BUND zu ‚Datteln 4‘: „Weiterhin schwere Planungsfehler“

Blick Löringhof 2011. Foto: Robin Patzwaldt
Blick auf das ‚geplante‘ E.On-Kraftwerk ‚Datteln 4‘. Foto: Robin Patzwaldt

Zuletzt konnten Einwände gegen die Neuaufstellung eines Bebauungsplans für das Kohlekraftwerk ‚Datteln 4‘ bei der Stadtverwaltung der Kanalstadt eingereicht werden. Zahlreiche Einzelpersonen und Bürgerinitiativen machten davon Gebrauch.

Wie jetzt bekannt wurde, hat auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) diese Möglichkeit genutzt. Und nicht nur irgendwie. Der BUND reichte eine über 400 Seiten starke Einwendung ein, welche die Planer, bei einem verantwortlichen Umgang damit, erst einmal kräftig ins Grübeln bringen dürfte.

Denn der Umweltverband attestiert den Kraftwerksplanern darin schwere Planungsfehler. Als Konsequenz daraus fordert der BUND den Abbruch des Verfahrens und den Abriss des Kraftwerkstorsos.

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Datteln: Offener Brief des BUND fordert Aus für Eon-Kohlekraftwerk

Datteln IV Foto: Robin "Bibo" Patzwaldt

Am kommenden Montag entscheidet das Ruhrparlament über die Fortsetzung des Regionalplanänderungsverfahrens. Im Moment sieht es so aus, als ob mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und wahrscheinlich auch der Grünen diese Änderungen eine sichere Mehrheit haben.

Entscheidet sich das Ruhrparlament am Montag für diesen Weg, stehen die Chancen gut, dass das umstrittene Kraftwerk Datteln gebaut werden kann. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat sich deshalb mit einem offenen Brief an die Mitglieder des Ruhrparlamentes gewandt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 20. Juni haben Sie eine für die Region, das Land NRW und das Weltklima bedeutende Entscheidung zu treffen: Sind Sie dafür, dass geltendes Recht so geändert werden kann, dass E.On sein gegen gültige Gesetze in Bau gesetztes Klimakiller-Kraftwerk Datteln IV weiterbauen darf?

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Oliver Wittke: Für die Energiewende brauchen wir auch Datteln

In wenigen Tagen endet das Moratorium, das die Bundesregierung nach der Katastrophe in Japan beschlossen hat. Wir haben uns Zeit genommen, nach den schrecklichen Erfahrungen, die die Welt verändert haben, neu darüber nachzudenken, wie wir uns die Energieversorgung in Deutschland in der Zukunft vorstellen und welche Anstrengungen vor allen Dingen nötig sind, um die Energiewende auf einer verlässlichen Basis möglichst zeitnah zu realisieren. Von unserem Gastautor Oliver Wittke.

Die dramatischen Ereignisse in Japan und die schrecklichen Erfahrungen mit dieser Katastrophe erfordern auch und gerade auf Landesebene ein Überdenken bisheriger energiepolitischer Positionen. Es wird auf absehbare Zeit zu einer deutlichen Absenkung der zur Grundlastsicherung notwendigen Kraftwerkskapazitäten kommen. Notwendige Kapazitätspuffer werden dann auf ein Minimum reduziert. Damit die Versorgungssicherheit gewahrt bleibt, drohen vermehrt besonders ineffiziente und klimaschädliche alte

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Rot-Grün legt sich mit der Kohle- und Kraftwerkslobby an

Schlechte Nachrichten für E.on: Die rot-grüne Landesregierung will keine Lex-Datteln. Mehr noch: Alle 36 potentiellen Standorte für Kohlekraftwerke in NRW werden erneut überprüft.

