Es sind verstörende Bilder, die heute aus Lützerath zu uns allen kommen. Angebliche Klimaschützer, die vielfach eher an Krawalltouristen erinnern, verteidigen dort ein längst geräumtes Dorf, gegen die anrückende Polizei. Das weckt große Emotionen bei jedem, der diese Szenen zu sehen bekommt. Egal auf welcher Seite man dabei steht.
Für mich, der sich jahrelang in den Reihen der Kritiker des Kohlekraftwerks ‚Datteln 4‘ engagiert hat, sind es heute sehr widersprüchliche Erinnerungen und Gedanken, die das Geschehen im Braunkohlerevier bei mir auslöst.
Eher zufällig verfolgte ich am Freitag die Rede von Annalena Baerbock zu Beginn des Parteitags der Grünen an diesem Wochenende. Gar nicht so übel, was die sympathische Bundesvorsitzende da so von sich gab. So war zumindest mein erster Eindruck. Mit überraschend vielem davon, kann ich mich noch immer identifizieren.
Immer noch? Ja, Sie haben richtig gelesen. Bis vor rund acht Jahren war ich selber zwei Jahre lang ein aktives Mitglied der Partei auf lokalpolitischer Ebene, bevor ich mich nach etlichen Enttäuschungen wieder frustriert und verärgert von ihr abwandte.
Und genau viele dieser bitteren Erinnerungen an von mir damals in meiner grenzenlosen Naivität kaum für möglich gehaltenen Erlebnisse während meiner recht kurzen Mitgliedschaft, kamen für mich beim Hören der salbungsvollen Worte von Baerbock rasch wieder hoch. Bei mir gingen in diesen Minuten am Freitag wirklich alle Alarmglocken an.
Lieber Jürgen Trittin, ich bleibe heute einfach mal beim ‚Du‘, da wir zwischen Mai 2010 und April 2012 Parteifreunde waren, uns von daher sicherlich auch gleich geduzt hätten, wenn wir uns damals einmal über den Weg gelaufen wären.
Jürgen, Du warst im April 2010 einer der Gründe für mich, mich aktiv den ‚Grünen‘ anzuschließen. Wir trafen uns damals, wenn Du dich wohl auch nicht mehr daran wirst erinnern können, in Datteln, im Schatten des neuen Kohle-Kraftwerks ‚Datteln 4‘.
Die örtlichen Grünen hatten dich damals dorthin eingeladen, und im laufenden Landtagswahlkampfs 2010, bist Du der Einladung (nach eigener Aussage vor Ort) auch sehr gerne gefolgt.
Ich selber begann im Herbst 2009, nachdem einige hier vor Ort agierende Kraftwerkskritiker sich juristisch gegen den E.On-Bau vor meiner Haustür durchgesetzt hatten, mich näher mit den Geschehnissen rund um das gigantische Bauprojekt auseinanderzusetzen. Rasch begriff ich dann auch, wie übel hier den Anwohnern mitgespielt werden sollte, welche sich schon seit Jahren z.B. über den deutlich zu geringen Abstand des Meilers zu ihren Häusern aufregten.
Als Du dann im April 2010 hierher kamst, da war ich schon ganz gut im Thema, wollte, auch wenn ich bis dahin sonst kein großer Besucher von Wahlkampfveranstaltungen war, deinen angekündigten Auftritt in Datteln nicht versäumen. Und nachdem die örtlichen Grünen sich hier auch schon über längere Zeit gegen diesen umstrittenen Bau einsetzten, verband ich mit der angekündigten Info-Veranstaltung in der Dattelner Stadthalle persönlich im Vorfeld einige Hoffnungen.
Ich wurde auch nicht enttäuscht. Mit klaren Worten hast du hier argumentiert. Es sei dir ein persönliches Anliegen gewesen sich die Dinge einmal vor Ort anzusehen.
