Pleitestädte: Die Schuld der Kommunalpolitiker


Die Städte sind pleite. Nicht nur im Ruhrgebiet. Das ist auch die Schuld der Kommunalpolitiker.

Wolfgang Pantförder, (CDU), ist Bürgermeister von Recklinghausen. Und er ist sauer. Seine Stadt ist, wie viele in Deutschland, pleite. Nichts geht mehr. Und Pantförder fühlt sich allein gelassen: Vom Bund und vom Land, die den Kommunen immer mehr Aufgaben zuweisen, aber die bei der Finanzierung alleine lassen. Es geht um das Konnexitätsprinzip: „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen“, verwies Pantförder zum Beispiel auf den großen Bereich der Kinderbetreuung. „Der Ausbau im Bereich U 3 ist richtig, aber jeder Platz wird aktuell mit 50 % aus dem städtischen Haushalt bezuschusst. Das summiert sich auf rund 10 Millionen Euro,“ sagte Pantförder der Recklinghäuser Zeitung.

Pantförder ist mit seiner Kritik am Bund und an den Ländern nicht alleine. Immer, wenn eine Stadt in die Überschuldung rutscht, Nothaushalte ankündigt, und das geschieht in Krisenzeiten wie heute mehrfach täglich, mahnen Kommunalpolitiker an, Bund und Länder müssten sich endlich mehr um eine faire Finanzierung der Kommunen kümmern.

Die hängt vor allem von der Gewerbesteuer ab. Einer stark schwankenden Einnahmequelle, mit der sich nicht verlässlich über einen auch nur mittleren Zeitraum rechnen lässt.

Der Bund kümmert sich, unabhängig von der Regierungskonstellation, kaum um eine stabile Finanzbasis der Städte: „Die Kommunalfinanzen müssen auch künftig auf einer soliden Basis stehen.“ hatten SPD und CDU zu Beginn der großen Koalition in ihren Koalitionsvertrag (PDF) geschrieben. Auch CDU und FDP lieben es blumig und unverbindlich (PDF) : „Wir beabsichtigen, den Ländern vorschlagen, eine gemeinsame Bestandsaufnahme zu erarbeiten und Handlungsempfehlungen zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vorzulegen. Dabei sind auch Fragen der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Konnexitätsprinzip) und der Beteiligung der Kommunen an der Gesetzgebung des Bundes einzubeziehen…“ Schön, dass man mal darüber geredet hat.

Die Unverbindlichkeit in den Koalitionsverträgen ist auch die Schuld der Kommunalpolitiker – sie verpassen es regelmäßig ihre Positionen verbindlich durchzusetzen, wenn es darauf ankommt. Sie zwingen auch nicht ihre  Abgeordneten auf eine stadtfreundliche Linie. Denn die Macht in den Parteien gehört den „Kommunalos“: Sie stellen auf allen Parteitagen den größten Teil der Delegierten und es sind auch die Männer und Frauen der Parteibasis, die sich traditionell in der Kommunalpolitik engagieren, welche die Direktkandidaten für den Bundestag aufstellen und wenn es um die Wiederwahl geht ja mal fragen könnten: „Was hast Du für die solide Finanzierung der Städte getan?“ Fällt die Antwort unbefriedigend aus, muss man denjenigen ja nicht wiederwählen.

Aber sie tun es nicht. Sie tun es nicht auf den Parteitagen und sie tun es kaum in den Programmkommissionen. Sie haben die Macht in den Parteien und nutzen sie nicht. Und so lange dass so ist, dürfen sich die Kommunalpolitiker nicht beschweren, wenn die Finanzen ihrer Städte zusammenbrechen.

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Ruhrgebietskiller Centro – ein Interview

Vor ein paar Wochen hat der Raumplaner und Architekt Walter Brune gemeinsam mit dem Architektur-Journalisten Holger Pump-Uhlmann ein Buch über das CentrO in Oberhausen veröffentlicht. Nicht das übliche Hochglanzgeschwafel. Sondern eine kenntnisreiche Abrechnung mit einer verfehlten Stadtplanung. Dabei schrecken die beiden Autoren nicht davor zurück, eine Vorgeschichte zu analysieren, die bis in die düstersten Zeiten von Johannes Rau (damals SPD-Ministerpräsident von NRW) zurückreicht, als nach vorne immer alles bieder evangelisch sauber roch und nach hinten hinaus der Mist stank.

