Wie der Sprechchor des Schauspiels Dortmund in die Thier Galerie ging und versuchte, einen Text aufzusagen. Ein nicht nur unerfreulicher Besuch in Dortmunds größtem scheinöffentlichen Raum. Von unserem Gastautor Bastian Pütter.
Der Sprechchor des Dortmunder Schauspiels ist aufgeregt. Mehr als 70 Bürgerinnen und Bürger sind wie verabredet mit weißen Oberteilen erschienen, die sie auf dem Weg zur Probebühne noch unter dicken Jacken verbergen. Die älteste Teilnehmerin ist 80, die allermeisten Ü40. Alle haben ihren Text gelernt, einstudiert unter der Anleitung von Dramaturg Alexander Kerlin und Schauspieler Christoph Jöde.
Vor genau einem Jahr wurde er bereits vor Dortmunds zweitem monumentalen Prachtbau, dem „Dortmunder U“ zum Vortrag gebracht. Anlass war die nicht minder monumentale Abschlussfeier des Kulturhauptstadtjahres, und der Chor sprach: „Wir bauen ein U / Eine: „Zwingburg des Glanzes“ / … / Für unsere weichen: Standortfaktoren“. Das hatte genau die feine Ironie, die dem Kulturmetropolendings ein Jahr lang gefehlt hatte. Der WDR übertrug klaglos und die geladenen Gäste gingen leicht irritiert ins Warme.
„Geschäfte! Geschäfte! Geschäfte!“
Mit diesem Text will sich der Sprechchor nun aufmachen in die Nachbarschaft. „Ums Eck“ hat der Shopping-Mall-Betreiber ECE schließlich einen „lebendigen Marktplatz“ geschaffen, 33.000 Quadratmeter Wohlfühlort zum Verweilen, die Thier-Galerie.