Ruhrgebiets-Tourismus: Unser erstes Mal auf einer Stadtrundfahrt in Duisburg

Überzeugt bei den Fahrten durch extrem umfangreiche Ortskenntnisse und historisches Hintergrundwissen: Udo Scharf; Foto: Peter Ansmann
Überzeugt bei den Fahrten durch extrem umfangreiche Ortskenntnisse und historisches Hintergrundwissen: Udo Scharf; Foto: Peter Ansmann

Stadtrundfahrten konnten mich noch nie wirklich begeistern. Aus dem Bus heraus Gebäude und Denkmäler betrachten – ich finde das immer etwas langweilig und bevorzuge Erkundungen zu Fuß. Auch bei Städtetouren. Meine Messlatte für die Bewertung von Stadtrundfahrten liegt deshalb nicht unbedingt hoch:

Die schlimmste Tour ever erlebte ich 1986 bei einer Sightseeing-Tour durch Belgrad: Es gab, wenn ich mich richtig erinnere, eine Kneipe zu sehen (mit dem Namen „?“), einen Fernsehturm, eine kaputte Burg, den Teil einer kaputten Stadtmauer und einen – in meinen Augen – ziemlich hässlichen Wohnkomplex mit dem passenden Namen Drei Witwen, den ich beim Anblick der Gebäude darauf zurückführte, dass die drei verantwortlichen Architekten vermutlich wegen ihres Schaffens standrechtlich erschossen wurden und mit der Namensgebung den Witwen der Bauherren ein Denkmal gesetzt werden sollte. Das ist aber nur eine persönliche Vermutung.

Wäre ich ein böser Mensch, hätte ich – aufgrund dieser Erfahrung – die Bombardierung Belgrads durch die NATO 1999 als absoluten städtebaulichen Glücksfall für die Stadt betrachtet. Kurz gesagt: Die zwei- bis dreistündige Tour durch die damalige jugoslawische Hauptstadt war, zumindest für mich, eine einzige Tortur. Wäre es mir, damals im Jahre 1986, erlaubt gewesen schon Alkohol zu konsumieren: Der Bord-Vorrat an Gin-Tonic wäre an diesem Tag durch mich eliminiert worden.

Als letzte Woche mein Handy klingelte und Joachim Schneider, der Vorsitzende des örtlichen Sportvereins DJK Wanheimerort, mich fragte ob ich Interesse an einer Stadtrundfahrt am letzten Freitag hätte, sagte ich spontan zu: Viel zu tun hatte ich an diesem Tag nicht und schlimmer als die oben erwähnte Tour könnte so eine Fahrt kaum sein.

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Krupp von der Wiege bis zur Bahre

Alfred Krupp überblickt die Kettwiger Straße. (Bild: Sebastian Weiermann)

Bei ThyssenKrupp rumort es derzeit gewaltig. Konzern- und Aufsichtsratschef sind innerhalb kürzester Zeit zurückgetreten. Die Politik appelliert an die soziale Verantwortung des Unternehmens. Ein guter Grund, um einmal nach Essen zu blicken, die Stadt, wo für Krupp vor mehr als 200 Jahren alles angefangen hat, und in der der Konzern bleibende Spuren hinterlassen hat.

Wer sich mit der Firma und der Familie Krupp auseinandersetzen will, der fängt am besten im Essener Süden an. Hier, mit einem traumhaften Blick auf das Tal der Ruhr und den Baldeneysee, liegt die Villa Hügel. Sie ist das Symbol des Kruppschen Selbstverständnisses. „Der Hügel“, wie das Areal von vielen Essenern noch heute ehrfürchtig genannt wird, ist am besten über seine eigene Bahnstation zu erreichen. 1890 ließ Friedrich Alfred Krupp die Bahnstation errichten, damit Gäste der Familie keine zu weite Anreise hatten. Über einen eigenen Eingang konnten die Gäste der Krupps vom Bahnsteig direkt in den Park der Villa gelangen. Aber auch die normale Essener Bevölkerung profitierte vom Bahnhofsbau der Industriellenfamilie. Für sie verkürzte sich der Anfahrtsweg an die Ruhr und den später aufgestauten See. Ein Erholungsparadies für die Menschen aus dem Essener Norden, der über Jahrzehnte von Zechen und Fabriken geprägt war. Krupp, das gehörte zur Firmentradition, war immer darauf bedacht, für die eigenen Arbeiter Annehmlichkeiten bereitzustellen, von denen bis heute viele Essener Bürger profitieren. Der Bahnhof an der Familienvilla ist in diesem Kontext nur ein winziges Detail.