Brune und Pump-Uhlmann sind für ihr Stück tief eingestiegen. Haben alte Berichte aus Untersuchungsausschüssen durchforstet, sich mit Diplom- und Magisterarbeiten beschäftigt und jede Menge Fachliteratur für Normalsterbliche übersetzt. Herausgekommen ist ein Buch, dass für jeden Ruhrgebietseinsteiger zur Pflichtlektüre werden sollte. Denn durch das Buch lernt man vieldarüber, wie hier Dinge laufen. Kaum verholen wirft beispielsweise Brune dem damaligen SPD-Oberbürgermeister Burkhard Drescher vor, sich für das Projekt gegen das Interesse der Stadt aus Eigeninteresse eingesetzt zu haben. Nur an manchen Stellen, etwa wenn es um die Gewerbesteuereinnahmen von Oberhausen und die Veränderungen durch das Centro geht, bleibt das Buch flach. Aber das sind Nebensächlichkeiten, die auf jeden Fall nicht die Hauptaussagen des Buches beeinträchtigen.

Überraschenderweise sorgt das Stück im Ruhrgebiet bislang nicht für eine heftige Debatte. In der NRZ, Lokalteil Oberhausen, wurde es als „ärgerliches“ Machwerk abqualifiziert, das wenig Neues bringe. Tja, wenn der NRZ-Kollege alles schon gewusst hat, warum hat er das dann nicht mal aufgeschrieben? Die Diskussionen beschränkten sich im wesentlichen auf die üblichen Abwehrreaktionen. Kommt von außen, will uns was böses, ist gemein, der hat doch ganz andere Interessen. In der WAZ wurde das Buch übrigens kaum regional wahrgenommen. Schade.

Foto: Flickr.com

Am deutlichsten hat sich noch der angegriffene Drescher selbst der Sache angenommen. In einem Leserbrief für die Immobilienzeitung griff der heutige Berater, der nach seiner Zeit bei der Stadt Oberhausen hauptberuflich ins Immobilienfach wechselte, den Architekten Brune direkt an:

Es kommt mir durchaus witzig vor, dass Herr Brune seine 17 Jahre alten Thesen unreflektiert auf 127 Seiten im Jahr 2009 zur Veröffentlichung bringt und auch noch eine ganze Seite der Immobilien Zeitung dafür okkupiert. Gleichwohl, kalter Kaffee reift auch durch das Altern nicht. Der Leser sollte wissen – davon kein Wort im Artikel -, dass Herr Brune zu jener Zeit der Besitzer und Betreiber des Rhein-Ruhr-Zentrums war: 60.000 m2 Verkaufsfläche an der Stadtgrenze zwischen Essen und Mülheim. Dieses Zentrum ist ohne jegliche Beziehung zur Innenstadt von Mülheim in einem Gewerbegebiet errichtet worden, durch das Centro entstand ein direkter Konkurrent. Daher die Vehemenz der Ablehnung.

Nur zur Klarstellung: Drescher unterschlägt bei diesem Angriff, dass Brune in seinem Buch sehr wohl auf seine Planungen für das Rhein-Ruhr-Zentrum eingeht. Brune sagt dort auch, er müsse sich als Fachmann zu den Fehlplanungen äußern und lasse sich nicht das Wort verbieten. Mir kommt der Angriff sowieso nicht ganz sauber vor. Wie stellt sich das Drescher vor? Soll jeder, der sich auskennt, die Klappe halten, damit nur noch Amateure über sein Handeln berichten können? Tatsache ist, nach Dreschers Zeit in Oberhausen ist die dortige alte Mitte kaputt und die Gemeinde komplett verschuldet. Die Ruinen eines Blenders, könnte man sagen. Zudem fällt mir da ein, dass sich seinerzeit der damals noch lebende WestLB-Chef Friedel Neuber bei Unternehmen im Ruhrgebiet umschaute, ob nicht irgendwo ein Job für Drescher zu finden sei, als der aus der Politik aussteigen wollte. Einem mir persönlich bekannten Unternehmer sagte Neuber: Man habe da noch einen Versorgungsfall. Hat eigentlich die WestLB die Finger mit im Centro-Gemenge gehabt? Wie dem auch sei: Drescher greift weiter Brune an.

