Loveparade: Im Tunnel und an der Treppe

Trauer am Ort der Loveparade

Es ist der 1.11.2019, Allerheiligen, ich sitze im Regionalexpress Richtung Köln/Bonn und kurz nachdem wir die Skyline von Mülheim hinter uns gelassen haben, prasseln dicke Regentropfen auf die gebogenen Scheiben der roten Doppelstockwagen, die Landschaft der Ruhrauen wird durch diesen Schleier pointilistisch und als ich am Duisburger Hauptbahnhof aussteige, bedecken Pfützen den Bahnsteig. Hier wird demnächst eine komplett neue Bahnhofsüberdachung gebaut werden und daher werden die Lecks in der altersschwachen Dachkonstruktion gar nicht mehr repariert, es lohnt ja nicht mehr. Ich checke im Ibishotel direkt am Ausgang ein und als ich mein Zimmer im zweiten Geschoss betrete, bin ich erfreut, es ist klein, hell, sauber und ruhig. Ich stelle meinen Rucksack ab und schaue aus dem Fenster zum Hauptausgang.

Hier sind sie zu Tausenden vor zehn Jahren fröhlich und in Feierlaune angekommen, folgten brav den Hinweisen der Ordner um zum Festivalgelände zu gelangen. Für 21 von ihnen war es der letzte Tag ihres jungen Lebens.

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Neuer ECCE Flop: Living-Games Festival vor dem Aus?

Bernd Fesel, ECCE

Die Messe Living-Games war eines der Aushängeschilder des European Centers for Creative Economy (ECCE). Nun steht sie vor dem Aus.

Die Messe Living-Games in Bochum steht vor dem Aus. Die Homepage wurde seit fast einem Jahr nicht mehr aktualisiert und auf Nachfrage dieses Blogs erklärte der Veranstalter, das es wahrscheinlich sei, dass die Messe in diesem Jahr nicht mehr stattfinden wird. Die weitere Zukunft ist fraglich. Es fehle noch an Förderzusagen.

Die Messe Living-Games gehörte  zu den Luftnummern, die Dieter Gorny und sein Kofferträger Bernd Fesel, die beiden ECCE Chefs, im Kulturhauptstadtjahr und der Zeit  davor protegiert haben, um Geldgebern und Politik einen super Kreativwirtschaftsszene im Ruhrgebiet vorzugaukeln. Noch heute schreibt ECCE auf seiner Homepage:

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Loveparade: Xtranews geht Vergleich mit Duisburg ein

Einigung im Streit zwischen Duisburg und dem Blog Xtranews: Das Blog geht auf ein Vergleichsangebot der Stadt ein.

In der vergangenen Woche sorgte eine einstweilige Verfügung der Stadt Duisburg gegen das Blog Xtranews für Schlagzeilen: Die Stadt hatte versucht mit diversen Begründungen, unter anderem Urheberrecht, die Veröffentlichung von Anhängen zu einem Bericht der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek zur Loveparade zu untersagen. Daraufhin hatten zahlreiche Blogs die Akten veröffentlicht.

Xtranews wird die personenbezogenen Daten in den Loveparade-Anhängen zum Heuking-Bericht der Stadt Duisburg löschen und die Stadt in der Folge die einstweilige Verfügung zurückziehen.

Stefan Meiners von Xtranews bestätigte den Ruhrbaronen die Einigung. Beide Seiten werden die Kosten ihrer Anwälte tragen. Die Gerichtskosten werden geteilt.

Nach Ansicht des für Xtranews presserechtlich verantwortlichen Redakteurs Thomas Rodenbücher habe die Stadt Duisburg durch ihr Vergleichsangebot zugestanden, daß  „deren Argumentation der angeblichen Urhherberrechtsverletzung auf sehr wackligen Füßen steht“.

Die Stadt Duisburg hat ihr Vergleichsangebot schon mit einer Presseerklärung kommuniziert. Darin läßt der Stadtdirektor Peter Greulich (Grüne) Einsichtsfähigkeit erkennen.