Rot-Grün in NRW legt sich mit der Kraftwerkslobby an. Im Koalitionsvertrag gibt es keine Bestandsgarantie für den E.on-Bau in Datteln:

„Das Oberverwaltungsgericht hat das B-Plan-Verfahren 105 für das E.ON-Kraftwerk Datteln für nichtig erklärt. Eine Revision gegen diese Entscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen worden. Die Landesregierung selbst baut keine neuen Kraftwerke und reißt auch keine begonnenen Projekte ab. Sie wird deshalb den Vertrauensschutz dahingehend gewährleisten, dass Projekte nicht in laufenden Verfahren durch Landesrecht schlechter gestellt werden als zum Zeitpunkt der Antragstellung. Die Landesregierung wird aber auch den Vertrauensschutz für Anliegerinnen und Anlieger nicht verschlechtern und schon deshalb Landesrecht zu Gunsten begonnener Projekte nicht verbiegen.“

Die 36 im Landesentwicklungsplan (LEP)  der schwarz-gelben Koalition festgelegten möglichen Kraftwerksstandorte werden erneut überprüft, der bestehende Teilplan des LEP zurückgenommen.

Der derzeit zur Anhörung gestellte Entwurf eines Teilplans Energie für einen neuen LEP NRW genügt diesen Zielen nicht und wird umgehend nach der Regierungsbildung zurückgenommen. Die bereits hierzu eingereichten Stellungnahmen werden bei der Erarbeitung eines neuen LEP in geeigneter Weise berücksichtigt.

Auch zum Thema Braunkohle geht die Koalition neue Wege: Künftig sollen auch die Betreiber von Braunkohletagebauen voll für die entstandenen Schäden aufkommen. Im Mittelpunkt der Braunkohlepolitik steht die C02 Reduzierung. Das dies das mittelfristige Aus für Braunkohle bedeutet, ist den Koalitionären klar. Sie wollen einen Strukturwandel im Rheinischen-Revier:

Wir streben die Entwicklung eines Programms „Innovationsregion Rheinisches Revier“ an. Da-mit wollen wir das in der Region vorhandene Potenzial an Technologie, Wissenschaft, Industrie-struktur und gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für den Aufbau einer neuen nachhaltigen Wirtschaftsstruktur nutzen.

Und die Steinkohle? Auch sie wird mehr oder weniger begraben:

Dass Ende 2007 in Kraft getretene „Gesetz zur Finanzierung der Beendigung des subventionier-ten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz)“ gilt und wird von den Koalitionspartnern nicht in Frage gestellt. Der Steinkohlenbergbau erhält über die bereits zugesagten Mittel hinaus keine weiteren Mittel aus dem Landeshaushalt. Das Steinkohlefinanzie-rungsgesetz sieht u. a. vor, dass der Deutsche Bundestag im Jahr 2012 unter Beachtung der Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit, der Sicherung der Energieversorgung und der übrigen energiepolitischen Ziele prüft, ob der Steinkohlenbergbau über 2018 weiter gefördert wird. NRW steht zur weiteren Umsetzung dieser Vereinbarung. NRW wird im Rahmen seiner Beteiligungs-rechte darauf drängen, dass bei der in diesem Zusammenhang vorgesehenen Begutachtung die langfristigen regionalwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen verschiedener Zukunftsszenarien in den Blick genommen werden.

Damit erkennt  die SPD an, dass die Steinkohlenförderung in Deutschland keine Zukunft hat. Die Macht der Kohle-Lobbyisten in der SPD, der sogenannten Grubenponys, ist vorbei. Eine historische Zäsur.

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Rot-Grün: Streit um neue Kohlekraftwerke in NRW?

Der Landesentwicklungsplan NRW sieht 36 Standorte für Kraftwerksneubauten vor. Viel Konfliktpotential für die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat eine Stellungnahme zum Landesentwicklungsplan der Landesregierung abgegeben. Für die DUH steht fest: Neue Kohlekraftwerke in NRW sind nicht genehmigungsfähig. Sie widersprächen den Klimazielen Deutschlands. Allein zehn der neuen Kraftwerke würden dazu führen, dass Deutschland seine langfristigen Klimaziele nicht erreichen könne. „Das E.On Kraftwerk Datteln“,  so ein Grünen-Politiker zu den Ruhrbaronen, „darf so wenig fertiggestellt werden wie die anderen geplanten Kraftwerke.“

Die SPD sieht das anders. In einem Gastkommentar auf den Ruhrbaronen forderte Hannelore Kraft den Bau neuer Kohlekraftwerke, um mit modernerer Technik den CO2-Ausstoß zu senken. Sie warb um einen neuen Konsens in der Industriepolitik.

