Böll-Stiftung: Kulturrelativismus als Antwort auf Menschenrechtsverletzungen

heinrich-boll-stiftungDie grüne Stiftung rollt den roten Teppich aus. Man hofiert die iranischen Gegenüber umso eifriger, je gewissenhafter sie Oppositionelle ermorden. Egal ob  die Terrorherrschaft der Mullahs verharmlost werden soll oder der iranischen Opposition in den Rücken gefallen wird – die Heinrich-Böll-Stiftung  mischt mit. Von unserem Gastautor Kazem Moussavi.

Die den Grünen nahe Heinrich-Böll Stiftung hat den Regime-Lobbyisten eine Veranstaltung in Berlin organisiert (08.11.): Mehdi Ghaemi (NIAC/ICHRI), Ali Fathollah-Nejad (CASMII/DGAP), Omid Nouripour (Die Grünen/MdB) und Ziba Mir-Hosseini, Propagandistin eines so genannten islamischen Feminismus und der als „GRÜN“ gelabelten, regierungseigenen Musawi-Opposition, die als ‚Expertin‘ für Voice of America und die BBC fungiert.

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Kulturrelativismus gegen iranische Freiheitsbewegung: Eine Antwort auf Thees Kalmers exkulpierenden Erlebnisbericht

GJ-IranFrüher fuhren Stahlhelme der Union zu Diktatoren wie Augusto Pinochet. Heute erledigen junge Grüne das Geschäft der Kollaboration mit dem Faschismus. Zu den Hintergründen und Akteuren der skandalträchtigen Iran-Reise ein Beitrag von unserem Gastautor Dr. Kazem MoussaviSprecher der Green Party of Iran in Deutschland.

Eine Jugenddelegation aus dem Umfeld der Grünen Partei reiste im August in den Iran. Die Bundessprecherin der GRÜNEN JUGEND Jamila Schäfer teilte mit: “Die private und unabhängig von der GRÜNEN JUGEND geplante Reise steht nicht im Zusammenhang mit der inhaltlichen Positionierung unseres Verbands. Die GRÜNE JUGEND lehnt den Atomdeal mit dem menschenrechtsverletzenden iranischen Regime weiterhin ab und bleibt solidarisch mit Israel.”

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Wenn sich eigentlich alle einig sind: Hizbollah und Religionskritik

Amin al-Husseini und Adolf Hitler Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1987-004-09A / Heinrich Hoffmann Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE
Amin al-Husseini und Adolf Hitler Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1987-004-09A / Heinrich Hoffmann Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Auf dem Blog Aufstand veröffentlicht die [[Antikapitalistische Nichtweiße Gruppe im Aufbau]] am Freitag ihre leicht verspätete Stellungnahme zum Al-Quds-Tag. Dieser iranische Anti-Israel-Feiertag wird weltweit in Form von Demonstrationen bestritten und von bekennenden Israelhassern auch in Deutschland initiiert. Der einzige Staat, in welchem heute mehrheitlich Juden leben, soll vernichtet werden. Die einen gehen für, die anderen gegen diesen glühenden, nun ja, „Antizionismus“, auf die Straße – und die Blogger wollen schlichten.

Wenn zwei sich streiten…“ nennt die Gruppe auf Ihrem Blog ihre an den gesunden Menschenverstand adressierte Beleidigung und beginnt damit, zu erklären, dass es an beiden Seiten Kritikpunkte gäbe. Ihre eigene „antizionistische Solidarität gegen koloniale Beherrschung, kapitalistische Ausbeutung und rassistische Apartheid“ sei nämlich eher „kritischer“ Natur. Kritisch in ihrem Texte sind bei genauerer Betrachtung lediglich Aufbau, Struktur und das offensichtliche Unvermögen, tatsächlich mit Marx warm zu werden. Kritisch darf man natürlich auch bei der Grundannahme sein, ohne Israel würde auf magische Weise ein kommunistisches „Palästina“ entstehen – und eigentlich auch bei jedem anderen Satz. 