„Nie ist es uns darum gegangen, einen Blog mundtot zu machen“, sagte Greulich.

Update, 16.52 Uhr. Mittlerweile hat sich die Xtranews-Redaktion auch auf Ihrer eigenen Website geäußert.

Dort heißt es:

„Aus unserer Sicht ist es ein Unding: Während wir mit unseren Anwälten noch beraten, dass eine gemeinsame Erklärung die beste Art wäre, eine ggf. zu treffende Einigung zu verkünden, schießt die Stadt Duisburg medial aus allen Rohren und bringt sowohl auf ihrer Website, als auch über die Presseagenturen die Nachricht, man würde den Rechtsstreit beenden wollen. Es braucht nicht viel zu begreifen, dass das Unklug war.“

Und für den Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter, den Rechtsvertreter von Xtranews, geht das „Angebot in die richtige Richtung“.

Von Stefan Laurin und Thomas Meiser

Bahnhofsmission in Sachen Kultur – Als Volunteer bei der Kulturhauptstadt

Das Paket steht ungeöffnet rum, ein Meter zehn hoch, seit Januar. Ich muss es nicht aufmachen um zu wissen, was drin ist: Ein Regenschirm, eine Faktentasche und eine Uniform. Die ist offiziell türkis, inoffiziell babyblau, und ehrlich gesagt sieht sie einfach scheiße aus.

Ich bin Volunteer der Ruhr.2010. In der freien Wirtschaft heißen junge Menschen in gleicher Funktion Praktikant. Ich bin zertifiziert, mit Urkunde, inklusive schlecht kopierter Unterschriften von Oliver Scheytt und Fritz Pleitgen. Irgendwo muss auch mein Volunteer-Plastikausweis rumliegen, und wenn ich suche, finde ich auch den Zahlen-Buchstaben-Code, mit dem ich mich endlich mal online zum Freiwilligeneinsatz melden könnte. Ja, ich bin Fan und Unterstützer der Kulturhauptstadt, einer großartigen Idee, theoretisch bislang.

Angefangen hat alles mit der Internationalen Bauausstellung Emscherpark, der IBA, die hat damals auch ein paar Millionen gekostet. Da war ich noch skeptisch. Bauausstellung, dachte ich, so was hast du bei OBI für lau. Aus jeder abgesoffenen Zeche haben die ein Museum gemacht, einen Place of Event. Haben die zu viel Emscherwasser gegurgelt? Ich nehme doch auch nicht meinen toten Oppa, stopfe den aus, drapiere den nett auf dem Sofa und kassiere ´nen Fünfer Eintritt. – Der Mann war auch auf Zeche und hat gesoffen. Das Ergebnis dieses Wandels durch Kultur: Viele müssen mittlerweile Eintritt bezahlen, wenn sie ihren alten Arbeitsplatz noch mal wieder sehen wollen.

Nie wieder sollte der Spiegel kommentierten: „Glückliches Bochum. Wer hier einen Mantel trägt statt eines Anoraks, geht schon als Kulturereignis durch.“ Der Kulturtourismus war entdeckt. Der schafft Arbeitsplätze, das kapiert auch einer wie ich. Für Touristen könnten wir auf Folklore machen. Ehemalige Bergleute auf ABM, nicht auf Koks, tanzen, nur mit dem Arschleder bekleidet, am Schalker Markt um Miniatur-Hochöfen herum und kloppen dabei mit einem großen Mottek (Für Auswärtige: Hammer) auf kleinen Kohlebrocken herum, umtatata, umtatata. Der Japaner wird aus dem Häuschen sein. Aber wir machen auf Kulturhauptstadt.

