Dortmund: Die Nazis, Herr Sierau, die Polizei und die Unkultur

Gestern war ein guter Tag für Dortmund und das Ruhrgebiet: Die Nazis in Dortmund wurden in ihre Schranken verwiesen, in der Stadt wurde friedlich demonstriert und gefeiert. Nur Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) schlug über die Stränge. Er setzte Antifa-Aktivisten auf eine Stufe mit Nazis und bot ihnen Hilfe beim Ausstieg aus der Szene an.

Kein Politiker mag es, wenn er bei einer Rede gestört wird. Das ging dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß (CSU) und Kanzler Helmut Kohl (CDU) so, wenn sie gegen protestierende Jusos anreden mussten und auch Gerhard Schröders (SPD) Begeisterung hielt  sich in Grenzen, wenn er auf den Marktplätzen der Republik auf Gegner der Hartz-Reformen traf.

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Bombendrohungen und Buttersäure-Angriff gegen Aachener Antifas

Buttersäure-Attacke, Bombendrohungen,  Feuerwerkskörper und Pfeffersprayeinsatz. Es hat schon gemütlichere Wochenenden in Aachen gegeben. Landes-Innenminister Ralf Jäger zählt die Region neben Dortmund, Köln und Wuppertal zu den Hochburgen des Rechtsextremismus in NRW. Diesem unschönen Ruf, u.a. gehegt und gepflegt von der Kameradschaft Aachener Land, machte die Stadt in den letzten Tagen mal wieder alle Ehre. Von unserem Gastautor Daniel Pichler.

Polizeieinsatz am Samstag vor dem AZ Aachen (cc-Lizenz: AG Freiburg)

So wurde das AZ Aachen in der Nacht zu Freitag zum wiederholten Male Opfer eines Buttersäureangriffs. Parallel gab es Bombendrohungen gegen die Antifa-Demo am Samstag und den Gästeblock des FC St. Pauli, der gestern bei Alemannia Aachen zum Zweitliga-Duell antrat. Der Absender bezeichnet sich selbst als „White Unity Underground Agency“.

Frithjof Kraemer, Geschäftsführer der Alemannia, aus deren Fankreisen es Ende letzten Jahres einen nach dem derzeitigen Wissensstand rechtsextremistisch motivierten Angriff auf Anhänger von Erzgebirge Aue gegeben hatte, gab gegenüber der Aachener Zeitung an, das Nazi-Problem im Vereinsumfeld unterschätzt zu haben. Dass die eigene Kurve u.a. seit Jahren fröhlich den Song „Mexico“ der Böhsen Onkelz trällert, kann ihm aber eigentlich nicht wirklich entgangen sein.

Im Verlauf der Antifa-Demo durch die Aachener Innenstadt kam es dann gestern zu mehreren Zusammenstößen. Die Präsenz einer Gruppe Nazis auf der Protestroute wurde laut Augenzeugenberichten mit Feuerwerkskörpern beantwortet. Am AZ Aachen angekommen reagierte die Polizei auf das Zünden von bengalischem Feuer und Flaschenwürfe mit dem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken. Die

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Greulich „überrascht“: Ach, eine Frage noch, Herr Stadtdirektor!

Dr. Peter Greulich - Bild: Stadt Duisburg

Duisburgs Stadtdirektor Dr. Peter Greulich – vor einer Woche hatten wir hier darüber berichtet – hatte sich in einem Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beschwert, im Zusammenhang mit der Gedenkfeier zum ersten Jahrestag der Loveparade-Tragödie seien seine Mitarbeiter wie bei der Loveparade unter Druck von oben gesetzt worden, um zu genehmigen, was nicht zu genehmigen war. „Genau dieses Verhalten erfolgte nun von der Landesregierung“.

Immerhin, hatten wir geschrieben, da könnte man ja noch einmal nachfragen. Dies hat sich inzwischen auch die Duisburger Staatsanwaltschaft gedacht und Greulich als Zeugen vorgeladen. Die Vernehmung findet, wie Radio Duisburg berichtet, am kommenden Donnerstag bei der Kölner Polizei statt, die bekanntlich die Ermittlungen in Sachen Loveparade für die Staatsanwaltschaft Duisburg durchführt.

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Welcome to Duisburg!

Wappen der Stadt Duisburg

Sonntag, 20. März 2011, abends gegen 18:15 Uhr. Duisburg-Rheinhausen: Schießerei im linksrheinischen Stadtzentrum. „Die kurz darauf eintreffenden Streifenwagenbesatzungen sahen sich mehreren hundert Personen gegenüber“, heißt es in der Pressemitteilung der Polizei. Zwei Tatverdächtige wurden festgenommen, nach einem weiteren wird gefahndet. Die zahlreichen Patronenhülsen, die gefunden wurden, belegen, dass aus mindestens zwei Schusswaffen gefeuert worden ist. Offenbar fand die Schießerei zwischen einer Teestube und der gegenüberliegenden Moschee statt.

