Wie die Cola-Flasche 100 Jahre Kriege, Kunst und Kommunismus geprägt hat – Teil 1

Wir feiern dieses Jahr die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 70 Jahren, obschon in Deutschland außer den darüber tippenden Journalisten so gut wie kaum einer noch Gehör dafür findet. Es waren 1968 schon zu einem guten Teile die selben Debatten die heute geführt werden – ganz besonders auch, wenn es in ihnen zu „unseren“ Befreiern kommt. Mit den Deutschen die Zerstörung Deutschlands zu zelebrieren wird einfach nicht einfacher. Ebenso wenig wird hier offensichtlich die Feierei anlässlich des 50. Jahres diplomatischer Beziehungen zu Israel mitgetragen. Es wird Zeit für etwas Spritzigeres. Und wir werden fündig – bei dem vielleicht Wichtigsten unserer Alliierten. Dieses Jahr sogar 100, wird der amerikanische Designklassiker Coca-Cola Flasche (ihr Inhalt ist schon 29 Jahre älter), der über all die Zeit immer eine wichtige politische Rolle gespielt hat und es auch im diesem Moment noch tut. Nicht nur Getränk und Verpackung sind also erfrischend, sondern geradezu alles was unter dem Schatten der Schnörkel im Produktlogo geschieht.

Coca-Cola korrumpiert nicht, hätte keinen Grund dazu und ist dafür sicher auch zu sehr in der Öffentlichkeit, aber Coca-Cola polarisiert, auf eine häufig höchst skurrile Art und Weise: Politisch nicht stilbildend, sondern prägend und verschärfend. Absicht? Oh nein, Profitorientierung:

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Konstantin Wecker über Krieg, Neoliberalismus und übers Einmischen


Er hat eine Meinung und die sagt er auch. Und das seit vierzig Jahren. Wo andere es sich irgendwann bequem machen, ist er lieber unbequem, singt gegen Krieg und Faschismus. Am 21. März tritt er in der Lichtburg Essen auf, gemeinsam unter anderem mit Stoppok und Bettina Wegner bei der Matinee „KünstlerInnen für den Frieden“. Wer ihn dort sehen und hören will, kann sich hier informieren.

Herr Wecker: Wo sehen Sie die Friedensbewegung heute?

„Nie wieder Auschwitz“ – diese unsägliche Begründung von Joschka Fischer für den Jugoslawienkrieg hat der Friedensbewegung den Rest gegeben. Als ich gegen diesen Krieg gesungen habe, habe ich selbst bei meinem Publikum gemerkt, dass plötzlich die Hälfte nicht mehr auf meiner Seite war. Jeder dachte: Schröder und Fischer, das sind doch unsere Leute. Wenn die für den Krieg sind, dann wird es wohl richtig so sein. Das hat viele so sehr überzeugt, dass nur noch ein kleiner Haufen Aufrechter übrig blieb.

Die Friedensbewegung hat es in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland nicht ganz leicht gehabt. Das liegt auch an den neoliberalen Think Tanks, die es geschickt geschafft haben, jede Form von Engagement zu desavouieren, ins Lächerliche zu ziehen. Leute wie ich werden zum Beispiel als Gutmenschen bezeichnet. Wenn heute ein paar Leute mit einem Schild dastehen und gegen den Krieg demonstrieren, wird das ins Lächerliche gezogen. Ich finde es bewundernswert, gerade in dieser Zeit, dass es noch Menschen gibt, die durchhalten und sich als Teil der Friedensbewegung betrachten.

Die Neoliberalen und ihre Think Tanks haben in den letzten zwanzig Jahren wahnsinnig viel erreicht und die gesamte Gesellschaft verändert. Sie haben sich Worte angeeignet. Zum Beispiel den Begriff „Reform“ – früher dienten Reformen einer gerechteren Gesellschaft, heute machen Reformen die Gesellschaft immer ungerechter. Es ist unglaublich, wie die Neoliberalen es geschafft haben, den Sinn dieses Begriffs umzudrehen.

Warum machen Sie mit bei „Künstler für den Frieden“?

2003 war ich im Irak. Ich wurde häufiger vorwurfsvoll gefragt, was ich denn da wolle, ich würde doch nicht glauben, dass ich den Krieg verhindern könne. Natürlich wusste ich, dass ich diesen Krieg nicht verhindern kann. Aber es war wichtig, ein Zeichen zu setzen. Seit ich denken, kann engagiere ich mich für den Frieden. Das hat auch mit meiner Familiengeschichte zu tun. Mein Vater hatte den verwegenen Mut, unter Hitler den Kriegsdienst zu verweigern. Er war Antimilitarist, und das hat sich in der Familie fortgesetzt. Ich bezeichne mich selbst als Pazifisten, ganz bewusst, weil ich meine, dass es nur mit dieser Utopie möglich ist, wirklich alle Formen des Kriegerischen und Militärischen zurückzudrängen.

