In Dortmund haben am Abend 50 Neonazis eine Kundgebung gegen den 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels veranstaltet. Dabei konnten sie ohne jegliche Störung antisemitische Hetze betreiben. Gegen die Nazis gingen nicht mehr als 70 Personen auf die Straße. Ein Dortmunder Problem bleibt die fehlende Zivilgesellschaft.
Zwar steht nicht die alte Kampfparole der NS-Zeitung „Stürmer“, „Die Juden sind unser Unglück“, auf ihrem Transparent, sondern „Israel ist unser Unglück“, aber daran, dass sie fanatische Antisemiten sind, lassen die 50 Nazis, die in der Dortmunder Innenstadt stehen, keinen Zweifel. In Reden bezeichnen sie Israel als „Mörderstaat“. Sven Skoda aus Düsseldorf sagt höhnisch, nach 2000 Jahren „schlechtem Marketing“ bräuchten die Juden wohl einen Schutzraum. Dazu erzählen die Nazis die Geschichte von der Nakba und den armen Palästinensern, die sich gegen das zionistische Gebilde wehrten. Viele Teilnehmer der Kundgebung hatten am Donnerstag schon ihre Solidarität mit der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck zum Ausdruck gebracht. Gegen die Neonazis protestieren etwa 70 Menschen. Einige Gewerkschafter, Christen und viele junge Linke. Einige wenige, beherzte Personen, schaffen es sogar, in direkter Nähe der Nazis eine Israel-Fahne zu zeigen. Sie werden von der Polizei zum Rest des Gegenprotestes geleitet.
Seit einem Jahr versammeln sich in Duisburg jeden Montag Rechte. Zum 44. Mal marschiert Pegida NRW heute vor den Hauptbahnhof. Über das Jahr wurde aus dem Montagsspaziergang besorgter Bürger ein Szenetreff von Nazis und von Hools. Und die Zivilgesellschaft nahm dies stoisch hin.
Duisburg vor einem Jahr, schweinekalt wie heute Abend.
Die Eisenhüttenstadt scheint einig wie in besten Zeiten, 4000 Menschen versammeln sich vor dem Stadttheater. Federführend zusammengetrommelt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DBG). Der junge Oberbürgermeister Sören Link (SPD) redet Tacheles: „Hier und heute zeigen wir der Pegida, welcher Geist durch unsere Stadt weht. Wir lassen unsere Stadt nicht spalten in Christen und Muslime. Lassen Sie uns heute und in Zukunft daran arbeiten, dass Duisburg eine Stadt des friedlichen Miteinanders vieler Kulturen bleibt. Zeigen wir miteinander unsere Stadt von ihrer besten Seite.“
Als Zeichen des Protestes gegen die Rechten am Hauptbahnhof erloschen die Lichter zentraler Gebäude: Im Rathaus, am Stadttheater, auf dem Stadtwerketurm, an der Salvatorkirche, im Landschaftspark Nord. Auch der Duisburger Handel zeigte Flagge, die Goldene Treppe im Einkaufszentrum Forum und das Gebäude der Sparkasse am Kuhlenwall hüllten sich in Dunkelheit.
Doch das wars dann schon, diese grosse Manifestation der Zivilgesellschaft am 19. Januar 2015 war die einzige ihrer Art.
In kaum einer Revierstadt zeigt sich Pegida so regelmässig wie in Duisburg. Am gestrigen Montag fand deren 36. Abendspaziergang statt. Dieweil bemängelt die Antifa-Szene mangelnde Unterstützung aus der Stadtgesellschaft.
Kurz nach sieben Abends, Hauptbahnhof Duisburg. Fast im Gleichschritt marschiert eine Rotte von 50 Hooligans durch die Bahnhofshalle hin zum Vorplatz, Richtung Innenstadt. Rund um das Stadion formieren sich die Jungs auch zur Division – eine rechtsgerichtete Fanvereinigung des Meidericher Spielvereins.
Doch sie sind gerade nur so dumm wie ein Toastbrot: Auf ihrem Transparent glänzen die Deutschenfreunde mit orthografisch inkorrekter Schreibweise und anatomisch wunderlichen Daumen.
