Nach heftiger Kritik daran, dass Facebooknutzer fast ungehindert Hass und rechtsextremes Gedankengut verbreiten können, schickte das Unternehmen gestern Sheryl Sandberg nach Berlin, um die Wogen zu glätten. Sie verkündete, die Gründung der „Initiative für Zivilcourage Online“ die gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet, dem International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR) sowie dem Institute for Strategic Dialogue (ISD) gegen die Hetze im Netz eingesetzt werden soll. Die Initiative setzte neben der finanziellen Unterstützung vor allem auf das Prinzip „Counter Speech“. Dahinter steckt das Konzept, mit einer Gegenrede, die mit Rationalität, einer klaren Meinung und guten sachlichen Argumenten vorgetragen wird, gegen rassistische Hetze anzutreten. Eine schöne Idee, aber ist sie umsetzbar? Angesichts der Menge und der Heftigkeit hetzerischer, antisemitischer, rechtsextremistischer und menschenverachtender Hasskommentare – wohl kaum.
Mit fast 1 Million sollen NGOs unterstützt werden, die sich gegen Hass-Botschaften im Netz stark machen. „Das beste Mittel gegen schlechte Ideen sind gute Ideen. Das beste Mittel gegen Hass ist Toleranz. Counterspeech ist unglaublich stark – und es braucht Zeit, Energie und Zivilcourage.“ heisst es in der Erklärung der Initiative für Zivilcourage Online. Doch wie soll bei der Fülle an hetzerischen Posts Aufrufen zu Gewalt und Totschlag, antisemitischen oder einfach nur dumpf-hasserfüllten Kommentaren diese Idee konkret umgesetzt werden?
Seit den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln breitet sich auch auf Facebook eine breite Welle der Empörung aus. Getragen wird sie nicht nur von echtem Mitgefühl und Solidarität gegenüber den angegriffenen Frauen, sondern es entlädt sich auch jede Menge Hass in den Sozialen Medien. Die selbst ernannten Sylvester-Feministen schlagen als Umgang mit der Antifa vor: „Mit einer Eisenstange vergewaltigen mindestens 10 cm dick.“ Manuela N. findet, dass Claudia Roth „…ihre verfickte fresse halten die is ja noch schlimmer wie die merkel sol ihre Blackies vögeln“ soll. Und der Frauenversteher Martin Sch. springt ihr zur Seite: „Roth und merkel müssen auch nix fürchten! So ein dreckvieh gegrabscht keiner ! Will mal wissen wer da freiwillig drangeht. Kotz würg!“
Deutsche – an die Waffen!
Der Ton hat sich aber vor allem gegenüber den Flüchtlingen verschärft. Die Straftaten von Köln werden genutzt, um gegen Flüchtlinge zu hetzen und seinen Gewaltfantasien freien Lauf zu lassen. Nicht wenige Kommentare riechen unangenehm nach Selbstjustiz, andere rufen offen zur Bewaffnung auf. Und auch wenn sich die Administratoren der Facebookgruppen der zahlreichen aus dem Boden geschossenen Bürgerwehren zum Teil bemühen, strafrechtlich relevante Kommentare nicht zuzulassen, toben sich die Akteure der Bürgerwehren dann auf verlinkten Privatseiten aus. Der Zugang ist öffentlich, die Kommentatoren schreiben mit ihrem echten Namen. Rechtsbewusstsein? Nicht vorhanden.