‚Datteln 4‘: Ein erboster Bürger und eine aktuelle Erklärung der Stadtverwaltung

Blick auf 'Datteln 4' im Februar 2014. Foto: Robin Patzwaldt
Blick auf ‚Datteln 4‘. Foto: Robin Patzwaldt

In der Vorwoche berichteten wir hier im Blog mal wieder aus Datteln, wo es zu Diskussionen über die möglichst exakte Abrechnung von Arbeitsstunden städtischer Mitarbeiter in Sachen des neuen Bebauungsplans für das strittige Kraftwerk ‚Datteln 4‘ kam, die eigentlich dem Energiekonzern E.On von der Stadt Datteln in Rechnung hätten gestellt werden sollen, aber offenkundig über Jahre hinweg nicht detailliert und vollständig protokolliert wurden, was eine genaue Abrechnung unmöglich mache, wie u.a. im örtlichen Bauausschuss bemängelt wurde.
Befürchtet wurden hier erhebliche finanzielle Nachteile für die Dattelner Stadtkasse.
In den letzten Tagen hat sich die Angelegenheit nun weiterentwickelt. Zum Einen berichtet die Dattelner Morgenpost jüngst von einem Brief an den Stadtrat der Kanalstadt durch den Dattelner Bürger Karl Seeling, in dem er anregt „wegen der Unregelmäßigkeiten im Rathaus die Kommunalaufsicht einzuschalten“ und fordert, „Schadenersatzansprüche der Stadt Datteln gegen den ehemaligen Verwaltungschef zu prüfen und gegebenenfalls einzufordern“.
Auch das Rechnungsprüfungsamt und den Rechnungsprüfungsausschuss bezieht Seeling in dieser Eingabe offenbar in seine harsche Kritik mit ein, denn denen hätte seiner Auffassung nach der Missstand auffallen können.

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The Great Steag-Swindle

Steag-Kraftwerk Walsum Foto: Steag
Steag-Kraftwerk Walsum Foto: Steag

 

Vor zwei Jahren beschloss der Dortmunder Rat mit den Stimmen von SPD, CDU und Linken, dass die Stadtwerke sich an dem Energieunternehmen Steag beteiligen sollen. Zeit mal nachzuschauen, ob die damaligen Versprechen gehalten worden sind.

Ruhrgebiet 2010: Die Städte Essen, Bochum, Oberhausen, Duisburg, Dinslaken und Dortmund wollen von Evonik 51 Prozent des Energieunternehmens Steag kaufen. Sie bilden ein Konsortium. Das Endziel: Die vollkommene Übernahme der Steag im Jahr 2016. Essen, Bochum, Oberhausen, Duisburg, Dinslaken erwarben je 18 Prozent der guten Steag-Hälfte. Dortmund wollte mehr: DEW21 und DSW21 kaufen je 18 Prozent. Keine Stadt im Ruhrgebiet ist so eng mit der Steag verbunden. Auch Organisatorisch: Der DSW21 Vorstandsvorsitzender Guntram Pehlke, einst Schatzmeister der Dortmunder-SPD, ist der Sprecher der kommunalen Anteilseigner der Steag.

Schon 2010 war klar, dass der Kauf der Steag ein riskantes Geschäft sein würde. Fachleute wie der Wirtschaftsweise und RWI-Präsident Christoph M. Schmidt warnten vor dem Kauf. Kurz bevor der Dortmunder Rat beschloss, grünes Licht für den Steag-Kauf zu erteilen, waren nach Recherchen der WAZ zudem berechtigte Zweifel an der Gewinnerwartung geweckt worden. Der Steag, so ging schon damals aus Unterlagen hervor, stünden schwere Jahre ins Haus – mit niedrigen Gewinnen.  Schlecht für die Stadtwerke, die den 650 Millionen teuren Steag-Kauf vor allem über Kredite nach Art der sonst so geschmähten Heuschrecken finanzierten: Die Steag wird noch viele Jahre das Geld für die Kredite zahlen müssen, mit denen sie gekauft wurde.

