Oh nein, bitte nicht! Nicht schon wieder. Nicht noch einen Artikel über den Euro. Oder besser gesagt: über die Eurokrise, die, wie man auch hört, eigentlich gar keine Eurokrise sei, sondern eine Schuldenkrise. Eine europäische Schuldenkrise. Oder eine griechische. Griechenland – ich kann es nicht mehr hören! Oder Irland, Portugal, und alle die.
Eurokrise – das ist irgendwie so wie Fukushima: gar nicht ungefährlich, keine Frage. Sogar richtig schädlich. Aber erstens für uns nur so am Rande, und zweitens geht davon die Welt nicht unter. Und außerdem zieht sich die ganze Geschichte inzwischen ganz eindeutig zu lange hin.
Ein Text über Sarkozy (mit und ohne Fußnoten)
Frankreichs Präsident Sarkozy sorgt für Riesen-Ärger in Berlin. Nicolas Sarkozy will sich als Macher in der Libyen-Krise inszenieren. Die auf Betreiben Frankreichs mit britischer Unterstützung gefasste UN-Resolution ist für Sarkozy ein Erfolg, der auch dazu geeignet ist, sein angeschlagenes innenpolitisches Ansehen aufzubessern. Es war ein großer Augenblick für Präsident Nicolas Sarkozy: die Konferenz der Chefs von 22 Regierungen und internationaler Organisationen. Nun kann Sarkozy sie alle im Elysée-Palast willkommen heißen, unter ihnen US-Außenministerin Hillary Clinton, der britische Premier David Cameron, Spaniens Regierungschef José Luisa Zapatero, der Generalsekretär der Arabischen Liga Amr Moussa und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Sarkozy liebt es, für Frankreich an der Spitze der Nationen zu stehen. Wahrscheinlich muss Nicolas Sarkozy gerade ein paar seiner Komplexe kompensieren.
Das Minderwertigkeitsgefühl etwa, bei den Revolutionen in Tunesien und Ägypten als Staatsmann mit Weltgeltung versagt zu haben. Anders sind die jüngsten Äußerungen des französischen Präsidenten nicht zu erklären: Luftangriffe auf das libysche Gaddafi-Regime zu fordern und die Rebellenregierung anzuerkennen hat mehr mit seinem Testosteronspiegel als mit logischem Denken zu tun. Es wird – in Ägypten z.B. – ganz genau registriert, wie sich Europa verhält. Man kann nicht Demokratie predigen, aber mit Diktaturen ins Bett gehen. Ben Ali etwa wurde in Frankreich jahrelang von Sarkozy hofiert und nachdem er gestürzt wurde, lässt er ihn – wie mutig – nicht nach Paris einreisen. Das ist zutiefst heuchlerisch.
Pressefreiheit in Europa im Abwärtstrend
Als Berlusconi gestern (wieder mal) eine Vertrauensabstimmung im italienischen Parlament gewonnen hatte, erinnerte man sich daran, dass der Ministerpräsident nicht nur über die finanziellen Möglichkeiten verfügt, den einen oder die andere Abgeordnete zu kaufen, sondern dass er die drei größten Fernsehstationen schon vor langer Zeit gekauft hatte. Da der Regierungschef zudem über einen erheblichen Einfluss auf die drei staatlichen TV-Sender verfügt, hören und sehen die Italiener auf allen Kanälen Tag für Tag, was für ein toller Hecht ihr Berlusconi ist. Und die Italiener sehen nun einmal lieber fern, als Zeitung zu lesen. Auf einer Werbeseite für Italien heißt es ganz unbefangen: „Generell wird in Italien aber weniger Zeitung gelesen als im europäischen Vergleich, Fernsehen und Radio spielen dagegen eine größere Rolle.“
Dass es um die Pressefreiheit in Italien nicht zum Besten bestellt ist, hat keinen großen Neuigkeitswert. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ jedes Jahr erstellt, belegt Italien gegenwärtig den 49. Platz – gemeinsam mit Burkina Faso. Wer annimmt, bei Italien handele es sich um einen bedauerlichen Sonderfall, übersieht, dass zwar 13 der 27 EU-Mitgliedsstaaten unter den Top 20 vertreten sind, die anderen 14 aber deutlich weiter unten rangieren. Wer sich damit tröstet, dass es sich bei diesen 14 Staaten vorwiegend um osteuropäische Länder handelt, hat den Charakter der „Wertegemeinschaft“ Europäische Union nicht ganz verstanden – aber auch nicht ganz Unrecht.
