Mitten im Jahr der Kulturhauptstadt wird die industrielle Kulturförderung im Pott massiv in Frage gestellt. Und das mit Recht, denn im Gegensatz zur Kultur hat das Ruhrgebiet in anderen Bereichen wie Bildung und Forschung erheblichen Nachholbedarf. Theater und Musikhallen gibt es genug. Das hat der Initiativkreis Ruhr (IR) herausgefunden. In einer Studie, die den Ruhrbaronen vorliegt. Wie wir weiter erfahren haben, wird deshalb im Initiativkreis derzeit heftig über die künftige Förder-Ausrichtung des wichtigsten Clubs der Ruhr-Industrie diskutiert: Mehrere Mitglieder wollen weniger Geld für Kultur ausgeben. In der Konsequenz könnte die Industrieförderung für Spaß und Spiel deutlich zurückgefahren werden.
Kurz vor Weihnachten, wenige Wochen vor dem Beginn des Kulturhauptstadtjahres, brach der Konflikt offen auf: Evonik-Chef Klaus Engel, nicht gerade eine Freund von Initiativkreis-Moderator Wulf Bernotat, forderte künftig weniger Geld für das Klaviervestival Ruhr. Die WAZ berichtete, dass Engel die hohen Mittel für das Klavierfestival in einem Brief an Bernotat als das „falsche Zeichen der Ruhrwirtschaft an die Menschen der Region” bezeichnete.
Der IR, so der Kern der Kritik, hätte sich von seiner Ursprungsaufgabe, der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Ruhrgebiets entfernt.
Die Kritik ist nicht die Konsequenz eines Bauchgefühls sondern hat eine Untersuchung der IW Consult GmbH zur Grundlage, die den Ruhrbaronen vorliegt. Einmal im Jahr untersucht IW Consult ob sich die Wettbewerbsfähigkeit des Ruhrgebiet im Vergleich zu anderen europäischen Regionen verbessert hat – und im Kulturbereich hat es, so die Analyse, große Fortschritte gegeben. Das Ruhrgebiet gilt längst nicht mehr als kulturelle Wüste, sondern gehört zu den kulturell attraktivsten Regionen Europas. Genützt hat das wenig: Insgesamt ist das Ruhrgebiet zurückgefallen.
„Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine noch stärkere Kulturförderung keine neuen Jobs bringt und unsere Probleme in ganz anderen Bereichen liegen“, beschreibt ein Mitarbeiter des IR die Diskussion unter den Mitgliedsunternehmen. Die Unterstützung dort wäre wesentlich sinnvoller als der weitere Ausbau von Kulturveranstaltungen.
Vor allem im Bildungsbereich sind die Defizite groß – viele Schüler sind nicht ausbildungsfähig und auch die Unternehmen gehören nicht zu den Innovativsten des Landes: Die Zahl der Patentanmeldungen ist traditonell im Durchschnitt deutlich niedriger als im Bundesvergleich – von Spitzenländern wie Baden Würtemberg ganz zu schweigen. Nach der IW Studie ist die Innovationsleistung im Ruhrgebiet sogar deutlich gesunken.
„Das sind die Themen, an die der IR ran muss“, sagt der IR Mitarbeiter, „denn Bildung und Innovation sind die Felder, auf denen sich die Zukunft des Ruhrgebiets entscheidet. Im Kulturbereich sind wir längst gut genug. Unsere Probleme liegen auf anderen Feldern.“