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Israel und der Machtkampf in der iranischen Führung

Wer sich, wie die Ruhrbarone z.B., seit langem für die konsequente Befolgung der Sanktionspolitik gegen den Iran einsetzt, kann über die Meldung, eine israelische Firma habe dem Iran ein Schiff verkauft, nur irritiert sein. Wenn dann noch zu hören ist, Ahmadinedschad baue seinen Schwager, der die Israelis als „unsere Freunde“ bezeichnet, als Nachfolger auf, wird die Irritation nicht unbedingt kleiner. Immerhin: die Regierungen in Jerusalem und in Teheran bestreiten nachdrücklich, Wirtschaftsbeziehungen zum Feind auch nur zu dulden. Damit erhöht die eine Regierung die Glaubwürdigkeit der jeweils anderen, und auch unser Weltbild erhält auf diese Weise wieder die nötige Standfestigkeit.

Letzte Woche hatten die USA Israels größten Konzern, die „Ofer Brothers Group“, auf die Liste der Iran-Sanktionsverletzer gesetzt.

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Iran: Bombenhilfe aus NRW?

Der Iran will die Atombombe. Das Land baut systematisch seine Nuklearindustrie aus. Besonders interessant für das Mullah-Regime ist dabei Nordrhein-Westfalen.

Die Ascotec GmbH in Düsseldorf ist auf den ersten Blick eines der vielen Unternehmen, die Düsseldorf zu einem der wichtigsten Wirtschaftsstandorte der Bundesrepublik macht: Ein internationales Handelshaus, das die zentrale Lage und die guten Verkehrsanbindungen der Landeshauptstadt nutzt, um von hier aus seinen international ausgerichteten Geschäften nachzugehen: Den Erwerb von und den Handel mit Rohstoffen. Das Problem: Die Ascotec GmbH soll unter dem Einfluss der Revolutionsgarden des Irans zu stehen. Und die von Ascotec erworbenen Rohstoffe, so der Verdacht, könnten vom Mullah-Regime dazu genutzt werden, das Nuklearprogramm des Landes weiter zu treiben.

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Ein Computerwurm auf dem Weg zum Kommunismus

Said Dschalili

Es gibt viele Wege zum Kommunismus, „sehr viele unterschiedliche Wege“ sogar, ließ uns die Parteivorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch wissen, und zwar in der Tageszeitung „Junge Welt„. Dies ist auch – marxistisch gesprochen – eine soziale Gesetzmäßigkeit, gewissermaßen eine historische Notwendigkeit. Die „Junge Welt“, das ehemalige „Zentralorgan der FDJ“, ist – so ihr Selbstverständnis – marxistisch orientiert, Frau Lötzsch ist gewiss auch irgendwie orientiert, und selbst wenn man rein bewusstseinsmäßig noch nicht das Level der allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit erreicht haben sollte, muss diese Tatsache auch jedem nicht ganz marxistisch Orientierten unmittelbar einleuchten: die vielen Wege zum Kommunismus können gar nicht alle gleich sein. Sie müssen verschieden sein.

Überlegen Sie doch nur einmal: wenn für alle das Ziel gleich ist, nämlich der Kommunismus, alle aber von einem anderen Ort aus starten, dann können die doch gar nicht alle den gleichen Weg nehmen. Es sei denn, man ginge himmelweite Umwege. Obwohl es, wie die Genossin Vorsitzende schon ganz richtig festgestellt hatte, sehr viele unterschiedliche Wege gibt, sollen hier zwei Beispiele genügen, um diese Tatsache zu verdeutlichen. Wenn Sie zum Beispiel von einer sozialistischen Einheitswohnung in einer Ostberliner Plattenbausiedlung aus starten, wie sie Gesine Lötzsch zu belegen beliebt (Beispiel Eins), verläuft der Weg zum Kommunismus freilich ganz anders, als wenn Sie sich in der Islamischen Republik Iran (Beispiel Zwei) auf den Weg machen.

