Es ist noch gar nicht so lange her, das wähnten viele Greta Thunberg und die Bewegung ‚Fridays for Future‘ auf dem aufsteigenden Ast. Scheinbar unaufhaltsam wuchs das Interesse an Klimapolitik und einem entschlossenen Eintreten für ein umweltverträgliches Verhalten.
Das Alles ist längst Geschichte. Auch am heutigen Freitag organisiert Fridays for Future zwar wieder Klimaproteste, viele von uns werden das allerdings gar nicht mehr bemerken und auch die Berichterstattung darüber läuft nur noch unter ferner liefen. Der einst so vielbeachtete ‚globale Klimastreik‘, er wird zu einer Randnotiz, wie man das noch vor der Corona-Pandemie nicht für möglich gehalten hätte.
Es sind verstörende Bilder, die heute aus Lützerath zu uns allen kommen. Angebliche Klimaschützer, die vielfach eher an Krawalltouristen erinnern, verteidigen dort ein längst geräumtes Dorf, gegen die anrückende Polizei. Das weckt große Emotionen bei jedem, der diese Szenen zu sehen bekommt. Egal auf welcher Seite man dabei steht.
Für mich, der sich jahrelang in den Reihen der Kritiker des Kohlekraftwerks ‚Datteln 4‘ engagiert hat, sind es heute sehr widersprüchliche Erinnerungen und Gedanken, die das Geschehen im Braunkohlerevier bei mir auslöst.
Zu Beginn der Corona-Pandemie zeigten sich unsere Spitzenpolitiker überraschend durchweg lösungsorientiert und pragmatisch. Alle, oder sagen wir nahezu alle, waren in Anbetracht der zuvor so noch nie miterlebten Bedrohung durch das Virus bemüht gemeinsam an den bestmöglichen Lösungen und Auswegen zu arbeiten. Viele Menschen in diesem Land, darunter auch ich, haben das damals als sehr wohltuend empfunden.
Plötzlich war das kleinkarierte Gezänk, das einem den Spaß an der Politik schon einmal nehmen kann, fast vollständig verschwunden. Mehr Respekt und Anerkennung, auch für den politischen Gegner, waren an der Tagesordnung. Diese ungewohnte Sachlichkeit, das Bemühen um gemeinsame Entscheidungen, schwanden eigentlich erst mit Beginn des Bundestagswahlkampfs im Sommer 2021. Plötzlich wurde sich wieder vermehrt profiliert und abgegrenzt. Dennoch blieb ein gewisses Maß an Sachlichkeit und Respekt auch danach erst einmal erhalten.
Jetzt, noch einmal rund ein Jahr später, ist die Lage aber leider wieder eine völlig andere. Politisch, aber auch was den Umgang der Spitzenpolitiker untereinander betrifft. Spätestens mit Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine im Februar, ist das altbekannte Gezänk, das viele lösungsorientierte Menschen abschreckt, wieder zurück.
Am kommenden Wochenende soll am umstrittenen Kohlekraftwerk ‚Datteln 4‘ eine weitere Demonstration gegen die Inbetriebnahme des Meilers steigen. Unter anderem ruft der BUND aktuell zur Teilnahme am Samstag um 14 Uhr auf. Seit gut zehn Jahren wehren sich Teile der Bürgerschaft im Kreis Recklinghausen und darüber hinaus jetzt schon gegen den weit über eine Milliarde Euro teuren Neubau. Die gewählten Angriffspunkte sind dabei im Laufe der Zeit stets leicht modifiziert worden. Diesmal lautet das Motto der Aktion beim BUND „Datteln 4 stilllegen – Importe von Putins Kohle sofort stoppen“.