Als Fan von Hochhaussprengungen, Aldi, Buntbarsch-Tauschbörsen und anderem Abgelegenem wusste ich: Ich muss bei der Kulturhauptstadt dabei sein, da tut sich was. Ich träumte von richtigen Events. Höhepunkt meiner Kulturhauptstadt wären die Titanic-Festspiele auf dem Rhein-Herne-Kanal geworden. In der Rolle der Titanic: Das Fahrgastschiff MS Santa Monica. In der Rolle des Eisbergs: Fünf frisch versenkte schneeweiße Opel Omega, die kurz zuvor noch einer als gestohlen gemeldet hat.
Aber auch die Wirklichkeit haut Geld raus. Was allein für neue Museen ausgegeben wird. Fünf Millionen für den Schwarzen Diamanten am Bergbaumuseum Bochum. Fünfzig Millionen für das Folkwangmuseum in Essen und 1,2 Milliarden für das neue EON-Energiemuseum in Datteln. Um so viel Kultur mitzunehmen, hätte ich mich eigentlich gleich am 4. Januar dauerarbeitslos melden müssen. Ich habe mich dann doch lieber beim ZK der Kulturhauptstadt gemeldet, als Freiwilliger.

Beim Vorstellungsgespräch war ich hoch motiviert. Was ich denn gerne beitrüge zum Gelingen, wollte man wissen. Demütig wollte ich sein, unter den Geringen der Geringste. Ich würde gern Oliver Scheytt die Tür aufreißen oder dem persönlichen Referenten von Oliver Scheytt, notfalls dem Assistenten des persönlichen Referenten Oliver Scheytts erklären, wie man stilvoll dem Chef die Tür aufreißt. Meine Haltung kam an. Alternativ wollte ich als „Welcome Volunteer“ an Flughäfen und Bahnhöfen die Gäste aus aller Welt begrüßen. Ich sah mich schon als die Bahnhofsmission in Sachen Kultur. Sollten wider Erwarten die Massen aus Paris, London und Bratislava ausbleiben, ich würfe mich im Hauptbahnhof Essen an Gleis 9 den Pendlern aus Bottrop um den Hals, wenn sie nur einen Mantel trügen.

Dann kam das Tagesseminar. Es begann schlecht. Unsere Referentin, eine Diplomlehrerin, wies auf einen Karton: „Da sind Kugelschreiber drin, bitte geben Sie die nach der Veranstaltung zurück – auch an der Kulturhauptstadt ist die Wirtschaftskrise nicht spurlos vorbei gegangen.“ Eine Ossi bringt mir Ruhrgebiet bei, prima. Hätte die vorher mal was gesagt, ich hätte bei der örtlichen Sparkasse problemlos einen Sack Kulis geschnorrt, notfalls geklaut.

Neunundneunzig Power-Point-Folien später, nach einer Runde Käsebrötchen, die trotz Krise weder bezahlt noch zurück gegeben werden mussten, nach einem Crashkurs in Barrierefreiheit, in dem ich lernte, Menschen mit Behinderung nie zu diskriminieren („Sprechen Sie Kleinwüchsige nie als Zwerg an!“ – (Wie denn sonst? Gnom etwa?!)), nach dem Überfall der Kursmehrheit auf einen jungen Bottroper Bergmann, der sich dafür entschuldigen sollte, dass seine Pleitefirma noch (unser Steuer-)Geld für Auszubildende ausgibt, bin ich fit für die Kulturhauptstadt.

An einer Aufgabe bin ich gescheitert. Vielleicht kommt jemand bei der nächsten Scharade anlässlich eines Kindergeburtstages auf die Lösung. Die Herrscherin über Power-Point hatte sie nicht auf der Folie. Machen Sie einem gehörlosen rumänischen Kulturfreak klar, also ohne Reden: „Das WC ist kaputt, bitte gehen Sie 200 Meter weiter. Dort ist eine Toilette, die funktioniert.“ Bis ich dem das erklärt habe, krempele ich die Ärmel hoch und bring das Klo wieder in Ordnung.

