Leningrad Cowboys, Freitag, 5. März, ab 20:00 Uhr, Matrix, Bochum
3 FÜR 7 – (Sexy) Essen-Special
Houellebecq ist doof bzw. ein übler Selbstdarsteller. Man kann es nämlich alles auch kürzer und einfacher sagen. Z.B.: Natürlich glauben die Leute nicht nur was ihnen passt, sondern sie glauben auch Leuten gern, die sie z.B. ganz stumpf sexy finden (wollen). Daher all die schicken Moderations-Nichtpersonen bei TV & Co., aber das gilt selbstredend auch für die Trendpostillen, Blogs, etc. – bei denen zur Newsproduktion auch immer ein gehöriges Maß an Sich-selbst-Produzieren dazugehört. Deshalb stolziert auch jede Wasserstandsmeldung neuerdings daher, als wolle sie als letztes aus einem Container raus oder sonst einen Contest gewinnen. Wie blasiert! Themen: Tanz, Jingo de Lunch, eine Kunstakademie.
Die sublimierte Erotik des Tanzes: Das ist ja immer ein wenig heikel. Wo früher Söhne und Töchter aus nicht unreichem Hause zum Erbauen älterer Mitglieder der Gemeinde ein adrettes Ballett auf die Bühne brachten, sind mittlerweile ein wenig mehr Autoerotik und Verkopftheit eingezogen. Die Beziehung zwischen Dramaturgen bzw. Lehrern und Tänzern ist weniger offen autoritär, dafür müssen die Zuschauer nun auch verstärkt im Grunde Untanzbares getanzt sehen – fast wie ja denn nach Auschwitz doch eben genau mehr denn je Gedichte und Lieder geschrieben werden als je zuvor. Wilde Zusammenhänge hier: Massenmord, Erotik, 68er! Na, macht das an? Jedenfalls ist am Freitag Großtanztag in Essen: Im Rahmen der Biennale Tanzausbildung und darüber hinaus Mary Wigman und Gerhard Bohner bei PACT Zollverein.
Der derbe Charme von Kreuzberg-Rockern: Uh, yeah!!! Ausgezogen aus der Klein- oder Großstadt dahin, wo mitten in Deutschland total selbstbestimmtes Leben erkämpft werden soll – wie romantisch! Und dazu gehört dann auch „auf die Fresse“, „zünd an“ und „Rock!“, na klar! Oder gleich da geboren sein, wo Traditionen, wenn auch nicht sehr alte, so hoch gehandelt werden wie sonst nur in bayerischen Dörfern. Süßes, schmutziges, muskelbepacktes Alternativ-Berlin: hat was (für manche). Pomade und Tattoos, Jeans und Leder, Gitarre und Rumspucken sind da natürlich nur ein ähem Ausfluss des Ganzen, und natürlich finden sich in benachbarten Arealen leicht andere Appeals. Aber bei Jingo de Lunch (übersetzt: Typ aus Essen; Foto: Promo) in der Zeche Carl wird doch wohl deutlich, worum es geht: Rock’n’Roll wird erst dann sterben, wenn New York und Berlin endlich dicht gemacht sind. Bis dahin also schnell noch solche Konzerte gucken! (Interview mit der Support-Band Die Zelten! hier.)
Selbstverwirklichung an der Akademie: Ja, hurra! Freie Künste sind etwas Feines, sozusagen der Ursprung der modernen Ich-AG-Produktion: Es wird an sich und am eigenen Stil und schließlich der Verwertbarkeit von Image und Schöpfung gearbeitet, bis entweder davon gelebt werden kann – oder über andere geschrieben werden muss. Das ist natürlich bei allen äh Wissenschaften so, bei Bildender Kunst gibt es jenseits des Herbeizitierzwangs irgendwelcher „Vorbilder“ und „Inspirationen“ aber kaum irgendwelche Hemmnisse, einfach ganz in Leben und Werk aufzugehen. Zum Glück sind manche Künstler/innen sozusagen schizophrenie-fähig, sonst gäbe es nur noch Fulltime-Künstler auf der Welt, ganz Image, ganz unerschütterlich – und wenn was passiert da draußen: Schnell in Kunst und Aufmerksamkeit für eineN selbst umwandeln! Ts. Was war? Ach ja: Der Rundgang 2010 bei der Freien Akademie der bildenden Künste. Für Leute, die sich ganz zwanglos für die Kunst anderer Leute interessieren.