Zu jener Zeit (als Drescher das Centro durchdrückte, d.A.) war Oberhausen geprägt durch den Abbau von über 40.000 Arbeitsplätzen innerhalb weniger Jahre und einen massiven Kaufkraftabfluss. Schon Anfang der 90er Jahre gab es bereits keine Stadtmitte mehr, sondern drei Teilzentren. Inzwischen sind alle Teilzentren erheblich aufgewertet worden und erfreuen sich einer guten Frequenz als Nahversorgungszonen. Dazu ist die Neue Mitte Oberhausen (NMO) gekommen. Über 12.000 Arbeitsplätze sind in der NMO entstanden, davon nur knapp 3.000 im Centro. Über 20 Mio. Besucher aus ganz Europa bringen Kaufkraft in die Region. Es ist durch diese private Investition in ein modernes, touristisch ausgelegtes Shoppingcenter ein Impuls ausgegangen, der Oberhausen zum stärksten touristischen Anziehungspunkt im Ruhrgebiet hat werden lassen. Aus dem alten montanindustriellen Herzen der Stadt ist eine neue, pulsierende ökonomische Mitte entstanden. Dadurch ist Oberhausen nicht nur dem Niedergang entkommen, sondern hat sich zu einem Zukunftsstandort entwickelt – einem der wenigen im Revier. Diese Neue Mitte ist eine Erfolgsstory, auch wenn Herr Brune seit nahezu 20 Jahren mit den gleichen dauerhaft widerlegten Thesen dagegen wettert.

Auch das ist in meinen Augen eine schräge Wahrnehmung, die nur schwer mit der Welt da draußen in Übereinklang zu bringen ist. Ich habe den Architekten Brune gefragt, was er zu den Angriffen von Drescher sagt.

Herr Brune, sie haben sich als Architekt und Stadtplaner mit dem Centro beschäftigt. Geben Sie uns eine Gesamteinschätzung: War die Nummer ein Erfolg?

Wenn man den Erfolg des Centro Oberhausen beschreiben möchte, muss man sich erst einmal die Frage stellen: Für wen war es ein Erfolg? Für die Stadt Oberhausen war es der totale Niedergang. Ein Spaziergang zusammen mit einem Journalisten der Financial Times vor ca. 14 Tagen über die Haupteinkaufsstraße Oberhausens, die Marktstraße, war für den Journalisten ernüchternd. Wir standen vor 30 qm großen Pfützen mitten in dieser Einkaufsstraße. Links und rechts säumten nur noch schäbige Buden die Straße. Kaufhäuser waren geschlossen. Die wenigen noch vorhandenen Geschäfte führen ein Nahversorgungssortiment. In der Regel sind es Ketten, wie Aldi, Rossmann, Tengelmann, etc. Die Stadt ist kaputt. Wir konnten es bei besagtem Spaziergang eindeutig sehen. Insofern war das Centro Oberhausen für die Stadt Oberhausen kein Erfolg.

Was das Centro anbelangt, hat man sich, meiner Einschätzung nach, sicherlich einen größeren Erfolg vorgestellt, denn es sollten Kunden aus dem gesamten Ruhrgebiet und den Niederlanden angezogen werden. Das war am Anfang auch der Fall, doch es hat sich sehr schnell gelegt. Im Übrigen ist das Mieterangebot sehr dürftig und hauptsächlich auf sehr junge Kundschaft ausgerichtet, die bekannterweise nicht sehr viel Geld zur Verfügung hat.

Trotzdem ist das Centro Oberhausen lebensfähig und hat durchaus so viel Kraft, den Städten Oberhausen und Mülheim den Einsatzhandelsumsatz zu entziehen.

Mit dem Centro sollte eine neue Mitte in Oberhausen geschaffen werden, das sagte zumindest immer der damalige Oberstadtdirektor und spätere Oberbürgermeister von Oberhausen Burkhard Drescher. Ist das Centro eine neue Mitte geworden?

Herr Drescher hat den Bürgern vorgegaukelt, eine neue Stadtmitte zu schaffen. Triste Gebäude, von Parkplätzen und Parkhäusern umgeben, die abends um 22:00 Uhr schließen, bedeuten keine neue Stadtmitte. In einer Stadtmitte muss man abends noch einmal eine Gaststätte aufsuchen oder an beleuchteten Schaufenstern vorbei flanieren können. Eine funktionierende Stadtmitte hat ein vielfältiges Angebot; die Bürger kennen ihre Stadtmitte, sind stolz darauf und verstehen sie als ein Stück Heimat. Das kann kein Shopping-Center bieten und der Oberbürgermeister der Stadt Oberhausen hat nichts neu installiert, sondern hat die Bürger ihrer Stadtmitte beraubt.

Wollte man dieses Versprechen einlösen, hätte Herr Drescher die Innenstadt größtenteils abreißen müssen, um das Centro Oberhausen so in die Innenstadt zu integrieren, dass es nach allen Seiten verglast und somit offen wäre und ein Teil der Innenstadt darstellen würde. Das war aber nicht möglich und konnte daher von vornherein nicht gelingen. Außerdem war es auch nicht gewollt. Herr Drescher war von Anfang nur daran interessiert, dem englischen Investor dieses große Projekt zu ermöglichen und alles, was mit der Stadt Oberhausen und sonstigen Städten dadurch passiert ist, war ihm völlig egal.