Den muss sie jetzt erst einmal mit ihrem Koalitionspartner herstellen.

Macht die Kohle unser Benzin billig? Leider nein…

Die Benzinpreise in Deutschland steigen. Und im Ruhrgebiet wird die Erinnerung wach. Gab es da nicht mal eine Kohleöl-Anlage? So ein Ding, mit dem man aus den Steinen Sprit machen konnte? Ja, so ein Ding gab es, sagt Christof Beike vom letzten deutschen Kohlekonzern RAG. Jedoch: „Unsere letzte Anlage in Bottrop wurde Ende der neunziger Jahre verschrottet, weil es hieß, das Verfahren lohnt sich erst, wenn der Benzinpreis bei 2,30 liegt.“ Tja, diese Schwelle ist mittlerweile weit überschritten. Lohnt es sich jetzt also wieder Benzinfabriken auf Basis von Anthrazit zu bauen?

Schon im Zweiten Weltkrieg milderten Kohle-Öl-Anlagen die Abhängigkeit von Sprit-Importen. Die Nazis brauchten die Treibstoff-Fabriken um ihre Kriegsmaschine laufen zu lassen. Im Jahr 1944 produzierten fast zwei Dutzend Kohle-Öl-Anlagen über 5 Mio. Tonnen flüssiger Treibstoffe. Erst in den fünfziger Jahren gab die Industrie diese teuerste Form der Benzin-Synthese wieder auf.

Heute könnte die Technik den Zorn der Autofahrer vor hohen Benzinpreisen dämpfen – hoffen die deutschen Kohlefreunde. Sei es mit heimischer Kohle, oder mit Importsteinen.

Doch das Thema steht nicht auf der wirtschaftlichen Agenda der deutschen Industrie. Die einzigen Großanlagen stehen in Südafrika, den USA, der Mongolei und China. In Deutschland sind keine geplant. Der einstige Technologieträger Deutschen Montan-Technologie GmbH (DMT) in Essen hat sich nach Auskunft einer Sprecherin vor Jahren von allen Projekten getrennt. Und Christof Beike beklagt: „Das Know How ist verschwunden. Es gibt hier keinen mehr, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt.“

In anderen Ländern werden die Pläne allerdings weiterverfolgt. In Südafrika lies das Apartheidregime unter dem Druck des Embargos zwischen 1955 und 1983 drei Anlagen bauen. In den USA stehen zwei Fabriken, die im industriellen Maßstab produzieren. Dazu kommt ein Werk in China, das in wenigen Wochen die Produktion aufnehmen soll. In der Mongolei wird eine Anlage zur Produktion von jährlich rund 900.000 Tonnen Benzin, Diesel und Kerosin errichtet.

Der Grund für die Expansion im Ausland ist einfach zu finden: In diesen Ländern gibt es reichlich Kohle zu relativ günstigen Preisen. Gleichzeitig ist die Versorgung über lange Zeiträume gesichert.

Allen voran der südafrikanische Konzern Sasol treibt die Technik voran. Mit dem chinesischen Konzern Shenhua Energy unterzeichnete das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Vertrag zum Bau von zwei weiteren Anlagen im Wert von 5 Mrd. Dollar. Auch in Südafrika plant das Unternehmen neue Anlagen. In Japan treibt das Energieministerium entsprechende Projekte voran.

In Deutschland erlebte die Technik ihren letzten Höhepunkt während des Ölpreisschocks in den Siebziger Jahre. Im Rahmen eines „Programms Energieforschung“ gingen sieben Pilotanlagen zur Kohleveredelung in Betrieb gingen. Ab 1980 wurden zudem 14 großtechnische Anlagen mit einem Gesamtverbrauch von 22 Mio. Tonnen Stein- und Braunkohle pro Jahr geplant. Doch die fallenden Ölpreise machten Mitte der 1980er Jahre diese Planungen zunichte. Die Pilotanlagen wurden nach und nach abgeschaltet. Die letzte stand in Bottrop.

