Die Zusammenarbeit der StädteRegion Aachen gilt in NRW als Vorbild für die Zusammenarbeit von Städten. Wir sprachen mit Gisela Nacken, der Beigeordnete für Umwelt und Verkehr der Stadt Aachen über die Kooperation der Städte.
Wieso haben sich Aachen und seine Nachbarstädte zur StädteRegion Aachen zusammen geschlossen?
Bei Stadt und Kreis Aachen handelt es sich um die typische Situation eines Oberzentrums mit einem Mantelkreis. Umwelt- und Verkehrsprobleme machen an diesen Verwaltungsgrenzen nicht Halt und auch Fragen wie die Ausweisung von Flächen für Einzelhandel, Gewerbe oder Wohnen regelt man sinnvoller Weise für rund 500.000 Menschen (Stadt Aachen rund 250.000 Einwohner, Kreis Aachen 270.000) gemeinsam und nicht in Konkurrenz. Das ist sogar ökonomisch effizienter. Damit hatten wir bereits Erfahrungen gesammelt: ein gemeinsames Straßenverkehrsamt in der Trägerschaft eines Zweckverbands.
In Aachen kommt die Besonderheit der Grenzlage dazu. Früher haben die Kommunen auf deutscher, niederländischer und belgischer Seite eher mit dem Rücken zueinander gestanden. Heute haben sie begriffen, dass sie die negativen Auswirkungen ihrer nationalen Randlage besser gemeinsam meistern können. Eine solche Zusammenarbeit funktioniert aber nur zwischen demokratisch legitimierten größeren Enheiten und nicht mit den vielen einzelnen Kommunen im Grenzraum. Das ist zu aufwendig und langsam, wenn in rund 20 Kommunalparlamenten über Projekte und Themen abgestimmt werden muß.
Welche Aufgaben werden gemeinsam erledigt, welche Kompetenzen liegen noch bei den Städten?
Gemeinsam erledigt werden alle Aufgaben, die der Kreis bisher schon per Kreisordnung für seine kreisangehörigen Kommunen übernommen hatte: Sozial-, Gesundheits-, Ausländeramt, Verbraucherschutz, Straßenverkehrsamt und Tourismus, Kataster- und Vermessungsamt, Wohnraumförderung und regionales Bildungsbüro. Der Rest liegt bei den Städten.
Fast noch wichtiger sind uns aber die Aufgaben, die wir zusammen freiwillig angehen. Die Landesregierung hat unserem Wunsch nicht entsprochen, der Städteregion auch die Kompetenz für die Regionalentwicklung zu geben. Daher haben wir erfolgreich ein Einzelhandelskonzept entwickelt und in allen Räten beschlossen und gehen diesen Weg nun auch mit Gewerbeflächenausweisungen und im Verkehrsbereich mit einem gemeinsamen Verkehrsmodell. Sinnvoll wäre auch ein Wohnflächenkonzept udn last but not least eine gemeinsame Wirtschaftsförderung. Damit könnten Konkurrenzen zwischen den Kommunen vermieden und Flächen sinnvoll und sparsam entwickelt werden. Auch ein regionales Klimaschutzkonezpt ist in Arbeit.
Haben die Kommunen keine Angst ihre Eigenständigkeit zu verlieren?
Doch natürlich. Und es gibt immer wieder Rückfälle in altes Kirchturmsdenken, gerade im Bereich der Wirtschaftsföderung, was jeder Bürgermeister und politische Mehrheit als ihre ureigenste Aufgabe ansieht. Es ist noch ein langer Weg, bis diese Angst veschwunden sein wird und wird von gemeinsamen Erfolgen abhängen.
Wie lange hat der Prozess von der Idee bis zur Umsetzung gedauer?
Der mit der letzten Kommunalwahl ausgeschiedene Oberbürgermeister der Stadt Aachen, Dr. Jürgen Linden, und der Landrat, Karl Meulenberg waren diejenigen, die für die Idee geworben und gekämpft haben. Der Beginn der Diskussion liegt in der Legislaturperiode 1999-2004. In 2004 wurde als Vorläufer der Zweckverband Städteregion gegründet, mit weit weniger Zuständigkeiten als die heutige Städteregion und einem nicht direkt gewählten Parlament. Alle Gebietskörperschaften haben Mitglieder dorthin entsandt. Die gesamte Legislaturperiode von 2004-2009 war dann nötig, um von der Idee zur Umsetzung zu kommen.