Ich kann natürlich nicht beweisen, welche persönlichen Interessen hinter diesem Bestreben lagen. Aber ein solches Handeln kann nicht ohne Streben nach persönlichem Vorteil vonstatten gehen. Es entspricht nicht dem menschlichen Wesen. Beweisen kann man das natürlich nicht, aber die Dinge liegen in diesem Fall so offenkundig auf der Hand, dass man eigentlich gar keine Beweise benötigt. Insbesondere die Tatsache, dass Herr Ex-Oberbürgermeister Drescher kurz vor seinem Abgang noch schnell dafür gesorgt hat, dass Kraft seines Amtes 30.000 qm Erweiterung genehmigt und somit machbar wurden, obwohl er sich selbst vor Beginn der Genehmigung des eigentlichen Shopping-Centers dazu veranlasst sah, eine Baulast eintragen zu lassen, die eine Erweiterung eigentlich nicht möglich machte. Also: Trick hin, Trick her! Das hat schon Dimensionen, denen man in diesem Zusammenhang Bedeutung zumessen muss. Und gleich, nachdem alles gelungen war, ist Herr Drescher in die Privatwirtschaft gewechselt, denn es hätte ja sein können, dass in seinen Amtsstuben doch noch kritische Stimmen aufgekommen wären, die ihm als Oberbürgermeister einen weniger guten Abgang beschert hätten.

Haben die gut 500 Fördermillionen aus öffentlicher Hand für das Centro irgendetwas für die Menschen im Ruhrgebiet gebracht?

Mit 500 Mio. Fördermitteln aus öffentlicher Hand hätte man, wenn ich beispielsweise den Planungsauftrag bekommen hätte, die Marktstraße sowie die Anfänge der Nebenstraßen zunächst vollständig saniert, Bäume gepflanzt, Bänke aufgestellt und durchaus einen Teil der Straßen mit Glasdächern überdachen können, aber absolut gesehen nicht auf ganzer Länge, sondern immer nur Einzelpositionen von vielleicht 20 m – 30 m. Danach hätten wieder 100 m offene Flächen angeschlossen. In eine Straße muss auch die Sonne ungefiltert scheinen können. Unter den verglasten Abschnitten hätten kleine Pavillons aufgestellt werden können, in denen man Cafés, kleine Gasstätten oder Sonderverkäufe platziert hätte. Diese Details hätte ich mit den Mitteln leicht finanzieren können und dann noch weiteres Geld in die Hand genommen, um auf der Länge der Straße Bronzeskulpturen aufzustellen, um eine künstlerisch hochwertige Skulpturenallee zu schaffen. Im Frühjahr und Herbst wären entsprechende Blumenbeete saisonal bepflanzt worden, genauso wie es andere Städte auch machen. In der Weihnachtszeit natürlich mit weihnachtlicher Bepflanzung, Beleuchtung und Ausstattung. Alles in allem hätten diese Verschönerungen ca. 50 Mio. ausgemacht.

Danach hätte ich die restlichen 450 Mio. gut angelegt und aus der Rendite, die jedes Jahr mindestens 20 bis 30 Mio. hätte bringen können, hätte ich in vielen Bereichen der Stadt, insbesondere im zentralen Bereich – ähnlich meinem Vorschlag – entsprechende Gestaltungen und Unterstützungen vorgenommen. Mit 500 Mio. hätte man eine Stadt dauerhaft als strahlende Einkaufsstadt darstellen können, durchaus auch mit der Möglichkeit aus diesem Topf den Einzelhändlern helfende Zuwendungen zukommen zu lassen, und sei es auch nur in Form von Krediten, die sonst nicht so leicht von den Einzelhändlern zu bekommen gewesen wären, oder Zinszuschüsse, die Kredite bei normalen Banken erleichtert hätten.

Alles mit voller Kraft und voller Absicht das Geld nur dafür einzusetzen, die Innenstadt und somit die gesamte Stadt zu aktivieren und zu fördern. Das hätte Oberhausen auf den ersten Rang der Ruhrgebietsstädte gesetzt.

Was aber stattdessen geschah, bedeutet, 500 Mio. verplempert zu haben, und zwar für einen privaten Investor, der die Innenstadt mit diesem Geld gleichzeitig zerstört hat.

Wurden wenigstens die versprochenen 10.000 neuen Arbeitsplätze in Oberhausen geschaffen?