Im Übrigen bin ich nach wie vor der Meinung, dass es zur Rolle und Aufgabe der Kunst und der Künstler gehört, sich politisch einzumischen. Nach Jahrzehnten der neoliberalen Gleichschaltung gehöre ich damit zu den letzten Mohikanern, aber das ist dann eben so. Ich bleibe bei meiner Auffassung: Kunst muss sich positionieren!

Im Mai findet die Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag statt. Inwiefern sehen Sie Atomwaffen als konkrete Bedrohung?

Natürlich fühle ich mich bedroht von Atomwaffen, und zwar in erster Linie durch das einzige Land, das schon einmal Atombomben geworfen hat. Es sind die Vereinigten Staaten von Amerika, die die Katastrophen in Hiroshima und Nagasaki verursacht haben. Ich frage mich, warum das nie erwähnt wird. Heute wird so getan, als wären die USA die Retter dieser Welt, diejenigen, die uns vor dem Bösen bewahren. Alle Länder, die Atomwaffen besitzen, sind eine Bedrohung. Keines dieser Länder denkt doch ernsthaft daran, zunächst einmal vor allem die eigenen Atomwaffen zu vernichten. Es geht doch immer nur darum, dass die anderen keine haben sollen. Jede Atomwaffe ist eine zu viel.

In Afghanistan herrscht seit vielen Jahren Krieg, zurzeit gerät der Iran in den Fokus der internationalen Politik. Was macht für Sie das Wesen des Krieges aus?

Immer wenn die Kriegstrommel gerührt wird, wird gelogen. Es wurde bis jetzt in allen Kriegen gelogen. Es ist das Wesen des Krieges, dass er mit gigantischen Lügen eingeleitet wird. Kein Volk der Welt will gerne Krieg führen. Nur mit Propaganda und Lügen kriegt man die Menschen dahin, dass sie Krieg führen wollen. Ich glaube mittlerweile überhaupt nichts mehr. Ich bin damals in den Irak gefahren, weil ich vor Ort sehen wollte, was wirklich los ist. Viel habe ich darüber gelesen und geahnt, dass es Lügen sind. Als ich selbst dort war, habe ich ein ganz anderes Bild bekommen als das, was unsere Medien gezeichnet haben. Zu dieser Zeit habe ich deshalb auf meiner Internetseite den Bereich „Hinter den Schlagzeilen“ eingeführt. Bis heute veröffentlichte ich dort andere Meinungen als die gängigen und andere Sichtweisen als die vorherrschenden und mache sie den Menschen zugänglich.

Kriege wie in Afghanistan sind deswegen willkommen, wenn man weiß, dass sie endlos sind, und dass man sie nicht gewinnen kann. Was ist denn schon auch ein gewonnener Krieg? Man will Kriege gar nicht gewinnen, weil die Waffenindustrie nur am Leben erhalten werden kann, wenn es ständig Krieg gibt. In der Welt gibt es zwei ganz große Industriezweige: die Pharmaindustrie und die Waffenindustrie. Deutschland ist nach wie vor der drittgrößte Waffenexporteur der Welt, da kann man sich auf Dauer nicht aus den Kriegen heraushalten. Bis zum Irakkrieg galt Deutschland ja noch als Land des Friedens. Das geht jetzt nicht mehr. Das lassen die anderen Länder sich nicht mehr bieten, dass ein Land viel Geld mit Waffen verdient, aber bei den Kriegen nicht mitmacht. Ich finde es so ekelhaft, dass die Bellizisten wieder Wortführer sind, mit ihren scheinmoralischen Argumenten. Um es mit Bertolt Brecht sozusagen: „Krieg wird sein, solange auch nur ein Mensch am Krieg verdient“.

Viele Menschen haben die Hoffnung, dass sich mit Barack Obama die Rolle Amerikas in der Welt verändert. Wie sehen Sie das, nachdem er nun gut ein Jahr im Amt ist?

Obama verkörpert bis heute für viele Menschen Hoffnung. Auch weil er der erste schwarze Präsident ist. Das ist ein Schlag in die Magengrube jedes Republikaners, jedes aufrechten Rechten. Das allein schon ist ein Genuss. Aber man muss auch sehen, dass Obama in ein System eingebunden ist. Dass er kein Friedensfürst ist, war allen klar. In Amerika wird kein Pazifist zum Präsidenten gewählt. Aber es gibt viele Gründe, ihn nach wie vor zu mögen. Im Unterschied zu Bush kann er zum Beispiel ganze Sätze sprechen. Man muss dankbar sein, dass Obama gewählt wurde, und natürlich muss man ihm weiter den Rücken stärken.

Sie beziehen öffentlich und offensiv linke Positionen. Wie ist Ihr Verhältnis zu Parteien, zur Linken insbesondere?