Welche rechtlichen Hürden mussten auf Kommunaler und Landesebene genommen werden?
Auf der Kommunalen Ebene mußten die Gebietskörperschaften überzeugt werden, dass es Sinn macht, Zuständigkeiten abzugeben, dass darin letztlich ein Vorteil für alle liegt. Aber auch die Landesebene war sehr skeptisch. Sie hatte Angst vor einem Flächenbrand. Sie wollte nicht, dass das Aachener Modell Schule macht. Ich glaube, das war auch letztlich der Grund, die Zuständigkeit der Städteregion zu beschränken und ihr z.B. nicht die Verantwortung für die Regionalplanung zu übertragen. Eine Vielzahl von Gutachten und Gesprächen auf allen Ebenen war erforderlich. Letztlich hat der Landtag per Landesrecht (Aachen Gesetz) die Städteregion Aachen als neuen Kommunalverband besonderer Art als Rechtsnachfolger des Kreises Aachen zum 21.Oktober 2009 beschlossen.
Gab es Widerstände gegen die Kooperation?
Ja, wie bei allen Veränderungen, gibt es Ängste, vor allem bei den MitarbeiterInnen. Was kommt da auf uns zu? Was wird sich für mich ändern? Aber auch die Bürgermeister und die Politik hatten Angst vor Kompetenzverlust, Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten. Am stärksten war aus meiner Sicht, der Streit über die Feuerwehr und gerade der zeigt für mich, dass es gerade auch emotionale Gründe waren, sich gegen die Städteregion zu positionieren. Das sagt sich natürlich leicht, als Frau, die keine Nähe zu diesem Fachbereich hat.
Hilfreich war im Prozess sicherlich, dass die beiden obersten Verwaltungschefs eindeutig für diese Veränderung waren und vehement dafür auf allen Ebenen geworben haben. Ohne diese beiden, wäre der Prozess sicherlich zum Stillstand gekommen.
Wie sind die Erfahrungen durch die Zusammenarbeit? Was hat sich für Sie als Dezernentin geändert?
Ich glaube, für diese Frage ist es noch etwas zu früh. Darüber müßten wir in einem halben bis Jahr noch einmal reden. Von den MitarbeiterInnen der Stadt die zur Städteregion gewechselt sind, höre ich aber durchaus Positives, will heißen, die Ängste waren unbegründet. Und in meinem Bereich, der nicht übertragen wurde, stelle ich fest, dass es eine große Bereitschaft gibt, freiwillig zusammen zu arbeiten. Vielleicht können wir durch positive, freiwillige Projekte im Verkehrs- und Planungsbereich, ich nannte sie schon oder durch ein regionales Klimaschutzkonzept die Landesregierung doch noch davon überzeugen, dass es auch in der Regionalplanung "gemeinsam besser geht", so das Motto unserer Städteregion.
Kann die StädteRegion Aachen eine Modell für andere Regionen wie das Ruhrgebiet sein?
Ich denke schon, vielleicht nicht für das Ruhrgebiet, da es dort schon ein organisierte Zusammenarbeit gibt und sogar im Bereich der Regionalplanung von der Landesregierung zugelassen wurde. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass gerade die immer schwieriger werdende finanzielle Situation der Kommunen dazu führen wird, zu gucken, was man mit Nachbarkommunen effizienter und dennoch im Sinne der BürgerInnen gemeinsam erledigen kann. Und wenn man das organisieren will, ist man ganz schnell beim Modell der Städteregion Aachen. Es macht ja wenig Sinn, gerade ökonomisch, für jede gemeinsam abgewickelte kommunale Aufgabe einen eigenen Zweckverband zu gründen, so wie wir das zunächst mit unserem Straßenverkehrsamt gemacht haben. Und wichtig finde ich auch die direkte demokratische Legitimation per Wahl durch die Bürger und Bürgerinnen.