Es wurden nicht nur 10.000 Arbeitsplätze versprochen. In einem Zeitungsartikel aus dieser Zeit äußerten die Investoren: „Sollte das Ladenschlussgesetz aufgehoben oder verlängert werden, werden sogar 12.000 Arbeitsplätze neu geschaffen.“ Das sollte heißen: Allein 2.000 Arbeitsplätze mehr nur im Centro. Heute wird argumentiert, man hätte zwar im Centro nur 3.000 Arbeitsplätze schaffen können, aber in Nachbarprojekten sind weitere Arbeitsplätze entstanden, was das Gesamte aufbessert. Aber selbst wenn es insgesamt 3.500 Arbeitsplätze sein sollten (was ich bezweifle, da hier genauso fehlinformiert wird, wie in anderen Bereichen), wird vermieden zu erwähnen, dass mindestens die gleiche Anzahl an Arbeitsplätzen im völlig zerstörten Einzelhandel der Innenstadt verloren gegangen sind, so dass unterm Strich ein Null-Summen-Spiel anzutreffen ist. Die von mir geschilderte „strahlende Innenstadt Oberhausen“ hätte aber tatsächlich neue Arbeitsplätze schaffen können, nicht aber das Projekt Centro Oberhausen.

Wie beurteilen Sie die Rolle von Herrn Drescher? Hat er dem Revier mit seinem Einsatz für das Centro genutzt oder geschadet?

Ich glaube, es versteht sich von selbst, dass die Einzelhandelsverlagerung aus Oberhausen, Mülheim, Essen, Bottrop und anderen nahe gelegenen Städten allen geschadet hat. Ein Shopping-Center in dieser Größe hat eine enorme Zugkraft auf den Einzelhandelsumsatz. Das konnte dem Revier keine positiven Impulse geben.

Die Landesregierung hatte festgelegt, dass die Verkaufsfläche auf 70.000 qm beschränkt werden sollte. Wurde diese Vorgabe eingehalten?

Ich habe die Ausführungspläne des Centro Oberhausen in meinem Büro. Wenn ich diese Flächen exakt nachrechne komme ich auf 97.000 qm Verkaufsfläche, wobei die Gastronomieflächen hierin eingeschlossen sind. Diese gehören natürlich auch zu einer Verkaufsfläche, denn die dort verkauften Waren werden ja nicht verschenkt. Also, auch die 70.000 qm wurden nicht eingehalten und hierüber hat sich auch niemals irgendjemand beschwert, schon gar nicht die Oberhausener Behörden. Im Gegenteil, sie haben die Größe genehmigt. Was sollten die Behörden auch anderes gegen die Anweisung des Oberbürgermeisters tun?

Heute gibt es in Essen den Limbecker Platz, andere Städte planen ähnliche Zentren. Welche Rolle spielt hier das Centro für den Wettlauf um das schönste Einkaufszentrum? Welche Auswirkungen hat der Wettlauf für die Innenstädte des Reviers?

Das von ECE am Limbecker Platz zusammen mit Karstadt errichtete innerstädtische Einkaufzentrum bewirkt durch die enorme Größe keine Stütze des innerstädtischen Einzelhandelsumsatzes. Natürlich werden die Kunden durch den Standort näher an die Innenstadt herangeführt, aber viele Kunden werden in dieser großen Fläche alle Kaufbedürfnisse befriedigt finden. Ein solches, in sich eingekapseltes Zentrum braucht die es umgehende Stadt gar nicht und leistet somit auch keinen positiven Beitrag zur Attraktivitätssteigerung einer Innenstadt.

Natürlich haben Sie recht, dass ein solches Projekt die Wettlaufbemühungen anderer Städte, ebenfalls ein Shopping-Center zu etablieren, beflügelt. So ist auch in Dortmund gemeinsam mit ECE geplant, ein innerstädtisches Einkaufszentrum am Westenhellweg zu bauen. Wenn solche Shopping-Center an zentraler Stelle liegen und nicht zu groß sind, dass sie sich selbst genügen und die umgebende Stadt noch brauchen und nur ein Teil der Sortimente anbieten, können sie natürlich positiven Einfluss auf die Stadt nehmen. Es ist immer eine Frage der Größe. Ich halte 20.000 qm Verkaufsfläche für die maximale Größe, um dem Einzelhandel der umliegenden Stadt noch eine Chance zu geben. Zudem sollte in solchen Projekten das Sortiment angeboten werden, das in der Innenstadt fehlt. So bildet sich aus vorhandenem und neuem Sortiment eine Einheit, die durch die Addition gesteigert wird.

Zahlreiche Gutachten sollten damals belegen, dass das Centro keine Gefahr für die Nachbarstädte darstellt. Haben sich die Gutachter alle geirrt? Und vor allem warum?

