zwanzig10: Bloggen über die Kulturhauptstadt

Jetzt startet Ruhr2010. Für ein Jahr ist das Ruhrgebiet die Kulturhauptstadt Europas – und wir sind mit dabei.

Wir – dass sind eine ganze Reihe von Blogs die heute zusammen das Portal Zwanzig10.de starten: Coffee And TV, die ständige Reise, Gelsenkirchen Blog, Hattingen Eins, KochplattentellerHometown-Glory, Nur mein Standpunkt, Scudetto, der Zebrastreifenblog und hirnrinde, der Pottblog und die Ruhrbarone.  

Auf Zwanzig10.de laufen ab jetzt unsere Texte zum Thema Kulturhauptstadt zusammen. Weitere Blogs sind eingeladen mitzumachen, egal ob aus dem Revier oder von sonstwo. Interessenten können sich unter mitmachen (at) zwanzig10.de melden.

Was auf der gemeinsamen Seite zu lesen sein wird? Hymnen über die Weisheit der Kulturhauptstadtmacher natürlich! Orgiastische Zustimmung zum Programm!  Lob über den klugen und gerechten Umgang mit den Finanzen! Und natürlich unsere Begeisterung über die sich nun auftuenden Perspektiven für unsere arme, gebeutelte Region, das einstige Rusland, in dem bis gestern der Schnee schwarz wie die Kohle und die Sonnen gelb wie Schwefel war.

Vielleicht wird es aber auch die eine oder andere kleine kritische Anmerkung geben: Über das Programm, den Umgang mit Geld und noch scheiternden Projekten. Ihr werdet es ja sehen – wir auch. Und wie freuen uns: Auf Euch und das gerade begonnene Jahr.

SPD-Sammelklage gegen Neuwahl in Dortmund?

Noch bis Mitte Januar können Ratsmitglieder und Bezirksvertreter in Dortmund Klage gegen die Neuwahlen einreichen.

Ein paar Bezirksvertreter haben schon klar gestellt, gegen die Neuwahlen klagen zu wollen, aber nun gibt es Hinweise, dass eine größerer Zahl von SPD-Ratsmitgliedern  dabei ist, eine Sammelklage zu organisieren. "In den letzten Tagen haben sich viele Sozialdemokraten aus Dortmund auf den Weg nach Essen gemacht, um sich bei der Kanzlei Heinemann & Partner über ihre Klagemöglichkeiten informieren zu lassen," so ein Kenner der Dortmunder Lokalpolitik zu den Ruhrbaronen. Die Kanzlei, die vom ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann (SPD) gegründet wurde und als SPD-nah gilt, erklärte auf Anfrage, man beantworte Fragen zu Mandanten grundsätzlich nicht.

Würden SPD-Ratsfrakionsmitglieder gegen die Neuwahl klagen, wäre das eine weitere Bürde für den SPD-OB Kandidaten Sierau und SPD-Chef Drabig. Der von beiden erklärte Politikwechsel hin zu mehr Transparenz würde ein weiteres Mal von SPD-Fraktionsmitgiedern konterkarriert werden.     

Ethiksteuer? Reicht nicht!

Laut WAZ fordert Uwe Blum, der Präsident des  In­sti­tuts für Wirt­schafts­for­schung Halle (IWH), eine Ethiksteuer für alle, die nicht mehr in der Kirche sind und sich so um die Kirchensteuer drücken.

Mit der Ethiksteuer sollen, so Blum, soziale Projekte finanziert werden. Machen wir uns nichts vor: Die Ethiksteuer reicht nicht aus. Hier noch ein paar Ideen um an das Geld vonb Steuerverweigerern zu kommen:

Der Leberzehnte – Abstinenzler sind Geizhälse und haben keinen Humor – sorgen wir doch dafür, dass sie künftig auch weniger Geld haben.

Wenigerwertsteuer – Konsumzurückhaltung zerstört nicht nur den Aufschwung – auch die Mehrwertsteuereinnahmen sind gefährdet. Da hilft nur schnelles handeln gegen die Konsumverweigerer.

Die Nichtraucherabgabe – Nichtraucher sorgen für Steuerausfälle in Millionenhöhe – Da muss was geschehen.

Der Radlerpfennig –  Tja, dass haben sich die Hippies so gedacht: Mit dem Hollandrad zur Arbeit in den Bioladen fahren und keine Mineralölsteuer zahlen. So geht es nicht, ihr Haschbrüder!

Die Vereinsmeiermark – Immer weniger Menschen sind Mitglieder in Vereinen. Das gefährdet viele Traditionen. Auch wer nicht in der Gruppe turnen und trinken will sollte künftig nicht mehr ungeschoren davon kommen.

 

Wir in NRW – der neue Politblog in NRW

Es gibt einen neuen Blog in NRW. Er heißt wir-in-nrw-blog.de. Soweit so gut. Das besondere daran? Das Netzwerk hinter dem Blog besteht zu einem Gutteil aus Insidern der Düsseldorfer Landespolitik – und zwar auch aus dem Lager der CDU.

