Es ist ein heikles Thema, das immer wieder tabuisiert wurde. Und das aus gutem Grund. Zu schnell haben ewig Gestrige das Thema instrumentalisiert und grenzdebile Parolen geschwungen. Aus Angst vor den Rechten hat die politische Elite daher das Thema vermieden. Nun entpuppt sich diese Strategie als Bumerang: Offenbar gibt es einen Zusammenhang zwischen Religionszugehörigkeit und Gewaltbereitschaft.
Konkret lässt sich die Studie, die aus einem Forschungsprojekt des Bundesinnenministeriums und des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) hervorgegangen ist, auf einen Nenner bringen: Je größer die Bindung junger Männer an den Islam ist, desto größer ist ihre Gewaltbereitschaft. Zudem nehme mit der Religiosität auch die Akzeptanz von Machokulturen und die Nutzung gewalthaltiger Medien zu. Es ist inzwischen der zweite Bericht zu diesem Thema – und deckt sich teilweise mit der Kriminalstatistik, derzufolge die Zahl der Straftaten von Tätern mit Migranten-Hintergrund steigt.
Als Erklärungsansatz ziehen die Autoren Befunde des türkischstämmigen Religionswissenschaftlers Rauf Ceylan heran. Dieser hatte festgestellt, dass die Mehrheit der Imame in Deutschland den Rückzug in einen konservativen Islam fördert. Die meisten Geistlichen seien nur zeitweise in Deutschland, könnten kein Deutsch und deshalb keine positive Beziehung zur deutschen Kultur aufbauen. Für sie sei die Dominanz der Männer selbstverständlich. Verantwortlich für die Phänomene sei nicht der Islam selbst, meinte der zuständige Studienleiter Pfeiffer: „Das ist kein Problem des Islam, sondern der Vermittlung des Islam.“ Damit rückt er vorschnelle religiöse Urteil zurecht, die einen Kampf der Religionen sehen, anstatt tiefer zu blicken.
In dem Forschungsprojekt wurden im Zeitraum 2007/2008 bundesweit in 61 Städten und Landkreisen rund 45 000 Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse befragt. Ein Schwerpunkt war die Frage, wie sich die Zugehörigkeit zu einer Religion und die persönliche Religiosität auf die Einstellungen und Verhaltensweisen von 14- bis 16-Jährigen und insbesondere auf die Integration junger Migranten auswirken. Das Ergebnis: Während junge Christen mit steigender Religiosität weniger Gewalttaten begehen, ist bei jungen, männlichen Muslimen das Gegenteil der Fall. Junge Migranten ohne Konfession seien am besten in die deutsche Gesellschaft integriert. Sie würden zu 41,2 Prozent das Abitur ansteuern. Bei jungen Muslimen sei dies anders: Sie strebten zu 15,8 Prozent den Abiturabschluss an, hätten zu 28,2 Prozent deutsche Freunde und fühlten sich zu 21,6 Prozent als Deutsche.
Gerade im Ruhrgebiet dürfte diese Studie, auch mit Blick auf die Turbulenzen beim Moschee-Verein in Duisburg, für neue Diskussion sorgen. Die Zahlen sind, das muss ich zugeben, erschreckend. Ob sie wirklich belastbar sind, kann ich nicht beurteilen. Für mich stellt sich aber die Frage, ob es sich hier nicht eher um ein Milieu-Problem handelt – also die sozioökonomischen Faktoren eine Rolle spielen, die ferne vieler Migranten-Haushalte zum Bildungsbürgertum und die geringen Aufstiegsmöglichkeiten, die junge Muslime hier in Deutschland haben, die eben aus einem Elternhaus kommen, das auf Hartz IV angewiesen ist und ein post-modernes Männerbild besitzt.
Bin gespannt, was der Shooting-Star der CDU, Integrationsminister Armin Laschet, der garde fulimant unter die Buchautoren gegangen ist, aus dieser Studie macht. Oder ob er sich wie die letzten fünf Jahre auf verbales tabuisieren des Themas konzentriert und damit weiterhin notwendige Entscheidungen verschleppt. Die Studie zeigt, dass diese Strategie gescheitert ist.