Mal wieder eine spannende Debatte direkt vor der eigenen Haustür. Die Stadt in der ich lebe, Waltrop im Kreis Recklinghausen, entwickelt sich seit Jahren inzwischen schon zu einer Art Hochburg für Graffiti und andere scheinbar gerade moderne Arten der Sachbeschädigung. Der schleichende Prozess ist eigentlich für alle Bürger mit bloßem Auge leicht zu beobachten und beschleunigt bzw. verstärkt sich in letzter Zeit zudem noch deutlich.
Das mag unter anderem auch an der Tatsache liegen, dass die örtliche Polizeiwache nur noch stundenweise besetzt ist, nachts komplett verwaist ist.
Speziell auch an den Wochenenden sind (warum auch immer) in letzter Zeit häufig frisch umgeknickte bzw. herausgerissene Verkehrsschilder, frisch zerstörte Blumenkübelbepflanzungen, mit roher Gewalt abgeknickte Bäume, aber eben auch regelmäßig neue Graffiti und Aufkleber im gesamten Stadtgebiet zu verzeichnen.
Die Schriftzüge der Graffiti zeugen dabei von durchaus unterschiedlichen Urhebern. Teils offenkundig politisch motiviert, teils aber auch offenkundig den Fanlagern von BVB und S04 zuzurechnen, oder eben Mitmenschen auf einem merkwürdig gearteten ‚Egotrip‘, die nur ihren Schriftzug möglichst hundertfach im Stadtgebiet vorfinden möchten. Alle Formen sind irgendwo vertreten.
Heute stellt Johan Simons, neuer Intendant der Ruhrtriennale, das Programm des Festivals der Künste 2015 vor. Höchste Zeit, sich einmal mit dem niederländischen Regisseur über Theater, Politik und über das Ruhrgebiet zu unterhalten. Simons wurde letztes Jahr mit einem der wichtigsten künstlerischen Auszeichnungen der Niederlande, dem „Kulturfonds Preis“ ausgezeichnet. Er blickt auf eine erfolgreiche Zeit an den Münchner Kammerspielen zurück, wo er im Dezember „Offener Prozess – Vier Tage zum NSU-Komplex“ zeigte. Simons ist nicht nur ein großer Theatermacher, sondern zeigt, dass Kunst nicht ohne gesellschaftlichen Zusammenhang möglich ist und unmittelbar aktuelle Ereignisse verhandelt.
Ruhrbarone: Sie haben seit vielen Jahren einen guten Draht zum Ruhrgebiet. Und auch die Ruhrtriennale ist Ihnen von vergangenen Inszenierungen bekannt.
Johan Simons: Ja, das stimmt, ich habe hier schon viel gemacht. Und ich wurde schon einmal gefragt, ob ich nicht die Intendanz übernehmen möchte, aber damals habe ich mich für München entschieden. Nachdem ich ein Theater in Gent geleitet hatte, wollte ich an einem anderen bedeutenden Stadttheater mit einem großen Ensemble arbeiten. Jetzt ist der Zeitpunkt für einen Wechsel richtig, zumal ich auch näher bei meiner Familie leben möchte. Da kam das Angebot der Ruhrtriennale, die Intendanz zu übernehmen, genau im richtigen Moment.
Hat Sie die Ruhrtriennale auch deswegen gereizt, weil hier viele verschiedene Plätze bespielt werden? Sie haben am Anfang Ihrer Regietätigkeit in Scheunen oder auf Marktplätzen und anderen ungewöhnlichen Orten inszeniert.
Ja, schon lange bevor es die Ruhrtriennale gab. Die hat das wahrscheinlich damals von mir geklaut. (Simons lacht.) Schon 1985 habe ich angefangen, mit dem Theater an andere Orte zu gehen. Hier gibt es Spielorte wie die Zechen oder die wunderschöne Jahrhunderthalle in Bochum, die sehr reizvoll sind. Die Jahrhunderthalle ist ja geradezu eine Kathedrale der Industriekultur. Man kann hier nicht einfach „normal“ Theater machen. Die ungewöhnlichen Spielstätten verlangen, dass man sich zu ihnen verhält und etwas ganz Spezielles für sie macht.
Besonders interessant sind die Spannungsfelder. In Dinslaken zum Beispiel ist für mich besonders reizvoll, dass wir auf der einen Seite ländlichen Raum und Provinz vorfinden und auf der anderen Seite der soziale Brennpunkt im Stadtviertel Lohberg direkt an das Gelände unseres neuen Spielortes, der Kohlenmischhalle der ehemaligen Zeche Lohberg, anschließt.
Ursprünglich kommen Sie ja aus der freien Theaterszene …
Ja, meine erste Theatergruppe Hollandia war ein freies Format, allerdings anders als in der deutschen freien Theaterszene, wurden unsere Projekte durch den Staat subventioniert. Aber das Interessante war unsere kollektive Arbeitsweise.
