernden Flüchtlinge gilt nicht (!!!!) die im Rechtsstaat ansonsten prinzipielle Unschuldsvermutung.“
Korrektur von Theo Kruse: „Aber wir müssen auch künftig äußerst wachsam sein, denn Terroristen nutzen die teils unübersichtlichen Zustände in der Flüchtlingskrise für ihre Zwecke.“
Jetzt richtig! Da die Unschuldsvermutung prinzipiell in unserem Rechtssystem verankert ist, gilt sie prinzipiell für jeden, dessen Schuld nicht bewiesen ist. Außer er ist ein Terrorist. Denn dann hat er selbst bewiesen, dass er nicht unschuldig ist.
2) Falsch? „Flüchtlinge kommen aus gescheiterten Staaten und Regionen, wo sie für sich und ihre Kinder keine Chancen zum Überleben sehen. Sie kommen nach Deutschland, weil es sich herumgesprochen hat, oder auch von skrupellosen Schlepperbanden verbreitet wurde und wird, dass es sich in unserem Land am besten leben lässt.“
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