DSW21 und DEW21 reagierten damals, gemeinsam mit den anderen Stadtwerken, mit einer umfangreichen Erklärung auf die aufkommenden Zweifel an dem Steag-Kauf. Zeit, sich einmal anzuschauen, was von den Behauptungen und Versprechungen gut zwei Jahre später übrig geblieben ist:

“…die Stadtwerke sollten sich generell aus der Stromerzeugung zurückhalten…“

Diese u.a. von FDP-Vertretern in den Medien geforderte Position ist weder ordnungs- politisch noch betriebswirtschaftlich vertretbar. Ordnungspolitisch sind in der Bundes- republik Deutschland nur 10 % der Stromerzeugungskapazitäten in den Händen kommunaler Stadtwerke. Bisher wird der Erzeugungsmarkt faktisch durch „die großen Vier“ beherrscht – mit negativen Konsequenzen für den

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Thomas Eiskirch: „Wichtig ist auf´m Platz“ – Industrie- und Energiepolitik für die Metropole Ruhr

Thomas Eiskirch Foto: HP

Der Metropole Ruhr mag man an vielen Stellen nachsagen, sie sei wenig kreativ, dabei hat es an einem nie gemangelt: an Visionen. Die haben im Ruhrgebiet einen schon fast traditionellen Statuts, wenn man sich deren Entwicklung in den unterschiedlichen Ausprägungen vor Augen führt. Von unserem Gastautoren Thomas Eiskirch.

Große Visionen wie Olympische Spiele oder „Ruhrstadt“, thematische Leitideen wie „10-10-60“ beim ÖPNV, Konzept Ruhr, Städteregion Ruhr 2030, Innovation City oder vermeintlich „kleine“ Visionen wie die eines Kinderzentrum Ruhrgebiet gab es immer zu genüge. Lange Bestand hatten die Meisten jedoch nie. Waren in den 50er-Jahren „Rauchende Schlote“ positiv signifikant für die Vision einer boomenden Wirtschaft und Wohlstand, wünschte sich Willy Brandt nur ein Jahrzehnt später den „blauen Himmel über der Ruhr“.

Blau ist der Himmel über der Ruhr tatsächlich wieder geworden, ebenso wie die Ruhr selbst, und sogar die Emscher wird es in ein paar Jahren wieder sein. Und das, obwohl Helmut Schmidt mit seiner Einschätzung „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen!“ 1980 allen sozialdemokratischen Utopisten einen vehementen Tritt vor das visionäre Schienbein verpasste.

Helmut Schmidt war es aber auch, der Helmut Kohl, seinem Nachfolger als Bundeskanzler, 1987 einen Brief schrieb mit der Bitte, sich für den Erhalt des heimischen Steinkohlebergbaus einzusetzen. „… angesichts der Risiken der Kernkraft einerseits wie der Versorgungs- und Preisrisiken bei importiertem Öl und Erdgas andererseits, erscheint mir auch heute dringend wünschenswert, eine erhebliche eigene Steinkohleförderung zu erhalten.“, heißt es in dem Brief. Helmut Schmidt also doch auch Visionär oder nur ökonomischer Pragmatiker? 1987 – ein Jahr nach der Katastrophe von Tschernobyl – liefen in Bochum rd. 500.000 Kadett E vom Band. Später kamen die Finnen und Nokia übernahm ein Fertigungswerk in Bochum und der Begriff des Strukturwandels im gesamten

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NRW: Harry…verzweifelt gesucht?

NRW-Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger Foto: mbv

NRW hat einen Minister für Energie. Das ist der Mann auf dem Bild. Sein Name: Herr Harry Voigtsberger. Doch wenn es um das Thema Energie geht, scheint niemand auf seine Meinung wert zu legen.