Das ist auch meine Haltung für den Rest der Ruhr.2010. Die hängt ja etwas durch nach den Großevents Luftballons über Zeche, Fußgängerstau auf Autobahn und Grölen auf Schalke. (Noch mal: Duisburg war nie Kulturhauptstadt!) Meine PIN – 34s22kQc – habe ich wiedergefunden. Mein Ersteinsatz kann kommen. Wenn da jemand einen Vorschlag hätte…

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Die Ruhrbarone erklären Marketing-Sprech: Bottom-Up vs. Top-Down

Also wie war das jetzt nochmal mit der Kulturhauptstadt, der RUHR2010, der Kreativwirtschaft? Und der Strategie? Ich habe es mir mal erklären lassen und erzähle es jetzt hier weiter. Also den Teil, an den ich mich nach dieser Nacht mit dem Mann vom Bau in der kleinen Kreativwirtschaft gleich links von der Zeche nach dem Zahlen derselben noch erinnern konnte.

So richtig verstanden hat wohl keiner das Gefasel von Herrn Fesel.

we are adopting a bottom up as well as a top down strategy which is sector specific as well as sector-integrating

Hm. Es gibt also Bottom-Up- und Top-Down-Strategien. Soso. Und was heißt das jetzt auf Deutsch?

WR171701 Kann ich mir einfach nix drunter vorstellen. Also habe ich mal die Maus einen Fachmann vom Bau gefragt – und der hat es mir nun so erklärt:

Früher hat man ein Haus mit dem Keller angefangen. Dann das Erdgeschoß. Dann den ersten Stock. Dann den zweiten Stock. Dann das Dach. Dann war Richtfest. Und das Haus als Rohbau fertig. Dann ging es drinnen weiter.

Das ist also Bottom-Up-Construction.

In der dritten Welt, in Ägypten, baut man auch heute noch so. Ein Stockwerk nach dem anderen wird gebaut, wie man halt Geld hat. Die Familie zieht ins Erdgeschoß, Papi geht ins Ausland und verdient das nächste Stockwerk. Dann wird das gebaut.

Irgendwann ist das Haus fertig. Das sieht man da oben. Man kann es übrigens auch gerade statt schief bauen, wenn man die Nacht zuvor nicht in der Kreativwirtschaft war.

In Deutschland muß dagegen alles schneller gehen – und ins Ausland zu gehen, bringt eh‘ nichts mehr ein. Außer, die Steuer ist hinter einem her.

Dafür gibt es dann Fertighäuser – und die Top-Down-Construction. Und die geht so:

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Juicy Beats – Das Sowieso-Festival aus Dortmund

Die Macher der Kulturhauptstadt nannten „Juicy Beats“ ein „Sowieso-Festival“. Eines der vielen Festival aus dem Ruhrgebiet, die unter ihrer Wahrnehmungsschwelle lagen und es sowieso gab. Klar, Mega-Events wie die Loveparade versprachen mehr internationale Aufmerksamkeit.

Seit 1996 gibt es Juicy Beats. Gut 20.000 Besucher werden morgen in den Westfalenpark kommen. Vielleicht ein paar mehr, vielleicht ein paar weniger. Egal. Das Line Up ist hervorragend: Tocotronic, Die Sterne, Blumentopf, Sista Orchestra, Phoneheads und viele andere. Ein Ruhr2010-Logo sieht man nicht auf der Homepage – allemal ein  Zeichen für Qualität. Juicy Beats, Blackfield, Bochum Total und all die anderen  Festivals aus dem Ruhrgebiet wurden von den Ruhr2010-Machern immer abfällig als „Sowieso-Festivals“ bezeichnet.  Veranstaltungen aus dem Revier, für die man sich nicht weiter interessierte, die es sowieso gab.  Los geht es um 12.00 Uhr Mittags.

Um 18.45 Uhr gibt es eine Schweigeminute für die Toten der Loveparade.

A local Hero´s Diary VI: Schnick Schnack Schnucki

Im sechsten Teil seiner Local-Hero-Reihe schreibt unser Gastautor Carsten Marc Pfeffer über das Wiedersehen mit seiner Lieblingskneipe auf der Autobahn.