Es ist schon eine interessante Wandlung, die sich da in den vergangenen Jahren vollzogen hat. Zunächst war es im Kern der konkrete Standort des Kraftwerks, der zu den Protesten gegen das Vorhaben im Kreis Recklinghausen führte. Als das nicht wirklich zog, wurde zunächst der große Schulterschluss mit Kohlegegnern aus dem Rheinland gesucht. Als der erhoffte Zusammenschluss die Aufmerksamkeit auf Datteln dadurch auch nicht wirklich vergrößerte, legten einige Kritiker der Pläne das Augenmerk auf die ihrer Meinung nach menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in der Kohleförderung in Südamerika (Stichwort ‚Blutkohle‘).
Es folgte der Auftritt der Klimaschützer von ‚Fridays for Future‘, der dann von Corona ausgebremst wurde. Jetzt also der neue Ansatz mit Putin und der Importkohle aus Russland. Krass, wie sich der Protest gegen Datteln 4 über die Jahre gewandelt hat. Versucht wurde viel, was den Widerstand auf der Straße betrifft. Die größten Erfolge verbuchten die Kritiker der Pläne bisher jedoch eindeutig im Gerichtssaal.
Das hätten sich Greta Thunberg und ihre Mitstreiter von Fridays for Future wohl noch vor rund zwei Jahren nicht ansatzweise vorstellen können. Eine Pandemie und ein Krieg in Europa haben die Bemühungen den Kampf gegen die Klimakrise mit aller Entschlossenheit zu führen wohl um Jahre zurückgeworfen, nachdem sich die junge Schweden und die Mitstreiter in ihrem Gefolge bis Anfang 2020 noch auf so einem guten Weg wähnten.
Selbst zur Bundestagswahl im Herbst 2021 fühlten sich Klimaaktivisten noch befugt der neuen Bundesregierung ihre Vorstellungen vom Klimaschutz per Forderung aufzwingen zu dürfen. Und es sah ja auch vielversprechend aus, schließlich waren nicht nur die Grünen ein Bestandteil der neuen Bundesregierung in Berlin, sondern es bekannten sich auch die anderen Partner der Ampel-Koalition zu deutlich mehr Engagement gegen den Klimawandel.
Jetzt, rund ein halbes Jahr später, sieht die Welt plötzlich völlig anders aus. In Anbetracht brennender Städte in der Ukraine und Millionen von Flüchtlingen aus Osteuropa beschäftigt die Mehrheit der Menschen in diesen Breiten wieder anderes. Der Klimaschutz droht für Jahre von den Tagesordnungen der weltweiten Zusammenkünfte wichtiger Entscheider gefegt zu werden, wenn er es nicht sogar schon längst ist.
Unter dem Motto #AlleFürsKlima finden am heutigen Freitag in ganz Deutschland über 470 Protestaktionen für eine andere Klimapolitik statt. Kurz vor der Bundestagswahl wollen Tausende damit noch einmal Druck auf die Politik ausüben, sich in Zukunft stärker für den Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen.
Traditionell spaltet dieses Ansinnen die Bevölkerung in zwei Lager. Die eine Hälfte unterstützt das Anliegen der überwiegend jungen Demonstranten, der andere Teil lehnt es ebenso emotional und entschieden ab.
Dass die Sache seit Jahren so heftig umstritten war und ist, liegt auch an der Tatsache, dass diese unter dem Namen ‚Fridays for Future‘ in Deutschland groß gewordene Protestform einst von der jungen Schweden Greta Thunberg im Jahre 2018 als ‚Schulstreik‘ ins Leben gerufen wurde. Freitags einfach dem Schulunterricht fernzubleiben, sich stattdessen lieber auf einer Demo zu ‚verlustigen‘, das entwickelte sich rasch zu einem Reiz, den viele Bürger ebenso entschieden verurteilten. Obwohl sie inhaltlich vielleicht sogar nahe bei den Demonstranten waren, lehnten sie den praktizierten ‚Schulstreik‘ in dieser Form ab.
Ein Blick auf die für heute geplanten über 400 Veranstaltungen zeigt jedoch überraschendes.