Die Energiewende, die Folgen des Ausstiegs aus der Kernenergie, die Frage, wie künftig die Stromversorgung der Industrie gesichert werden soll – das sind die bestimmenden Themen dieser Tage. Eigentlich sind es Tage, in denen der Energieminister des einwohnerstärksten Bundeslandes, das nebenbei auch ein wichtiger Industriestandort ist, zur Hochform auflaufen müsste. Er sollte jetzt Ansprechpartner der Industrie sein, eigenen Konzepte vorstellen und die Diskussion vorantreiben. Vielleicht würde das Harry Voigtsberger (SPD), der NRW Wirtschafts-, Verkehrs – und Energieminister auch gerne tun. Aber niemand spricht mit ihm. Niemand scheint an seiner Meinung interessiert zu sein. Denn in den kommenden Tagen gibt es zwei wichtige Termine zum Thema Energie:

am 15. Juni stellt Ministerpräsidentin  Hannelore Kraft (SPD) zusammen  Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) die Schritte zur Energiewende vor. Ohne Voigtsberger.

Und am 20. Juni diskutiert der Initiativkreis Ruhr, in dem sich die großen Unternehmen des Ruhrgebiets zusammengeschlossen haben, das Thema: „Energiewende: Bedrohung, Herausforderung oder Chance für das Ruhrgebiet?“ Mit dabei sind unter anderem RWE-Chef Jürgen Gr0ßmann, Evonik-Boss Klaus Engel, ThyssenKrupps Vorstandsvorsitzender  Dr. Heinrich Hiesinger – und Umweltminister Johannes Remmel. Auch die Industrie scheint auf die Meinung von Harry Voigtsberger keinen Wert zu legen. Harry – verzweifelt gesucht? Irgendwie nicht.

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Oliver Wittke: Für die Energiewende brauchen wir auch Datteln

In wenigen Tagen endet das Moratorium, das die Bundesregierung nach der Katastrophe in Japan beschlossen hat. Wir haben uns Zeit genommen, nach den schrecklichen Erfahrungen, die die Welt verändert haben, neu darüber nachzudenken, wie wir uns die Energieversorgung in Deutschland in der Zukunft vorstellen und welche Anstrengungen vor allen Dingen nötig sind, um die Energiewende auf einer verlässlichen Basis möglichst zeitnah zu realisieren. Von unserem Gastautor Oliver Wittke.

Die dramatischen Ereignisse in Japan und die schrecklichen Erfahrungen mit dieser Katastrophe erfordern auch und gerade auf Landesebene ein Überdenken bisheriger energiepolitischer Positionen. Es wird auf absehbare Zeit zu einer deutlichen Absenkung der zur Grundlastsicherung notwendigen Kraftwerkskapazitäten kommen. Notwendige Kapazitätspuffer werden dann auf ein Minimum reduziert. Damit die Versorgungssicherheit gewahrt bleibt, drohen vermehrt besonders ineffiziente und klimaschädliche alte

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Großmanns Hoffen

 Vorstandschef Jürgen Großmann gibt die Hoffnung auf einen Anstieg der RWE-Aktie nicht auf. In der vergangenen Woche kaufte er erneut dicke Aktienpakete des Essener Energiekonzerns. Kostenpunkt: 5,2 Millionen Euro.

Auch für den gestandenen Stahlhütten-Eigner ist der Kaufpreis für die insgesamt 75.000 Anteilsscheine kein Taschengeld. Allerdings kann sich Großmann freuen: Dieses Mal musste er pro Aktie nur knapp 69 Euro auf den Tisch legen, deutlich weniger als bei vorherigen Transaktionen. In den vergangenen Monaten hat der Manager bereits vier Mal beherzt zugegriffen, von Kauf zu Kauf schwand der Wert. Er hält nun mindestens 145.000 RWE-Titel.

