Premiere am Schauspielhaus Dortmund: Geächtet (Disgraced)

Geächtet (Disgraced): Bettina Lieder, Merlin Sandmeyer ©Birgit Hupfeld
Geächtet (Disgraced): Bettina Lieder, Merlin Sandmeyer ©Birgit Hupfeld

Aktueller kann ein Stück kaum sein: Es geht um Identität und Herkunft, um Islamophobie und Rassismus, um Assimilation und Antisemitismus. Man könnte einen Theaterabend erwarten, der sich politisch korrekt mit diesen aktuellen Konfliktthemen auseinandersetzt. Doch so einfach wird es einem in Ayad Akhtar’s „Geächtet (Disgraced)“ nicht gemacht. Statt einem kultivierten Diskurs, kommt es in dem Upper-Class Wohnung zum Clash der Kulturen und Religionen. Die gelebte Toleranz im Melting Pot New York scheint in dem Mikrokosmos des Apartments auf einmal nur noch eine billig-glitzernde Illusion zu sein. Vorurteile und Selbstverleugnung drängen mit Macht an die Oberfläche. Der Abend unter Freunden steuert ungebremst auf eine emotionale Katastrophe zu.

Eine große weiße Wand mit schemenhaft gezeichneten Nationalflaggen von Afrika, Pakistan und den USA bildet den Hintergrund. Das Bühnenbild weist auf die unheilvolle Entwicklung des Stückes hin und lässt das Publikum Teil der dramatischen Entwicklung werden. Als die Künstlerin Emely wütend eine weiße Leinwand dem Publikum entgegen hält, kann man sich der Szene nur schwer entziehen. Die tief sitzenden Ressentiments, auf deren Grundlage wir unsere Identität konstruieren, sind vor allem eines: Projektionen.

Das Stück erläutert nicht, erklärt wenig, lässt vieles offen. Regisseur Kay Voges lässt das Publikum allein mit den beiden Pärchen, die mit roten Augen und clownesken Gesichtern an Stephen Kings Horrorclown Pennywise und Batmans Gegenspieler Joker erinnern. Das Lächeln  – zu einem breiten rotverschmierten Dauergrinsen verzerrt – lässt einen erschaudern.

Man gibt sich in der New Yorker Gesellschaft intellektuell, liberal und natürlich weltoffen. Doch glücklich scheint hier trotz des hohen Anwalts-Salärs und der 600 Dollar-Hemden, niemand zu sein. Die Atmosphäre ist unbehaglich, die Dialoge hektisch, die Bewegungen starr und unnatürlich. Selbst ein Kuss ist eine Luftnummer und wirkt wie eine Ohrfeige – nicht wie eine Liebkosung.

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DIE SHOW im Theater Dortmund

Eva Verena Müller und Peer Oscar Musinowski in DIE SHOW (Foto: Birgit Hupfeld)
Eva Verena Müller und Peer Oscar Musinowski in DIE SHOW (Foto: Birgit Hupfeld)

Die „DIE SHOW“ ist eine perfekte (Fernseh)Show. Dass Intendant Kay Voges und sein Ensemble unterhaltsame Galas auf die Bühne bringen können, haben sie schon bei diversen Gelegenheiten unter Beweis gestellt. Die „DIE SHOW“ ist nun aber eine Inszenierung im Spielplan und will mehr sein als nur ein unterhaltsamer Abend, der garantiert immer ausverkauft ist. Und so unterhaltsam ist es dann auch gar nicht, denn es gibt zahllose Redundanzen, irgendwann drohen die vielen Einspieler zu langweiligen und der eine oder andere Auftritt eines Stargastes ist vielleicht auch zu lang. Zu lang fanden auch einige Zuschauer den Abend. DIE SHOW hat aber genau die richtige Länge, nämlich die von all den Final-Shows, die heute über die Sender flimmern.

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Schauspielhaus Dortmund: Der musikalische Leiter Paul Wallfisch sagt „Good Bye!“

LOGO-small-beast-GIRLfinal-art-1_2 Das Schauspielhaus Dortmund verabschiedet sich von seinem musikalischen Leiter, Paul Wallfisch. Mit einer zweitätigen Gala feierte der New Yorker Künstler gemeinsam mit dem Dortmunder Ensemble und den Zuschauer seinen Abschied. Neben einer Rede von Schauspielchef Kay Voges gab es rote Rosen, viel Wein und jede Menge Musik. Wallfisch wird vielen in bester Erinnerung bleiben. Nicht nur als Theater-Komponist, sondern auch mit dem wunderbaren Musiksalon „Small Beast“, begeisterte er fünf Jahre lang das Dortmunder Publikum.

Kay Voges sah man den Abschiedskummer an. Er hatte den zwischen Europa und USA pendelnden Musiker Paul Wallfisch – „ein Freund“ – 2010 nach Dortmund geholt. Der Gründer der Kult-Band Botanica, die auch schon am Schauspielhaus Dortmund auftrat, bewegt sich musikalisch zwischen Postpunk, Tom Waits-Sound und hintergründigen Rock. Fast perfekt also für ein Schauspiel, dass seit der Ära Voges immer wieder durch innovative Musik-Schauspiel-Stücke, wie Woyzeck, Republik der Wölfe, Der Meister und Margarita, Elektra oder dem preisgekrönten „Einige Nachrichten aus dem All“ (Wolfram Lotz) für überregionale Aufmerksamkeit sorgte.

