Am Mittwochabend stürmte eine vollausgerüstete Polizeihundertschaft beim Champions-League-Qualifikationsspiel gegen POAK Saloniki einen Block in der Schalker Nordkurve. Mit einer Mitteilung und einer Pressekonferenz hat die Polizeiführung jetzt versucht den Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray mit vielen Verletzten zu begründen.
„Ein seit Mitte der ersten Spielhälfte im Nordbereich durch die Gelsenkirchener Ultras aufgehängtes Banner führte bei den griechischen Fans zu massiven Unmutsäußerungen“, erklärt die Pressestelle der Polizei. „Nach Aussage eines der griechischen Polizeibeamten handelte es sich bei dem Inhalt des Banners um volksverhetzende Tatbestände. Auch er selbst fühlte sich erheblich beleidigt.“ Die anwesenden mehr als 2000 griechischen Fans sollen mit Blockstürmen, Spielfeldsturm und Spielabbruch gedroht haben. Die Funktionäre von PAOK sollen ebenfalls eine Entfernung des Banners gefordert haben. Da stellt sich natürlich die Frage, wie die aufgebrachten Fans der Polizei das mitgeteilt haben.
„In einem solchen Fall wäre Leib und Leben zahlreicher, auch unbeteiligter Zuschauer gefährdet worden“, heißt es weiter in der Pressemitteilung. „Um eine unmittelbar bevorstehende Eskalation der Situation zu verhindern und die Sicherheit auch unbeteiligter Personen weiterhin gewährleisten zu können, wurde nach vergeblichen Versuchen durch Vereinsseite der unverzichtbare Einsatz von Polizeikräften zur Entfernung des Banners im betroffenen Block N beschlossen.“ Die Hundertschaft soll dann beim Betreten des Blocks sofort von den Ultras und den anwesenden Fans angegriffen worden sein. Das erinnert fatal an die Reaktion von Polizisten, wenn sie von Bürgern wegen Gewalttätigkeit angezeigt werden. Dann kommt es in den meisten Fällen zu einer Gegenanzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und das Verfahren wird eingestellt. In den letzten Monaten gab es eine Reihe von Vorfällen polizeilicher Gewalt, die Bürger mit ihrem Handy festgehalten haben und das hat natürlich Einfluss auf den Ausgang eines solchen Verfahrens. Private Aufnahmen gibt es von dem Einsatz in der Arena schon jetzt im Internet und wahrscheinlich werden weitere folgen. Die Gelsenkirchener Polizei verweist vorsorglich schon darauf, dass sie „mehrere Tatverdächtige“ zwischenzeitlich identifiziert hat – da kann man auf das Ergebnis gespannt sein. Das Banner wurde bei dem Einsatz übrigens nicht gefunden.
Von offizieller Seite spricht man von 30 leicht verletzten Personen aus, die durch Sanitäter versorgt wurden. Die Gelsenkirchener Ultras kommen zu einem anderen Ergebnis: „Beim Einmarsch der Polizei waren vielleicht noch 15 Minuten zu spielen. 75 Minuten waren ohne größere Zwischenfälle gespielt. Als Folge sind laut Angabe des DRK etwa 80 verletzte Personen, wobei eine weibliche Person die Nacht aufgrund des massiven Pfefferspray-Einsatzes auf der Intensivstation verbringen musste. Ein weiteres Bild im Internet zeigt auch, wie die Polizei bereits beim Einmarsch in den Block von oben dort stehende Schalke-Fans rabiat bei Seite stößt, ohne dass diese mit dem Vorfall irgendetwas zu tun haben oder überhaupt auf einen Polizeieinsatz vorbereitet waren“.
Wie weit diese Erklärung der Polizei ins Abseits führt macht das folgende Beispiel deutlich. Was passiert, wenn bei den vielen emotional aufgeladenen Derbys in der Liga sich die Gästefans durch Transparente und Beschimpfungen provoziert fühlen? Was passiert wenn diese Fans gewalttägige Aktionen ankündigen? Werden dann auch Hundertschaften in den Block der heimischen Fans geschickt? Das ist wohl kaum vorstellbar. Man muss den überzogenen Einsatz der Polizei in Gelsenkirchen im Zusammenhang mit den Ereignissen vor dem Spiel von Borussia Dortmund gegen Eintracht Braunschweig am vergangenen Wochenende sehen. Dort wurden drei Ultragruppen eingekesselt und durchsucht. Man begab sich auf die erfolglose Suche nach „diffamierenden“ Transparenten mit der Abkürzung ACAB für »All Cops Are Bastards«. Danach war die Stimmung getrübt und die Anfeuerung der Mannschaft gab es nur auf Sparflamme. Scheinbar ist die Polizei in NRW unter Rot-Grün dabei eine neue Strategie im Umgang mit den ungeliebten Fans auszuprobieren.