Ich habe demonstriert. In Bottrop. Vor der Sparkasse. Wir waren zu 300, vielleicht. Später kamen die Jungs von der Zeche dazu. Auf ihren Motorrädern. Dann waren wir gut 500. Männer, Frauen, Kinder. Kleine Arbeiterbewegung. Aber gut, dass mindestens die da waren.
In der ersten Reihe stand Peer Steinbrück. Der SPD-Finanzminister und Ex-Ministerpräsident. Daneben der Bottroper Oberbürgermeister Peter Noetzel, ein paar Landtagsabgeordnete und sonstige Randpolitiker. Ich weiß nicht, warum der Peer Steinbrück nach Bottrop gekommen ist. Als Signal an die Zechen? Das die nicht dicht gemacht werden? Jedenfalls war auch der Chef der versammelten Zechenbetriebsräte da.
Das letzte Mal habe ich Peer Steinbrück in Bottrop gesehen im Wahlkampf 2005. Da war er bei einem Jugendprojekt im Süden. Der Arche Noah. Peer hat ein Pferd gestreichelt. Dann hat ihn der Gaul angerotzt. Fetter Pferde-Schleim über die Jacke. Der WDR hat die Szene damals nicht gesendet. Es war der Anfang vom Untergang der SPD in NRW.
In den Reden ging es um Mindestlöhne. Die waren heute wichtig. 7,50 Euro die Stunde. Gut, das lohnt sich. Dann ging es um Nazis. Mies, die sind schlecht.
Mir ist aufgefallen, dass die meisten Demonstranten von der Zeche Prosper Haniel kamen. Die Kumpel, die bringen Leute mit, eine Demonstration für die Wahlen. Wer mobilisiert, darf bestimmen.
Dann waren da noch jede Menge Verdi-Leute aus der Stadtverwaltung.
Demonstriert haben also vor allem Leute, die von Steuergelder leben.
Gut, das war jetzt eine unfaire Spitze. Schließlich sind Stadtverwaltung und Pütt die beiden größten Arbeitgeber in Bottrop.
Ansonsten sind noch ein paar duzend von den üblichen Verdächtigen mitgelaufen. Hier ein Häuflein IG-Metall, da ein paar Verrückte von der MLPD. Und ziemlich in der Mitte eine Gruppe vom christlichen Gewerkschaftsbund.
Ich glaube, der Schützenverein Bottrop-Fuhlenbrock war auch gut vertreten. Zumindest hatten die Schützen mehr Mann mitgebracht, als die Linke. Die Jusos standen mit vielleicht einem halben duzend Mann beim Bierwagen und hielten sich sonst im Hintergrund. Ihre Chefin hatte schwarze hochhackige Stiefel. Und rot gefärbte Haare. War es das?
Nein, das war es nicht. Als die Bergleute in ihrem beeindruckenden Motorrad-Korso durch die Stadt fuhren, wendeten sich die Blicke aller von der Blaskapelle zu den Bikes. Die Kumpel hielten an. Stiegen ab. Begannen zu rauchen. Auch ein alter Mann und eine alte Frau waren von den Macht der Maschinen angetan. Beide Mitte 80 etwa. Sie fuhren in ihren Elektrorollstühlen zwischen die Männer. Mitten rein in den Korso. Hinter die Bikes. Niemand hat das gestört.
Foto: Yashar / Schäferchef
Meine Jungs hatten Spaß an der Demo.
Zum Abschied wurde dann das Lied gesungen "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit".
1. Brüder, zur Sonne, zur Freiheit,
Brüder zum Lichte empor.
Hell aus dem dunklen Vergangnen
leuchtet die Zukunft hervor.
2. Seht nur den Zug der Millionen
endlos aus Nächtigem quillt,
bis eurer Sehnsucht Verlangen
Himmel und Nacht überschwillt.
3. Brüder, in eins nun die Hände,
Brüder das Sterben verlacht:
Ewig der Sklaverei ein Ende,
heilig die letzte Schlacht.
4. Brechet das Joch der Tyrannen,
die uns so grausam gequält;
Schwenket die blutrote Fahne
über die Arbeiterwelt. "
Nur die letzte Strophe haben die Kumpel nicht gesungen
5. Brüder, ergreift die Gewehre,
auf, zur entscheidenden Schlacht!
Dem Kommunismus zur Ehre,
ihm sei in Zukunft die Macht!