Es ist sehr offenkundig, dass die Gutachter in der Beurteilung des Centro Oberhausen unrichtige Aussagen tätigten. Es ist in Deutschland leider so, dass die Gutachter vom Investor bezahlt werden, weil die Städte hierfür angeblich kein Geld haben. Die 500 Mio. haben wohl nicht gereicht, ein paar Tausend hierfür auszugeben. Und so machen die Gutachter, was der Auftraggeber sagt. Wer die Musik bezahlt, bestimmt was gespielt wird. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Warum wurden eigentlich Projekte wie die Überdachung der Marktstraße nicht verwirklicht? Mit Hilfe dieser Initiativen sollte doch die Oberhausener Innenstadt gestärkt werden. Gab es überhaupt echte Anstrengungen von Drescher, dem alten Zentrum zu helfen?

Die Überdachung der Marktstraße war eine Täuschung der Bürger. Sie sollten eine neue, strahlende Innenstadt erwarten dürfen, aber Drescher hat alles dagegen getan, denn er hatte überhaupt kein Interesse, dass das Centro Oberhausen durch eine attraktive Innenstadt Konkurrenz bekommt. Sondern im Gegenteil, die Planung des Centro sieht klar vor, den Einzelhandel aus der nahen Innenstadt abzuziehen und in das Centro zu verlagern. Insofern waren die gesamten Gedanken zu Überdachungen, etc. reiner Schwindel. Das zur Verfügung stehende Geld wurde ausschließlich dafür eingesetzt, das Centro Oberhausen zu fördern. Man scheute auch nicht davor zurück, noch eine Straßenbahnlinie von Mülheim bis zum Centro zu bauen, damit die Mülheimer bequem dort hin gelangen konnten.

Die alte Innenstadt von Oberhausen sieht heruntergekommen aus. Aus A-Lagen wurden B-Lagen. Kann man sagen, dass hier Werte vernichtet wurden? Und falls ja, kann man eine Größenordnung der vernichteten Werte nennen?

Man kann feststellen, dass durch den Wegfall des Einzelhandels aus den früheren 1-A-Lagen die Gebäudewerte erheblich gemindert und dadurch vernichtet wurden. Ohne zu rechnen kann ich behaupten, dass die Summe der abgewerteten Immobilien erheblich ist. Beispiel: Wenn man auf der Königsallee ein Gebäude kaufen wollte, was ich verschiedentlich tat oder begleitet habe, musste man mit einer 24fachen Jahresmiete rechnen. Wenn man in einer guten Düsseldorfer Nebenstraße, auf der auch Geschäfte sind, ein Haus kaufen wollte, musste man mit der 18fachen Jahresmiete rechnen. Wenn man ein Haus ohne Ladenlokal im Erdgeschoss kaufen wollte, rechnete man mit der 12fachen bis 14fachen Jahresmiete.

Da sich die Häuser in der Oberhausener Innenstadt aber nicht als Wohnhäuser eigenen, als Büros nicht zu vermieten sind und das Erdgeschoss leer steht, kann man sich vorstellen, was man in diesem Fall überhaupt noch rechnen kann. Die Gebäude sind fast wertlos, es sei denn man bekommt einen Nahversorger ins Erdgeschoss, wie z. B. Aldi. Aber Aldi wird nur eine Miete zahlen, die sich bei netto sieben Euro je Quadratmeter bewegt, so dass auch dadurch keine deutliche Wertverbesserung eintritt. Nein, die Innenstadt ist vom Gebäudewert her ebenso zerstört worden, wie die Lebendigkeit der Stadt.

Es heißt, das Centro nutze der Stadt Oberhausen durch indirekte Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuer. Stimmt das in Ihren Augen?

Die Frage bezüglich der Gewerbesteuer habe ich in meinem Buch eindeutig dargestellt. Es gab kaum positiven Effekte. Es ist ja so, dass die Einkommensteuer, die der Investor für den Überschuss aus den Mieten zahlen muss, mit der Abschreibung für das Gebäude kompensiert wird. Die Gewerbesteuer zahlen die meisten Mieter an dem Standort, an dem ihre Verwaltungen liegen, und da ein solches Shopping-Center meist aus großen Filialen besteht, sind die Verwaltungen dieser Filialketten meist nicht in Oberhausen ansässig. Auch hier kann man fast von einem Null-Summen-Spiel sprechen. Jedenfalls nicht von einem Ergebnis, von dem man sagen kann, dass das Projekt Centro Oberhausen die Finanzen der Stadt Oberhausen retten würde. Meinem Buch können Sie entnehmen, dass die Stadt Oberhausen vor Errichtung des Centro Oberhausen ein Zehntel so hoch verschuldet war, wie heute und nunmehr zu den ärmsten Städten des Ruhrgebiets zählt.