Auf dem Bahnhofvorplatz reihen sich die Däumlinge vorne ein. Der erste Redner freut sich, „viele bekannte Gesichter begrüssen zu können“. Die Rede ist ausserdem von „Neubürgern, die Krieg in unseren Staat bringen“, diese Menschen passten nicht zu „unserer Kultur, zu unserem Land“.
Nicht fehlen darf das übliche Geschimpfe auf die Lügenpresse, noch gäbe es viel zu tun, man liesse sich „von der Politik und der Presse nicht entmutigen“.
Zäh zieht sich die Zeit, nach zwei Reden folgt ein Umzug ums Karree.
Danach ein dritter Redner, der höchstselbst unfreiwillig komisch wirkend, die Bundeskanzlerin beschimpft: „Merkel sieht aus wie ein Brötchen, so seh‘ ich nicht aus, wenn ich mir eine Woche die Lampe begossen habe.“
Dieweil ist bei den Gegendemonstranten die Stimmung höchstens leidlich.
Von denen wird beklagt, dass die Polizei ihre angemeldete Demonstration während der letzten Wochen in den Hintergrund rücke. Tatsächlich ist es nurmehr der Pegidademo erlaubt, den zentralen Bahnhofsvorplatz zu bespielen. Während die Gegendemo hinter Flatterband und Sichtsperre durch Einsatzfahrzeuge in den Hintergrund abgedrängt wurde.
Und: Der aktuelle Pegidaprotest, der mittlerweile seit einem dreiviertel Jahr einen der zentralen öffentlichen Räume Duisburgs in Beschlag nimmt, wird mittlerweile in der Hauptsache nur noch von antiimperialistischen Kräften rund um die lokale Linkspartei getragen – diese Linken sind also verlässlich bei der Stange geblieben.
Bürgerliche Spektren, wie die Grünen, liessen es sich gestern Abend gar angelegen sein, zu einer nebengleisigen Paralellveranstaltung einzuladen. Gewerkschaften und Sozialdemokraten liessen sich ebenfalls nicht blicken.
Was die offiziellen Zahlen der Polizei erklärt: 120 Gegendemonstranten standen 230 Pegidisten gegenüber.
Könnte aber nicht ganz Duisburg, nächsten Montag, am 9. November, am Gedenktag der Pogromnacht auf die Strasse gehen gegen Rechts, also auch gegen Pegida?
Ende Januar noch kam es vor dem Duisburger Theaterplatz zu einer Kundgebung mit 4000 Menschen veranstaltet von den 40 wichtigsten Organisationen der Stadt. Einschliesslich der Kirchen. Unter Federführung des DGB.
Doch bislang ist nichts in Planung.
Aus Führungskreisen des Duisburger DGB heisst es zur Stunde (13:38 Uhr):
„Es gibt keinen Aufruf zu einer Gegenveranstaltung, Ende der Woche werden die Vorstände die Situation einschätzen, wir lassen uns das Drehbuch nicht von rechten Hetzern vorschreiben.“
Armseliger können die Gewerkschaften, kann die Duisburger Zivilgesellschaft ihre Ignoranz nicht verbrämen.
Update II: Das besetze Künstlerhaus hat die erste Nach überstanden. Nach Angaben der Polizei hat der Besitzer, eine Vermögensgesellschaft des DGB, mittlerweile eine Anzeige gestellt. Innerhalb der nächsten Tage könnte das Haus nun geräumt werden. Es bleibt also noch Zeit für Verhandlungen. Die sollten jetzt allerdings schnell gehen. Auf den offenen Brief, der auch an Dieter Gornys E-Mail-Adresse ging, gab es bislang keine Antwort.
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An die Leitung der Ruhr2010
Sehr geehrte Herren Gorny, Scheytt und Pleitgen,
gestern haben mehrere dutzend Künstler aus dem Ruhrgebiet ein seit drei Jahren leerstehendes Haus des DGB an der Schützenbahn in Essen besetzt. Sie wollen es als Galerie und Künstlerhaus nutzen. Die Vermögensverwaltung u. Treuhandgesellschaft des DGB mit Sitz in Berlin droht den Besetzern über ihre Anwaltskanzlei Heinemann und Partner mit der Räumung.