Samstag, 17. Juli: Das Telefon klingelt. Hausanschluss. Absolut privat. Ich dreh mich zur Seite und lege mir das Kissen aufs Ohr. Es ist doch erst 11 Uhr, vor drei Stunden bin ich zu Bett gegangen. Wie kann denn das alles nur sein? Das Telefon klingelt. Muss wohl wichtig sein. Ist es auch. Werner ist am anderen Ende der Leitung und gratuliert mir zu meinem großartigen Local-Hero-Tagebuch. Oh, wie mich das freut! Werner ist einer der ganz Großen und dabei völlig smart und easy geblieben. Wir plaudern ein bisschen über Bukowski und den gestrigen Gig. Auch Werner ist ja in den 60ern Liedermacher gewesen, bevor er sich entschieden hatte Journalist und Schriftsteller zu werden. Der Artikel, mit dem er heute den Bochumer Kulturteil aufmacht, liest sich denn auch wie eine Hommage: „Als der Beat durch den Pott klang“. Es geht um die aktuelle Ausstellung im Industriemuseum Zeche Hannover „Kumpel Anton, St. Barbara und die Beatles“. Ausstellungsleiterin Dagmar Kift betont: „das Motto der Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010 WANDEL DURCH KULTUR – KULTUR DURCH WANDEL hätte auch damals gut gepasst.“ Stimmt genau, muss ich denken. „So avancierte Dortmund in den 1950er Jahren zur Jazz-Metropole und Recklinghausen in den 1960er Jahren zum Mekka der Beatbewegung.“ – Ach, da wäre ich gerne dabei gewesen, als die Rickets (Bottrop) und die Blue Flames (Gelsenkirchen) damals die Tanzlokale unsicher machten. Als diese bescheuerten Altnazis über „Negermusik“ schimpften, und ein entspannter Umgang mit Sexualität für viele noch ein Tabu war, da konnte man herrlich polarisieren. Heute ist ja vieles indifferent geworden. Damals sagte man: Das sind rechtskonservative Schmierpisser, für die werde ich niemals schreiben. Heute sagt man: Das sind rechtskonservative Schmierpisser, vielleicht haben die einen Job für mich. Die Existenzangst ist das große Thema. Die meisten Kids wollen (möglichst schnell) ihre Seelen verkaufen, egal an wen, Hauptsache Pappi schimpft nicht. Deshalb begegnet man heutzutage im Nachtleben auch nur noch den Besten, hehe. – Wird wohl der Restalkohol sein.

Was für ein großartiger Morgen! Mittlerweile hat sich mein Körper an den Alkohol gewöhnt. Das kann ruhig noch ein paar Tage so weiter gehen. Ab nächster Woche heißt es dann wieder: trimm dich. Ich habe ja einen Coach, eine Saunakarte und viel Freizeit. Das lässt sich alles wieder korrigieren. Muss auch. „Ohne Körper geht es nicht“, sagt der Coach. Aber heute ist Bochum Total und die Party muss weiter gehen. Schade nur, dass mir die Sparkasse mein Konto gesperrt hat. Was soll denn das? Die sehen doch am Kontoverlauf, dass ich ziemlich schnell sehr viel Geld verdienen kann. Na ja, auf der anderen Seite sehen sie auch, dass ich ziemlich schnell sehr viel Geld ausgeben kann. Egal, müssen halt die anderen mal zahlen. Und Kibi schimpft erst, wenn der Deckel die 200€-Grenze übersteigt und gestern konnte ich frei saufen, müsste also noch Spielraum sein. Außerdem haut das Ansagemädchen auch gerne mal einen raus. Ich hoffe nur, dass Ayleen heute auch wirklich kellnert.

Meike, warum nur?