Wieso konnte Ihrer Ansicht nach das Centro überhaupt umgesetzt werden? Gab es eine moralische Verpflichtung des Landes, das Centro umzusetzen?

Wodurch das Centro überhaupt als Projekt erstellt werden konnte, geht eindeutig aus meinem Buch hervor. Weil ein früheres Projekt, das so genannte Triple Five gescheitert war, konnte die Landesregierung politisch zu einer Bringschuld verpflichtet werden. Das wurde ausgenutzt. Wenn es den Hauptinitiator, Herrn Heinz Schleußer, als damaliger Minister der Regierung in Düsseldorf, nicht gegeben hätte, der dort in Oberhausen seinen Wahlkreis hatte, gäbe es auch kein Centro Oberhausen.

Welches Motiv sahen Sie bei Drescher, dass Centro durchzudrücken?

Bezüglich Herrn Drescher’s Motiv möchte ich keine weitere Antwort geben.

Im damaligen SPD-geführten Landeskabinett gab es Widerstände gegen das Centro. Welche Rolle spielte es, dass dem Planungsminister Zöpel zunächst die Zuständigkeit für das Centro entzogen wurde, bevor er ganz aus dem Kabinett ausschied? Wer hat die Planungen im Kabinett warum unterstützt?

Das Ränkespiel im Landeskabinett bezüglich des Centro Oberhausen habe ich einige Zeit verfolgen können. Der SPD Minister Fahrtmann hatte sich damals energisch gegen das Centro ausgesprochen. Ebenfalls das CDU Mitglied Frau Thoben, aber offensichtlich ist Herr Schleußer mit seinem Ziel, das Centro Oberhausen mit Herrn Drescher zu verwirklichen, aus dem Machtkampf als Sieger hervorgegangen. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass sich Herr Zöpel, der sich vehement gegen das Centro eingesetzt hatte, eine „blutige Nase“ holte und schließlich aus der Landesregierung ausscheiden musste. Wer nun Herrn Schleußer unterstützt hat, kann ich nicht sagen. Möglicherweise Herr Rau persönlich. Aber das ist nur eine Vermutung. Auf alle Fälle kann ich feststellen, dass sich alle Beteiligten überhaupt nicht darüber im Klaren waren, was hier eigentlich gespielt wurde und welcher politische Schaden sich durch den Fall Oberhausen einstellte. Würden diese Personen noch einmal entscheiden müssen, wäre das Ergebnis sicher ein anderes.

Sie selbst haben Einkaufszentren geplant, etwa in Düsseldorf die Schadow-Arkaden. Oder in Mülheim beim Rhein-Ruhr-Zentrum. Sie waren auch im Gespräch als Planer für die Centro-Fläche. Kritisieren Sie das Centro jetzt nur, weil sie enttäuscht sind, das Sie hier nicht zum Zug kamen, wie das Drescher in seinem Leserbrief für die Immobilienzeitung nahelegte?

Als die kanadischen Investoren des gedanklichen Vorläuferzentrums zum Centro Oberhausen mit der Stadt Oberhausen Kontakt aufnahmen und wohlwollendes Entgegenkommen spürten, suchten sie einen Architekten und kamen zunächst zu mir. Ich habe den Herren erklärt, dass ich solche Zentren, insbesondere in dieser Größe, in meinem weiteren beruflichen Leben nicht mehr bauen werde, weil ich diese Initiative für falsch hielt und heute noch halte. Daraufhin haben sie mein Büro relativ spontan verlassen. Und auch die Landesregierung hatte es durch ein Votum geschafft, sich gegen diese kanadischen Investoren zu wehren und somit das Vorläuferprojekt zu verhindern. Da Drescher und Genossen meine Einstellung kannten, haben sie dafür gesorgt, dass die Centro Investoren gar nicht mehr bei mir vorsprachen, sondern andere Düsseldorfer Büros bevorzugten.

Darüberhinaus ist es richtig, dass ich vor 40 Jahren das Rhein-Ruhr-Zentrum für Stinnes geplant habe. Ich hatte damals ein Büro in New York und kannte die Szene der modernen Einkaufszentren in den U.S.A. sehr genau. Es waren auch andere Architekten aufgefordert worden, hierfür Pläne zu fertigen, aber meine Pläne wurden zur Ausführung herangezogen. Niemand hat vor 40 Jahren geahnt, welche negativen Auswirkungen solche Shopping-Center auf die Innen- und Nachbarstädte haben. Das Rhein-Ruhr-Zentrum sollte ja nicht den Einzelhandel aus Mülheim abziehen, sondern – an der Autobahn gelegen – eine alternative Einkaufsstätte für das gesamte Ruhrgebiet sein. Das dies nicht eintrat und mehr der Effekt zu Lasten der Stadt Mülheim eintrat, hatte mich dazu bewegt, mich an solchen Projekten nicht mehr zu beteiligen. Es geht sogar weiter. Ich habe daraus den Gedanken entwickelt, kleine Zentren ähnlicher Art, sogenannte Stadtgalerien, direkt in die Innenstadt einzubringen, und zwar an deren bester Stelle. So wie die Schadow-Arkaden und die Kö Galerie in Düsseldorf sowie ähnliche Projekte, die ich in vielen anderen Städten verwirklichen konnte. Hätte man eine solche Stadtgalerie mitten in die Marktstraße hineinplatziert, dann wäre ein anderer Effekt entstanden, nämlich ein positiver Beitrag zu einer blühenden Stadt Oberhausen.