Viel Glück brachte sich sein Engagement als Aktionär nicht. Bislang verlor er meinen Berechnungen zufolge rund 1,1 Millionen Euro. Das schmerzt, auch wenn der Start in die neue Woche mit Silberstreifen am Horizont erfolgte. Die RWE-Aktie legte leicht zu und notiert nun einige Cent über dem Kaufpreis der Pakete von vergangener Woche. Bis das Papier über seinen ersten Kaufpreis von 87,09 Euro (heute 68,88 Euro) steigt, muss Großmann aber die vielfältigen Probleme der Gesellschaft lösen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Biodiesel geht Bach runter.

Ich war vor einiger Zeit in Marl. Da gibt es eine Biodiesel-Fabrik. Mitten im Chemiepark. Samt Verladestation. Ein schönes Ding, dass neben dem Kohlekraftwerk ausieht, wie der Aufbruch in die Zukunft. Nun, das wird jetzt schwer. Die Biodiesel-Branche steckt in einer tiefen Krise verdammt tief drin.

Foto: Biodiesel Van von London Permaculture auf flickr.com

Als ich vor kurzem mit Rupert Schmid gesprochen habe aus Ochsenfurth in Bayern, konnte ich merken, wie schwer es ist, für die neuen Unternehmer die Niederlagen zu ertragen. Bis vor wenigen Wochen produzierte die Campa AG von Schmid bei Würzburg Biodiesel. Dann kündigten die Banken einen 82-Millionen-Euro-Kredit. Und das war das Ende. Vorstandschef Schmid versteht die Welt nicht mehr. "Vor einem Jahr, da waren wir die Helden, die Pioniere. Und jetzt sind wir für den Hunger in der Welt verantwortlich? Das ist doch alles Quatsch!"

Dabei fing alles so gut an. Im Vertrauen auf politische Versprechen, den Biodiesel als alternativen Treibstoff in Europa zu fördern, investieren seit mehr als zehn Jahren Tausende Menschen in Deutschland Geld in neue Fabriken. Vor allem im Osten des Landes wuchsen seit den Neunzigerjahren Biodiesel-Fabriken aus dem Boden. Die Wachstumsperspektiven waren blendend. 2005 erreichten Biokraftstoffe bereits einen Anteil am deutschen Spritverbrauch von 3,75 Prozent. Ein Jahr darauf legte die große Koalition fest, bis 2015 eine Quote von acht Prozent zu erreichen. Und schließlich verordnete die Europäische Union beim großen Klimagipfel im März 2007 für das Jahr 2020 eine Quote von zehn Prozent Biosprit im europaweiten Treibstoffverbrauch. Es entstand ein Milliardenmarkt, an dem sich jeder beteiligen konnte, der Risiken übernahm. In Marl wurde mitten zwischen die alten Chemiebunker der grundstein für eine neue Branche gelegt.

Auch Campa-Chef Schmid wollte seinen Anteil am Ökoglück. 1,82 Meter groß, mit kräftigem Gesicht und Dreitagebart, gleicht er dem Urtyp des niederbayrischen Unternehmers. 50 Jahre alt, drei erwachsene Kinder, seit 26 Jahren verheiratet.

Vor zehn Jahren überredete Schmid die Landwirte aus der Region um Ochsenfurt, die Chance zu nutzen. Gemeinsam gründeten sie die Campa AG, um aus eigenem Raps Biodiesel zu pressen. Schnell stieg der Umsatz, bis auf 216 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Mehr als 2000 Bauern waren es am Ende, die mit ihm zusammen investierten, sagt Campa-Chef Schmid.