Nächste Woche: Was das alles mit dem sogenannten Kapitalismus zu tun hat und welche Formen von Währungen es sonst noch so geben könnte. (Mal sehen.)
Tanz am Freitag.
Jingo de Lunch am Donnerstag.
Rundgang bei der FAdbK ab Freitag.
Rondoprinz
Rondoprinz, Mittwoch, 3. März, 20.00 Uhr, Intershop, Bochum
2010, Odyssee im Stadtraum
Sechs Uraufführungen, 14 Stunden Schauspiel, 77 Schauspieler – im Ruhrgebiet wurde am Wochenende ein Theatermarathon gegeben. Doch die „Odyssee Europa“ ist weniger Extremsport für Theaterjunkies als ein fröhlicher Ausnahmezustand.
Ein Glas Wein auf der Premierenfeier, „dann schlaf‘ ich wohl ein“. Ulrike Seybold vom Organisationsteam der „Odyssee Europa“ ist erschöpft. Gerade hat sie die aus dem Bochumer Schauspielhaus strömenden Theaterbesucher mit einem Megaphon angetrieben. Seit Wochen arbeiten die Organisatoren an den Abläufen des Wochenendes: „Die Mitreisenden begeben sich bitte in die bereit stehenden Busse“, scheppert es über den Theatervorplatz – auf zur nächsten Etappe, einer Schifffahrt mit Abendessen auf dem Rhein-Herne-Kanal Richtung Westen. Am Ende des ersten Tages bringt das Theater Oberhausen noch Uraufführung Nummer Drei.
Ein Theatermarathon hat eigene Gesetze. Selbst Feiern wird zur logistischen Herausforderung. Die Polen, meint Anselm Weber der scheidende Intendant des Essener Grillo-Theaters auf dem Deck des Ausflugsschiffs, „die Polen haben schon um Sieben angefangen, da wird es nachher schwer reinzukommen.“ Gerade spiegeln sich die Lichter von Hafenanlagen im Fahrwasser des Rhein-Herne-Kanals, der Mond scheint über dem Südufer, Wanne-Eickel ist nicht weit. Die Idylle auf einem Fahrgastschiff „das älter ist als die Titanic“, wie der Kapitän stolz verkündet.
Noch betagter ist der Stoff, dem sich diese Theaterreise widmet: Die Odyssee von Homer, die älteste Reiseliteratur des abendländischen Kulturraums. Odysseus, ein Sieger von Troja, findet nicht zurück nach Ithaka zu Frau, zu Hof und Sohn. Der Gott Poseidon wütet gegen ihn, der Held muss über stürmische Meere, mit einer Zauberin leben. Beschützt von der Göttin Athene, bereist er sogar die Unterwelt, um seinen Weg zurück zu finden.
Für die sechs europäischen Schriftsteller, die sich im Auftrag der Ruhr 2010 dieses Stoffes angenommen haben, ist die Heimkehr Odysseus‘ einer der Ausgangspunkte. Nach zwanzig Jahren strandet Odysseus an der Küste Ithakas. Doch seine Gemahlin Penelope erkennt ihn kaum wieder, nassauernde Freier haben sich am Hof eingenistet und ihr erwachsener Sohn Telemachos. Odysseus tötet Penelopes Verehrer und alle Helfershelfer. Doch wie die Geschichte weiter geht, verliert sich in Mythen.