Mit Wallfisch zog auch das kleine Veranstaltungsformat zwischen Profi-Gig und Jamsession mit dem Namen „small beast“ von New York nach Dortmund – ein gelungener transatlantischer Kulturaustausch! Er schuf damit nicht nur Spielraum für Experimentelles, sondern es gelang ihm auch musikalische Sternstunden mit Szenegrößen zu entfachen. „Dieses kleine Biest ist eingeschlagen wie eine Bombe – musikalisch höchst interessant wie experimentell und auf Weltniveau!“ schrieb Smag begeistert. In der intimen Club-Atmosphäre waren von der New Wave-Queen Lydia Lunch bis zur britischen Newcomerin Gemma Ray im Laufe der Jahre viele spannende Musiker zu Gast – internationaler Glamour für Dortmund.

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The Return of „Das Goldene Zeitalter“ – Wiedersehen macht Freude

The Return of DAS GOLDENE ZEITALTER, Caroline Hanke
The Return of DAS GOLDENE ZEITALTER, Caroline Hanke und Björn Gabriel

Am Freitag feierte „The Return of ‚Das Goldene Zeitalter‘ – 100 neue Wege dem Schicksal das Sorgerecht zu entziehe'“ am Schauspielhaus Dortmund Premiere. Der Abend war ein ebenso fröhliches Theaterspektakel, wie die Originalversion. Die war so schön, das eine Wiederholung ein Gewinn für die Spielzeit 2014/2015 ist. Und eigentlich auch ein Muss – ist doch das Grundmotiv des Stückes, das von Alexander Kerlin und Kay Voges inszeniert wurde, die Wiederholung. Das Publikum freute sich offensichtlich, lachte viel und verliess kaum den Theatersaal, obwohl man sich bei der Vorstellung des Goldenen Zeitalters mit Getränken versorgen kann. Doch wer springt schon mitten in der Fahrt aus einer Achterbahn? Die Zuschauer schienen weder erholungsbedürftig, noch mochten sie beim Sekt- oder Bierholen irgendetwas vom Stück verpassen. 

Zum Beispiel den Erklär-Bär, der wie Balou über die Bühne trottet, bevor er sich als wahrer Massaker-Bär entpuppt – und glücklicherweise (bevor er wieder zum erneuten Leben erwacht) in den Theatergraben fällt. Aber es gibt auch jede Menge anderer Wiedersehen mit „Vertrauten“. Zum Beispiel mit der sehr lieb gewonnen, nimmersatten Raupe, die auf die Hilfe ihres Regisseurs, wahlweise des Publikums hofft und wacker gegen Widrigkeiten des Treppensteigens ankämpft.

Nicht nur die Raupe, auch die zauberhaften Blumen, die direkt Alice’s Wunderland entsprungen sein könnten, zeigen echte kostümbildnerische Kunst. Pia Maria Mackert hat eine wundervolle Welt der Phantasiewesen geschaffen. Zu ihnen gehören neben einem schwarzen Engel und einer Qualle im Tütü auch die beiden Verliebten Adam und Eva, die einfach nur zum kn(a)utschen sind. Bei Adam hilft zwar zum Schluss beim Flirten nur noch mädchenhaftes Rabiatsein – aber Ende gut, Apfel gut.

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Schauspiel Dortmund: Premiere im Internet

DAS GOLDENE ZEITALTERHeute ist Premiere in Dortmund – und auf der ganzen Welt. Das Dortmunder Schauspielhaus wird geliebt und gefürchtet als mediales Theaterlabor. Da ist es nur konsequent, dass nun eine Premiere ausschließlich im Internet stattfindet. „Wenn Gott die Wiederholung nicht gewollt hätte“ heißt der Film von Mario Simon über die Arbeiten am Stück „Das Goldene Zeitalter“. Das Stück, das im Untertitel „100 Wege, dem Schicksal die Show zu stehlen“, basiert vor allem darauf, dass während jeder Aufführung Kay Voges live Regie führte. In seinem Film legt nun Mario Simon offen, wie diese Live-Mechanik tatsächlich funktioniert. Das Erstaunliche daran ist, dass es der Arbeit nichts von seiner Magie nimmt, sondern sie sogar noch erhöht. Selbst, wer bereits eine Aufführung von „Das Goldene Zeitalter“ gesehen hat, wird nach dem Film nicht schlicht sagen: „Aha, so funktioniert das also“. Er wird eher Lust verspüren, eine weitere Aufführung zu sehen, um vielleicht doch noch dem Rätsel dieses Stückes, dass sich mit dem Leben als endlose Wiederholung des Gleichen auseinandersetzt. In diesem Sinne ist „Wenn Gott die Wiederholung nicht gewollt hätte“ auch ein Teaser für die Neuauflage der Produktion, die ab dem 27.2. am Dortmunder Schauspiel unter dem Titel „Das Goldene Zeitalter – 100 neue Wege dem Schicksal das Sorgerecht zu entziehen“ zu sehen ist.

