Post macht Wahlwerbung

Gerade die neuste Ausgabe von EINKAUFAKTUELL im Hausflur aufgelesen. Die Deutsche Post AG hat Titel und Seite 3 ihres  Werbeträgers an die CDU verkauft. Statt Maria Furtwängler oder Florian Silbereisen ist heute ein Wahlkampffoto von Angela Merkel zu sehen, ein Interview mit der Bundeskanzlerin wird angekündigt und ein CDU-Slogan steht auch noch auf dem Deckblatt: "Wer Merkel will, muss CDU wählen. Mit beiden Stimmen CDU". Ein Fall von dreistester Vermischung von "Redaktion" und Werbung. Das ehemalige Staatsunternehmen macht Werbung für Merkels CDU.

foto: ruhrbarone

Zwar steht zweimal "Anzeige auf der Seite  – unterm Datum und überm Slogan. Und auch über dem Interview mit Merkel im Heftinneren liest man "Anzeige". Doch "Einkaufaktuell" stellt die superkritischen Fragen ("Einkaufaktuell: Wie können wir wieder an die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zwischen 2005 und 2008 anknüpfen? – Merkel: Ja wir haben da einiges geschafft."). Ich finde Deutsche Post und CDU haben den Bogen eindeutig überspannt.

Die Prospektsammlung ist ohnehin der letzte Mist. In Plastikfolie muss man die einzeln auspacken, um sie ins Altpapier werfen zu können. Die Briefträger keuchen sich auch einen ab. Die Post hat zudem mit ihrem unter den Monopolbedingungen eines Staatsunternehmen aufgebauten Vertriebsnetz den Zeitungsverlegern das Anzeigengeschäft verknappt, weil die sich ihrerseits an einer Konkurrenz zur Briefauslieferung versuchen. Die Post droht deshalb immer wieder damit, eine Gratiszeitung herauszugeben. Weil die einst staatsmonopolistische Post nicht akzeptiert, dass sie Mitbewerber hat, entstand der samstägliche Fernsehprogramm-Köder, der jetzt Werbung für die Kanzlerin macht. Was schon erstaunt: Es war Merkel – nicht die SPD – die das Briefmonopol zum 1.1.2008 gekippt hat, klick.

Die Abwesenheit von CDU

Die Erstwählerin will Merkel wählen, weil sie eine Frau ist. "Wir wählen unsere Kanzlerin", es wird gepflastert. Alleen aus Wörtern und Breitwandlächlern. Bilder machen, das kann sie, sagen die anderen, die, als sie selbst Bilder machen konnten, auch nichts anderes taten. Heute ist es Adenauers Deutschland. 60 Jahre Kanzlerschaft. Mit Leichenmiene und Kranz vorm Kappelchen, mit Enkel auf Stufen vom Bergland ins Stromland, mit dem Rheingold durch Deutschland, sieben Kundgebungen. Nur noch zwei Wochen.

Illu: ruhrbarone

"Keine Experimente", sagt die Kanzlerin wie der Alte von Rhöndorf. Hat ein Bild von ihm und Kokoschka im Büro hängen, schnoddert Besucher schon einmal an "aba nicht berührn!", die Hände an sich haltend. Im Rheingold sei ja schon Adenauer durch die Lande gefahren, deshalb dieser Zug, mit dem habe schon der Bocciaspieler das Land bereist, Wahlkampf gemacht, später Ludwig Erhard, Kiesinger. Von Adenauer heißt es aber auch, er habe spätestens in Minden/Westfalen die Vorhänge zugezogen, um die westasiatische Steppe nicht ertragen zu müssen, der Westbinder, Rheinländer, Separatist, Antideutsche. Was er von Merkel…? Eher wenig.

Aber Wahlen werden immer noch in der alten BRD gewonnen, im Rheingold, in Bonn, Koblenz, Mainz, Frankfurt, dunkles schweres Holz, Panaromablicke, Kuchenservice, Lastkähne, Loreley, ganz schön weit weg von Merkels versteppter Heimat. Aber sie kann das, wenn irgend etwas dann Wende.