Wir fordern Sie auf, sich sofort beim DGB dafür einzusetzen, dass die Künstler die Räume weiter nutzen können. Schalten Sie sich als Moderatoren ein und helfen Sie, eine Lösung zu finden.
Die Besetzer machen das, was Sie als Verantwortliche der Kulturhauptstadt seit langem propagieren: Sie führen alte Räume einer neuen Nutzung für Kultur zu. Sie vitalisieren einen Teil der Essener Innenstadt. Sie eröffnen neue Perspektiven.
Die Besetzer sind genau die Leute, von denen Sie behaupten, dass das Ruhrgebiet sie dringend braucht, dass es diese Leute nicht verlieren darf: Junge Kreative, die den Mut haben, ihre eigenen Wege zu gehen. Die nicht warten, bis andere ihnen ein subventioniertes Bett gemacht haben, sondern die bereit sind, für Ihre Arbeit ein Risiko einzugehen. Sie haben sich den Raum genommen, von dem sie sagen, er muss an andere Stelle für viel Geld geschaffen werden. Die Besetzer machen Ihren Job!
Wenn irgendetwas von dem, was Sie in den vergangenen Jahren auch in unsere Mikrofone gesagt haben, ernst gemeint war, greifen Sie jetzt zu ihren Handys und nutzen Sie Ihre Kontakte. Tun sie es nicht, war nichts von dem, was sie gesagt haben, ernst gemeint. Können sie es nicht, haben wir Sie wohl überschätzt.
Die Besetzer des seit drei Jahren leerstehenden DGB-Hauses in Essen droht die Räumung. Der DGB hat über seine Anwaltskanzlei Heinemann und Partner die Besetzer aufgefordert, noch heute das Gebäude zu verlassen.
Sie wollen Ateliers und eine Galeriefläche. Nach monatelangen, erfolglosen Verhandlungen mit dem DGB über die Nutzung des ehemaligen Gewerkschaftshauses in der Essener Innenstadt als Kunsthaus, hat gestern eine Gruppe von 50 Ruhrgebietskünstlern das Haus an der Schützenbahn besetzt. „Wir brauchen dringend Arbeitsräume“, sagt uns Jens von den Besetzern im Gespräch. Die Suche nach Atelierräumen war erfolglos und Unterstützung gab es auch nicht. Imme wieder hatten die jetzigen Besetzer mit den Kreativwirtschaftsexperten der Ruhr2010 GmbH gesprochen. Ausser warmen Worten gab es von denen keine Hilfe. Wie auch? Das groß angekündigte Immobilienprojekt der Ruhr2010 GmbH ist noch immer nicht gestartet. Die versprochenen Räume für Künstler gibt es nur als PR-Gelaber.
Die Besetzer wollen erst einmal die Galerie nutzen. Als Atelierräume taugen nur wenige Flächen in der maroden Immobilie. Sobald der DGB einen Nachmieter hat, wollen sie raus. „Uns geht es um eine Zwischennutzung“, sag Yellow. Man will nichts kaputt machen. Im Gegenteil: Die Türen des Hauses seien vor der Besetzung offen gewesen. Eine Nutzung durch die Besetzer könnte auch vor Vandalismus schützen. Die Besetzer haben gestern auch einen Verein gegründet. Als „Freiraum 2010“ wollen sie ihre Interessen durchsetzen.
Doch all das interessiert den DGB nicht. Zwar kamen heute Morgen ein paar DGB-Vertreter bei den Besetzern vorbei. Man duzte sich, die Atmosphäre war gut, aber sie war es nicht lange. Mittlerweile hat der DGB den Besetzern durch einen Anwalt der Kanzlei Heinemann und Partner (Der sich im übrigen einmal die Schuhe putzen sollte, bevor er das Büro verlässt) mitteilen lassen, dass sie heute das Gebäude verlassen müssten. Die Besetzer rechnen für Morgen mit einer Räumung. „Wir würden uns freuen wenn möglichst viele Leute kommen um uns zu unterstützen“, sagt Yellow. Wer helfen möchte: Die Adresse lautet Schützenbahn 11.
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