RAG-Fachmann Beike beklagt sich: Seitdem die Bottroper Fabrik verschrottet worden sei, habe niemand mehr auf die Kohle gesetzt, deswegen sei auch die Technologie vernachlässigt worden. Selbst an den Unis werde nicht mehr ernsthaft geforscht. „Wenn der Bergbau verschwindet, verschwindet die Technik und dann das Know How.“

Einer der letzten Technologie-Träger in Deutschland ist die Firma URACA in Bad Urbach. Hier im Herzen der Schwäbischen Alb werden Hochdruckpumpen entwickelt, die Kohlemehl in die Verflüssigungsanlagen pressen können. URACA liefert vor allem nach China. In Deutschland sind nach eigenen Angaben keine Projekte geplant. 

Tatsächlich scheint der Wissens-Verlust tragisch zu sein. Beide heute noch gebräuchlichen Verfahren wurden von deutschen Ingenieuren entwickelt. Bei der so genannten Fischer-Tropsch-Synthese wird mit Hilfe von Wasserdampf aus glühender Kohle ein Gas erzeugt, dass anschließend über Katalysatoren zu flüssigen Kohlenwasserstoffen gerinnt. Auf Basis dieses Verfahrens erzeugt der Sasol Konzern in Südafrika rund 9 Mio Tonnen Ölprodukte, unter anderem Benzin.

Bei dem Bergius-Verfahren wird gemahlene Kohle unter Hochdruck bei Temperaturen von 500 Grad Celsius verflüssigt. Nach diesem Muster arbeiten die neuen Fabriken in China und in der Mongolei. Der Forscher mit dem Namen Bergius bekam für seine Kohle-Öl-Erfindung übrigens damals einen Nobelpreis.

Der Leiter der Abteilung für Kokerei-Technik bei der Deutschen Montan-Technologie, Manfred Kaiser, ist traurig, dass die Kohle-Öl-Fabriken nicht in Deutschland weiter entwickelt werden. „Man hat hier aus dem Kleinen nie das ganz Große gemacht.“ Seine Versuchsanlage in Essen mit einem Ausstoß von 250 Kilogramm Öl am Tag wurde vor vier Jahren demontiert und nach China verkauft.

In Fernost entsteht nun mit Hilfe der DMT-Forschung eine Anlage mit einer Kapazität von 5 Mio. Tonnen Benzin oder wahlweise Kerosin. Die Investitionssumme liegt nach Angaben des chinesischen Konzerns Shenhua bei rund 2,45 Mrd. Euro. Aber wichtiger noch: aufgrund der billigen Kohlepreise in China kann die Anlage selbst bei einem Rohölpreis von knapp 20 Dollar je Barrel noch wirtschaftlich arbeiten.

Eigentlich könnten diese Zahlen in Deutschland eine Euphorie erzeugen. Doch der Regionalchef des südafrikanischen Marktführers Sasol, Hans Ratajczak, dämpft die Erwartungen. „In Deutschland wird sich die Kohleverflüssigung auf lange Zeit nicht rechnen.“ Der Sasol-Chef erklärt, die Kohleschmelzen würden nur in weit entlegenen Gegenden aufgestellt, in deren direkten Umgebung sehr große Mengen billiger, energiearmer Kohle zu finden seien. „Diese Kohle hat oft einen Aschegehalt von 30 Prozent und mehr.“ Es lohne es sich nicht, diese energiearme Kohle zu transportieren. Allerdings kann es am Rand der Welt günstig sein, aus 50 Mio Tonne billig geförderter Kohle rund 10 Mio Tonnen Öl zu machen. „Die Standorte sind immer da, wo die Kohle ist“, sagt Ratajczak.

Es mache wirtschaftlich keinen Sinn, große Mengen Kohle teuer nach Deutschland zu importieren und diese dann in geringe Mengen Benzin umzuwandeln.

Klar? Das heißt nichts anderes als: In Deutschland wird es auf absehbare Zeit keine neuen Kohle-Öl-Anlagen geben. Entweder wird hochwertige Kohle importiert, die verbrannt wird, oder es wird Öl importiert. Der einzige Ausweg wäre, die heimische Kohle wird saubillig. Und kann ohne Subventionen Hektoliterweise Öl fabrizieren. Die Chancen dazu kann sich jeder selbst ausrechnen.