Jetzt die SMS von Mondrian: „Pfeffer, du Wichser, nie wieder ein Wort!!!“ – Der kam mir gestern nach dem Gig schon so blöd: Ich hätte in meinem Song „Oh, Mondrian“ zu viel Pikantes über sein Privatleben preisgegeben. – Na und? Ich bin Künstler, womit soll ich denn sonst arbeiten, als mit dem, was ich vor Augen habe? Einfach irgendwas erfinden? Man kann nicht einfach irgendwas erfinden. Und wenn uns die Künstler dies immer wieder glauben machen, dann hat das etwas mit ihrem Handwerk zu tun, aber doch nicht mit ihrer Erfindungskraft. Schöpfungskraft heißt abschöpfen nicht erschaffen. Wie kann man nur so zimperlich sein, Mondrian? Ich wäre stolz, wenn ich in einem deiner Songs vorkommen würde. Ich will doch einfach nur loslabern. Das tut so gut und immer kommt etwas Gescheites dabei raus. Warum nur kommt es immer wieder zu solchen Missverständnissen? Ach Meike, warum hast du mir das alles nur angetan?

Bochum Total ist am Samstag natürlich überlaufen von Menschen, die ansonsten Themenparks besuchen würden. Dazu die Mitglieder dieser Festival-Jugend, die die Einlassbänder von drei Jahren Dixiklo-Kultur an ihren Handgelenken tragen. Schade, dass sich Dr. Schröder wegen einer Konferenz in Toronto für drei Wochen verabschiedet hat. Dem wäre bestimmt etwas Bissiges dazu eingefallen. Schön dagegen, dass man barfuß laufen kann. Ein Hund wäre heute ein treuer Begleiter. Das Glasflaschenverbot war die richtige Entscheidung gewesen. Ich treffe die Jungs und schnorr mich so durch. Esse zu viel gegrilltes Bauchfleisch in einem pappigen Brötchen, das sich langsam auflöst im Saft des Krautsalates. Trinke eine Bowle mit Erdbeere. Trinke eine Bowle mit irgendwas. Auf der Ringbühne jetzt: Reefer Madness. Klingt nach Seeed. Sie spielen „Sei laut“. Der Sänger so: „Ey, Bochum – ey, könnt ihr laut sein?“ Alle: „Yeah!“ Er wieder: „Jau, jau. Wir finden das so geil, dass ihr jedes Jahr dieses Festival hier auf die Beine stellt. Ey, Bochum, ey – jau!“ – Das nervt natürlich schnell. Peter Fox in allen Ehren, aber es hat auch alles seine Grenzen. Danach dann Frida. Das Bochum-Wunder 2010. Ich weiß noch, wie sie im letzten Jahr im Schaufenster von Nastys Vintage-Laden gespielt haben: Off-Programm, die dicken Boxen auf die Brüderstraße, die Band hinter der Scheibe und dann Rawumms. Mir haben sie damit den Auftritt kaputt gemacht. Denn ich spielte im Zacher direkt nebenan und musste ganz leise sein wegen dem Ordnungsamt. Das war schon schlimm genug, aber als dann auch noch alle rausrannten, weil sie wissen wollten, was da draußen los ist, da wusste ich, es ist Zeit für meinen letzten Song. Und jetzt sind Frida eben Popstars mit MTV und so. Wie ich die Sängerin auf der großen Bühne über dem Meer der hochgeworfenen Arme betrachte, denke ich, da könnte jetzt auch die Meike stehen.

