Rettungsdienst: „Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen.“

Magnus Memmeler Foto : Privat

Der Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur „ Reform der Notfall- und Akutversorgung: Rettungsdienst und Finanzierung“ wurde vorgelegt. Die Ruhrbarone sprachen mit Magnus Memmeler.  Neben aller Zuversicht und seiner Begeisterung sorgen ihn die föderalen Herausforderungen, der Standesdünkel und die Besitzstandsängste der Beteiligten.

Ruhrbarone: Herr Memmeler, das in der vergangenen Woche veröffentlichte Papier des BMG hat für viele spontane Reaktionen und für einen Niederschlag in den Medien gesorgt. Bei unserer Anfrage, ob Sie sich zu dieser großen Reformidee äußern wollen, blieben Sie recht gelassen und haben darauf verwiesen, dass das Thema auch noch eine Woche später interessant ist.

Woher kommt diese plötzliche Gelassenheit, obwohl aktuelle Themen doch sonst auch direkt von Ihnen aufgegriffen werden? Taugt das Papier etwa nichts?

Memmeler: Das Papier ist aus meiner Sicht großartig, weil es von vornherein gut in flankierende Reformen eingebettet platziert wurde. Außerdem greift es die von der Bertelsmann Stiftung und der Björn Steiger Stiftung angeregten Novellierungen auf, über die wir hier bereits berichtet hatten. Endlich soll der Rettungsdienst als medizinische Leistung wertgeschätzt werden und nicht länger auf den Transport von A nach B reduziert bleiben, bei dem halt nebenbei Leben gerettet wird. Nebenbei wurden hier zahlreiche Schnellschüsse korrigiert, die den Novelierungsversuch der Notfallversorgung durch Jens Spahn einst unweigerlich scheitern ließen.

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Rettungsdienst: Tarifvertrag mit Signalwirkung

2. v. l. Peter Schröter Gesellschafter, 3. v. l. Michael Kaulen KOMBA, 1. v r. Magnus Memmeler Geschäftsführer, gemeinsam mit den Mitglieder der Tarifkommission der Reinoldus Rettungsdienst gGmbH: Andi Kirschnowski, Dennis Meyer-Soltau und Marvin Rehbein
(Foto: privat)

Die Tarifverhandllungen eines regionalen Rettungsdienstbetreibers im östlichen Ruhrgebiet sorgt für Aufregung in der Rettungsdienstszene. Wenn man so will, fürchtet die große Branche Rettungsdienst den berühmten Flügelschlag eines Schmetterlings. Die spontanen Reaktionen und Kommentare im Web haben uns veranlasst bei Magnus Memmeler nachzufragen. 

Ruhrbarone: Das Rettungsdienstunternehmen, das Sie als Geschäftsführer im östlichen Ruhrgebiet vertreten, hat einen neuen Haustarifvertrag ausgehandelt. Was ist daran so besonders?

„Gemeinsam mit der Tarifkommission des Betriebsrates der Reinoldus Rettungsdienst gGmbH und Herrn Michael Kaulen, Leiter Geschäftsbereich Tarif der KOMBA Gewerkschaft NRW, konnten der Gesellschafter der Reinoldus Rettungsdienst gGmbH, Peter Schroeter, und deren Geschäftsführer, Magnus Memmeler, am 16.08.2023 einen für die Branche wegweisenden und ab dem 01.09.2023 gültigen Tarifvertrag auf den Weg bringen.“

Memmeler: Zunächst muss man sagen, dass das Zustandekommen dieses Tarifvertrages, wie immer, eine Gemeinschaftsleitung darstellt. So etwas entsteht nie als Einzelleistung einer Tarifpartei. Unsere Mitarbeitenden wurden hervorragend durch die Mitglieder der Tarifkommission unseres Betriebsrates vertreten und mit der KOMBA NRW haben wir eine für uns zuständige Gewerkschaft als Verhandlungspartner gehabt, die sicher und selbstbewusst aufgetreten ist, da diese erkannt hat, dass es ein einfaches „weiter so“ im Rettungsdienst nicht mehr geben darf, wenn wir weiterhin Mitarbeitende für einen so wichtigen Beruf begeistern wollen.

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Bevöllkerungsschutz: Es bleibt eine Katastrophe

Magnus Memmeler Foto : Privat

Im letzten Interview  sprachen wir mit Magnus Memmeler über die Pleite des Dortmunder Rettungsdienstes ASB heute geht es mal wieder um den Bevölkerungsschutz und auch ein wenig um den Rettungsdienst.