Was sind die Unterschiede zwischen Ihren Planungen und dem Centro-Vorhaben?

Ich habe während meiner weiteren beruflichen Tätigkeit oft Anfragen erhalten, ob ich hier oder dort für große Konzerne ein Shopping-Center planen möchte. Ich habe alle Anfragen abgelehnt, mich aber durchaus dafür eingesetzt, meine Idee der Stadtgalerie – so wie ich sie genannt habe – in möglichst vielen Städten zu platzieren und halte es für eine hervorragende Chance für die Städte, den Einzelhandel attraktiver zu gestalten; natürlich unter vielen vorausgehenden Bedingungen. Und zu diesen Bedingungen habe ich bereits vor geraumer Zeit ein Buch mit dem Titel „Die Stadtgalerie – Ein Beitrag zur Wiederbelebung der Innenstädte“ (Campus Verlag) geschrieben. Auch in diesem Buch stelle ich eindeutig klar, dass ich erkannt habe, dass große Einkaufszentren, sei sie auf der „grünen Wiese“ oder am Stadtrand, für Städte tödlich sind, und dass eine gute Stadtgalerie unter den verschiedenen, von mir dargestellten Voraussetzungen durchaus gegensätzliche, positive Wirkung erzielt.

Die Unterschiede zwischen meinen Planungen und dem Centro Vorhaben sind eindeutig. Centro und Rhein-Ruhr-Zentrum sind typische, nach amerikanischem Prinzip geplante Groß-Shopping-Center. Meine Planungen, die ich seit mehr als 30 Jahren durchführe, haben damit keine Ähnlichkeit, da die Projekte erheblich kleiner sind (oftmals nur ein Zehntel so groß) und sich nicht nur auf den Einzelhandel beziehen, sondern darüber hinaus auch viele Dienstleitungen aufnehmen, wie z. B. in der Kö Galerie in Düsseldorf ein Kino oder in den Schadow Arkaden, ebenfalls in Düsseldorf, ein kleines Theater oder in der Heuvel Galerie in Eindhoven (NL) eine große Philharmonie. Darüber hinaus in den Obergeschossen Büros und sonst dergleichen. Ich plane immer eine multifunktionale Stadtgalerie, die viele andere Impulse an die Innenstadt abgibt.

Heute hat der Regionalverband Ruhr die Planungshoheit für den Pott. Welche Schlüsse sollte er aus dem Centro ziehen? Was erwarten Sie vom RVR?

Mit Bezug auf den Regionalverband Ruhr habe ich noch keine Wirkung bei dem hier aufgeworfenen Problem erkennen können. Insofern kann ich mir hierüber kein Urteil erlauben. Sicher wäre es für diesen Verband ratsam, wenn er sich gründlich mit meinem Buch „Centro Oberhausen – Die verschobene Stadtmitte“ beschäftigen würde, insbesondere mit den Hintergründen, die zum Projekt führten.

Das Buch: Centro Oberhausen – Die verschobene Stadtmitte gibt es unter anderem hier: klack

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Christoph M. Schmidt, Wirtschaftsweiser und Präsident des RWI, hält nicht viel davon, dass das Ruhrgebiet im Moment auf Kreativwirtschaft setzt. Er geht davon aus, dass das Ruhrgebiet erst wieder ein starker Wirtschaftsstandort werden muss, bevor es mit der Spaßindustrie klappen kann.

Nach Ansicht von Schmidt braucht man auch für diese Aufgabe Kreativität, aber eben die Kreativität der Ingenieure, Techniker und Intellektuellen. Man braucht dafür Bildung, Forschung und Investitionen. Und nicht unbedingt neue Theater.

Schmidt sagt, wenn man harte Fakten im Revier geschafft hat, dann klappt’s auch mit der Kreativwirtschaft – und zwar automatisch. Es geht um „Substanz“, bevor man die „schönen Seiten des Lebens genießen“ kann.