Betreiber des Blog ist Alfons Pieper. Genau, der ehemalige langjährige Vize-Chefredakteur der WAZ. Ein politisches Schwergewicht mit dicken Drähten in die Landesverwaltung. Dazu kommen einige handverlesene Autoren, die unter Tucholsky-Pseudonymen Interna aus dem Haus Rüttgers verbreiten. Und aus dem Lager der CDU stammen. Es heißt, ihnen sei peinlich, wie Rüttgers seine eigene Partei stromlinienförmig gestriegelt habe. Und dagegen wollten sie sich wehren. Im Dienste der Demokratie. Ich nehme den Leuten das ab.

Da ist zu lesen, wie es zur peinlichen Homestory bei NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) kam, warum sich der Rheinländer mit seiner Frau vor dem Förderturm im Ruhrgebiet ablichten ließ und was das alles mit der Schwester des neuen Chefredakteurs des Focus zu tun hat. Die Dame arbeitet in der Staatskanzlei mit dem Intimus von Rüttgers zusammen – einem Ex-Offizier der Bundeswehr. Es wird über Mobbing berichtet, über unfeine Attacken, über die Causa Wüst in allen Einzelheiteninklusive der betreffenden Dokumente und alles andere, was Rüttgers Staatskanzlei lieber nicht lesen will.

Die Stories bei wir-in-nrw-blog.de sind spannend, böse und gut. Mir sagte einer aus dem Umfeld des Blogs, die Nummer sei initiiert worden, da in Düsseldorf der Hammer kreist und immer mehr Freiräume der Presse verschwinden. Kritische Berichte würden unterdrückt oder sogar gegen unliebsame Redakteure und Schreiber vorgegangen. Mit Rachsucht, mit Mobbing und mit Kündigungen. Neben dem Focus-Mann Steinkühler hat es schon einen anderen prominenten Journalisten aus dem Hause des WDR erwischt. Weitere Kegelkandidaten werden derzeit ausgebergert. Es geht um die Macht über die Presse im heraufziehenden Wahlkampf. Unliebsames soll offensichtlich weggedrückt werden.

Mir wurde gesagt, aus Reihen der WAZ seien bereits Emissionäre unterwegs, um zu überprüfen, ob hinter den Infos auf wir-in-nrw-blog.de auch aktive WAZ-Reporter stecken. Denen soll es ebenfalls an den Kragen gehen – falls dem so ist.

Im Düsseldorfer Landtag gilt der Pieper-Blog als Hotest Talk in Town. Ich schließe mich dem an. Wenn Reporter in NRW unter Druck geraten, müssen die sich wehren, sonst ist es nicht weit her mit der Pressefreiheit. Das Internet gibt uns die Möglichkeit dazu. In diesem Sinne begrüßen die Ruhrbarone das neue Mitglied in der Blogosphäre.

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Gorny: „Konzerthaus Bochum wäre ein Solitär“

Ruhr2010 Direktor Dieter Gorny glaubt nicht, dass das umstrittene Konzerthaus Bochum für die weitere Entwicklung des Bochumer Viktoriaquartiers  zu einem Kreativquartier ein prägender Faktor wäre.

Das Viktoriaquartier um das Bermudadreieck sei allein durch das Schauspielhaus und den City Hörsaal der Ruhr Uni immer Wortlastig gewesen. In dieses Umfeld passe die Investition des Bochumer Gastronomen Leo Bauer und des Schriftstellers Frank Goosen ein Kleinkunst-Theater neben dem Riff zu errichten gut. Die Konzerthauspläne der Stadt, deren Umsetzung im Augenblick unwahrscheinlich ist, sieht Dieter Gorny eher skeptisch: "Das Konzerthaus wäre ein Solitär. Es schadet nicht, aber es wäre kein prägender Faktor für die weitere Entwicklung des ViktoriaQuartiers. Das haben wir (Die Ruhr2010. die Redaktion) immer deutlich gemacht."

Überhaupt sieht Gorny den weiteren Ausbau der Subventionskultur skeptisch: "Man muss sich die Frage stellen, ob Investments in diese Art von Kultur mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung überhaupt noch Sinn machen. Ob ein Konzerthaus das richtige Mittel ist, die Menschen im Ruhrgebiet zu halten die wir zukünftig brauchen und die Region für jungen Kreative attraktiv zu machen, wage ich zu bezweifeln. Wir müssen erkennen, dass ein großer Teil der Bevölkerung sich kulturell anders ausgerichtet hat, als es die Formen von Kultur vorgeben, die mit Subventionen am Leben erhalten werden. Es sind doch die Menschen, die in den Off-Theatern sind, die eigene Bands gründen, Galerien eröffnen oder auf eine andere Art und Weise selbst kreativ tätig werden, die eine Region lebendig werden lassen. Diese Leute muss man halten, man muss sie unterstützen und ihnen die Freiräume geben, die sie benötigen. Das ist allerdings immer noch das Gegenteil von dem, was man unter normaler Kulturpolitik versteht."