Einschusslöcher in einem Auto, das zwischen den Fronten abgestellt war. Zeugen berichten von einer Hundertschaft Polizei. Beamte mit schusssicheren Westen und Maschinenpistolen sollen sich auf dem nahe gelegenen Marktplatz bereit gehalten haben. Es ist nicht das erste Mal, dass der Konflikt zwischen den beiden organisierten türkischen Banden – Drogen, Glücksspiel, Autoschiebereien, Prostitution – außer Kontrolle geraten ist. Auch hier gilt, wie bei den – allerdings schwerpunktmäßig in der Duisburger City tätigen – Kollegen der Bandidos und der Hells Angels: man spricht nicht allzu viel. Schon gar nicht gegenüber der Polizei.

Montag, 21. März 2011, nachmittags gegen 16:00 Uhr. Duisburg-Marxloh. Überfall auf zwei türkische Jugendliche am Pollmann-Eck. Eine etwa zehnköpfige Gang von – nach Polizeiangaben – Libanesen – hatte die beiden verletzt. Richtig Ärger gab es, nachdem die Polizei zwei Freunden den Zutritt zum Rettungswagen, in dem die beiden behandelt wurden, verwehrt hatte. Wie das dann so geht: die Beamten werfen den beiden jungen Männern schwere Beleidigungen und Widerstandshandlungen vor und nehmen sie vorläufig fest. Schnell stehen Hunderte Menschen am Pollmann-Eck, die Kreuzung ist blockiert, nichts geht mehr. Mitten im Berufsverkehr machen die Autos und Straßenbahnen Pause. Die Polizei, die einschlägige Erfahrungen am Pollmann-Eck hat und deshalb von vornherein „mit zahlreichen Kräften ausgerückt war“, schafft es, Marxlohs zentrale Kreuzung nach einer dreiviertel Stunde wieder frei zu bekommen. Im übrigen: es fällt nicht ein Schuss.

Dienstag, 22. März 2011, vormittags gegen 11.24 Uhr. Duisburg-Walsum. Die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) meldet der Polizei Schüsse auf eine Straßenbahn. Sie „war auf eigenem Gleiskörper von Dinslaken in Richtung Innenstadt zwischen den Haltestellen Watereck und Vierlinden unterwegs, als Fahrgäste den Fahrer auf zwei beschädigte Seitenscheiben auf der linken Seite der Bahn hinwiesen.“ Dem Straßenbahnfahrer erschien dieser Hinweis auch insofern recht plausibel, als dass er soeben „zwei Jugendliche hinter Büschen im Bereich des dortigen VW-Händlers gesehen (hatte), die dann mit einer Sporttasche wegliefen“. Und tatsächlich entdeckten die eintreffenden Polizisten etwa zwei Millimeter große Löcher in den besagten Seitenscheiben. Nach den beiden jugendlichen Sportsfreunden wird gefahndet; insofern ist völlig unklar, ob die Schüsse konkret einer bestimmten Person gegolten haben.

Wenn nicht, wäre dies natürlich schlecht. Allerdings eine Ausnahme. Also, wenn einfach nur so auf Straßenbahnfenster geschossen worden wäre. Denn eins muss auch mal gesagt werden: was auch immer hier bei uns in Duisburg vorgekommen sein mag – Mafiamorde, Rockerkrieg, jetzt dieser Kleinkram – Unbeteiligte kommen eigentlich nicht zu Schaden. Welcome to Duisburg!

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Duisburg: Guttenberg, die Fans und die Polizei

Ramon van der Maat - Bild: Polizei Duisburg

Ramon van der Maat ist Pressesprecher der Duisburger Polizei. Seine Aufgabe ist, Erklärungen abzugeben. Damit verdient er sein Geld. Würde man sich also damit abgeben, zu all seinen Erklärungen Erklärungen abgeben zu wollen, müsste man wohl sämtliche Aufgaben abgeben, mit denen man sich ansonsten noch so abgibt. Da dies zu Erklärungsnöten führen könnte, begnügen wir uns mit den jüngsten Erklärungen, die van der Maat – wie sagt man? Ach ja – abgegeben hat.

Beginnen wir mit dieser hier: “Ich finde es schade, dass nun ein engagierter Politiker weniger auf der Regierungsbank sitzt.“ Sie ahnen, zu welchem Thema sich van der Maat erklärt hat. Richtig: zum Rücktritt Guttenbergs vom Amt des Verteidigungsministers. Ich weiß es nicht, erkläre mir das aber so, dass sich Herr van der Maat nicht dienstlich, sondern privat zu diesem die Republik bewegenden Vorgang geäußert hat. So genau geht das aus der heutigen Printausgabe der Duisburger WAZ nicht hervor.

Doch wie sollte es sonst sein? Dienstlich haben Polizeibeamte nämlich keine politische Meinung, allenfalls gewerkschaftlich – aktuell: zur vermeintlich drohenden „Flüchtlingslawine“ aus Nordafrika – oder, was in diesem Fall wahrscheinlicher ist, da van der Maat bislang nicht als Polizeigewerkschafter in Erscheinung getreten ist, privat.

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Es muss nicht immer Duisburg sein

Was macht ein Wirt, wenn seine Kneipe ihren Ruhetag hat? – Richtig: er geht in eine andere Kneipe. Nächste Frage: was macht ein Streifenpolizist, wenn er seinen freien Tag hat? Was meinen Sie? Einem Privatdetektiv helfen? – Nun, überlegen Sie doch mal! Das kann doch nicht. Nach einem „Streifenpolizisten“ hatte ich gefragt, nicht nach einem Super-Cop Marke Super-Hirn. Bei einem privaten Sicherheitsdienst anheuern? – Mmhh, nicht schlecht. Bei den Hells Angels mitmachen? – Bingo! Richtige Antwort. Allerdings wollte ich hier und heute nicht darauf hinaus. Zumal: bei den Höllenengeln gelten strenge Aufnahmeregeln. Will sagen: die nehmen noch lange nicht jeden. 