Denn tatsächlich ist es um die Pressefreiheit in den nord- und westeuropäischen Ländern deutlich besser bestellt als in den süd- und osteuropäischen. Die skandinavischen Staaten Finnland, Island, Norwegen und Schweden stehen auf Platz Eins der Liste, ebenso wie die Niederlande und die Schweiz. Auch Österreich rangiert nur knapp hinter dieser Spitzengruppe. Deutschland ist auf dem 17. Platz schon ziemlich abgeschlagen; aber es ist noch ein recht ordentliches Ergebnis. 4,25 Punkte auf der Skala von 0 (die Spitzengruppe), Österreich hat 0,5 Punkte usw.: je mehr Punkte, desto weniger Pressefreiheit. Bis hin zu Nordkorea (104,75 Punkte), nur noch übertroffen von Eritrea (105 Punkte).
Verglichen damit sieht es freilich mit der Pressefreiheit gut aus in Europa. Aber will man sich damit vergleichen? Italien belegt – wie gesagt – den 49. Platz – von 178 Staaten, mit 15 Punkten. Und richtig: eine Reihe von südosteuropäischen Ländern ist noch schlechter platziert. Allein schon deshalb lassen sich die Defizite bei der Pressefreiheit nicht als italienischer „Sonderfall“ abtun. Überall in Europa geht es gegenwärtig abwärts. „Reporter ohne Grenzen“ warnt, dass die Europäische Union Gefahr laufe, ihre Führungsposition bei der Wahrung der Pressefreiheit einzubüßen. Bei der Präsentation des diesjährigen Berichts im Oktober erklärte ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard gar: „Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzen sie ihre weltweit führende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europäischen Staaten müssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen.“
Besonders besorgniserregend dabei: „Mehr denn je sehen wir, dass die wirtschaftliche Entwicklung, institutionelle Reformen und die Achtung der Grundrechte nicht unbedingt zusammen gehen „, so Julliard weiter. In einem Land zum Beispiel wird regelmäßig der übliche Genehmigungsweg außer Kraft gesetzt, wenn sich Geheimdienst und Polizei die Telefonrechnungen von Journalisten schicken lassen. Dabei berufen sich die Staatsorgane auf den gesetzlich geregelten Fall, dass „nationale Interessen“ berührt sind, womit sie eine „unabhängige Kommission“ ausschalten, die eigentlich jeden Zugriff genehmigen müsste. Stattdessen bespitzelt der Geheimdienst die Journalisten einfach so, erstellt anhand von GPS-Daten Bewegungsprofile, überwacht Handytelefonate und organisiert Einbrüche in Redaktionsbüros. Die wichtigen Posten in Medienunternehmen sind an persönliche Freunde des Staatspräsidenten vergeben, die wenigen unabhängigen Journalisten werden mit allen Mitteln in ihrer Arbeit behindert, nicht zuletzt auch deshalb, um die persönlichen Machenschaften des Präsidenten zu kaschieren.
Dabei handelt es sich bei diesem Land um eine der ältesten Demokratien Europas. Es liegt in Westeuropa, gehört zur EU, sogar zum Euroraum. Doch seit der gegenwärtige Präsident an der Macht ist, haben sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten dramatisch verschlechtert. Jetzt rangiert das Land auf dem Index für Pressefreiheit hinter Ghana, Namibia und Papua Neuguinea. Es handelt sich um unseren großen Nachbarn im Westen. Auch das ARD-Magazin „ttt“ hatte kürzlich über die erschreckenden Bedingungen für Journalisten in Frankreich berichtet.