Besser als das Fernsehduell am Sonntag. Das Problem waren nicht die Vier von der Talkstelle, nicht Kollege Mitkoalitionär, sondern die Abwesenheit der CDU. Steuersenkungen, wenn sie so fragen, nur halb so schlimm. Atom? Überbrückungstechnik, nichts weiter. Mindestlohn, ham wir schon. Undsoweitersoweitersoweiter.

Die SPD, Steinmeier, sie kämpfen gegen die Familie Igel, Forderungen aus Pudding, postmoderne Zitateausgräber, Fähnchenschwinger, Wackeldackel. Bildermacher – das macht keinen Spaß und wenig Sinn. Deutschland im Herbst, diesmal sind es Amtswahlen, amtliches Fernsehen, Amtierende in Rheingold, dann steigt der Verteidigungsminister hinzu, schaut hinaus ins Flusstal auf Sandbänke.             

SPD geht ab: „Tittenwahlkampf“

Seit gestern mittag mäht sich dieser Videoclip für Steinmeier und "die Kanzlerschaft" durchs Netz. Atzen-Elektro-Proll-Beats für die Roten und gegen Merkel. Im Text wird der Kanzlerin mal eben "Tittenwahlkampf" vorgeworfen: "Angela Merkel zeigt ihre Brüste und das im Namen des Volkes. Das ist Tittenwahlkampf". Für mich böser, schlichter, aber gut gemachter Scheiss – steht auch woanders schon klick, klack. Nur wer hat es eigentlich erfunden?

Eine gewisse "Susisonnenberg" hat das Teil auf Youtube hoch geladen, ihr allererster Film bei Youtube, wäre also ein beachtenswertes  Video für eine Anfängerin. Carta und Co. glauben deshalb an DIY-Zeug aus dem Hobbyschnittraum, Marke Eigenbau, wie der unfassbar naive JU-Spot. Aber das ist Blödsinn.

Die beiden ersten Hinweise, Fundspuren auf das Teil bei Twitter stammen sicher nicht zufällig von Sebastian Reichel und Mathias Richel von der Agentur Butter und gerade im Online-Wahlkampfeinsatz für die SPD; siehe Nordkurve. Das wird kein Zufall sein.

                 

Und jetzt alle: "SPD: Merkel betreibt Tittenwahlkampf!"

Vielleicht geht es jetzt wirklich endlich mal ab mit Wahlkampf, Kanzlerschaft und überhaupt.

Erstes Fernsehduell auf dem Mond

Draußen Holland im Regen. Da ist es gut, drinnen mit der FAZ zu sein. Auf einer ganzen Zeitungsseite erzählen heute "elf Zeitzeugen", wie sie die Mondlandung vor 40 Jahren am Fernseher verfolgt haben. Darunter die Kanzlerin, der Kandidat, Claudia Roth und Gregor Gysi. Überraschung für die gebeutelte SPD: Diese erste Elefantenrunde vor der Bundestagswahl konnte Frank-Walter Steinmeier klar für sich entscheiden.

Die Grüne Claudia Roth stieg 1969 mit Decken, Hund und Familie in den Partykeller hinab, zu der Zeit  "Fernsehraum" der Familie. Die Roths gingen zum Fernsehen also in den Keller, irgendwie traurig. Die Gysis hatten als Fernseher erstaunlicherweise schon 1969 eine "alte Krücke", so schaute er bei seiner Schwester wie "der Vorsprung der Sowjetunion" eingeholt wurde. Ganz ostdeutsch erinnert sich auch Merkel. "Sie ist Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende" steht unter ihrem Beitrag und von sich schreibt sie nur in der dritten Person: "Angela Merkel hat gerade ihren 15. Geburtstag gefeiert, als erstmals ein Mensch den Mond betrat." Wäre auch ein schöner Einstieg für ihre Autobiografie!