Es sei vor allem darum gegangen, etwas Sinnvolles mit den Feldern zu machen, die von der EU stillgelegt worden waren. Es hieß ja, dass auf ihnen keine Lebensmittel angebaut werden dürfen, sagt Schmid. "Bis zur Ernte im vergangenen Jahr durfte der Raps von den EU-Feldern nur in den Biodiesel gehen. Das ist der Raps, den wir jetzt verarbeiten." Zuletzt produzierte die Campa AG rund 150.000 Tonnen Biodiesel im Jahr. Den neuen Unternehmern kam das relativ einfache technische Verfahren entgegen. Denn es sind keine Raffinerien nötig, um Ökosprit herzustellen. Der Treibstoff wird in Kleinanlagen aus gepresstem Rapsöl gewonnen. Das Öl wird mit verschiedenen Zusatzstoffen vermengt, unter hohem Druck gefiltert und gepresst. Das ist alles. Jeder, der zehn Millionen Euro aufbringt, kann sich seine eigene Fabrik bauen. In Ostdeutschland gab es vor einem Jahr sogar noch bis zu 50 Prozent der Investitionen als staatlichen Zuschuss.

Dabei ist Biodiesel schon seit Jahren umstritten. Gleich zu Beginn des Booms warnte das Umweltbundesamt vor dem Massenanbau von Raps. Die Monokulturen bedrohten die Artenvielfalt, hieß es. Später wurde kritisiert, dass die Bauern Stilllegungsprämien für Ackerflächen kassierten und gleichzeitig am Rapsöl verdienten. Zuletzt hieß es, die Spritausbeute je Hektar Boden sei zu gering. Lange konnte die Kritik den Aufbau der Biodiesel-Branche nicht anfechten. In Deutschland starteten gleich drei Firmen mit einer Biodiesel-Idee an die Börse. Erst vor wenigen Wochen eröffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im sächsischen Freiberg eine Anlage der Firma Choren für den Biodiesel der 2. Generation. Die neue Fabrik soll je Hektar Anbaufläche noch einmal die vierfache Menge Ökobrennstoff liefern, wie aus herkömmlichen Anlagen kommt. Dazu muss allerdings eine Raffinerie gebaut werden. Keine einfache Technik, die auch der Mittelstand oder Bauern bezahlen könnte. In Freiberg beteiligt sich der Ölmulti Shell am Projekt.

Weltweit sollten die Menschen an der deutschen "Technologieführerschaft" teilhaben, fand Bundeskanzlerin Merkel. So versprach sie im Herbst 2006 der chilenischen Staatschefin Michelle Bachelet Hilfe beim Aufbau einer eigenen Biosprit-Industrie.

Doch gerade, als die Hoffnung richtig blühte, kam der Dämpfer. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) kassierte einen Großteil der Steuerprivilegien für Rapssprit. Bis 2006 war das Brennöl für Automobile steuerfrei. Ganze LKW-Flotten tankten den billigen Biodiesel. Als im vergangenen Jahr neun Cent Steuern je Liter gezahlt werden mussten, bracht der Absatz ein. In diesem Jahr kamen noch einmal sechs Cent Steuer obendrauf. Die Folgen sind fatal: Es gibt so gut wie keinen Absatz mehr für reinen Biodiesel an den Tankstellen. Allein über die Beimischung von Öko-Öl in normalen Diesel läuft das Geschäft noch einigermaßen. Ingesamt schätzen Branchenexperten können in diesem Jahr 2. MioTonnen Ökosprit abgesetzt werden – bei Produktionskapazitäten von 5,4 Mio. Tonnen.

"Wir fühlen uns alle verarscht", sagt Schmid. Er denkt an Gespräche mit den örtlichen Bundestagsabgeordneten aus Ochsenfurt. An Treffen mit Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU). An Versuche, Steinbrück oder Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zu erweichen. "Das ist ein Hase-und-Igel-Spiel. Wir wurden von einem zum anderen geschickt." Seehofer habe gesagt, er könne nichts machen. Steinbrück habe gemeint, die Steuern gingen vor. Und Glos? "Der sagte, das sei alles schwierig. Der Glos hat die Hosen voll."