Also, nochmal die Frage: was macht ein Streifenpolizist, wenn er seinen freien Tag hat? Oder, präziser formuliert: was machen zwei Streifenpolizisten, wenn sie ihren freien Tag haben? Oder, noch präziser: zwei Duisburger Streifenpolizisten? Richtige Antwort: dies und jenes. Präziser: die einen so, die anderen so. Merke: alle Polizisten sind nicht gleich. Schon gar nicht in ihrer Freizeit. Manche interessieren sich – nur mal so als Beispiel – für Fußball; andere dagegen nicht. Verständlich: bei jedem Heimspiel – hier: des MSV – müssen die sich mit diesen Vollidioten namens Hooligans anlegen. Wenn die dann endlich mal ihre Überstunden abfeiern dürfen, wollen die von Fußball nun aber wirklich nichts mehr hören und sehen. Höchstens vor dem Fernsehgerät. 

Andere Kollegen wiederum gehen so richtig in ihrer Arbeit auf. Die identifizieren sich mit ihrem Job. Auch in ihrer Freizeit. Und die stehen zu ihrem Verein, im Falle von Duisburger Straßencops – logisch: die stehen zum MSV. Also, zurück zu unserer Frage: was machen so – sagen wir mal: besonders engagierte Beamte, wenn der MSV spielt? Auswärts natürlich! Was die bei Heimspielen machen, ist doch klar: Dienst. Also, was machen die bei Auswärtsspielen des MSV? Die besonders engagierten, die sich mit ihrer Arbeit, mit dem MSV und irgendwie auch mit ihrer prominenten Stadt identifizieren können? Haben wir es jetzt? Logisch: die fahren mit. Oder gestern: Pokal-Achtelfinale in Köln. Bei den Nieten vom FC. Die Kölner in der ersten Bundesliga, die Duisburger in der zweiten – trotzdem: der Pokal hat seine eigenen Gesetze. 

40 Tausend Leute, davon 10 Tausend – schönes Wort: Schlachtenbummler, und der MSV macht die Podolski-Truppe zuhause nass. Bei denen zuhause, wie gesagt. Doch darum geht es hier nicht. Fußballergebnisse sind – unter uns gesagt – Kindergarten. Was machen also die beiden Duisburger Streifenpolizisten? Also, nachdem (nix: obwohl) der MSV gewonnen hat? – Richtig: sie machen sich auf, die Einsatzhundertschaft der Kölner Polizei zu überwinden, weil sie mit den Kölner „Problemfans“ noch etwas klären wollen. Dritte Halbzeit – Sie verstehen schon. Nun waren diese beiden Kollegen jedoch schon an der Schlägerei vor dem Spiel beteiligt, so jedenfalls die Kölner Polizei nach Angaben des WDR. Wie auch immer: die Kölner wollten ihre Duisburger Kollegen nicht durchlassen. Die wollten überhaupt keine Duisburger Fans durchlassen, diese Spielverderber. Denn dass es sich bei den beiden um Kollegen handelte, wussten die ja gar nicht. 

Erst einmal nicht. Aber dann, wie es eben so ist direkt nach dem Spiel: körperliche Gewalt, Landfriedensbruch, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, das ganze Programm eben. Die Situation ist eskaliert; aber klare Sache: die Kölner Beamten im Einsatz haben angefangen. Die wollten die Duisburger einfach so nicht vorbei lassen. Und dann haben sie die beiden auch noch festgenommen, jedenfalls ihre Personalien aufgenommen. Ein Tatverdächtiger 35 Jahre alt, ein anderer 40 Jahre – okay, das ist auch noch kein Alter. Beide Angehörige der Duisburger Polizei. Tatvorwürfe gegen das Duo: siehe drei Sätze zuvor. Aktive Beteiligung an der Prügelei wirft ihnen die Kölner Polizei vor. Es sei immer ärgerlich, wenn man gegen Kollegen ermitteln müsse, erklärte Kölns Polizeisprecher auf Anfrage der WAZ. 

Die Duisburger Polizei wolle prüfen, schreibt Spiegel Online, „ob nach den strafrechtlichen Ermittlungen ein Disziplinarverfahren eröffnet wird“. Vom Polizeidienst seien die beiden mutmaßlichen Gewalttäter bislang nicht suspendiert worden, obwohl nach Informationen des WDR die Duisburger Polizisten nicht zum ersten Mal aufgefallen seien. Nochmal: die meisten Polizisten in Duisburg sind ganz anders. Ich bin Duisburger; mir können Sie das glauben. Klar: ein Restrisiko bleibt immer. Sollten Sie also – zum Beispiel an Sylvester – Unsinn vorhaben oder sich, wenn es wärmer wird, einfach mal ein schönes Fußballspiel ansehen wollen, den Zartbesaiteten unter Ihnen sei gesagt: es muss nicht immer Duisburg sein. Andererseits: vielleicht sind die beiden Jungs bei einer normalen Verkehrskontrolle ja auch ganz nett. Freunde und Helfer. Man weiß es nun mal nicht.