Nachdem man im RVR in der Vorwoche auf politischer Ebene weitere Schritte unternommen hat um das umstrittene Kraftwerk ‚Datteln 4‘ nach dem juristisch erzwungenen Baustopp nun zukünftig vielleicht doch noch ans Netz gehen zu lassen, formieren sich viele der Kritiker des Bauvorhabens aktuell hinter einer Unterschriftenkampagne.
Das Ziel der Organisatoren von ‚Campact‘ sind dabei über 15.000 Unterschriften unter einem Appell an die NRW-Landesregierung. Am Freitag waren bereits über 11.500 Unterzeichner zusammen.
Die E.On-Kritiker beziehen im Zusammenhang mit diesem Apell klar Stellung gegen das Kraftwerk im Kreis Recklinghausen
Der Bundestagswahlkampf steht schon bald vor der Tür. Das Kraftwerk ‚Datteln 4‘ wird darin wohl keine nennenswerte Rolle spielen. Und den Verantwortlichen, sowohl bei SPD als auch bei den Bündnisgrünen im Lande, scheint das so auch ganz recht zu sein.
In den letzten Wochen wurden zudem alle Weichen von den handelnden Personen so gestellt, dass die Anhängerschaft des jeweiligen NRW-Koalitionspartners mit den jüngsten Entwicklungen zu diesem Thema auch scheinbar keinen wirklichen Grund zur Unzufriedenheit haben kann. Bei näherer Betrachtung schwelt der Konflikt, der eigentlich die Kraft zum Koalitionsbruch in Düsseldorf und beim RVR hätte, aber unverändert weiter. Er wird aktuell wohl nur mehr oder weniger elegant aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit gezogen.
Es mehren sich die Anzeichen, dass der zweite Anlauf für die Kraftwerksplaner in Datteln nun seinen gewünschten Gang geht, zumindest politisch! Alle Weichen sind hier inzwischen so gestellt, dass das 2009 gerichtlich gestoppte Kraftwerk über ein Zielabweichungsverfahren politisch doch noch ans Netz gebracht werden kann. Und was machen die Grünen, welche im Wahlkampf 2010 noch ihre Prominenz in Datteln (Jürgen Trittin, Reiner Priggen usw.) präsentierten, um das Kraftwerk politisch zu stoppen, und die Schwarz-Gelbe Rüttgers-Regierung nebenbei auch noch zu Fall zu bringen? Sie sind verbal seit Langem schon völlig abgetaucht! Lediglich die lokalen Grünen kämpfen mit ihren begrenzen Möglichkeiten noch öffentlich sichtbar gegen den umstrittenen Bau an der Stadtgrenze zwischen Datteln und Waltrop im Kreis Recklinghausen. Von der Parteiprominenz will sich offenbar derzeit niemand mehr die Finger an dem Thema verbrennen.
Seit Monaten bzw. Jahren findet man keine öffentlichen Stellungnahmen mehr von Jürgen Trittin (Bundespartei), Reiner Priggen (Land), Sabine von der Beck (RVR), oder Martin Tönnes (RVR). Allesamt im Jahre 2010 noch entschlossene Wortführer im Kampf gegen den ‚Schwarzbau‘ am Nordrand des Reviers. Alle sind bei diesem Thema inzwischen völlig abgetaucht!
Dabei wäre jetzt wieder einmal eine gute Gelegenheit seine Meinung hierzu öffentlich kund zu tun. Die Stadt Datteln bastelt derzeit fleißig an einem neuen Bebauungsplan, der RVR will Anfang Juli über das Zielabweichungsverfahren befinden. Alles deutet auf eine eindeutige Entscheidung pro Zielabweichungsverfahren im RVR hin. Lediglich
Eine Koalition ist zerbrochen. So etwas kommt vor. In Hamburg haben die Grünen den Schwarzen gekündigt. Nun gut, es war ja auch die erste schwarz-grüne Koalition. Denkt man an die ersten rot-grünen Koalitionen zurück und vor allem daran, mit welchem Getöse diese zu platzen pflegten, kommt einem hier das schöne Wort von der „harmonischen Scheidung“ in den Sinn. Kein Wunder, dass Hamburgs Regierungschef – Ahlhaus heißt er –, wie er sagt, „enttäuscht“ ist. Damit ist er absolut glaubwürdig, allerdings auch sehr einsam.