Ich bin sehr froh, dass es die Linke gibt, keine Frage. Aber ich bin kein Mitglied und habe auch keinen Wahlkampf gemacht, das mache ich für niemanden mehr. Früher habe ich für die Grünen Wahlkampf gemacht, zu Petra Kellys Zeiten. Da ging es um die Bewegung und darum, Petra Kelly zu unterstützen. Aber die Grünen haben mich zu sehr enttäuscht. Heute bin ich froh, dass es die Linke gibt und ich bekenne mich auch dazu, sie zu wählen, weil ich keine Alternative sehe. Schon oft in der Geschichte war es so, dass von links wichtige Anstöße kamen, um bestimmte Ideen überhaupt populär zu machen. Aber ich bin auch ein Freund einiger aufrechter Sozialdemokraten. Wenn man irgendwo in die Provinz kommt und dort gibt es einen sozialdemokratischen Bürgermeister, dann muss man den natürlich unterstützen. In Bayern zum Beispiel ist so jemand ja praktisch ein Linksaußen.

Seit Kurzem gibt es das „Institut Solidarische Moderne“, in dem sich zahlreiche Einzelpersonen aus den drei Parteien SPD, Linke und Grüne sowie Gewerkschaften, Wissenschaft, Kultur und Kunst zusammengetan haben. Was halten Sie davon?

Ich werde mich demnächst mit Andrea Ypsilanti, einer der InitiatorInnen, treffen. Die Idee eines linken parteiübergreifenden Think Tanks, der das Ziel hat, der neoliberalen Ideologie etwas entgegenzusetzen, finde ich gut. Die Neoliberalen verkaufen ihre Politik immer als ideologiefrei und alternativlos, dabei sind genau sie es, die gezielte Ideologie betreiben. Ich muss mir diese neue Initiative erst genauer anschauen, um zu sehen, ob ich mich dort einbringen kann. Bisher erscheint mir das sehr soziologisch. Es müsste vielleicht eine Gruppe geben, die sich mit Kultur und Kunst beschäftigt, das fände ich wichtig. Es wurde auf jeden Fall Zeit, dass so etwas ins Leben gerufen wird, und vielleicht kann diese Initiative sich in die gesellschaftliche Meinungsbildung einmischen.

Wie optimistisch sind Sie, dass Ihr Engagement Früchte trägt?

In einem Lied über die Weiße Rose habe ich einmal geschrieben, es geht ums Tun und nicht ums Siegen. Ich glaube nicht, dass ich auch nur annähernd eine friedliche Welt erleben werde, meine Kinder wahrscheinlich auch nicht. Das heißt aber nicht, dass wir diese Ideen nicht weiter tragen müssen. Als Künstler bin ich nichts weiter als ein Mosaiksteinchen. Das waren Künstler und andere engagierte Menschen schon immer. Wahrscheinlich wäre diese Welt aber noch viel schrecklicher, wenn es das über die Jahrtausende nicht immer gegeben hätte. In einem Konzert habe ich erzählt, „vor vierzig Jahren bin ich angetreten, um diese Welt mit meinen Liedern zu verändern. Wenn ich mir die Welt heute anschaue, kann ich nur sagen, ich war es nicht.“ Daraufhin haben mir ganz viele Leute geschrieben, ich hätte bei ihnen ganz persönlich etwas bewirkt, ihnen Kraft gegeben. Manche haben auch geschrieben, ich hätte sie politisiert, ihnen Mut gemacht, zu ihrer eigenen Meinung zu stehen. Und das ist doch schon mal was. Auch wenn ich weiß, dass ich nicht die Welt verändern kann, so ist es doch nicht sinnlos.

Wie viel Unterstützung haben Sie in Ihrem künstlerischen Umfeld?

Es machen nicht mehr sehr viele mit. Ich hoffe, dass sich bei der jungen Generation wieder etwas ändert. Durch die Proteste an den Hochschulen habe ich Kontakt bekommen zu einigen jungen LiedermacherInnen, die dort mitgemacht haben. Insofern habe ich die Hoffnung, dass es wieder mehr Leute gibt, die sich trauen, sich zu engagieren. Aber auch hier habe ich das Gefühl, die neoliberale Vorherrschaft hat einige Künstler abgehalten, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Es ist erstaunlich, wie wenige sich insgesamt lautstark äußern und engagieren. Ich sage zwar meine Meinung und mische mich ein, aber eigentlich bin ich ja Künstler, und das will ich auch sein, kein Politiker. Nach wie vor glaube ich viel mehr an die Poesie als an die Politik.

Wo ist die Hoffnung für Sie?

Bei Erich Fromm habe ich den schönen Satz gelesen, „Hoffen heißt, auch an etwas weiter glauben, selbst wenn man es zu Lebzeiten nie verwirklichen kann“. Hoffnung hat nichts mit der eigenen Wunscherfüllung zu tun, sondern damit, daran zu glauben, dass eine Idee sich weiter tragen kann. Dazu gehören viele Menschen. Niemand ist alleine wirklich großartig. Das Jahrhundert der Diktatoren hat gezeigt, was einzelne Menschen, die die Welt beherrschen wollten, an Schrecken verbreiten und Katastrophen anrichten können. An einer neuen Idee und an einer neuen Gesellschaft müssen viele Menschen arbeiten. Ein einzelner kann eine Idee weiter befördern und in die Welt tragen, aber nie und nimmer ein System errichten, das ein gerechtes System wäre. Das geht nur durch die Arbeit und die lebendige Kraft vieler Menschen.

Foto: Richard Föhr