Was macht eigentlich die Duisburger Polizei?

Was macht eigentlich die Duisburger Polizei?
Richtig: sie macht alles richtig. Eigentlich immer, und ganz besonders dann, wenn es drauf ankommt. Also auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr. Wird es wirklich wichtig, macht die Polizei es richtig. Dazu drei Beispiele aus der jüngeren und jüngsten Duisburger Vergangenheit.

10. Januar 2009: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Ein voller Erfolg für die Duisburger Polizei. Mehr als zehntausend Menschen beteiligen sich an einer Demonstration gegen die israelische Militäroperation im Gazastreifen, zu der die islamistische Milli Görüs aufgerufen hatte. Als die Menge zwei israelische Fahnen gesehen hatte, die in die Fenster einer Privatwohnung am Rande der Demoroute gehängt waren, heizte sich die Stimmung enorm auf. Geistesgegenwärtig erkannte die Duisburger Polizei sogleich, dass hier Gefahr im Verzuge ist, und riss die Flaggen runter. Absolut gelungene Gefahrenabwehr: keinem Menschen ist irgendetwas zugestoßen, selbst die beiden weißen Stoffe mit dem blauen Davidstern kamen nur geringfügig zu Schaden. Bedenkt man, wie leicht sie hätten zu Brennmaterial an diesem kalten Wintertag werden können, muss man resümieren, dass die beiden Fahnen eigentlich die Hauptnutznießer dieser besonnenen Polizeiaktion waren. Dass dabei die Tür der Wohnung, die die Beamten aufbrechen mussten, ein wenig zu Schaden kam, war vor diesem Hintergrund zu verschmerzen, wie auch ein Universitätsprofessor der Juristerei in einem Gutachten feststellen konnte.

24. Juli 2010: Dass anderthalb Jahre später auf der Loveparade die Bilanz der Duisburger Polizei nicht in einem ganz so strahlenden Licht erscheinen konnte, ist weithin bekannt. Doch sie trifft, wie inzwischen längst von höherrangigen Behörden bestätigt, keinerlei Schuld an dieser Tragödie. Im Gegenteil: der damals amtierende kommissarische Polizeichef machte in seinem Einsatzbefehl sachkundig und detailliert deutlich, was bei dieser miserabel vorbereiteten Massenveranstaltung so alles passieren könne. Und wer weiß, was sonst nicht noch alles hätte passieren können, hätte die Duisburger Polizei nicht den Point of no Return ausgelöst, indem sie einen Rettungswagen in die Unterführung hatte passieren lassen – und mit ihm die an der Kulturveranstaltung interessierte Menschenmasse gleich mit. Niemand kann im Nachhinein sagen, dass ein Eintreten der Katastrophe zu einem späteren Zeitpunkt weniger Todesopfer gefordert hätte. Auch dass sich die Duisburger Polizei sogleich an die Aufklärung der Ereignisse gemacht hatte, obwohl sie nicht einmal dafür zuständig war, findet heutzutage auch kaum noch Beachtung. Fazit: irgendwie wusste man Bescheid; leider konnte dieses Wissen bei der Gefahrenabwehr nicht vollständig verwertet werden. Dennoch: die Polizei hatte alles richtig gemacht.

Ganz genau so liegt der Fall vom 28. November 2010: die Duisburger Polizei wusste genau, dass große Gefahr droht, konnte oder wollte dieses Wissen jedoch nicht verwerten, um nach dem deshalb eintretenden Schaden gegenüber der Presse zu erklären, dass „wir uns korrekt verhalten haben“. Der Reihe nach: am 18. November wurde der Sexualstraftäter Ricardo K. aus der JVA Werl entlassen, wo er in Sicherungsverwahrung einsaß. Daraufhin ließ er sich im Duisburger Stadtteil Homberg nieder – pikanterweise in direkter Nähe einer Grundschule und einer Kita. Der Duisburger Polizei war dieser Umstand lange im Voraus bekannt. Einige Tage nach K.´s Entlassung erklärte Duisburgs neue Polizeipräsidentin gegenüber der NRZ: „Wir haben uns auf diese Situation vorbereitet und arbeiten eng mit allen beteiligten Stellen zusammen, wie mit der Führungsaufsicht und dem Bewährungshelfer. Der Entlassene hat Auflagen bekommen und muss sich regelmäßig bei der Polizei melden. Diesen Auflagen kommt er bisher nach“.

Und weil sich K. so „kooperativ“ zeigte, stellte die Polizei seine Überwachung am 24.11. ein. Am 28.11. überfiel K. dann ein zehnjähriges Mädchen, das sich Gott sei Dank, obwohl er es am Hals gewürgt hatte, befreien und weglaufen konnte. Vorgestern, also am 06.12., zitierte „Spiegel Online“ aus polizeiinternen Unterlagen, die belegen, dass die Duisburger Polizei den 47-Jährigen für sehr gefährlich hielt. Sie erstellte ein „Personagramm“, das K. „eine starke antisoziale Störung“ sowie die Unfähigkeit bescheinigt, sich an die rechtlichen Normen der Gesellschaft zu halten. Wörtlich heißt es: „Er wird infolge seines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit als gefährlich eingestuft.“ Auch, dass nach Ansicht des Anstaltspsychologen eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung nicht verantwortet werden konnte, lag der Duisburger Behörde vor. Mehrere Therapieversuche seien an der „Verweigerungshaltung“ des Häftlings gescheitert, gab der Psychologe zu Protokoll.