Die ersten Biodiesel-Firmen mussten im vergangenen Herbst aufgeben. Campa traf es im Juni. Schmid kann sich gut an den Todesstoß erinnern. "Mit jeder negativen Meldung über Biodiesel wurden die Banken nervöser", sagt Schmid. Gleichzeitig wurde die Branche wirtschaftlich immer weiter unter Druck gesetzt. Neben den Steuern sorgte die Konkurrenz aus dem USA für miese Umsätze. "Die Amerikaner verschiffen in diesem Jahr eine Million Tonnen Biodiesel nach Europa. Das ist hoch subventioniert." Ein Farmer aus Texas bekommt 25 Cent je Liter Ökosprit. "Das ist so krank, kränker geht es nicht." Selbst die hohen Ölpreise könnten den Biodieselmachern in Deutschland nichts mehr nutzen, sagt Schmid. "Wenn die Preise anziehen, zieht der Preis für Raps an.“ Ein Effekt der Weltmärkte. Öl aus Raps wird weltweit als Dieselersatz genutzt. Wenn wegen steigender Rohölpreise die Nachfrage nach dem Ersatzstoff Raps steigt, gehen die Preise hoch. Auch in Deutschland wollen die Bauern dann mehr Geld für ihre Feldfrüchte. Selbst wenn sie die Biodiesel-Anlage von Campa-Chef Schmid beliefern. „Wir hängen am Ölpreis“, sagt Schmid.

Als dann auch noch Greenpeace eine Kampagne lostrat und gemeinsam mit der Weltbank und der OECD den Biodiesel für den Hunger in der Welt verantwortlich machten, war es um die Branche geschehen. Erst vor wenigen Tagen reduzierte die EU ihre Biospritziele. Nur noch fünf statt zehn Prozent soll in Zukunft der Anteil der Ökotreibstoffe am gesamten Spritverbrauch Europas ausmachen. Ein Sprecher des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie sagt: "Wir rechnen mit weiteren Pleiten."

Dabei ist es für Unternehmer wie Campa-Chef Schmid schwer nachzuvollziehen, warum Biodiesel aus Niederbayern für den Hunger in der dritten Welt verantwortlich sein soll.

Antworten findet man tatsächlich nicht leicht. Zunächst verwechseln viele Biodiesel mit Bioethanol. Anders als Biodiesel wird Ethanol aus Weizen, Mais oder Zuckerrohr gemacht und in normales Benzin gekippt. Dieser Sprit wird vor allem in den USA und Brasilien produziert und steht oft in direkter Flächenkonkurrenz zu Nahrungsmitteläckern.

Aber auch beim normalen Biodiesel kommt es zur Nahrungsmittelverdrängung. Allerdings nicht durch Bayrischen Bauern. Das Konstrukt ist hier komplizierter. Biodiesel wie bei Campa in Ochsenfurt wird aus Raps gemacht, der in Bayern wächst. In Asien wird Biodiesel aus Palmöl gemacht. Erst durch den Übersee-Handel kreuzen sich die Wege des deutschen Ökosprits und des Palmendiesel aus Indonesien. Denn der fertige Treibstoff wird da verbrannt, wo die Nachfrage nach Ökodiesel am größten ist. Und das ist hier in Europa. Dafür sorgen die politischen Ziele der Bundesregierung und der EU. Aus diesem Grund wird Palmendiesel nach Bayern gefahren und verdrängt hier den Rapssprit der örtlichen Bauern.

Leider denkt der Agrarkonzern aus Asien im Zweifel nicht an den Hunger der Menschen. Er macht aus Brot-Äckern Palmöl-Plantagen.

Es gilt das Prinzip des freien Welthandels. An Zölle oder einen anderen Schutz für die heimische Industrie wird nicht gefeilt. So gehen gleichzeitig die deutschen Biodiesel-Bauern ein und hungern die Menschen in Borneo. "Das ist doch schizophren", sagt Campa-Chef Schmidt. Und schüttelt den Kopf. "Wir werden einfach politisch verarscht."