Während Lötzschs Plattenbauwohnung so eine Art sozialistischer Insel inmitten einer imperialistischen Metropole darstellt, haben wir es beim Iran – wie der Name schon sagt – mit einer Islamischen Republik zu tun. Noch kein Kommunismus im engeren Sinne – aber da bekanntlich Islam nichts weiter ist als ein anderes Wort für Frieden, der u.a. auch deswegen der „Jungen Welt“ so sehr am Herzen liegt, weil er gleichsam eine Art Vorstufe zum Sozialismus ist, versteht es sich fast von selbst, dass der Weg zum Kommunismus von Teheran aus beschritten nicht nur anders, sondern auch ein ganzes Stück kürzer ist als von Berlin. Jedenfalls in der realen Welt. Etwas anders mag die ganze Sache aussehen in der virtuellen Welt.

„Am Sonnabend veröffentlichte die New York Times einen sehr ausführlichen Artikel, der sich mit dem »Computerwurm« Stuxnet beschäftigte.  Angeblich“, so formuliert es die marxistisch orientierte Tageszeitung „Junge Welt“. „Angeblich hatte dieser im vorigen Jahr einen großen Teil der Zentrifugen beschädigt oder zerstört, die in Natanz das Urangas anreichern.“ Natanz, oder auch: Natans, liegt, wie Sie sich denken können, in der Islamischen Republik Iran. „Das angebliche iranische Atomwaffenprogramm“, so zitiert die „Junge Welt“ die „NYT“ weiter, wobei sich das „angeblich“ freilich aus der marxistisch orientierten Sicht der Dinge ergibt, „sei dadurch stark verzögert worden“.

Bürgerliche Presse eben; merke: Bürgerblätter machen dumm. Hier zum Beispiel lag indessen die Sache offenbar ganz anders. Originalton des ehemaligen FDJ-Zentralorgans: „Indessen war der Schaden, der im Iran entstand, offenbar nur sehr gering. Es fiel lediglich für einige Tage die Arbeit aus. Daran gemessen müssen die hohen Entwicklungskosten für Stuxnet eine ganz schlechte Investition gewesen sein.“ Zum Brüllen komisch, wie hier die Imperialisten und Zionisten wieder haufenweise Geld versenkt haben! Da macht sich der Klassenfeind monatelang all die Arbeit, und dann fällt in Natans nur drei Tage lang die Arbeit aus.

Said Dschalali ist Vize-Außenminister des Iran für Europäische und Amerikanische Angelegenheiten. Der promovierte Politologe ist Chefunterhändler über das Teheraner Atomprogramm „gilt als unnachgiebig und überaus konsequent“, so die „Deutsche Welle“, derzufolge er „Ahmadinedschad sehr nah“ stehe. „Der Spiegel“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe (3 / 2011), Dschalili habe vier Jahre lang das Büro des religiösen Führers Ajatollah Ali Chamenei geleitet und gelte deshalb „als enger Vertrauter des mächtigsten Mannes im Gottesstaat“. Wie auch immer: zweifelsohne hat Dr. Dschalali innerhalb des Mullahregimes wirklich etwas zu sagen, und das macht er denn auch. Auch er legt Wert auf die Feststellung, dass „die Cyberattacke nicht so viel Schaden angerichtet (habe), wie die Medien berichtet hätten“ (Tagesspiegel). Dschalili erklärte in einem am Montag gesendeten Interview mit dem US-TV-Sender NBC, iranische Ermittlungen hätten Hinweise darauf ergeben, dass die USA für Stuxnet verantwortlich seien.