Am Essener Grillo-Theater hat der polnische Autor und Regisseur Grzegorz Jarzyna einen blassen Mann stranden lassen, der sein Gottvertrauen verloren hat. Einsam beginnt er ein stummes Gebet, bevor er in die Schlacht gegen die Freier zieht, den Tod findet er aber durch die Hand seines aufmüpfigen Sohnes. Um diese Rückkehr geht es auch im Finale, der am lautesten bejubelten Inszenierung am Sonntag Abend in Dortmund. Nun liegt Schnee auf Ithaka. Die Freier nennen sich „Reformer“, sie haben Stauseen, Industrien, Schlachthöfe geschaffen, sie begnügen sich nicht mehr mit Odysseus‘ Weinkeller. In großem Stil beuten sie Ithaka aus, bis sie von Odysseus erschlagen werden. Müde hält er hernach seinen Sohn in den Armen – hält er ihn zu fest? „Odysseus, Verbrecher“ nennt der österreichische Autor Christoph Ransmayr seine Version der Odyssee, tapfer und wortkarg hat der Dramatiker die Theaterfahrt durchs Ruhrgebiet mitgemacht.
Zum Beispiel Oberhausen: Hier belauern sich vier Freier in Badehosen in einem leeren Pool. Bange warten sie auf Odysseus Heimkehr, ringen immer verzweifelter um Penelopes Gunst, die den mörderischen Wettkampf der Nebenbuhler wie die Spielleiterin einer Fernsehshow beobachtet. Als eine abschreckende Idee, mit der sich Penelope die Männer vom Leib hält, ist der Odysseus des irischen Autoren Enda Walsh übrigens der mächtigste dieses Wochenendes.
Nach einer kurzen Nacht steht Oliver Scheytt mit den anderen Reisenden im Foyer des Theaters an der Ruhr in Mülheim und wirkt schon sehr zufrieden mit dem Theater-Happening: „Wir sind bei den Leuten angekommen mit den Geschichten, der Idee, diesem Wochenende“, sagt der Geschäftsführer der Ruhr 2010 zur Halbzeit. Zu anstrengend sei das nicht, findet der Kulturpolitiker, oft bleibe noch Zeit für einen Kaffee, „und die Reisen empfinde ich als angenehm“.
Die Agentur „Raumlabor“ aus Berlin hat das Umfeld der Aufführungen entwickelt, auch die Busfahrt von Mülheim nach Moers am Ruhrdeich entlang. Rechts strömt der Fluss zum Rhein, links die Autobahn, dazwischen die Kleingartenanlage „Ruhrperle“; spitzgiebelige Häuschen, Deutschlandfahnen und blaue Autobahnschilder. Später passiert die Reisegruppe die weißen Riesen von Hochheide, trostlose siebziger Jahre Wohnsilos im Schmuddelwetter. Das Orkantief bringt Regen, Hagel und Wind von der Nordsee.
Das Moerser Schlosstheater spielt in einer ehemaligen Tennishalle eine weibliche, türkische Odyssee der Autorin Emine Sevgi Özdamar. Eine Irrfahrt der jungen Perikizi die um Auswanderung kreist, um Ausbeutung, Anpassung und auch für die Zuschauer in einem befreienden Hochzeitsfest gipfelt, einem „Bad in der offenen See“. Tee wird dazu gereicht, Süßigkeiten und Kolonya – türkisch Kölnisch Wasser. Dann ein Paukenschlag: Der Moerser Intendant bittet die Besucher für die kleine Bühne zu unterschreiben. An der Westgrenze des Ruhrgebiets befürchtet man, die Kommune werde das Theater schließen.
Die Irrfahrt endet in Dortmund, ein riesiges Straßenbahndepot, eine Festtafel für dreihundert Gäste, türkische Musik, türkische Küche, lange Schlangen, ein Stimmensummen. Das Paar nebenan ist einfach nur „glücklich“, diese Reise mitgemacht zu haben. Sie kommen aus Essen, haben das Theaterhappening trotzdem mit Übernachtung gebucht. Die Gelegenheit, sechs so unterschiedliche Stücke so kompakt vorgeführt zu bekommen, habe sie begeistert – aber noch mehr die „neuen Kontakte mit anderen Zuschauern oder unseren Gastgebern in Moers“. Und dann müssen ihm alle am Tisch von ihren Erlebnissen berichten und welches der Stücke, am besten gefallen habe.