Der Film ist hier zu sehen.

Premiere im Schauspielhaus Dortmund – Häuptling Abendwind und Die Kassierer: Eine Punk-Operette

Häuptling Abendwind und Die Kassierer: Eine Punk-Operette, Foto: Birgit Hupfeld
Häuptling Abendwind und Die Kassierer: Eine Punk-Operette, Foto: Birgit Hupfeld

Gestern feierte am Schauspielhaus Dortmund die Punk-Operette Häuptling Abendwind und Die Kassierer Premiere. Das Stück ist eine Mischung aus Konzert, Schauspiel und Anarchie. „Punk meets Theater“ – geht das denn? Ja es geht. Sogar sehr gut. Für Veganer, Slowfood-Anhänger, Keimlingzüchter und Kostverächter ist die Punk-Operette allerdings nichts. Hier wird der Fleischeslust ebenso gefrönt, wie der Lust auf Fleisch. Wer aber gerne jede Menge Spaß hat, grobschlächtigen und gleichzeitig hintersinnigen Humor schätzt und nach dem Stück in bester Laune die nächste Bratwurstbude ansteuern möchte, sollte sich den Abend nicht entgehen lassen. Regisseur Andreas Beck ruft den Zuschauern ein sehr fröhliches „Hineinspaziert – Willkommen, bienvenue, welcome!“ zu. Diesem Ruf sollte man unbedingt folgen und sich auf die wunderbar sonderbare Welt der Kassierer und der Menschenfresser einlassen.

Der Konzertheaterabend ist nicht nur für diejenigen interessant, die seit 30 Jahren die Pott-Punkband lieben und die Songs „Blumenkohl am Pillemann“ oder „Mach die Titten frei“ textsicher mitsingen können. Die Schilder im Eingangsbereich, dass Alkohol trinken und Essen im Innenraum nicht gestattet sind, konnten dem Publikum nichts von der Begeisterung an der Musik nehmen. Dass der Abend ein voller Erfolg war, lag auch daran, dass die Fans (auch wenn man gemeinsam ein paar Jahrzehnte älter geworden ist) noch immer großen Spaß in den Backen haben, wenn es laut von der Bühne schallt: „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist!“

Doch nicht nur die altbekannten Kassierer-Hits wurden gespielt. Gleich mit acht neuen Liedern trat die Band auf, um die Geschichte zweier Häuptlinge und einer kannibalischen Liebe musikalisch in Szene zu setzen. Ob nun Die Kassierer das Stück begleiten oder das Stück die Klammer für die legendären Kassierersongs bietet, ist nicht eindeutig zu sagen. Und auch einerlei – denn beides zusammen funktioniert hervorragend.

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Schauspiel Dortmund: Hamlet oder Verbotene Liebe als Schicksal

Foto: Edi Szekely
Foto: Edi Szekely

Hamlet, ja, kennt man. So einigermaßen. Irgendein König wird ermordet, die Königin heiratet den Mörder, der Sohn Hamlet sinnt auf Rache, sinnt zu lange  und auch mal mit Totenschädel in der Hand, Ophelia geht ins Wasser und sowieso sind am Ende alle tot. „Und was mache ich jetzt mit diesem Schauermärchen“, mag sich Kay Voges gedacht haben. Er las noch mal genau nach und entdeckte eine Polit- und Familien-Story in einem Überwachungsstaat. Und all das gibt es dann in Dortmund auf der Bühne zu sehen: Big Brother und „Verbotene Liebe“, Edward Snowden und George W. Bush, Internet-Schwarm und Fan-Meute. 

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Voges – Tannhäuser – Lady Gaga

Tannhäuser und der Sängerkrieg auf WartburgGerade durfte der Intendant des Dortmunder Schauspiels noch am Theateroscar „Der Faust“ schnuppern – und ist damit in die Riege der deutschen Topregisseure aufgestiegen – jetzt inszenierte er seine erste Oper. Und dann gleich Richard Wagners „Tannhäuser oder der Sängerkrieg auf Wartburg“. Dass sich der erklärte Punkrock-Fan und gänzlich opernunerfahrene Kay Voges bei seinem Erstversuch in diesem Genre, der am 1.12.2013 Premiere feierte, ausgerechnet in die gefährliche Wagnerianer-Hölle wagt, wo Rezeptions- und Inszenierungsgeschichte dank Bayreuths immer noch eine ganz besondere Rolle spielen, kann man je nach Perspektive als Naivität oder Größenwahn lesen. Die Idee kam allerdings nicht von ihm selbst, sondern vom Dortmunder Opernintendanten Jens-Daniel Herzog, der nach dem Besuch von Voges‘ Inszenierung von „Der Meister und Margarita“ gesagt haben soll: „Wenn du so Wagner inszenierst, dann will ich einen Tannhäuser von dir.“

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