Ruhrbarone: Wer Ihnen in den Sozialen Medien folgt, weiß, dass sich die Bevölkerungsschutzgemeinde ab dem 14.06.2023 für vier Tage in Dortmund trifft. Anlass genug für uns, uns erneut nach dem Sachstand und den Baustellen im Bevölkerungsschutz zu erkundigen. Gibt es bereits erste Lernerfolge aus der Coronakrise und den Starkregenereignissen 2021 zu verkünden? Und wenn ja, was wurde bislang umgesetzt?

Memmeler: Vollkommen richtig, ab dem 14.06.2023 beginnt in Dortmund die Fachmesse 112rescue, bei der sich nicht nur Hersteller und Lieferanten von Einsatzmitteln, Zubehör und Einsatzkleidung präsentieren, sondern auch viele Fachbesucher anreisen, um sich auszutauschen und zahlreiche Fachvorträge zu besuchen. Für fachfremde Besucher wird es sicherlich auch ein wenig wie das Woodstock der Einsatzdienste wirken, weil ein solcher Event vielen auch einfach nur ein „Sehen und Gesehen werden“ bietet, um sich im „Toys r us“ des Bevölkerungsschutzes zu tummeln. Dieser Teil – nämlich eine Gemeinschaftsveranstaltung zu bieten, gehört aber einfach mit dazu – auch wenn es für Aussteller sicherlich der anstrengendste Teil einer solchen Veranstaltung ist.

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Rettungsdienst: Pleitegeier kreisen über dem Gesetz

Magnus Memmeler Foto : Privat

Im letzten Interview  beschäftigte sich Magnus Memmeler mit der Frage, warum es ohne Laufbahnprüfung keine Karrierechancen im Bereich des Rettungsdienstes gibt. Heute nimmt er die Pleite des Dortmunder Anbieters ASB im Lichte des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens in den Blick.

Die Novellierung des Rettungsdienstgesetzes NRW kommt in die entscheidende Phase. In Dortmund gibt eine  Hilfsorganisation seine Zahlungsunfähigkeit bekannt. Zahlreiche Positionspapiere zur Novellierung des RettG NRW und zur Novellierung des BHKG NRW lassen uns erneut nachfragen, ob der Rettungsdienst noch sicher ist.

Ruhrbarone: Am Freitag hieß es: „Dortmund: ASB Regionalverband meldet Insolvenz an“. Zeitgleich stellen sich die Hilfsorganisationen als Rückgrat des Rettungsdienstes und des Bevölkerungsschutzes dar. Wie passt das zusammen?

Memmeler: Zunächst muss ich sagen, dass mich diese Meldung zum ASB auch bewegt, da ich einige handelnde Personen persönlich kenne und ich mir natürlich auch vorstellen kann, wie diese Meldung auf die Mitarbeitenden des ASB wirkt. Durch meine langjährige Tätigkeit im Rettungsdienst der Stadt Dortmund kann ich mir vorstellen, dass diese Meldung zahlreiche Entscheider im Stadtgebiet Dortmund bewegen wird. Schließlich stellt der ASB aktuell Personal für 4 Rettungswagen, 3 Krankenwagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug im Stadtgebiet Dortmund und stellt zusätzlich Ressourcen für den Bevölkerungsschutz bereit.

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Rettungsdienst: Immer wieder der Rettungsdienst

Magnus Memmeler Foto : Privat

Im Interview Ende Februar nahm Magnus Memmeler zu den laufenden Gesetzgebungsverfahren für den Rettungsdienst Stellung und sorgte sich um die dringenden Reformen in der Notfallversorgung. Heute geht er darauf ein, warum es ohne Laufbahnprüfung keine Karrierechancen im Bereich des Rettungsdienstes gibt, weil das Studium des Rettungsingenieurwesens immer noch weniger als eine Feuerwehrlaufbahn zählt.

Ruhrbarone: Am Freitag hat ein Post in Ihrem Facebook Profil für Anerkennung von Bevölkerungsschützern und Rettungsdienstlern, aber auch heftigen Reaktionen von Größen der bekannten Feuerwehren in NRW gesorgt. Was hat hier für Applaus aber auch Aufregung gesorgt?

Memmeler: Ich habe mit einem Vergleich, den ich im Netz gefunden habe, darauf hingewiesen, dass der Anteil von Rettungsdiensteinsätzen wesentlich prägender für den Alltag der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr ist, als dies durch Feuerwehreinsätze im klassischen Sinn der Fall ist. Daraufhin erfolgten entsprechende Reaktionen auf diesen Post:

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Rettungsdienst: Akute Wundversorgung im parlamentarischen Verfahren

Magnus Memmeler Foto : Privat

Im Dezember Interview warnte Magnus Memmeler vor dem Niedergang des Rettungsdienstes. Da in Bund und Ländern die parlamentarischen Beratungen begonnen haben und die üblichen Akteure mitmischen, fürchtet er um die erforderlichen Reformen in der Notfallversorgung. 