Auch dem „Spiegel“ hat Dschalili hierzu ein Interview gegeben. Es ist vorgestern, am Montag, den 17. Januar erschienen – also am gleichen Tag wie das NBC-Interview, am gleichen Tag wie der zitierte „Ätsch“-Kommentar in der „Jungen Welt“. Es steht (noch) nicht online; deshalb sei die entscheidende Passage hier zitiert:
Spiegel: „Der in iranische Anlagen eingeschleuste Computerschädling Stuxnet hat offensichtlich einen wesentlichen Teil der Zentrifugen in der Atomanlage Natans lahmgelegt. Wissen Sie, wer dahintersteckt?“
Dschalili: „Unseren verzweifelten, geschwächten Feinden …“
Spiegel: „… Sie meinen damit Israel und die USA …“
Dschalili: „… ist jedes Mittel recht … Aber unsere Experten haben diesen Angriff längst abgewehrt.“

„Längst abgewehrt“ – das schon. Andererseits: wer der Behauptung, die Attacke habe „einen wesentlichen Teil der Zentrifugen in der Atomanlage Natans lahmgelegt“, nicht widerspricht, bestätigt sie. Und wenn es sich dabei um Herrn Dschalili handelt … „Der Spiegel“ hakt nach.
Spiegel: Müssen Sie nicht ständig eine neue noch raffiniertere Stuxnet-Attacke fürchten, der Sie letztlich nichts entgegenzusetzen haben?“
Dschalili: „Richtig ist: Wir müssen vorbereitet sein, immer auf der Hut.“

Trotz der solidarischen Unterstützung durch die „Junge Welt“ scheint es einstweilen nichts zu werden mit der iranischen Nuklearwaffe. Der „angeblichen“. Unter diesen Umständen bleibt den Mullahs nichts Anderes, als sich auf ihre ureigenen Stärken zu besinnen.
Spiegel: „Werden Ihre Glaubensbrüder von der Hisbollah-Miliz im Libanon an Ihrer Seite stehen und Israel angreifen?“
Dschalili: „Das ist deren Sache. Wir bedanken uns bei jedem, der uns verteidigt.“

Die unglaubliche Geschichte der Neda Soltani – vom Versagen der Medien und der „Social Networks“

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Mir gegenüber sitzt die Todgesagte. Sie redet, sie lacht, manchmal merke ich, dass sie Angst hat. Neda Soltani musste flüchten, sie hat ihre Heimat verlassen. Sie sagt, hier in diesem Kaff bei Frankfurt am Main sei alles anders. Schnee, Frost, Regen und kalte Straßen mit kalten Gesichtern. Ein fremdes Land für die jungen Frau.

Das Bild von Neda Soltani kennt fast jeder auf dieser Welt. Es kam über die Sender, das Internet und die Zeitung in so gut wie jedes Haus als das Bild einer Toten. Dieses bekannte Portrait zeigt eine junge, vorsichtig geschminkte Frau mit braunen Augen. Der im Iran gesetzlich vorgeschriebenen Schleier ist eine Handbreit zurückgeschoben. Man sieht den Ansatz ihres kräftigen Haares. Sie lächelt, ein wenig weich, ein wenig unschuldig, freundlich.

Hier und jetzt, in einem Cafe irgendwo in der Nähe von Frankfurt ist das Gesicht von Neda Soltani härter geworden. Sie trägt keinen Schleier mehr. Man sieht graue Strähnen, die größer werden an ihrer Stirn. Es war nur ein Missverständnis, sagt sie. Ein Fehler. Ein Irrtum mit schrecklichen Folgen. Neda Soltani geriet in den Tumulten nach den gefälschten Wahlen im Iran zwischen die Fronten, wurde gehetzt, gejagt und musste flüchten. Ihr altes Leben zerbrach wie ein Spiegel. Ihr Foto, das Bild mit dem weichen Lächeln das um die Welt ging, wurde ihr entrissen.