Auf diese Veröffentlichung angesprochen, erklärte der Pressesprecher der Duisburger Polizei gegenüber der Lokalpresse, dass „wir uns korrekt verhalten haben“. Die 24-stündige Observation sei personalaufwändig und könne mit den Persönlichkeitsrechten des Entlassenen in Konflikt geraten. Doch genau dies zu meistern, hatte die Polizeipräsidentin öffentlich zugesagt – nämlich „einerseits für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen und andererseits die Rückkehr des Mannes in ein straffreies Leben zu ermöglichen“.

Nachdem die Duisburger Polizei an dieser selbst definierten „Aufgabe“ gescheitert ist, lässt sich ihr Pressesprecher stets mit dem Hinweis vernehmen, dass „man eine Sicherungsverwahrung nicht auf der Straße nachstellen“ könne. Sehr geistreich. Drinnen ist etwas Anderes als draußen. Das dachten wir uns schon. Eine Frage muss aber zulässig sein: ist diese, sagen wir mal: unglückliche Bemerkung so zu verstehen, dass sich die Polizei außerstande sieht, die Bevölkerung vor einem potenziell gefährlichen Straftäter zu schützen. Die Frage muss deshalb gestellt werden, weil ein weiterer in Sicherungsverwahrung einsitzender Mehrfachtäter angekündigt hatte, sich nach seiner in Kürze anstehenden Entlassung ebenfalls in Duisburg niederzulassen.

Nachtrag: selbstverständlich ist es ein unhaltbarer Zustand, dass hochgefährliche Triebtäter entlassen werden und die Polizei zusehen muss, dass nichts passiert. Innenminister Jäger hat Recht, wenn er sagt, dass dieses Problem entstanden ist, weil der Bundesgesetzgeber zu lange untätig war. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte freilich auch richtig entschieden, dass es nicht angehen kann, Inhaftierten nachträglich eine Sicherungsverwahrung aufzubrummen. Wenn ein Gericht für Menschenrechte solch eine Praxis nicht für widerrechtlich erklärt, kann es sich auch gleich auflösen. Man denke daran, dass es auch in Europa Regime gibt, denen man für dieses rechtsstaatswidrige Instrument keinen Persilschein ausstellen möchte.

Der Deutsche Bundestag hat diese Angelegenheit letzte Woche in Ordnung gebracht und eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung mit großer Mehrheit beschlossen. Die Möglichkeit einer Sicherungsverwahrung muss jetzt mit dem Strafurteil verkündet werden. Wichtig ist auch, dass Delikte ohne Gewaltanwendung wie Vermögensstraftaten jetzt nicht mehr Anlasstat für eine Sicherungsverwahrung sein können. Doch das neue Gesetz muss erst noch von den Ländern umgesetzt werden. Es kann also sein, dass der oben erwähnte, aus der Sicherungsverwahrung zu entlassende Mann nicht der einzige bleiben wird, den die Duisburger Polizei im Auge zu behalten haben wird. Ein Grund mehr, sich nicht mit den Einlassungen vom vermeintlich korrekten Verhalten zufrieden zu geben.

Duisburg-Homberg: Polizei lässt Serientäter aus den Augen

Heute Nachmittag wurde gemeldet, dass ein letzte Woche aus der Sicherungsverwahrung entlassener Straftäter in Duisburg ein Mädchen überfallen haben soll. Die 10-Jährige habe weglaufen können und sei unverletzt geblieben. Heute werde der Mann dem Haftrichter vorgeführt. Der Mann musste trotz negativer Prognose freigelassen werden, weil bekanntlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Dezember 2009 die deutsche Praxis, nachträglich Sicherungsverwahrung zu verhängen, für menschenrechtswidrig erklärt hatte.

Seitdem öffentlich bekannt wurde, dass dieser hochgefährliche Serientäter beabsichtigt, sich im linksrheinischen Duisburg-Homberg niederzulassen, hat das Thema die Lokalpresse beschäftigt, jedoch nicht für allzu große Aufregung gesorgt.

Spektakulär wurde ein Fall aus Heinsberg, wo ein 58-Jähriger, der drei Mädchen vergewaltigt hatte, nach 20 Jahren aus der Haft entlassen wurde. Dort warnte der Landrat öffentlich mit der Folge, dass monatelang „besorgte Bürger“ – mit Unterstützung rechtsradikaler Scharfmacher – vor dem Haus des Ex-Häftlings für Aufruhr gesorgt hatten. 

Verglichen damit blieb es in Duisburg bisher erstaunlich ruhig. Das dürfte sich nunmehr deutlich ändern. Es steht zu befürchten, dass jetzt auch in Duisburg Sprüche à la Heinsberg die Runde machen werden. Die Polizei wird sich fragen lassen müssen, warum sie nicht in der Lage war, solch einen Vorfall zu verhindern. Noch in der letzten Woche erklärte Duisburgs neue Polizeipräsidentin Elke Bartels gegenüber der NRZ:
„Wir haben uns auf diese Situation vorbereitet und arbeiten eng mit allen beteiligten Stellen zusammen, wie mit der Führungsaufsicht und dem Bewährungshelfer. Der Entlassene hat Auflagen bekommen und muss sich regelmäßig bei der Polizei melden. Diesen Auflagen kommt er bisher nach“. Der Mann und sein Umfeld würden von Polizisten beobachtet, um bei Bedarf schnell einschreiten zu können. 