Als mir Meike vor ungefähr vier Jahren zum ersten Mal mailte, war ich an kultureller Betätigung nicht interessiert. Ich untersuchte zu dieser Zeit die ökonomischen Prozesse innerhalb der europäischen Literatur seit der Renaissance bis Houellebecq. Was spannend war und schon die Formen einer potentiellen Dissertation in sich trug. Diese Arbeit erforderte meine ganze Aufmerksamkeit. Meike hatte von mir gehört und wollte, dass ich ein paar meiner Texte auf ihrer Kleinkunstbühne im Riff lese. Dreimal ignorierte ich ihre Anfrage. Dann begann ich rumzuspinnen: wie sieht diese Meike eigentlich aus? Wie mag sich wohl ihre Stimme anhören? So rief ich sie an und sagte zu, um sie näher kennenzulernen. Klar, mir hatte das auch sehr gefallen, wie hartnäckig sie viermal versucht hatte, mich zu buchen. Kleines Leistungsmädchen, tough und gut. Spätestens in diesem Augenblick zerstörte ich meine akademische Karriere endgültig. Meike war zauberhaft. Sie wohnte mit ihrer kleinen Tochter in einer riesigen Wohnung über den Dächern der Stadt. Ich war wahnsinnig verliebt in sie, aber ich versuchte, sie das nicht spüren zu lassen. Denn irgendetwas sagte mir, dass ich in dieser Frau, die gut zehn Jahre jünger war als ich, eine Lehrerin gefunden hatte und keine Geliebte. Auch sie liebte den Schreibtisch, aber nicht so verbiestert wie ich ausgelutschter Schlagmichtot. Nein, sie benutzte ihren Schreibtisch wie einen Flipperautomaten: Text schreiben, Mail raus, Netzwerken, Clip schneiden, einmal alle grüßen, Clip raus. Dann in die Küche: Kaffee kochen, Zigarette drehen, Songs schreiben. Telefonieren, Kaffee trinken, loslabern. Suppe kochen, Kind abholen. – Und da begriff ich, dass ich zu langsam lebte. Das irgendetwas fehlte.

Ruhrwiesen

Nach wie vor weigerte ich mich, eine Gitarre in die Hand zu nehmen. Ich hatte schlechte Erfahrungen damit gemacht. Schon meine erste Karriere hatte ich wegen einer lausigen Punk Band ruiniert. Das sollte mir nicht noch mal passieren. Meike hingegen machte jeden Tag neue Songs. Sie spielte auf Nylon-Saiten, viel Hammering, oft A-moll und E-moll, meine absoluten Lieblingsakkorde. So verging ein schöner Frühling. Eines Tages fuhren wir nach Dahlhausen an die Ruhrwiesen. Wir ließen uns am Ufer nieder und Meike spielte mir ihre neuen Songs vor. Die Schwäne wurden neugierig. Da sagte die Meike, sie müsse sich mal die Hände waschen, legte ihre Gitarre beiseite und ging zum Bootshaus. Zwei Stunden ließ sie mich dort am Ufer warten. Als sie zurück kam, hatte ich drei Songs geschrieben. Und ich war absolut überzeugt von diesen drei Songs, und so dumm sie aus heutiger Sicht auch waren, glaubte ich an sie, weil ein Stück meiner Liebe zu Meike in diese Songs übergegangen war. Seitdem trage ich dieses Feuer in mir. Es zerstört jegliche Aussicht auf Prosperität in meinem Leben. Es lässt mich trotz fortschreitender Vergreisung wie ein Jugendlicher leben und täglich verlangt es alles von mir. Es weckt mich in der Nacht und zieht mich zurück in seine Flammen. Am Tage hält es mich unter einer permanent fordernden Spannung, die Menschen in meinem Alter nur schwer ertragen können. Es stößt mich hinab in tiefste Demut, dann zieht es mich wieder herauf auf den Olymp. Dieses Feuer ist der Rock’n Roll. Er ist mir zur Religion geworden, und auf seinen Altären habe ich alles geopfert, was ich jemals besessen habe. Ich habe das Sonnenlicht gegen die Nacht getauscht, die Karriere gegen die Freundschaft, die Altersvorsorge gegen das Hier und Jetzt. Und so fahre ich über den Ruhrschnellweg direkt bis in die Hölle. Und, verdammt noch mal, ich liebe das.
Irgendetwas war anders geworden als Meike an das Ufer zurückkehrte. Nachdenklich sah sie mich an, auch glaube ich, sie hatte ein bisschen Angst vor mir. 2006 spielten wir zusammen auf Bochum Total. Kurz darauf zog sie nach Berlin, bewarb sich bei DSDS, erreichte den Re-Call und flog mit Dieter Bohlen in die Karibik. Tough, wie sie war, hatte sie natürlich keinen Bock sich vom Produktionsteam alles vorschreiben zu lassen. Sie ging sogar soweit, sich über die Zustände am Set in einem Blog zu beklagen. So wurde sie kurzerhand rausgeschmissen. Ich erfuhr von all dem leider viel zu spät, weil ich gemeinhin auf DSDS einen Fick gebe, aber das wäre meine große Story gewesen…