Bis vor einem halben Jahr hat Neda Soltani in Teheran gelebt. Sie unterrichtete dort englische Literatur. Sie kann sich in der fremden Sprache fließend ausdrücken, gewählt und intelligent. Im Sommer erst hatte sie eine Arbeit über die weibliche Symbolik im Werk von Joseph Conrad abgeschlossen. An den Protesten im Iran konnte sie deswegen nicht teilnehmen. Sie musste im Juni Korrektur lesen. „Mein Ziel war es, irgendwann eine Professur anzustreben, wenn ich gut genug dafür gewesen wäre.“

Ihre Eltern gehören der iranischen Mittelschicht an. Wo genau sie herkommt und was ihre Familie macht, will sie nicht sagen. Sie hat Angst. Sie erkennt Probleme. Sie weiß, dass nicht alles richtig läuft. Aber sie war vor allem fleißig, wenn es darum ging, zu lernen. Eine Akademikerin. „Ich habe über zehn Jahre hart gearbeitet, um mir die Position als Dozentin an der Universität zu sichern. Ich habe Geld verdient, ich bin mit Freunden ausgegangen und ich habe Spaß gehabt.“ Heute hat sie davon nichts mehr. Keine Arbeit, kein Geld und keine Freunde zum Ausgehen. Neda Soltani ist jetzt 32 Jahre alt.

Die Geschichte ihres Fotos beginnt am 20. Juni 2009. Damals wurde in der Nähe der Kargar Avenue in Teheran gegen 19:00 Uhr Ortszeit eine junge Frau niedergeschossen. Sie fiel auf den Rücken, aus ihrem Mund lief Blut. Dabei starrte sie in eine Handykamera, verletzt, voller Angst, wehrlos. Sie starb wenig später auf dem Weg ins Hospital. Die Bilder der sterbenden Frau wurden auf Youtube hochgeladen.

Alarmiert durch Blogger und Twitter stoßen bald große Sender auf das Sterben der Frau. Redakteure versuchen sie zu identifizieren. In Zeitnot suchen sie Bilder der Toten. Ihr Vorname, Neda, war im Video zu hören. Schnell kommt über das Netz ein Nachname: Soltan, Studentin der Islamic Azad Universität in Teheran. Irgendwer sucht mit diesen Daten bei Facebook.

Hier unterhält auch Neda Soltani eine Seite. Öffentlich zugänglich ist hier nicht viel. Neda Soltani hat ihre Inhalte allein für Freunde freigegeben. In ihrem Profil stand allerdings ein Foto, das damals jeder sehen konnte.

Wer als erster auf ihre Seite im internationalen Portal für Studenten, Manager und Hausfrauen stieß, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Genauso wenig ist klar, wer den Fehler machte und die ermordete Neda Soltan (auf dem Foto links) mit Neda Soltani (auf dem Foto rechts) verwechselte.


Auf jeden Fall kopiert irgendwer das Foto der Lebenden in der Nacht auf den 21. Juni 2009 aus deren Facebook-Profil. Es wird über die sozialen Netzwerke, über Blogs und Portale gestreut. Dann wird es über CNN, BBC, CBS, ZDF, ARD und fast jeden anderen denkbaren Sender gesendet. Es wird gedruckt in den Zeitungen und Magazinen dutzender Länder. Es passiert gleichzeitig, es passiert weltweit.

Das Foto der jungen Frau wurde so zum Symbol des Freiheitskampfes am persischen Golf. Auf Demonstrationen trugen die wütenden Menschen das Abbild der vermeidlichen Märtyrerin vor sich her. Sie trugen es auf ihren T-Shirts und bauten ihm Altäre. Sie riefen: „Engel des Iran“.

Wie konnte es zu dem verwechselten Foto kommen? Soltani ist ein gewöhnlicher Name im Iran. Wie Meyer oder Müller vielleicht. Auch Neda ist nicht ungewöhnlich. Man könnte ihn mit Sonja oder Sandra vergleichen. Die Ermordete studierte an der privaten Islamic Azad Universität, die lebende Neda Soltani war dort Dozentin. Doch hätten die Medien nicht besser prüfen müssen, wessen Foto sie benutzen, anstatt es einfach von einer Facebook-Seite zu kopieren und weltweit zu verbreiten? Es gab Zeitdruck, das ja, aber es gab zumindest eine Sache, die hätte stutzig machen müssen. Die Tote hieß mit vollem Namen Neda Agha-Soltan. Die Lebende wird einfach Neda Soltani genannt.