Der Hinweis auf die personelle Unterbesetzung dürfte kaum ausreichen, falls sich herausstellen konnte, dass die Polizei in diesem Fall versagt haben sollte. Die Polizei hat die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, und in diesem Fall war sie bestens über die Gefährlichkeit des Haftentlassenen informiert. Das ohnehin schon ramponierte Image der Duisburger Polizei dürfte abermals mehr als nur einen Kratzer abbekommen. 

Der nunmehr erneut inhaftierte, als nicht therapierbar geltende Täter wird auf lange Sicht nicht mehr für Probleme sorgen; denn es ist davon auszugehen, dass bei seiner Verurteilung eine Sicherungsverwahrung sogleich mit angeordnet wird. In diesem Fall völlig rechtmäßig und berechtigt. Das ändert nichts daran, dass in Kürze ein weiterer aus der Sicherungsverwahrung Entlassener sich in Duisburg niederlassen will. Bleibt zu hoffen, dass die örtliche Polizei aus dem aktuellen Fall ihre Schlüsse ziehen wird. 

Was die jetzt vermutlich unvermeidliche Diskussion über die Sicherungsverwahrung betrifft, ist daran zu erinnern, dass von diesem schwersten Eingriff in die Freiheitsrechte in Deutschland keineswegs nur Schwerverbrecher betroffen sind, sondern auch Menschen, die wegen Diebstahls, Betrugs oder Urkundenfälschung verurteilt wurden. Nach Angaben der FTD befanden sich 2009 36 Personen in Sicherungsverwahrung, ohne dass ihnen irgendeine Art von Gewaltanwendung zur Last gelegt wurde. Darunter auch ein Heiratsschwindler aus Bayern, der zu zehn Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist – wegen der gleichzeitigen Anordnung also menschenrechtlich nicht zu beanstanden.

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„Das Thema ist erledigt.“ – Die Polizei zum Totenkopf-Schlagstock

Auf der Studentendemonstration am 17.11.09 hatte ein Polizist einen Totenkopf-Aufkleber auf seinem Schlagstock. Wir haben Ulrich Faßbender, den Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Essen und Tanja Horn, die Pressesprecherin dazu befragt.

Ruhrbarone: Was ist in dieser Angelegenheit bisher passiert?

Horn: Derjenige ist relativ schnell identifiziert worden. Natürlich ist er innendienstlich sehr dazu befragt worden. Es ist ein Verfahren eingeleitet worden. Der Kollege hat glaubhaft erklärt, dass der Totenkopf aus dem Videospiel „Guitar Hero“ stammt. Da ist ein Aufkleber-Set dabei. Mit Rosen, Vögelchen und einem Totenkopf. Den hat er auf seinen Schlagstock geklebt. Mindestens geschmacklos, aber völlig nicht darüber nachgedacht.

Ruhrbarone: Was meinen Sie mit geschmacklos?

Horn: Damit meine ich, dass es nicht mehr und nicht weniger ist. Es ist kein Verstoß gegen irgendwelche gesetzliche Norm. Es macht ein ganz schlechtes Gefühl. Und ich finde es auch nicht in Ordnung. Und deswegen wurde der Kollege innendienstlich zur Rechenschaft gezogen.

Faßbender: Der Kollege hat uns glaubhaft versichern können, dass er die unterstellte Gesinnung in keinster Weise damit verbunden hat. Dieses Fehlverhalten des Beamten hat natürlich das Ansehen der Polizei in Misskredit gebracht. Wir müssen gucken, inwieweit es intern sanktioniert werde muss.

Ruhrbarone: Und inwieweit wird es sanktioniert?

Faßbender: Dem Kollegen wurde ordentlich der Kopf gewaschen und damit ist das Ding für die Zukunft erledigt.

Ruhrbarone: Keine dienstrechtlichen Folgen?

Faßbender: Genau.

Ruhrbarone: Keine Strafe?

Faßbender: Keine. Die Konsequenzen wären für ihn drastischer ausgefallen, wenn wir den Eindruck gehabt hätten, dass es Rechtstendenzen bei dem Kollegen gegeben hat. Aber das ist nicht der Fall.

Ruhrbarone: ..weil der Polizist unwissend war? Aber Unwissenheit schützt doch nicht vor Strafe.

Faßbender: Dass das jetzt mit Ahnungslosigkeit erklärt wird, das ist natürlich ein anderes Extrem. Wo sie natürlich zu Recht einhaken und sagen: dann darf ihm das trotzdem nicht passieren. Gut. Aber das sind auch alles nur Menschen, die Fehler machen.

Ruhrbarone: Werden die Polizisten während der Ausbildung denn nicht über die Nazi-Symbolik aufgeklärt?

Horn: Bestandteil der polizeilichen Ausbildung ist auch Staatsbürgerkunde. Da findet auch die deutsche Geschichte ihren Anteil. Da wird darüber geredet.