Gruselig geht es weiter: "früh aufgestanden war sie, draußen herrschte noch stockfinstere Nacht. Auf dem Pfarrhof der Eltern in Templin flimmerte ein Fernsehgerät." Doch dann kommt die Mondlandung, "die Bundeskanzlerin weiß noch, wie das Gefühl in ihr brannte, eine einmalige historische Stunde live miterleben zu dürfen". Die "Bundeskanzlerin" "live", und das in der DDR, anno 1969. Respekt! Respektabel findet "sie, die Physikerin," die ganze Mondmission – einfach "großartig, besonders in technischer Hinsicht!" Ein Kompliment, das sich die Kanzlerin auch für ihren Beitrag verdient hat, "besonders in technischer Hinsicht!" Doch ihr Herausforderer macht dann doch das Rennen.

"Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat" – die Autobiografie ist gerade erschienen – da fließt dem Kandidaten die Mondgeschichte leicht aus der Feder: "Ich denke gern zurück an den 21. Juli 1969", schreibt er, sie hätten die Mondlandung mitten in der Nacht "live" verfolgt: "ich, damals, 13, mein siebenjähriger Bruder gebannt vorm Fernseher, daneben unsere Eltern". Das war aber keine reine Idylle, denn die Steinmeiers waren arm, "einen eigenen Fernseher hatte sich die Familie (also ich, mein siebenjähriger Bruder, daneben die Eltern) vielleicht ein oder zwei Jahre vorher gekauft".

Nachts vorm Fernseher, das gab es übrigens auch ein Jahr später wieder, fällt dem Mann aus Lippe ein und geschickt spielt er die Fußballkarte. Auch zur Fußball-WM 1970, Mexiko, "das spannende – und traurige – Halbfinale zwischen Deutschland und Italien", habe man zusammen vor der Glotze gehockt. Aber zurück zur Mondlandung, "hatte eine fast mythische Bedeutung" auf den jungen Steinmeier, zumindest eine pathetische: "Das technisch Machbare kam dem nahe, was wir uns in der Phantasie ausmalten. Und es entfernte sich immer mehr vom Fassbaren." Unfassbar ist wie Frank-Walter S. dann die Wahlkampfkurve kriegt – fast sieht man, wie er beim Schreiben die weißen Hemdärmel aufrollt und jedes seiner Worte heiser mitröhrt.  

Denn die Apollo-Mission habe in die "Aufbruchstimmung dieser Jahre" gepass. Zack. "Die Umwälzungen, die mit dem Schlagwort 1968 verbunden sind, waren auch in der ostwestfälischen Provinz nicht mehr zu übersehen." Zack. Eine Mondmission sei zwar heute zwar nicht mehr "vordringlich", aber mit dem gleichen  "Erfindungsgeist und Optimismus" könne man die globale Energiekrise lösen und dafür sorgen, "dass niemand mehr Hunger leiden muss". Zack. 1969 sei übrigens ein gutes Jahr für die Sozialdemokratie gewesen, Willy Brandt wurde später Bundeskanzler. Zack.

Ginge es nur nach Monderinnerungen, Steinmeier könnte im Herbst tatsächlich in Brandts Fußstapfen treten – in wenigen Sätzen alles gesagt: Armut, Ostwestfalen, großer Bruder, Fußball, 1968, Willy-Wählen. Nur einer der elf FAZ-Zeitzeugen ist noch gewiefter in eigener Sache: "Das Ereignis hat mich weitgehend unberührt gelassen", schreibt er, "damals bekam ich das Angebot meine erste Expedition zum Nanga Parbat zu machen" – und es ist natürlich Reinhold Messner. 

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CDU: Wir haben die Kraft

Große Verwirrung in Berlin: Gerade stellt Bundeskanzlerin Angela Merkel das Regierungsprogramm (pdf) der Unionsparteien vor. Mit einem höchst seltsamen Motto: "Wir haben die Kraft". Wir fragen uns: Was will die CDU ausgerechnet mit der SPD-Landesvorsitzenden? Haben sie sie entführt, ist Kraft übergetreten? Was wird jetzt aus Angela Merkel? Und, natürlich: Was werden Hannelore Krafts Anwälte nun wieder dagegen unternehmen?

Bild: phoenix/ ruhrbarone