Am Morgen des 21. Juni 2009, einen Tag nach dem Todesschuss, wunderte sich Neda Soltani. Immer mehr Menschen wollten sich auf ihrer Facebook-Seite registrieren, als angebliche Freunde. Hunderte waren das, aus aller Welt. Es hörte nicht auf. Es kamen Anrufe. Ein befreundeter Professor brach in Tränen aus, als er ihre Stimme hörte.

Zunächst ein schlechter Witz, dachte Neda Soltani. Etwas, das mit zwei, drei Anrufen aus der Welt zu schaffen ist. Ein Fehler halt, wie er nicht passieren darf, aber passieren kann. Sie fing an zu schreiben. Sie schrieb, dass sie leben würde. Sie schrieb an den im Iran populären Sender Voice of America. Sie schrieb, dass es ein Irrtum sei. Dass sie das falsche Foto hätten. Als Beweis schickte Neda Soltani ein weiteres Foto von sich. Und schrieb: Die Redaktion könne ja vergleichen. Das sei auch sie. Neda Soltani hat nicht damit gerechnet, was dann passierte.

Voice of America verbreitete nun dieses zweite Foto als neues Bild der verstorbenen Neda und CBS griff es auf. Neda Soltani bekam Angst. Alles was sie tat, um ihr Bild zurück zu gewinnen, schien nutzlos.

Sie löschte das Foto auf ihrer Facebook-Seite. Damit es niemand mehr runterladen kann. Der nächste Stein kam ins Rollen. Zensur wähnend, wurde ihr Foto kopiert, dutzende, hunderte Facebook-Seiten auf aller Welt spiegelten ihr Bild. Es wurde in Blogs fixiert und bei Twitter versandt.

Es war, als sei ihre eigene Identität aus dem Foto gelöscht und stattdessen mit den Sehnsüchten tausender Menschen aufgeladen. Das lächelnde Gesicht der Tod Geglaubten gerann zur Ikone eines unschuldigen Opfers im Freiheitskampf.

Es half auch nichts, dass spätestens seit dem 23. Juni 2009 authentische Fotos der toten Neda Agha-Soltan frei und für jeden verfügbar waren, deren Eltern hatten sie herausgegeben. Das Bild von Neda Soltani wurde trotzdem weiter verbreitet.

Freunde von Neda Soltani versuchten, in Foren den Fehler richtig zu stellen. Eine Vertraute wurde deswegen beschimpft. „Du Bastard, Du wirst uns den Engel des Iran nicht nehmen.“ Es ist, als könne der einmal geglaubte Irrtum nicht mehr berichtigt werden.

Die Geschichte ist nicht nur die Geschichte des Versagens der traditionellen Redaktionen in hektischen Nachrichtenzeiten. Diese Geschichte beschreibt auch das Versagen der sozialen Medien. Die Masse hat im Netz nicht nur die Macht, Lügen zu entlarven. Die Masse kann auch eigene Wahrheiten erschaffen und verteidigen. Egal wie falsch die sind. Nur sehr wenige Blogs berichteten über den Fehler. Keiner wurde so ernst genommen, dass er die Macht gehabt hätte, den Irrtum zu korrigieren.

Irgendwann wurde Neda Soltani klar, dass etwas gewaltig aus dem Ruder läuft. Nur wenige Journalisten schrieben sie über ihre Facebook-Seite an und fragten nach ihrer Identität. Keiner von ihnen konnte oder wollte die Welle stoppen.