Natürlich ist dieser Reigen der Ruhrtheater auch ein Kräftemessen der Bühnen. Nicht nur die Autoren der Stücke, Vertreter der anderen Theater sind vor Ort, auch Prominente wie der Intendant des Berliner Ensembles. Mit Buhrufen reagierte Claus Peymann etwa auf den Hauptdarsteller an seiner alten Arbeitsstätte Bochum. Auf einer Guckkastenbühne hat Odysseus von seinem Abstecher in die Unterwelt berichtet – ein stark rauchender, fast leidenschaftsloser Held, der in dem Stück von Roland Schimmelpfennig auch als „Mann aus dem Lotto-Totto-Laden“ oder „Mann vom Sofortdienst“ geführt wird. Das Publikum hatte für das Spiel von Wolfgang Michael weit mehr übrig als Legende Peymann.
„Nein“, sie werde kein Ranking der Ruhrbühnen vornehmen, sagt eine Zuschauerin, Lehrerin aus Essen vor der letzten Aufführung: „Diese Art von Reise hat mich begeistert, diese Inszenierung mit uns“. Im Katalog der Odyssee stehe ja, dass es „um die Bühnenwerdung der Welt“ gehe. Ihre Theaterfreundin meint, sie habe selten mit so vielen Leuten gesprochen – komisch, dass es das nur bei einem solchen Happening gebe? War es das türkische Essen im Nordstadt-Depot, der frische Eindruck – diesen beiden gefiel die Auswanderer-Odyssee aus Moers besonders gut.
Nächste Termine: Sa/So 6./7. März 2010; Sa/So 13./14. März 2010; Fr/Sa 2./3. April 2010; Sa/So 22./23. Mai 2010
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SPD II: SPD in NRW feiert ihre Spitzenkandidatin Kraft…Welt
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Ruhr2010 II: Das Burgenreich im Ruhrgebiet…Kölner Stadtanzeiger
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Egotronic
Egotronic, Samstag, 27. Februar, 20.00 Uhr, Bahnhof Langendreer, Bochum
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2Raumwohnung
2Raumwohnung, Freitag, 26. Februar, 19.00 Uhr, FZW, Dortmund
Aufruhr 1225
Ach, Ritter. 400 Burgen gab es mal im Revier. 100 stehen heute noch – mehr oder weniger intakt – im Ruhrgebiet herum. Und es gibt spannende Geschichten über die Festen zu erzählen. Das mag man.
Die Ausstellung Aufruhr 1225 im Archäologischen Museum Herne beschäftigt sich mit dem Kampf zwischen Friedrich von Isenbergs und dem Erzbischof von Köln. In dem Konflikt ging es um Macht und Land und irgendwann lag Erzbischof Engelbert I von Köln erschlagen im Gewelsberger Wald. Naja, denkt sich mancher Angesichts von Mixa und den Kinderschändern, da hat es nicht den Falschen getroffen. Waren halt raue Zeiten damals. Ob Friedrich ihn ermordet hat oder ob es ein Totschlag unter Räubern war, das konnte nie ganz festgestellt werden. Auf jeden Fall ging die Sache für Friedrich übel aus: Der Mann wurde nach einem zwielichtigen Prozess zum Tode verurteilt und gerädert. Üble Sache. Tut weh.
Die Isenburg in Hattingen, damals eine mächtige Festung Friedrichs und die größte Burg im Ruhrgebiet, wurde zudem zur Strafe geschliffen. Eine spannende Geschichte, ein Mittelalter-Krimi und eine spannende Ausstellung – da bin ich mir sicher.
Ab Samstag, 27.2. ist Aufruhr 1225 zu sehen.
Nitzer Ebb
Nitzer Ebb, Mittwoch, 24. Februar, 19.00 Uhr, Matrix, Bochum