Alle Anderen sind nämlich über das Ende der Hamburger Koalition hocherfreut – über alle Parteigrenzen hinweg. Und auch über alle Landesgrenzen hinweg, sprich: auch Nicht-Hamburger, denen sich das „Ende der schwarz-grünen Gemeinsamkeiten“ eigentlich genauso wenig erschließen dürfte wie unsereinem. Sie melden sich mit Kommentaren zu Wort wie, dass sie es irgendwie gleich gewusst hätten, dass das ja auch gar nicht hätte klappen können mit den beiden – wohl wissend, dass nur die Allerwenigsten sich die Mühe machen werden zu recherchieren, was die gleichen Leute beim Zustandekommen dieser Koalition zum Besten gegeben hatten.
„Das Bündnis passt halt einfach nicht mehr in die Landschaft“, weiß die „taz“, und Jürgen Trittin erinnert sich daran, was man eben so sagt, wenn ein Freund oder eine Freundin eine Partnerschaft beendet, die man ohnehin nur naserümpfend hingenommen hatte: „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“ Dass Rote beider Schattierungen irgendetwas Abfälliges zum Thema beisteuern, kann ebenso wenig überraschen wie die Bemerkung des begnadeten FDP-Wirtschaftsministers – allenfalls ihr historisierendes Pathos. O-Ton Brüderle: „Es trennt sich, was nicht zusammengehört.“ Ja, der Brüderle!
Und klar, dass die Schwarzen jetzt mächtig sauer sind. Für CSU-Generalsekretär Dobrindt war ohnehin schon immer klar, dass mit den Grünen „keine verantwortungsvolle Politik“ zu machen sei. Doch jetzt wird auch seitens der CDU ergänzt, dass „Hamburg zeigt, dass es kein hinreichendes Maß an politischen Gemeinsamkeiten zwischen der CDU und den Grünen gibt“. So sagt es der CDU-Innenpolitiker Bosbach, und die Stimmen in seiner Partei werden mehr, die sich gegen eine Zusammenarbeit mit der „Dagegen-Partei“ in Stellung bringen.
Damit ist das Problem da – für Norbert Röttgen. Denn bekanntlich steht der frisch zum CDU-Vorsitzenden von NRW gewählte Bundesumweltminister für die grüne Option der Schwarzen. Auch als stellvertretender CDU-Parteivorsitzender – und jetzt das! Noch vorgestern warnte Röttgen seine Partei vor einer einseitigen Festlegung auf die FDP, da weigerten sich schon die Atomkraftgegner der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, sich mit Röttgen auch nur zu treffen. Und heute der Super-GAU: Alle gegen Schwarz-Grün. Armer Norbert Röttgen.
Wieso eigentlich muss ein Nordrhein-Westfale ausbaden, wenn irgendwelche Grünen aus Hamburg etwas anstellen, wofür es auch eigenen Angaben zufolge „keinen richtigen Grund“ gibt? Was kann Röttgen jetzt noch tun, will er sich nicht mit seiner Rolle als unschuldigem Opfer zufrieden geben? Einfach nur CDU-Landesvorsitzender und Bundesumweltminister zu sein, wird die Frage nach seinem Lebenssinn nicht hinreichend beantworten können.
Doch in jeder Krise steckt auch eine Chance. Röttgen muss den Kopf nicht hängen lassen. Erstens kann er, sollte er nicht mit ihnen können, den Grünen immer noch reichlich Stimmen wegnehmen. Und zweitens fließt bis zur nächsten Bundestags- und NRW-Landtagswahl noch viel Wasser den Rhein runter. Und die Spree. Und was die Elbe betrifft: die Tieferlegung ist sozusagen in trockenen Tüchern. Also: locker bleiben!
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