Seit Monaten wurde darüber spekuliert, nun ist es offiziell: Borussia Dortmund hat den bis Juni 2025 laufenden Vertrag mit Sportdirektor Sebastian Kehl vorzeitig um zwei Jahre verlängert. Der nicht unumstrittene Kehl bleibt somit mindestens bis Sommer 2027 in führender Rolle beim BVB.
So bewusst harmonisch, wie die Entscheidung vom Verein nach außen kommuniziert wurde, so kontrovers wurde sie von der Anhängerschaft der Schwarzgelben aufgenommen. Tatsächlich gibt es außer Kehls erfolgreicher Zeit als Spieler in Dortmund kaum nachvollziehbare Gründe, ihn als einen der hauptverantwortlichen Kaderplaner weiter zu beschäftigen. Die Bilanz seiner Arbeit in diesem Bereich seit 2022 ist schlicht mangelhaft.
Borussia Dortmund überraschte am Montag mit einer wichtigen Personalentscheidung, die ausnahmsweise einmal nicht den Kader der Profimannschaft betraf: Der BVB hat ab dem 1. Mai 2024 eine neue Führungsstruktur. Ex-Profi Lars Ricken wird überraschend neuer Geschäftsführer Sport, der frühere Dortmunder Scout Sven Mislintat wird in Zukunft als Technischer Direktor bei den Schwarzgelben aktiv sein und Sebastian Kehl bleibt Sportdirektor. Was im ersten Moment sympathisch daherkommt, kann einen bei näherer Betrachtung aber auch ein Stück weit skeptisch machen.
So langsam formt sich ein Bild. Auch das zweite Testspiel der DFB-Auswahl im Kalenderjahr 2024 wurde zu einem Erfolg. Mit 2:1 (1:1) gewann Deutschland am Dienstag in Frankfurt gegen die Niederlande und unterstrich damit den Aufwärtstrend, der sich am vergangenen Samstag, beim 2:0-Sieg gegen Frankreich in Lyon schon angedeutet hatte.
Die mutigen Personalentscheidungen, die Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der Nominierung des Kaders für diese beiden Freundschaftsspiele im Vorfeld der anstehenden Fußball-Europameisterschaft 2024 getroffen hat, sie scheinen sich zu bewähren und zementieren viele der derzeitigen Kaderplätze im Team.
So sehr man sich natürlich auch als BVB-Fan grundsätzlich über diese positive Entwicklung der Auswahlmannschaft des DFB freuen kann, so sehr unterstreichen die aktuellen Entwicklungen in der Nationalmannschaft die verfehlte Personalpolitik der vergangenen Jahre in Dortmund.
Der BVB trifft am Abend auf einen alten Bekannten. Mit Alexander Isak, der von 2017 bis 2019 in Diensten von Borussia Dortmund stand, könnte beim Gastspiel der Dortmunder bei Newcastle United heute ausgerechnet ein einstiger Ex-Hoffnungsträger der Westfalen das vorzeitige Aus in der Gruppenphase der UEFA Champions League besiegeln, der einst bei der Borussia als ‚nicht gut genug‘ vorzeitig aussortiert wurde.
Der Schwede, der in Dortmund die Geduld aller Beteiligten über Gebühr strapazierte, in die Rolle eines Top-Torjägers noch nicht zu passen schien, hat seinen Marktwert in der Zwischenzeit auf rund 70 Millionen Euro gesteigert und ist damit aktuell mehr ‚wert‘ als der höchsteingeschätzte Dortmunder des aktuellen Kaders. Klassisch ‚verpokert‘, nennt man das wohl, wenn man die Geschichte aus Sicht des Bundesligisten beurteilen müsste.
Der ‚Tag der Deutschen Einheit‘ erinnert mich persönlich auch in diesem Jahr einmal mehr an ein Kuriosum, das sich im Jahre 1990 in meinem Leben ereignete. Damals fuhr ich ins Ausland, kehrte von dort allerdings streng genommen bis heute offiziell nie wieder zurück.
Wie das? Der BVB bestritt seinerzeit ein UEFA-Cup-Spiel beim FC Chemnitz. Am Abend des 2. Oktober 1990 kam es im ehemaligen Karl-Marx-Stadt zum mit Spannung erwarteten Kräftemessen der Teams aus Ost und West. Es sollte rückblickend das letzte deutsch-deutsche Duell im Europapokal sein. Und ich wollte live vor Ort mit dabei sein, fuhr als damals 19-Jähriger zusammen mit meiner Familie extra deshalb noch einmal in die sich seinerzeit gerade in Auflösung befindliche DDR.
Im ‚Ernst-Thälmann-Sportforum‘ zu Chemnitz verfolgten letztendlich knapp 12.000 Zuschauer, darunter rund 2.000 BVB-Fans, den 2:0-Erfolg der Schwarz-Gelben beim damaligen DDR-Vertreter. Thomas Helmer (24.) und Michael Rummenigge (50.) erzielten die Treffer zum letztendlich ungefährdeten Auswärts-Erfolg der Gäste aus dem Ruhrgebiet.
