Die Bandbreite menschlichen Verhaltens ist unfassbar. Eine der ironischen „Rules of Internet“ lautet sinngemäß: Wenn du es dir vorstellen kannst, gibt es Pornographie darüber. Ich glaube das aufs Wort, auch ohne meinen Browserverlauf zu besudeln. Auch ohne eine psychische Erkrankung machen Menschen ungewöhnliche und unverständliche Dinge. Das Netz ist voll davon. Aber in dem Moment, in dem eine Diagnose auftaucht, tendieren wir dazu, den Menschen nur noch unter diesem Stempel zu betrachten. Bemerkenswerterweise kann die Diagnose sowohl zu einer Abwertung als auch zu einer Überhöhung führen.
Wie gefährlich ist Donald Trump?
In Amerika war das Buch „The dangerous case of Donald Trump“ ein New-York-Times-Bestseller. Die deutsche Übersetzung („Wie gefährlich ist Donald Trump? 27 Stellungnahmen aus Psychiatrie und Psychologie“), die kürzlich erschienen ist, hat noch nicht so großes Medien-Echo verursacht. Das könnte auch daran liegen, dass sie bei einem Fachverlag erschienen ist. Dabei ist das Buch durchaus auch an Laien gerichtet.
Als Psychiater lese ich die 27 Aufsätze natürlich besonders interessiert, aber auch kritisch.
Fixierungen in der Psychiatrie – wird jetzt alles neu?
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Fixierungen in Psychiatrien zukünftig nur noch auf richterliche Anordnung durchgeführt werden dürfen. In den meisten Bundesländern reichte hierfür bislang ein Unterbringungsbeschluss aus. Der Betroffene wurde also durch einen Richter gegen seinen Willen auf einer geschlossenen psychiatrischen Station untergebracht, somit bereits seiner Freiheit beraubt. Ob weitergehende Maßnahmen – etwa das Einschließen in einem Zimmer oder eben die Fixierung an einem Bett – notwendig waren, entschieden die Ärzte.
Ich habe selbst als Psychiater lange auf geschlossenen Stationen gearbeitet und diese Praxis nicht in Frage gestellt. Schließlich hat ein Richter bereits festgestellt, dass die betroffene Person aufgrund ihrer psychischen Erkrankung für sich oder andere gefährlich ist und ihre Freiheit eingeschränkt werden muss.
Stellungnahme zum bayerischen PsychKHG
Hier diskutierten Sebastian Bartoschek und Robert von Cube über den bayerischen Gesetzentwurf für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Mittlerweile haben auch die DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde) und die Bundesdirektorenkonferenz zu dem Entwurf Stellung genommen. Und die Kollegen lassen kein gutes Haar an dem Machwerk, das sie Paragraph für Paragraph auseinander nehmen. Vieles bestätigt, was wir auch gesagt haben und einige interessante weitere Gesichtspunkte kommen hinzu. Hier der Link (via den Kollegen von Psychiatrie-to-go): https://psychiatrietogo.files.wordpress.com/2018/04/180312_entwurf-baypsychkhg-vergleich.docx
017 Das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz
Werden in Bayern psychisch Kranke bald wie Kriminelle behandelt und registriert? Es macht den Anschein, wenn man sich diesen Gesetzesentwurf anschaut. Psychiater Robert von Cube und Psychologe Sebastian Bartoschek schauen ein wenig genauer hin, und kommen zu der Einschätzung, dass hoffentlich jemand gegen das Gesetz vors Verfassungsgericht zieht.
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Krank, gestört, auffällig? Der Täter von Münster
Laut Stern ist der Täter gleich alles drei gewesen: psychisch krank, psychisch gestört und psychisch auffällig. Aber was heißen diese Begriffe überhaupt, was wissen wir wirklich und was nützt uns dieses Wissen?
In dem Stern-Bericht heißt es: „Zudem soll er laut Medienberichten psychisch krank gewesen sein, was irgendwie selbstverständlich ist, wenn einer sein Auto als Waffe missbraucht, um scheinbar wahllos Menschen zu töten.“ Dieser Satz ist in doppelter Hinsicht übel. Er stigmatisiert psychisch Kranke, die in der allergrößten Mehrheit friedfertig sind und er befördert Missverständnisse darüber, zu was gesunde Menschen in der Lage sind. Denn normalerweise sind Mörder nicht krank.
Diese Spitzelpille telefoniert mit ihrem Arzt
Es klingt wie Science Fiction: Eine Pille informiert den Arzt per Funk darüber, ob sie genommen wurde. Aber die neue Abilify MyCite® tut genau das. Der darin befindliche Wirkstoff Aripiprazol ist ein sogenanntes atypisches Neuroleptikum und wird zur Behandlung von Schizophrenien und bipolaren Störungen eingesetzt.
Medizin für den Kopf – Teil 4: Wechselwirkungen
In diesem vierten Teil meiner Serie über Psychopharmaka will ich auf Wechselwirkungen eingehen und auf die Frage, warum so viele Menschen mehrere Mittel gleichzeitig bekommen. Hier findet ihr Teil 1, Teil 2 und Teil 3.
Was sind denn überhaupt Wechselwirkungen? So etwas Ähnliches wie Nebenwirkungen, oder? Ja und nein. Wechselwirkungen können sich in Nebenwirkungen zeigen. Aber auch in einem Ausbleiben der Wirkung. Oder in zu starker Wirkung. Wechselwirkungen oder Interaktionen bezeichnen das Wechselspiel verschiedener Substanzen im Körper untereinander. Meistens handelt es sich dabei um verschiedene Medikamente, aber auch Nikotin oder etwa Grapefruitsaft können Wechselwirkungen verursachen. Meistens bedeuten sie, dass eine Substanz vermehrt oder aber vermindert im Körper kreist. Aber der Reihe nach.
Etwa 42% der über 65-jährigen Menschen nehmen fünf oder mehr verschiedene Arzneimittel gleichzeitig ein. Man nennt das Polypharmazie. Pflegeheimbewohner bekommen durchschnittlich zwischen sechs und sieben verschiedene Medikamente. Man muss sich diese Zahlen auf der Zunge zergehen lassen. Schaut man sich die älteren Leute heutzutage an, meint man ja nicht unbedingt, dass überhaupt so viele von ihnen Medikamente bräuchten,
Noch mehr Zwangsbehandlungen?
Neben dem Einsatz von Staatstrojanern und der Fernsehübetragung von Gerichtsurteilen hat der Bundestag gestern auch eine Änderung des Gesetzes beschlossen, dass die Zwangsbehandlung von Personen regelt, die unter Betreuung stehen. Es gibt nun die Möglichkeit, auch Menschen zwangsweise zu behandeln, die nicht in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht sind. Das klingt zunächst nach einer Ausweitung der Möglichkeit, Freiheitsrechte einzuschränken.
Ein Wellness-Trailer durch die Psychiatrie
Was war das eigentlich, das da gestern unter dem Titel „Hirschhausens Check-up (2): Wie die Mitte des Lebens gelingt“ im Ersten lief? Eine Dokumentation? Ein Ratgeber? Ein filmgewordener Sprüchekalender? Ich muss einräumen, dass ich die Sendung vielleicht mit falschen Erwartungen angeschaut habe, weil ich gelesen hatte, der Film zeige, wie Kollege v. Hirschhausen sich drei Tage in einer Psychiatrie als Patient aufnehmen lasse. Das kam auch vor. Irgendwie. Ich weiß aber nicht warum.