Ruhrbarone: Herr Memmeler, regelmäßige Leser unserer Interviews wissen, dass sie sich seit langem für den Rettungsdienst engagieren. Immer wieder forderten Sie grundlegende Nachbesserungen im Bereich der Notfallversorgung. Warum ist gerade jetzt wichtig, grundlegende Nachbesserungen zu fordern? Oder ist es bereits zu spät dafür?

Memmeler: Selbstverständlich könnte ich mich aufregen, einige markige Schlagzeilen der letzten Wochen zitieren und das Interview mit einem recht negativen Fazit beenden. Das würde aber weder den Mitarbeitenden im Rettungsdienst, in den Klinikambulanzen oder der ambulanten Versorgung im weiteren Sinne gerecht, noch würden wir die derzeit bestehenden historischen Chancen angemessen berücksichtigen, die durch die Novellierung der Klinikversorgung, der Notfallversorgung und die vielerorts anstehenden Novellierungen der Rettungsdienstgesetze bestehen.

Zur Zeit sind allenthalben die parlamentarischen Beratungen im Gange. Die Gesetzgebungsverfahren könnten dann endlich eine qualitativ gute Versorgung sicherstellen, wenn sie aufmerksam durch die fachkundige Beteiligten aus den betroffenen Berufsbildern begleitet würden. Die Berufe des Gesundheitswesens sind großartig, wenn denn die Rahmenbedingungen stimmten. Genau dafür können wir genau jetzt sorgen.

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NRW: Rettungsdienst und Notfallversorgung auf dem Scheideweg

Magnus Memmeler Foto : Privat

Magnus Memmeler warnt vor dem Niedergang des Rettungsdienstes, wie man ihn bislang kannte. Nutzt NRW die Chance der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes, um den Rettungsdienst nachhaltig aufgestellt zu wissen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern? Wann sorgen Bund und Länder für die erforderlichen Reformen in der Notfallversorgung, statt weiterhin Mangelverwaltung zu betreiben?

Ruhrbarone: Im letzten Interview hatten Sie auf eine Studie zum Rettungsdienst hingewiesen. Das Thema wurde in dieser Woche dann aufgegriffen. Muß man sich Sorgen, dass nach dem Notruf keine Rettung naht?

Memmeler: Beim Rettungsdienst ist es wie in der gesamten Gesundheitsversorgung. Das System wurde kaputt gespart in ins Chaos geregelt, wenn man es recht knapp und populistisch ausdrücken will. Selbstverständlich wird der Rettungsdienst bei Notrufen weiterhin zur Hilfe kommen. Es kann aber zunehmend länger dauern und, wenn sich die Kassenvertreter durchsetzen, auch mit einem geringeren Versorgungsniveau einhergehen. Schuld daran haben auch wir.

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Sanitäter, Diskurse und ein geschlagener Syrer

Wir hatten keine Lust auf eine weiteres Klischeebild. Auf keinen Polizisten mit einem Blaulichtauto, einen verzweifelt auf einen Gang sitzenden Pfleger, auf einen hoffnungslos in die Kamera schauenden Flüchtling (Photo by Artem Maltsev on Unsplash)

Ein syrischer Patient wurde von einem Sanitäter geschlagen, Polizisten standen dabei und griffen nicht ein.

Nun kann man diese Tat unterschiedlich für sich und seine Ideologie nutzen:

„Erst kommen die hierher, dann sind die frech zu unseren Helfern, und dann wundern die sich, wenn mal einer die Nerven verliert. Ausserdem weiss man ja gar nicht, was der Situation vorhergangen ist. Und über Gewalt gegen Deutsche berichtet niemand.“

„Da zeigt sich doch ein generelles Problem rassistischer Strukturen gepaart mit toxischer Männlichkeit. Man kann letztlich dieses Verhalten nicht verstehen, wenn man nicht willens ist zu akzeptieren, dass das System als solches dieses Verhalten nicht nur deckt, sondern fördert. Die Diskursverschiebung – gerade auch gegen Refugees – der letzten Jahre äußert sich hier ganz deutlich. Und es fehlt der Wille, zu einer echten eingehenden Analyse dieser Verhältnisse. Deutschland halt.“

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