Menschen in Not zu helfen ist ja grundsätzlich immer eine noble Sache. Natürlich sollte jedermann sozial schwächere und ärmere Zeitgenossen nach Kräften unterstützen. Elend und Armut gibt es wahrlich genug auf der Welt. Und natürlich inzwischen auch zahlreiche Organisationen, die dafür in der Öffentlichkeit um Unterstützung bitten. Häufig fällt die Auswahl schwer, welches Projekt man als Privatmann unterstützen kann und möchte. Überall kann man eben auch nicht helfen.
Seit einigen Monaten stolpere ich in diesem Zusammenhang regelmäßig über die TV-Spots der ‚UNO-Flüchtlingshilfe‘. Die UNO-Flüchtlingshilfe e.V. ist lt. Wikipedia ein deutscher Verein mit Sitz in Bonn und der deutsche Spendenpartner von UNHCR − dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen.
Seit 1980 engagiert sich die UNO-Flüchtlingshilfe als gemeinnütziger Förderverein für bedürftige Flüchtlinge in vielen Ländern der Welt. Traditionell übernimmt der Bundestagspräsident die Schirmherrschaft für den Verein. Aktuell ist das Norbert Lammert.
Eine durchaus ehrenhafte Organisation also, die hier um Unterstützung der TV-Konsumenten wirbt.
Trotzdem stolpere ich regelmäßig über die im Fernsehen verbreiteten Werbespots des Vereins. In leicht unterschiedlichen Varianten produziert, enthält nämlich jeder eine Formulierung ‚Diese Menschen bzw. diese Familien haben nichts falsch gemacht…‘. An dieser Stelle merke ich dann immer kurz auf.
Ruhrgebiet? Ruhrbezirk? Darüber wird nicht mehr geredet. Das Thema scheint sich erledigt zu haben. Wir sprachen mit Bundestagspräsident Norbert Lammert, der als Chef der CDU-Ruhr einst das Thema geprägt hat.
Ruhrbarone: Die noch amtierende Landesregierung hat sich vor der Wahl von der Verwaltungsreform verabschiedet. Von einem eigenen Bezirk für das Ruhrgebiet war keine Rede mehr. War das Abrücken der Union vom Ruhrgebiet ein Grund für die Wahlniederlage?
Norbert Lammert: Für das Wahlverhalten gibt es immer mehrere Gründe. Ein Thema allein ist nie ausschlaggebend, und das war auch bei der vergangenen Landtagswahl so. Aber der zögerliche Umgang mit dem Thema Verwaltungsreform war ein Fehler. CDU und FDP haben in der vergangenen Legislaturperiode als erste nach Jahrzehnten dem Ruhrgebiet wieder mehr Selbstbestimmung gegeben. Die Planungshoheit liegt wieder beim Regionalverband Ruhr. Aber ich habe immer gesagt, dass es falsch war, eine grundlegende Verwaltungsreform in der Koalitionsvereinbarung anzukündigen und zugleich weit in die Zukunft zu legen. Das hat die Widerstände gegen die Reform erhöht. Auf diese Widerstände hat dann die Koalition Rücksicht genommen, was ihr erkennbar nichts genutzt hat, aber dem Ruhrgebiet schadete.
Hat sich das Zeitfenster, das seit 1999 für eine Verwaltungsstrukturreform bestand, geschlossen?
Damals, 1999, gab es für eine Verwaltungsstrukturreform keine Mehrheit im Landtag – und als es sie gab, wurde von ihr nicht kraftvoll genug Gebrauch gemacht.
Von einem eigenen Bezirk für das Ruhrgebiet, eine große Verwaltungsstrukturreform, fand man in keinem Parteiprogramm mehr etwas. Alle sind unverbindlich für mehr Zusammenarbeit. Konkret wurden nur die Grünen, die eine Direktwahl des Ruhrparlaments forderten.
Die Direktwahl des Ruhrparlaments ist nur sinnvoll, wenn es mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet ist. Ein Parlament direkt zu wählen, das kaum etwas zu sagen hat, ist eine Mogelpackung. Aber für jede Koalition in NRW, schon gar eine mögliche Große Koalition, wird eine Verwaltungsstrukturreform zu den offenen Fragen gehören, denen sich die künftige Landesregierung stellen muss. Die SPD hat sich in der Ruhrgebietsfrage bewegt: Früher war sie gegen jede Veränderung, heute ist sie deutlich offener. Ich bin da, was die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten für das Ruhrgebiet betrifft, nicht so pessimistisch. Dass sich etwas im Ruhrgebiet verändern muss, ist doch in der Region selbst nicht mehr strittig. Eine große Koalition könnte etwas bewegen. Ob sie das tun wird, weiß ich nicht.
War es ein Fehler, dass Sie nicht mehr als CDU-Ruhr-Vorsitzender zur Verfügung standen? Mit ihrem Weggang hat das Thema innerhalb der Union an Bedeutung verloren. Ihr Nachfolger Oliver Wittke konnte Sie offensichtlich nicht adäquat ersetzen.