Bei meiner ersten Vorstellung am Theater in Amsterdam saßen viele Regisseure im Publikum, die dachten „Aha, wer ist denn dieser junge Simons?“ Ich fühlte mich ein bisschen wie in einer Prüfung am Gymnasium. Da dachte ich mir: „Schluss damit! Ich mache nur noch Theater für Menschen, die sonst nie ins Theater gehen.“ Die Aufgabe, Zuschauer fürs Theater zu begeistern, die eigentlich nicht ins Theater gehen, finde ich wichtig. Damit setze ich mich in meiner Theaterarbeit auseinander. Ich versuche es immer wieder, und auch die Themen der kommenden Ruhrtriennale haben viel damit zu tun. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, alle Menschen zu erreichen …
Dazu gehört auch, offen für sein Publikum zu sein. Ich gehe ganz leicht auf Leute zu und suche die Nähe zu meinen Zuschauern. Es ist wichtig, nicht abgehoben zu sein, man muss versuchen, greifbar zu bleiben. Ich komme selber aus sehr einfachen Verhältnissen. Die eigene Herkunft darf man nicht verstecken, ganz im Gegenteil, man kann sie zeigen und sich ihrer – gerade im Kontext der eigenen Arbeit – bewusst sein. Das bedeutet nicht, dass man sich an das Publikum anbiedert oder die Dinge nur auf eine einfache Weise erzählt. Das wäre eine Unterschätzung des Publikums. Johann Sebastian Bach berührt jeden!
Am Wochenende sorgten vermummte Idioten im Köln-Block beim Auswärtsspiel in Mönchengladbach bekanntlich für Negativ-Schlagzeilen rund um die Fußball-Bundesliga, als diese unmittelbar nach Spielende nicht nur auf den Platz des Stadions in Mönchengladbach zu stürmen begannen, Pyrotechnik einsetzten und sich zudem etliche Rangeleien mit Polizei und Ordnungshütern lieferten.
Der 1. FC Köln reagierte im Nachgang des Derbys sofort. Doch auch seine umgehende, harte Reaktion konnte die einsetzende öffentliche Debatte bisher nicht stoppen, in deren Verlauf, wie das dann häufig und gerne der Fall ist, inzwischen auch die ersten ‚Hardliner‘ zu Wort kommen. Einschüchternde Überlegungen aus reiner Taktik, oder tatsächlich eine ernstgemeinte, echte Drohung? Jedenfalls will DFB-Sicherheits-Chef Hendrik Große-Lefert, wie er sich nun gegenüber der ‚Rheinischen Post‘ geäußert hat, nun ebenfalls harte Konsequenzen durchsetzen.
Sogar ein Verbot von Auswärtsfahrten für Bundesligafans wird von ihm offenbar dabei nicht ausgeschlossen!
„Wenn der Veranstalter sonst keine Möglichkeiten mehr hat, muss man solch drastische Sanktionen ergreifen.“
Wer zuletzt selber schon einmal Erfahrungen auf dem aktuellen Arbeitsmarkt sammeln musste, der hat es vielleicht schon am eigenen Leib mitbekommen: Tariflich entlohnte Tätigkeiten, mit denen man ein geregeltes Leben noch finanziert bekommt, sucht man da inzwischen häufig schlicht vergeblich.
Nachdem zuletzt häufig schon schlecht bezahlte Zeitarbeitsjobs auf dem Stellenmarkt auftauchten, die Diskussionen um Mindestlohn und 1-Euro-Jobs seit Jahren die vorherrschenden Stichworte für viele Jobsuchende geworden sind, droht nun offenbar eine neue Eskalationsstufe für schlecht bezahlte Tätigkeiten.
Einige Arbeitgeber versuchen nun offenbar die Entlohnung für bisher bezahlte Tätigkeiten komplett einzusparen, wie u.a. eine kürzlich verbeitete Stellenanzeige aus dem benachbarten Münsterland untermauert (siehe Foto).
Besorgte Menschen, welche sich für eine auch zukünftig möglichst tolerante Gesellschaft in diesem Lande einsetzen, gibt es natürlich längst nicht nur in den Großstädten, aus denen derzeit, auch bei uns im Blog, so häufig über entsprechende Demonstrationen und Mahnwachen berichtet wird.
Über Tausend Menschen nahmen heute in Essen an einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit und für Pressefreiheit teil. Zu der eigentlich als Gegenveranstaltung zu einer dann doch erst verbotenen und dann abgesagten Hooligan-Veranstaltung riefen die Essener Parteien, Gewerkschaften und das Bündnis Essen stellt sich quer auf.
Auch in den kleineren Städten des Ruhrgebiets finden immer wieder entsprechende Veranstaltungen statt, sorgen sich die dort lebenden Menschen aktuell um das friedliche Miteinander mit ihren Nachbarn.
Nachdem im Internet kurzfristig ein entsprechender Aufruf kursierte, trafen sich z.B. am gestrigen Samstag in Waltrop, im Kreis Recklinghausen, gut 150 engagierte Bürger vor der örtlichen Stadthalle unter dem etwas ungelenk klingenden Motto: „Waltrop gegen Terrorismus, Rassismus und für die freie Glaubensrichtung“.
