Dass im Internet jegliches bisschen an Privatsphäre aufgegeben wird, weiß mittlerweile auch meine Oma. Dass sich dort auch gerne Rechtsgesinnte tummeln, ist ebenso wenig neu. Nur der kleine Aufstand, der sich aktuell bei Facebook breit macht, lässt die Kritiker der vermeintlich unpolitischen Jugend hoffen.
„Kein Facebook für Nazis – NPD Seite löschen!“ steht auf meinem Bildschirm. Alles klar, Daumen hoch und Fan werden, genau wie über 150.000 andere Facebook-Nutzer auch schon Fans sind. Die Idee der digitalen Bewegung ist denkbar einfach: Es wird eine Gruppe gegen die NPD gegründet, die NPD-Seite wird Facebook gemeldet und dann gelöscht. So sollte es laufen. Tut es aber nicht.
Die „soziale Heimatpartei“, wie die NPD sich selbst beschreibt, fordert die Rückkehr der D-Mark, verlinkt auf diverse NPD-Seiten im Netz und wettert gegen das Rettungspaket der EU. Alles im Rahmen des Gesetzes, versteht sich. Viel wurde über den Wahlkampf der großen Parteien im Web 2.0 geschrieben, doch dass rechte Parteien wie die NPD ebenfalls hier weiden, übersieht man gern. Wo die Linke in den Landtag einziehen darf, darf die Rechte doch wohl ein virtuelle Fans haben, oder?
Während ich das tippe, wächst die Zahl der Anhänger der NPD bei Facebook: Zehn Fans mehr hat die NPD-Seite allein in den letzten fünf Minuten gewonnen. Und weil die Gedanken auch in der Welt der Mark Zuckerbergs und Sergej Brins frei sind, bekennen sich über 1.500 Rechte öffentlich:
M. E. schreibt: „Und ich hoffe du gehst irgendwann wie Millionen andere hier lebende „Bürger mit Migrationshintergrund“ in deine angestammte Heimat zurück. Wobei du als BRD-Türkin ja nicht mal von einer angestammten Heimat sprechen kannst. Dem System sei Dank!“ Ganz selbstverständlich sagt M.E. das, weil Meinungsfreiheit in Deutschland herrscht und Facebook in den USA sitzt. Deswegen muss Facebook die NPD-Seite auch nicht löschen. Und deswegen wird Facebook die Seite aller Voraussicht nach auch nicht löschen.
Die Mitte als politische Orientierung ist hier hinfällig – jeder, der gegen die NPD ist, wird als Linker abgestempelt: „ACHTUNG: Seit einiger Zeit versuchen linke Gutmenschen und uns nicht willkommene Zivilokkupanten durch beleidigende und bedrohende Nachrichten an unsere Fans, bzw. durch Zumüllen unserer Kommentarspalten, unsere Arbeit zu sabotieren.“, heißt es vom Betreiber der Seite.
Früher versammelten sich Nazis in einer dunklen Kneipe oder bei Kameraden, heute gehen sie online. Mit Bild, Namen und Wohnort. Da ist Martin. Er wohnt an der Donau, ist Single und hört Bushido. Und ist Fan der NPD. Oder nehmen wir Robert. Robert ist auf der Suche nach Frauen und politischer Aktivist. Seine kleine Tochter lacht auf seinem Profilbild.
Die Rechte sitzt nicht mehr im Keller und hört illegale Musik. Sie sitzt bei Facebook und Twitter und schämt sich nicht. Die Rechte hat Kinder, hört HipHop von einem Halb-Tunesier und steht dazu. Sie muss nicht auf Demos gehen, denn sie hat seine kleine rechte Revolution zu Hause.
Die Tatsache, dass auf einen Facebook-Fan der NPD rund 100 NPD-Gegner kommen, nützt nicht viel. Zumindest nicht, solange Facebook es den Holtzbrinck-Netzwerken nicht nachmacht und Soziale Netzwerke zum Sperrgebiet für die Rechte erklärt.
Wie wichtig Social Networks als Propaganda-Werkzeug sind, wird auf der Seite der NPD Sachsen klar: „Also raus aus den Hinterzimmern, raus auf die Straße, aber auch rein in die neuen sozialen Netzwerke des Internet.“
Vielleicht ist der Anti-NPD-Aufruf bei Facebook ein bisschen naiv.
Einen Versuch wert ist er alle Mal.