Merkel weht der Wind seit der Wulff-Präsentation ins Gesicht. Ihr geht die Düse, denn sie hat schon einmal miterlebt, wie ein Kanzler mit seinem Vorschlag für einen Bundespräsidenten scheiterte.
Für Helmut Kohl war die Sache klar. Nach dem ungemein populären und ihm in vielerlei Hinsicht überlegenen Richard von Weizsäcker wollte der Kanzler auf Nummer sicher gehen. Zum Weizsäcker Nachfolger wollte er jemanden küren lassen, der den Schein der Pfälzer Sonne nicht trüben würde. Der Mann hieß Steffen Heitmann, war Justizminister in Sachsen und wurde 1993 der Öffentlichkeit präsentiert.
CDU und FDP verfügten damals über ein ordentliche Mehrheit in der Bundesversammlung und die SPD sah sich unter Rudolf Scharping auf dem Tiefpunkt angekommen. Eine, wie man heute weiß, optimistische Einschätzung.
Doch dann gab Heitmann der Süddeutschen Zeitung ein Interview. Heitmann sagte Sätze wie: „Eine multikulturelle Gesellschaft kann man nicht verordnen, sie kann allenfalls wachsen.“ oder „Ich glaube, daß der organisierte Tod von Millionen Juden in Gaskammern tatsächlich einmalig ist – so wie es viele historisch einmalige Vorgänge gibt.“
Das führte zu einem Aufschrei in den Medien. Kohl versuchte die Situation auszusitzen. Aber der Protest gegen Heitmann wurde immer lauter. Die FDP ließ Kohl hängen. Die SPD nominierte Johannes Rau. Der schien auch für die FDP wählbar zu sein. Kohl reagierte: Heitmann verzichtete auf seine Kandidatur. Roman Herzog wurde nominiert und gewann, mit den Stimmen der Liberalen, im dritten Wahlgang gegen Rau.
Merkel hat diese Niederlage Kohl aus nächster Nähe miterlebt. Damals war sie noch sein „Mädchen“ und saß als Ministerin für Frauen und Jugend am Kabinettstisch.
Eine solch Niederlage könnte ihr nun ebenfalls drohen. Nicht weil Wulff so ein fürcherlicher Kandidat wäre, sondern weil Gauck so viele Unterstützung erfährt. „Man erträgt den Gedanken an Christian Wulff nur dann, wenn man den Gedanken an Joachim Gauck verdrängt“ schreibt Nils Minkmar heute in der FAZ und die bezeichnet Gauck als idealen Bundespräsidenten. Das sehen viele so in diesen Tagen.
Die nächsten Wochen werden bitter für Merkel und für Wulff. Kann sein, das Wulff nicht durchhält. Wer möchte schon gegen den Willen von sehr vielen Menschen Bundespräsident werden? Ein Amt haben, dessen Autorität sich aus der Akzeptanz der Menschen speist und nicht aus der realen Macht?
Nachdem Heitmann seine Kandidatur zurückgezogen hatte, blieb er übrigens bis 2000 Justizminster in Sachsen. Er trat erst nach einem Skandal zurück. Warum sollte Wulff nicht versuchen einen ähnlichen Weg zu gehen? Vieles Optionen, auch der Wechsel in die Wirtschaft, sind attraktiver als ein unbeliebter Bundespräsident zu werden. Für Wulff würde das Leben weiter gehen. Schwierig würde es für „Mutti“…