Pikant:  Die Stadt Bochum versucht im Moment den Bau des Konzerthauses mit Verweis auf dessen Bedeutung für die Entwicklung des Viktoriaquartiers zu einem Kreativviertel zu begründen. Regierungspräsident Helmut Diegel hält es wegen der prekären Lage des Bochumer Haushaltes nicht für Verantwortbar ein solches Gebäude zu errichten. Generell sind Gornys Aussagen eine guter Anlass für die Kulturpolitiker des Ruhrgebiets die Honoratiorenorientierung der Kulturpolitik zu überdenken und neue Wege zu gehen, anstatt kulturelle Strukturen anderer Städte zu kopieren.

3 FÜR 7 – Diesmal ohne Tipps

Sorry. Diese Woche wird der Joker gezogen, der da heißt: Der Autor dieser Zeilen möchte gar nichts empfehlen, was mit Veranstaltungen zu tun hat. Anderes vielleicht. Aber nicht (z.B.): Weihnachtskonzerttraditionen, Prominentenschaulaufen, Geburtstagspartys.

Mag ja sein, dass die Show immer weiter gehen muss, jedes Tierchen sein Pläsierchen bekommen soll und sich über Geschmack vortrefflich streiten lässt. Ich frage mich gerade, ob es in Afghanistan schon Charts gibt. Nicht dass wir uns missverstehen: Deutschland hat seinen Anteil daran, dass das Attentat auf das WTC stattfinden konnte; das Militär schlägt mal so einfach derbe zu und freut sich, dass geschaffene Fakten für sich sprechen (erinnert mich an manche Argumentationsmuster beim letzten Militärschlag Israels gegen Palästina); Steinmeier und Struck sind aus der medialen Schusslinie, Schröder und Fischer eh, zu Guttenberg ist habhaft. Alles geschenkt in diesem Moment, auch dass die parlamentarische Opposition nur Machtpolitik betreibt. Aber dieses Hineinsickern von Kriegsmentalität in die Gesellschaft… Irgendwie hört der Schreiber dieser Zeilen z.B. nie mehr (natürlich zufällig) Metallica, ohne daran zu denken, dass das Soldaten gerne beim Töten hören. Was hören eigentlich die deutschen Soldaten? Kreator? Oder so sexy Cunt Rock? Jedenfalls sind all die Heavy Metal Festivals rund um das größte Fest der Christenheit (samt Teufel und was sonst noch so dazugehört) dieses Jahr No-Go-Area. Anti-Tipp.

Huppert war da, Lucy schaut auch mal rein. Irgendwann im Verlauf des nächsten Jahres wird es schon aufgrund des irre tollen Prominentenaufkommens jedeR denkbare KritikerIn des werten Kulturhauptstadtgebahrens schwer haben. Die Kameras richten sich ja irgendwie auf alle Ruhries, und selbst die Haltung "Wir sind fast pleite! Was soll all der Glam!?!!" wird zur Mentalitäts typischen Folklore erklärt werden. Auf dass bloß nicht daran gerührt wird, dass der Standort ja anscheinend viele Investoren braucht, deren Lebensinhalt es ist, immer wieder Karten für Veranstaltungen mit Promibeteiligung zu ergattern. Ruhm kostet ja nichts, und ein wenig Sexyness wird auch schon abfallen, fein. Eigentlich noch schlimmer: Die dazugehörige dankbare Haltung, weil die Region hier so etwas ja sooo nötig hat! Die Kultur wird Beiwerk sein für unverbesserliche Schöngeister, der Rest macht Sehen und Gesehen Werden, "realpolitik", wie es mittlerweile ja auch im Englischen heißt – und nicht erst seit irgendein Oberst die Drecksarbeit für Obama (und andere) macht. Erschreckend, wie das große Ganze manchmal verschütt gehen kann, und alle haben ja genug mit sich selbst zu tun oder so.

Und so feiert die hehre Christenheit also Kindergeburtstag, und auch diese und jene Diskothek, so mancher DJ, etc. Am letzten Wochenende hatte der Schreiber dieser Zeilen die Ehre, gleich drei dieser Veranstaltungen besuchen zu dürfen und ist jetzt schon richtig satt, aber es wird weitergehen. Überall reden die Leute über Pop, Erfolg und … Idiosynkrasien, tatsächlich. Und natürlich trifft sich die Meute, die Szene, der Kiez auch immer einfach gerne noch einmal gen Jahreswechsel oder kurz danach, wie bei anderen Firmenveranstaltungen ja fast auch. Das Schlimme: Es wird im Ruhrgebiet vielleicht das ganze nächste Jahr über so weitergehen! (Der Autor schickt den Artikel ab und schüttelt sich.)

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