Ruhrbarone: Reicht ein Gespräch aus, damit das in der Zukunft nicht mehr passiert?

Faßbender: Das ist sehr präventiv. Das ist durch die Diskussion in der Öffentlichkeit nicht nur in Essen, sondern in ganzem Land ein Thema geworden. Dass dieser Kollege aus Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit, keine Ahnung was, nicht darüber nachgedacht hat, was das bedeutet, bei einer Demo einen Schlagstock mit diesem Symbol zu tragen.

Ruhrbarone: Wie konnten die anderen Kollegen den Aufkleber nicht früher bemerken und melden?

Faßbender: Der Aufkleber ist ja schon in der Demo entfernt worden.

Ruhrbarone: Nachdem ihn einige Demonstranten bemerkt haben und Fotos davon gemacht haben. Warum nicht davor?

Horn: Ich weiß nicht, wie lange der Kollege den Aufkleber hatte. Ich weiß auch nicht, ob das andere Kollegen bemerkt haben. Wir haben auch niemanden aus der Hundertschaft dazu befragt. Das ist nicht gemacht worden. Man hat das mit dem Kollegen entsprechend so bearbeitet, wie wir das besprochen haben. Und wie es aus meiner Sicht auch richtig ist.

Ruhrbarone: Konnten Sie in diesem Gespräch nicht erfahren, wie lange er den Aufkleber schon hatte?

Horn: Ich weiß nicht, wie lange er den schon hatte. Wir haben ja das Gespräch nicht geführt, das haben seine Chefs gemacht. Alles was wir wissen müssen, ist bekannt.

Ruhrbarone: Haben Sie ein Protokoll von diesem Gespräch?

Horn: Nein.

Ruhrbarone: Es ist also nicht auszuschließen, dass Kollegen, die über diese Symbolik wussten, den Aufkleber bei ihrem Kollegen bemerkt haben. Und nichts gemacht haben. Finden Sie das nicht interessant zu hinterfragen?

Horn: Ja doch, das finde ich auch interessant. Aber ich weiß es jetzt einfach nicht.

„Ich halte das für angemessen.“ – Die Polizei zur Studentendemo

Der Bildungsstreik in Essen sorgt weiterhin für Diskussionen. Wie wir berichtet haben, wurden am 17.November auf einer friedlichen Studentendemonstration rund 150 Demonstranten von der Polizei eingekesselt und festgenommen. Erste Auseinandersetzungen mit der Polizei gab es, als die Studenten von der geplanten Route abkamen und in der Innenstadt demonstrierten. Wir haben mit Ulrich Faßbender, dem Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Essen, und Tanja Horn, der Pressesprecherin gesprochen.

Ruhrbarone: Was war die Aufgabe der Polizei bei der Studentendemo am 17.11. in Essen?

Faßbender: Wir als Polizei sind für die Sicherheit der Demonstrationsteilnehmer, aber auch für die Sicherheit der übrigen Bürger in dieser Stadt zuständig. Und da ist dieser Interessenskonflikt. Aus Sicht der Studenten kann man sicherlich nachvollziehen, dass sie sagen, wir fühlen uns hier jetzt nicht ernstgenommen. Wir durften nur in Nebenstraßen demonstrieren und wir gehen jetzt trotzdem so wie wir wollten in die Einkaufsstraße. Man muss auch eine Abwägung treffen: das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit auf der einen Seite und auf der anderen Seite auch die Belange der anderen Bürger.

Ruhrbarone: Inwiefern wurden denn die Interessen der Bürger in der Einkaufsstraße beschnitten?

Horn: Dazu habe ich eine eigene Wahrnehmung. Weil ich das eben selber vor Ort gesehen habe. Wenn eine Gruppe von mehreren Hundert eine schmale Einkaufsstraße begeht, dann heißt das, die Hundert gehen da her und für alle anderen ist kein Platz, die zum Zwecke des Einkaufens dort hingekommen sind. Man hat Menschen gesehen, die links und rechts in die Geschäfte reingingen, die aber auch sehr beeindruckt waren. Es soll Aufmerksamkeit erzielt werden, das soll so sein auf einer Demo, das ist soweit auch in Ordnung. Aber die Leute, die zum Einkaufen in die Innenstadt kommen, haben auch das Recht jederzeit dort einzukaufen.

Ruhrbarone: Denken Sie, dass man das Recht auf Versammlungsfreiheit, laut Artikel 8 des Grundgesetzes, gegen eine sehr geringe mögliche Interessenverletzung der Einkaufenden aufwiegen kann?

Horn: Wir haben den Studenten die Möglichkeit geboten, in der Nähe der Fußgängerzone, wo auch Menschen sind, zu demonstrieren. Die Einschränkung und Auflagen waren gering. Es war eine Außenwirkung da. Ganz viele Leute haben mitbekommen, dass die Demonstration war. Das Ziel war absolut erreicht. An der Stelle, wo in die Fußgängerzone gegangen wurde, war aus meiner Sicht das Gefühl da: wir halten uns nicht an die Auflagen.

Ruhrbarone: Und ab diesem Zeitpunkt gab es dann Probleme?