Niemand ist unersetzlich, ich selbstverständlich auch nicht. Ich war außergewöhnlich lange Vorsitzender der CDU-Ruhr. Als Bundestagspräsident konnte ich in der Region nicht mehr so präsent sein, wie es als Bezirksvorsitzender nötig ist. Und ich hatte kein Landtagsmandat.
Das hat Oliver Wittke auch nicht mehr.
Das stimmt leider, war zum Zeitpunkt seiner Wahl zum Bezirksvorsitzenden allerdings anders.
Während es aus Westfalen massiven Widerstand gegen eine Verwaltungsreform gab, kam aus dem Ruhrgebiet, das ja am meisten profitiert hätte, kaum Unterstützung.
Die Region hat das gemeinsame Klagen gelernt und ist immer schnell dabei, gemeinsam finanzielle Zuwendungen von Land und Bund zu fordern. Das gemeinsame Handeln ist indes noch immer unterentwickelt. Im Zweifel ist der Lokalpatriotismus immer noch größer als der Wille zum gemeinsamen Erfolg. Das sieht man auch bei der Kulturhauptstadt, die nachhaltige Wirkung über das Jahr 2010 hinaus nur haben wird, wenn es auch ein dauerhaftes gemeinsames Engagement gibt. Die 15 Städte und Kreise können sich bislang nicht einmal darauf einigen, jährlich zusammen 1,3 Millionen Euro pro Jahr für eine gemeinsame Kulturarbeit aufzubringen. Mit welcher Legitimation will das Ruhrgebiet etwas von anderen einfordern, wenn es sich nicht einmal auf gemeinsame Projekte einigen kann?
Heute ist die Nokia Demo. Die Beschäftigten kämpfen um ihre Arbeit, um ihr Werk, um ihre Stadt, um ihre Zukunft.
Alle kommen. Alle. Nur Norbert Lammert nicht.
"Das sieht schlecht aus", heißt es aus dem Umfeld von Norbert Lammert, dem CDU-Bundestagsabgeordneten aus Bochum. Und das ist richtig, es sieht schlecht aus. Offizieller Grund: "unaufschiebbare Verpflichtungen in Berlin" Schlechter kann es eigentlich gar nicht aussehen, wenn die Menschen im eigenen Wahlkreis zur Solidarität aufrufen. Eine Steilvorlage für den politischen Gegner.
Aber: Norbert Lammert hat tatsächlich "unaufschiebbare Verpflichtungen". Denn Lammert ist nicht nur Bochums Delegierter im Parlament. Er ist auch Chef vom Ganzen. Als Bundestagspräsident muss er heute um 12:30 den irischen Parlamentspräsidenten John O’Donoghue empfangen. Was soll er dem sagen? "Sorry, Mann, ich muss nach Bochum, unaufschiebbare Verpflichtungen im Wahlkreis. Kommt doch morgen. Oder heute Abend, oder gar nicht?"
Der Termin mit O’Donoghue stand früher fest als die Werksschließung durch Nokias Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo. (Warum haben die eigentlich alle so seltsame Namen?)
Tatsächlich war aus Lammerts Umfeld zu erfahren, dass der CDU-Mann versucht hat, seinen irischen Kollegen zu überreden, doch einfach mit nach Bochum zu kommen. Man kann ja beim Demonstrieren plaudern. Wollte O’Donoghue aber nicht. Tja, so muss Lammert also in Berlin bleiben.
Seine Botschaft an die Nokianer lautet:
Der Belegschaft und dem Betriebsrat von Nokia in Bochum, die sich für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze sowohl in der Produktion als auch in der Forschung und Entwicklung einsetzen, sowie den Zulieferfirmen und den betroffenen Leiharbeitnehmern sage ich auch auf diesem Wege noch einmal meine Hilfe zu.
Das Unternehmen steht nicht nur gegenüber den eigenen Aktionären in der Verantwortung, sondern auch gegenüber dem Land und der Region, die durch das Zahlen von gewaltigen Subventionen und durch die Bereitstellung öffentlich finanzierter Infrastrukturmaßnahmen die gute Entwicklung von NOKIA mit ermöglicht haben.
Das Ruhrgebiet hat hinreichende Erfahrungen mit einem tief greifenden Strukturwandel und dem Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen in nicht mehr wettbewerbsfähigen Produktionszweigen. Umso weniger können und dürfen wir hinnehmen, dass mit hohem Einsatz öffentlicher Mittel angesiedelte High-Tech-Unternehmen ohne zwingenden Grund allein zur Maximierung von Gewinnerwartungen wie ein Wanderzirkus durch Europa ziehen. Auch das Europa-Parlament und die EU-Kommission sind inzwischen mit dem Vorgang befasst.
Gerne beteilige ich mich an allen Bemühungen, die getroffene Entscheidung der Konzernführung zu korrigieren und unterstütze die entsprechenden Anstrengungen von Stadt, Land und Bund.
Das sagte Lammert. OK. Mit anderen Worten: Wenn der Ire seinen Kaffee leergetrunken hat, geht es weiter. Lammert schubst in den Kulissen.
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