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Auf Kurzarbeit

Duisburg. Bruckhausen. Vorbei am "Schwarzen Diamant". Steht wohl leer. Hier ist Abrissgebiet, Brachland, hinten stehen Hochöfen verziert mit Ringelsöckchen. Dann Werkstore, links. Rechts: Dunkles Glas, das Verwaltungsgebäude von ThyssenKruppSteel macht sich schmal zur Straße, verschalt mit angelaufenen Stahlplatten. Oder Kupfer? Auf der gefrorenen Grünfläche eine dunkelrostige Bramme. Ein gepflasterter Weg führt zu ihr wie zu einem Ehrenmal.

Foto:ruhrbarone.de

Besucherparkplätze in Terrassen, Ebenen, Levels. Auf einer grauen Leitplanke sind Namensschilder angebracht. Fischedick, Schultkamp, Wiefel – Namen halt. Dazu das Auto, kleine Fahrzeuge, Ford, Peugeot. Und doch: Herr Fischedick wird sich jeden Morgen um 7:30 Uhr aufgehoben fühlen: Für mich wurde reserviert. Schlanke Männer in gedeckten Anzügen huschen ins Kasino. Ins Kasino? Die Frauen im Foyer, im Kostüm halten sich Klemmbretter vor die Brust. Warmes, weiches Licht hinter einem Blockrahmen im 1970er Braun.

Auf der Kaiser-Wilhelm-Straße kaum ein Auto. Über der Mauer öffnet sich ein Spalt breit Werk. Es knirscht, zischt, poltert, rumpelt. Keine Menschenseele, Waggons. Im Betriebsratgebäude am Tor 1 ist es warm. Männer begrüßen sich, stupsen sich in ihre Bäuche. Vertrauensköper. Erste Etage, rauchen, eine russische Schachtel liegt im Mülleimer. Ein Steinbock gezeichnet wie das Kamel, die gleiche Cremefarbe, Importware.

In der Vertrauenskörperleitung. Bürostühle um vier große Schreibtischplatten. Ein Telefon im Teleskopschwenkarm. Kaffeemaschine, Küchenpapier. Klarsichtbeutel mit Buttons, 67 steht auf rotem Grund. Verschränkte Arme der Kollegen: ich sach mal, Kurzarbeit. Maximal fünf Tage im Monat, dazu zwei Urlaubstage – mehr als sieben Schichten ist nicht erlaubt. Das regele eine Betriebsvereinbarung. Das haben sie erkämpft. Finde ich gut – nur was bringt das, wie lange hält das, wenn die Krise da ist. 90 Prozent nehmen die Arbeiter mit nach Hause, nicht einmal zehn Prozent wird eingespart. Wie lange wollen die sich das leisten, wenn kaum verkauft wird. 14.000 Mitarbeiter in Duisburg, brennende Hochöfen. In Beekerwerth auf Halde, da stapele sich das Material, da krisse Tränen inne Augen, sagt der VK-Leiter.
Und hat der Konzernchef nicht auch gesagt: so, die letzte Stahlkrise hat fünf Jahre gedauert, mal sehen wie lange es diesmal geht? Krise. Und? Haben sie Zahlen vorgelegt fürs laufende Jahr? Nö.

Die Gewerkschaft wisse natürlich was los ist. Schlimm ist es. Da drüben hinter dem Grünspan, im Kasino und den dunklen Anzügen, die schlanken Herren und Damen, die wollen nicht raus damit. Die trauten sich nicht. Stattdessen: Kostensenkungsprogramme. Aber das machen alle, ich hab so ein Bauchgefühl, sagt der Betriebsrat – ein ungutes. Ob die den Tarifvertrag einhalten? Was die Tarifrunde im März bringt? Es wird spannend.  Bis Ende März, ist mal sicher, werde hier kurzgetreten, kurzgearbeitet. Fünf Schichten im Monat – das regelt die Betriebsvereinbarung in Duisburg-Bruckhausen an der Kaiser-Wilhelmstraße.

Doch noch was: Wenn das Werk in Brasilien schon Brammen liefern würde, sagen sie, dann gute Nacht Marie. Oder mal so gesagt: "In weiser Vorausicht hat unser Management die Verzögerung der Bauarbeiten in Südamerika billigend in Kauf genommen."