In der Startformation des BVB standen seinerzeit noch Spieler wie Wolfgang de Beer, Sergej Gorlukowitsch, Michael Schulz, Michael Lusch, Michael Zorc, Murdo MacLeod, Flemming Povlsen sowie Frank Mill. Eingewechselt wurden Thomas Franck und BVB-Legende Günter Kutowski. Mit dem hochdotierten Kader heutiger Zeiten hatte die damalige ‚Malochertruppe‘ aus Dortmund also herzlich wenig gemeinsam.
Gestern war es dann endlich auch offiziell soweit. Marco Reus hat sein Amt als BVB-Kapitän nach fünf Jahren zur Verfügung gestellt.
Nach Ansicht vieler Fans in Dortmund war diese Entscheidung längst überfällig. Reus war in den vergangenen Jahren nie der Anführer, der er hätte sein sollen. Die Gründe dafür waren und sind vielfältig.
Ein Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund vor dem Champions League Viertelfinale gegen AS Monaco sendet am 11. April 2017 Schockwellen ins Stadion des BVB, durch das Land, nach ganz Europa. Während die Polizei in alle Richtungen ermittelt, muss die Mannschaft schon am nächsten Tag zu einem umstrittenen Wiederholungsspiel antreten. Es sind dramatische Stunden und traumatische Momente, an die sich im Sky Original Dokumentarfilm „Der Anschlag – Angriff auf den BVB“ Dortmund-Spieler, der Vereinspräsident und andere Beteiligte erinnern.
Die Personaldiskussionen überlagern bei Borussia Dortmund kurz vor der Aufnahme des Spielbetriebs in der Fußball-Bundesliga an diesem Wochenende alle anderen Themen. Die Unzufriedenheit im Umfeld des BVBs ist nach einer völlig enttäuschenden zweiten Jahreshälfte 2022 groß. Nur Platz sechs in der Liga, das hatten sich viele Fans der Schwarzgelben nach der extrem gehypten Rückkehr von Trainer Edin Terzic im Sommer noch ganz anders vorgestellt.
In der Realität hat sich die Mannschaft unter Terzic nach einem vielversprechenden Start zuletzt nicht weiter, sondern im Vergleich zu den Auftritten unter Vorgänger Marco Rose eher zurück entwickelt. Inzwischen hat sich in Dortmund offenbar die Erkenntnis durchgesetzt, dass es größerer Kaderveränderungen bedarf, wenn es in Zukunft sportlich für den BVB wieder nach vorne gehen soll.
Und auch wenn die in der Ruhrgebietsmetropole erscheinende Tageszeitung ‚Ruhr Nachrichten‘ etwas geschönt von einer anstehenden ‚Kader-Optimierung‘ spricht, es ist in der Realität wohl doch eher eine Art von ‚Bankrotterklärung‘ der für diese Truppe verantwortlichen Kaderplaner Sebastian Kehl und Michael Zorc, die in Kürze beim BVB ins Haus zu stehen scheint.
Der BVB macht es seinen Anhängern gerade schwer. Das spüre ich selber, bin ich doch schon seit den 1970er-Jahren ein Anhänger dieses Vereins. Meine Leidenschaft war zwischenzeitlich sogar so groß, dass ich in den 1990er-Jahren nach Niederlagen der Mannschaft an dem entsprechenden Wochenende nicht mehr ausgegangen bin, weil ich so sauer war. Ganz schön bekloppt, würde ich dazu im Nachhinein sagen. Aber es war wirklich so.
Derzeit ist meine Begeisterung für den BVB längst nicht mehr so groß. Und das, obwohl die Mannschaft in Summe immer noch deutlich erfolgreicher spielt als das in meinen frühen Jahren als Fan der Fall war. Ja, ok, derzeit läuft es nicht so, wie gewünscht. Trotzdem reden wir hier immer noch über eine der bestbestückten Teams des Landes, das den Anspruch hat Deutschland in der UEFA Champions League, als der sogenannten Königsklasse, zu vertreten. Das war in meinen ersten Jahren mit diesem Verein anders.
Borussia Dortmund hat es sich in den vergangenen Jahren zu seinem etablierten Konzept gemacht, weltweit nach jungen Talenten zu suchen, die der Klub nach Dortmund locken und wenig später, möglichst mit finanziellem Gewinn, an die ganz großen Klubs in Europa weiterveräußern kann.
Beispiele dafür gibt es inzwischen genug. Genannt seien hier nur die Namen Dembele, Pulisic, Sancho und Haaland. Der im Sommer in den Ruhestand gegangenen Manager Michael Zorc hat das in den vergangenen Jahren zu einem erprobten Geschäftsmodell entwickelt, das die Borussia zwar letztendlich daran hinderte dauerhaft zu eine echten Spitzenmannschaft auf europäischer Ebene zu reifen, aber auf der anderen Seite eben auch entscheidend mithalf den Dortmundern auch in schwierigen Zeiten eine finanzielle Gesundung bzw. dauerhafte Gesunderhaltung zu ermöglichen.
Jetzt, so scheint es, droht der BVB erstmals nach langer Zeit zum Opfer der eigenen Strategie zu werden.