Wahrlich keine ganz so schlechte Mobilisierung für eine von Privatleuten auf die Beine gestellte Aktion, im Vergleich zu vergleichbaren aktionen in anderen Revierstädten, wenn man die Größe der Stadt dabei entsprechend mit berücksichtigt.
Die organisierten Fußballfans der vereinsübergreifenden Organisation ‚Unsere Kurve‘, welche sich als Interessenvertretung der Fans aller Vereine sieht und für den Erhalt der Fankultur und den Erhalt der Freiräume eintritt, trafen sich jüngst in Bielefeld, um über die Arbeits- und Themenschwerpunkte ihrer Arbeit für das Jahr 2015 zu beraten.
Die nun veröffentlichte Erklärung mach rasch deutlich: ‚Unsere Kurve‘ wird auch in Zukunft Faninteressen gegenüber Verband und Polizei sehr offensiv und selbstbewusst vertreten.
Während des Bundestreffens in Ostwestfalen wurden diverse Themen besprochen. Schwerpunkte bildeten dabei u.a. die zuletzt verhängten Strafen der Sportgerichtsbarkeit gegenüber Fans und die eigene Lobbyarbeit der Fanvertreter auf politischer und polizeilicher Ebene, wo man sich seitens ‚UnsereKurve‘ noch immer viel zu häufig mit unangemessenen Maßnahmen konfrontiert sieht.
In einigen Fällen fällt es ja durchaus schwer kleinere Parteien so einzuordnen, wie es Ihnen auch tatsächlich gebührt. Die UBP (Unabhängige Bürger Partei) im Kreis Recklinghausen macht es den Wählern da von sich aus seit Jahren schon recht einfach.
Immer wieder fiel sie zuletzt durch wirre und reichlich unprofessionelle Aktionen auf. Egal ob sie, wie zuletzt, die Dattelner SPD wegen eines allgemein gehaltenen Anti-Nazi Plakats belangen wollte, oder eigene Kandidaten zur Kommunalwahl durch mehrfach ‚Unregelmäßigkeiten‘ bei der Nominierung auffielen, sei es weil sie von ihrer Nominierung angeblich gar nichts wussten, oder weil ihre Unterschriften auf den Anträgen offenkundig nicht von ihnen selbst stammten.
Stets stand die UBP am Ende dadurch in einem eher ungünstigen Licht in der Öffentlichkeit dar.
Nachdem der Streit um das juristisch aktuell gestoppte E-On-Kohlekraftwerk ‚Datteln 4‘ zuletzt doch etwas an Schwung verloren zu haben schien, verlagerte sich die Diskussion in den letzten Wochen nun zunehmend und offenbar längeranhaltend auf das diesbezügliche Verhalten der Dattelner Stadtverwaltung, welche sich zuletzt gleich mehrfach nachsagen lassen musste, sie habe dem Energiekonzern E.On in Rechnung zu stellende eigene Leistungen bisher nicht komplett und korrekt abgerechnet.
In dieser Woche hat nun die ursprünglich mit viel Spannung erwartete Sondersitzung des Dattelner Rechnungsprüfungsausschusses zur sogenannten ‚Abrechnungs-Affäre‘ in Sachen E.ON-Kraftwerk auch nicht die erhoffte Aufklärung liefern können.
Obwohl an diesem Wochenende die Fußball-Bundesliga ihren Spielbetrieb nach der 14-tägigen Länderspielpause wieder aufnahm, diskutiert Fußballdeutschland aktuell noch immer über die Rolle der FIFA bei der Aufarbeitung und Untersuchung der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar.
In diesem Zusammenhang hatte der Abschlussbericht des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert zuletzt weltweit für heftige Diskussionen gesorgt. In einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat nun Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu einem wahren Rundumschlag gegen die FIFA ausgeholt.
Letztendlich droht Seifert mit dem Boykott der umstrittenen Veranstaltungen. Doch ob dies tatsächlich mehr ist als eine Drohgebärde, das darf wohl bezweifelt werden. Immerhin positioniert sich der DFL-Boss mal klar und liefert so neue Diskussionsansätze.
Im fünften Teil seine Serie ‚Fußball im Nationalsozialismus‘ beschäftigt sich Ruhrbarone-Gastautor Thomas Weigle heute mit einigen persönlichen Gedanken, passend zum an diesem Wochenende anstehenden Volkstrauertag:
„Von Julius Hirsch habe ich zum ersten Mal im Jahr 2000 in der Ausstellung zum 100-jährigen Jubiläum des DFB gehört … Doch die Namen und die Schicksale der Opfer waren damals noch fast unbekannt… Wir beschlossen daher, die Rolle des Verbandes wissenschaftlich unabhängig aufzuarbeiten.“ Diese Einstellung von Theo Zwanziger unterscheidet sich fundamental von der des unsäglichen Hermann Neuberger, der als Vize 1972 Herbergers Bitte, den in Kanada lebenden Rekordtorschützen Gottfried Fuchs, der 1912 10 Tore im Spiel gegen Russland erzielte, zur Eröffnung des Münchener Olympiastadions 72 einzuladen ablehnte.
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