Neda Soltani geriet im Iran unter Druck. Sie wurde bedroht. Sie hat Angst um ihre Familie, deswegen kann und will sie nicht sagen, was genau vorgefallen ist. Nur soviel ist klar: Der Fehler mit ihrem Foto sollte gegen die Opposition gewandt, die Menschen auf der Straße als Instrumente westlicher Fälscher entlarvt werden – mit aller Gewalt. Es kamen schlimme Vorwürfe, die den Tod bringen können. Neda Soltani wurde krank. Panikattacken und hilflose Angst.

Sie konnte nicht mehr bleiben. Sie musste aus dem Iran verschwinden. Ohne von ihren Eltern Abschied zu nehmen, floh sie am 2. Juli 2009 in den Westen. Ihre Ersparnisse bekamen Fluchthelfer. Mit nichts in den Händen als einem Rucksack, einem kleinen Rucksack, ging sie los. Sie floh über Griechenland nach Deutschland. Hier hat sie einen Cousin. In Bochum. Der ist jetzt Ihre Familie.

Am 3. Juli 2009 brachte endlich BBC Online eine Nachricht über die falsche Identität in einer Internet-Wochenschau über soziale Netzwerke. Direkt hinter den Verschwörungstheorien zum Tod von Michael Jackson. BBC Online kommentierte: „Dieser Fall ist ein herausragendes Beispiel für die Gefahren, wenn Massenmedien Bilder aus sozialen Netzwerken im Internet verbreiten.“

Man hätte nun erwarten können, dass es damit ein Ende findet. „Meine Freunde haben mir gesagt, warte noch einen Tag. Dann wird alles gut. Doch es vergingen die Tage und nichts wurde gut“, sagt Neda Soltani.

Das Asylverfahren in Deutschland läuft nun seit Monaten. Neda sagt, sie wollte nie auswandern. Sie war auch noch nie im Westen. Sie sagt, sie hat Heimweh. Sie bekommt vom Deutschen Staat etwa 180 Euro im Monat als Hilfe. Das reicht kaum, um sich von Salaten, Früchten und Broten zu ernähren, so wie sie es gewohnt ist. Sie lebt irgendwo in einem Heim für Flüchtlinge. Ihr Zimmer mit der Nummer 11 ist schmal, zwei Betten, ein Regal. Hier will sie niemanden hineinlassen. Sie sagt, sie will die Monate „im Lager“ so schnell wie möglich vergessen. Sobald sie raus ist, soll sie nichts mehr an das hier erinnern. Die Beschläge der Türen sind mit Gips geflickt. Die Küche für einen ganzen Flur mit zwei dutzend Menschen hat kein Fenster, der Ausguss wackelt auf einem Brettergestell. Auf einem Balkon zum Hof ist eine Satellitenschüssel auf eine abgebrochene Metallstange gespießt. Die Stange steckt in einem vergammelten Sauerkrauteimer mit Sand und Steinen. Improvisiertes Flickwerk für eine Verbindung zur Heimat.

Obwohl das Foto der toten Neda seit Monaten bekannt ist, taucht noch immer das Bild der falschen bei Spiegel-Online auf, in der New York Times oder in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. Selbst ein Bild der Nachrichtenagentur AFP zirkuliert noch durch die Archive.

Eines ist allen diesen Bildern gemein: Es sind meist Aufnahmen von Fotos. Sie zeigen Menschen, die eine Ikone in die Kamera strecken. Bilder eines falschen Bildes.

Neda Soltani hat lange dazu geschwiegen. Sie hat Boden unter den Füssen gesucht, sich gesammelt.

Als CNN im November einen Bericht zum Iran brachte, war der wieder mit dem Foto von Neda Soltani illustriert. Sie schrieb den Sender an und bat darum, ihr Bild zu löschen.

Als Antwort erhielt sie eine automatische Email, die um Verständnis bat, dass nicht alle Hinweise persönlich beantwortet werden könnten. Unterzeichnet war das Schreiben mit „CNN, The Most Trusted Name In News“.

Das Bild gehört nicht mehr ihr. Es gehört CNN und den anderen.

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Diese Geschichte erschien auch im SZ-Magazin.