Horn: Die Versammlung wurde etwas nach 12 Uhr für beendet erklärt. Die Studenten haben aber weiterhin den Eindruck einer Versammlung erweckt. Mit einer größeren Gruppe, also ein paar Hundert, ist dann die Kettwigerstraße und damit die Innenstadt begangen worden. Und das war eben vorher ausdrücklich per Auflage untersagt. Diese größere Gruppe ist dann erstmal Richtung Dom gegangen. Dann kam es eben auf den Straßen, explizit auf der Hollestraße, zu Straßensperrungen und gefährlichen Situationen.

Ruhrbarone: Das kann man auch gut nachvollziehen. Man sollte die Menschen und den Verkehr schützen, aber wen oder was wollten Sie im City-Center schützen? Wo es ja später zur Einkesselung kam.

Horn: Man muss sagen, die Gruppe ist immer kleiner geworden. Es hat immer mehr Demonstranten gegeben, die erkannt haben, die Lautsprecheransagen machen Sinn. Eine Gruppe, von etwa 200 Personen, ist dann schließlich ins City-Center direkt vor das Rathaus. Und sind dort dann auch mehrfach angesprochen worden, diesen Bereich nicht mehr zu blockieren. Und schon gar nicht ins Rathaus reinzugehen. Was zu vermuten stand.

Ruhrbarone: Also ging es primär um die Gefährdung des Rathauses.

Horn: Nein. Das ist ein Teilaspekt. Also vielmehr ging es um das, was im Vorfeld war. Und das wir nicht absehen konnten, wie es weiter geht. Es gab auch keinen Versammlungsleiter mit dem wir Absprachen treffen konnten.

Ruhrbarone: An dieser Stelle wurden dann ja auch die Studenten eingekesselt. Von wem wurde diese Entscheidung getroffen?

Horn: Bei allen größeren Einsätzen gibt es einen Polizeiführer. Den gab es hier auch. Das muss so sein. Es muss ja einer letztendlich die Fäden in der Hand haben. Und der Polizeiführer hat an einer bestimmten Stelle entschieden: so jetzt haben wir genug Langmut besessen und irgendwann müssen den Ankündigungen auch Taten folgen.

Ruhrbarone: Wann genau wurde entschieden, die Studenten am Porscheplatz einzukesseln?

Horn: Situation Hollestraße. Sperrung des fließenden Verkehrs, gefährliche Situationen mit Autofahrern. Situation Fahndungskreisel, Gefahr des Einmarsches in das Rathaus.

Faßbender: Natürlich arbeitet man da mit Prognosen. Und stellen Sie sich vor, da wäre etwas passiert. Die Vorwürfe möchte ich mir nicht anhören.

Ruhrbarone: Hat die Polizei mit dieser Entscheidung nicht selbst zur Eskalation beigetragen?

Horn: Die Entscheidung, die getroffen wurde, war verhältnismäßig. Wir haben mehrfach angekündigt, was passieren wird, wenn die Studenten und Schüler sich weiter so verhalten. Wir dürfen ja kein zahnloser Tiger sein.

Faßbender: Das Demothema war bis dato eigentlich gut transportiert. Die Botschaft ist gut rübergekommen und wär die Demo da zu Ende gewesen, dann wär in den Medien über eine super Demo berichtet worden. Es geht in erster Linie gar nicht mehr um das Bildungsthema, sondern es geht um die Polizeirepression. Das finde ich schade.

Ruhrbarone: Einige eingekesselte Demonstranten wurden mitgenommen und mussten ihre Personalien angeben. Andere durften einfach gehen. Auf die Nachfrage von Birsen Sevim warum ausgerechnet sie mitgenommen wird und andere gehen dürfen, sagte der Polizist: „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie sind jetzt die Glückliche.“

Horn: Gut, war jetzt keine glückliche Antwort von dem Kollegen. Ganz klar. Der hat sie in völliger Unsicherheit gelassen. Aber es durften nur Kinder gehen. Ansonsten ist diese Aussage falsch.

Ruhrbarone: Laut unseren Augenzeugenberichten wurde auch ein Demonstrant im Kessel von einem Polizisten mit einem Gegenstand bedroht, der wie ein Elektroschocker aussah.

Horn: Elektroschocker gehören nicht zu den Ausrüstungsgegenständen. Keiner von den Beamten, die vor Ort waren, hatte einen privaten Elektroschocker dabei.

Ruhrbarone: Könnte es dann ein Pfefferspray gewesen sein?

Horn: Pfeffersprays gehören zur Ausrüstung der Polizei, ist aber bei dieser Demonstration nicht eingesetzt worden. Ob ein Kollege ein Pfefferspray in der Hand hatte, kann ich nicht sagen.

Ruhrbarone: Bei einigen Demo-Teilnehmer kam es auch zu Gewaltanwendungen Seitens der Polizei. Wie bewerten Sie das?

Horn: Ich habe auch Situationen gesehen, in denen leicht geschuppst wurde. Und die Schubserei, die ich vor Augen habe, war die am Grillo Theater. Ich halte das für angemessen.

Faßbender: Es gibt ja dieses Video auf Youtube. Der wird ja nirgendwo vorgehauen. Da wird ein Demonstrant ja nur von einem Kollegen ein paar Meter über den Platz gezogen.

Ruhrbarone: Ja, aber am Kopf.

Faßbender: Am Kopf? Wo er genau angefasst hat, habe ich nicht gesehen. Für mich waren das die Schultern.

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