Wer aus dem Ruhrgebiet stammt und Berlin besucht, der wundert sich häufig über die ungewohnt zahlreichen Demonstrationen dort. So erging es mir bei meinen jüngsten Besuchen in der Hauptstadt auch immer. Stößt man hier im Westen der Republik in der City einer Großstadt höchstens mal auf eine Demo, ist das dort völlig anders.
Alleine an diesem Samstag durchquerte ich als durch die Stadt ziehender Besucher mindestens fünf oder sechs sehr unterschiedliche Demonstrationen. Häufig war im Vorbeigehen kaum wirklich wahrzunehmen worum oder wogegen sich das Ansinnen der Versammelten richtete. Wirklich Notiz schien von den Veranstaltungen von der Mehrheit der Passanten in der umtriebigen Atmosphäre rund um das Brandenburger Tor und den Bundestag ohnehin nicht genommen zu werden. Die Touristen bestimmten eindeutig den Trubel, nicht die dort versammelten Demonstranten.
Von den am Samstag in der Berliner Innenstadt durchgeführten Veranstaltungen schaffte es dann meiner Beobachtung nach auch nur eine in die überregionalen Nachrichten. Dabei handelte sich um eine Demonstration von Klima-Aktivisten, die sich auch nur durch ihre völlig unrealistischen, sogar regelrecht ‚frechen‘ Forderungen und Verhaltensweisen in die Medien katapultierte, da einige ihrer Teilnehmer sich offenbar schon seit Tagen im Hungerstreik befinden, teilweise jetzt gesundheitliche Probleme bekommen und ärztlich versorgt werden mussten.
Inzwischen sind es keine vier Wochen mehr bis zur Bundestagswahl 2021. Noch immer wartet man als unentschiedener Wähler darauf, dass im längst laufenden Wahlkampf nennenswerte inhaltliche Debatten beginnen. Seit Wochen und Monaten zeichnet sich dieser in erster Linie dadurch aus, dass die Fehler am Spitzenkandidaten des politischen Gegners herausgearbeitet und vor allem auch in den Sozialen Medien bis zum Erbrechen immer wieder thematisiert werden.
Für viele Beobachter fehlt dadurch eine der Ernsthaftigkeit dieser Wahl angemessene Stimmung im Land. Es geht am 26. September schließlich um viel mehr als die Frage, wer wann wo unangemessen gegrinst oder teilweise vor über zehn Jahren mal ein Zitat nicht sauber verwendet hat. Es geht am Ende doch in erster Linie immer noch darum, wem wir unser Land in Zukunft anvertrauen wollen, wem wir am ehesten zutrauen uns in den kommenden Jahren durch eine komplizierte Zeit zu führen. Hierzu muss über Lösungsansätze und Inhalte diskutiert werden, nicht über kleinkarierte Blicke in die Vergangenheit der Spitzenkandidaten
Dass aktuell mit SPD-Kandidat Olaf Scholz in etlichen Wahlumfragen derjenige in Führung liegt, der nach Meinung der Mehrheit schlicht die wenigsten Angriffsflächen bietet, ohne sich dabei selber inhaltlich sonderlich zu profilieren, ist schlicht ein Armutszeugnis.
Was so ein Jahr doch für einen Unterschied ausmachen kann. Erinnert ihr euch noch an die junge Schwedin Greta Thunberg, die mit ihrer in den Augen vieler extrem nervigen Art im vergangenen Jahr für Schlagzeilen sorgte? Vor gut 12 Monaten diskutierten wir auch hier im Blog der Ruhrbarone noch regelmäßig über ‚Fridays for Future‘ und die Zukunft der damals noch regelmäßig stattfindenden Proteste.
Inzwischen kommen einem die Erinnerungen daran wie aus einer anderen Welt vor. Thunberg und ihre Bewegung gehören rückblickend zu den ganz großen Verlierern der Corona-Pandemie. Dumm gelaufen!
Weiermann und Bartoschek sind wieder da. Der Papst, das Sauerland, der Iran, das letzte Jahr und Wuppertal – nur einige der Themen, die sie in einer Stunde streifen. Hört mal rein.
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