Das BlackBerry blinkt. Aha, endlich der Ankündigungstext für morgen. 17 Stunden vor dem Auftritt keine Minute zu früh: „Autobahn unplugged: Die Goldkante auf der A40. Bisher hat eure Lieblingskneipe das Kulturhauptstadtjahr schnöde vorbeiziehen lassen. Das dauert einfach, ein neues Zuhause zu errichten. Unser Motto muss in diesem Jahr deshalb sein: Größe statt Quantität. Beim größten Ruhr.2010-Projekt „Still-Leben Ruhrschnellweg“ ist die Goldkante ganz vorne mit dabei. Kilometer 5,6, Block 70, Tisch 12. Ein adäquates Programm fand sich quasi ganz von selbst. Die solidaritätserfahrenen Songwriter Carsten Marc Pfeffer und Unter anderem Max geben sich auf dem Tisch die Ehre und spielen mindestens zwei Songs. Das ist ganz besonders, das ist selten, das ist exquisit. Und findet um 14 Uhr statt. Kommt alle.“ – Lieber Unter anderem Max, bitte lasse deinen Fender-Twin zuhause, muss ich denken. Aber den müsste er ja über die halbe Autobahn schleppen, das macht der bestimmt nicht, hehe. Körperliche Arbeit kennt der doch nur aus dem Fernsehen, hehe. – Hab schon wieder ganz schön einen sitzen. Ich muss unbedingt schlafen, sonst wird das morgen mit dem Gig nichts. Außerdem ist da ja auch noch die Lesung im FKT. Wann war das nochmal? 10:30 Uhr! Wie soll das alles nur funktionieren. Immerhin muss ich doch auch noch zur Weltmeisterschaft. Denn wer dieses Spektakel nicht gesehen, der nie auf Bochum Total gewesen.

Schere in Brunnen

Die Schnick-Schnack-Schnuck-Weltmeisterschaft ist seit vielen Jahren der absolute Geheimtipp des Festivals. Sie ist mehr als so ein halbironisches WG-Ding, aber sie hat schon viel Glamour in manche WG gebracht. Ungefähr zweihundert Leute stehen vor dem Intershop. Von außen sieht es aus wie eine Kampfszene aus Fight Club. Es kommt sogar immer wieder vor, dass gewaltbereite Street-Gang-Mitglieder auftauchen, weil sie auf die Schlägerei ihres Lebens hoffen, sich jedoch angewidert abwenden, sobald sie entdeckt (und verstanden) haben, was sich im Auge des Taifuns dieser großen bewegten Masse wirklich abspielt: Schnick, Schnack, Schnuck. Weltmeisterschaft! Es gibt eine Fee, die erhöht auf einem Stromkasten steht und die Gegner für die kommende Runde ermittelt, indem sie Namenskärtchen aus einem großen Pokal hervorzieht. Diese Fee wird sehr verehrt. Viele der Kontrahenten wollen von ihr berührt werden, weil das angeblich Glück bringt; andere preisen sie mit an Fußballchören erinnernden Hymnen. Doch ist der Kult um die Fee nichts anderes als eine „Fickbeziehung ohne Sex“, wie Kurti gerne behauptet. Dafür sorgt allein schon der verhasste Schiedsrichter. „Nicht an die Fee packen!“ – Dieser Typ ist wirklich ein harter Knochen. Was er jedoch auch sein muss, denn während der Weltmeisterschaft verliert diese Disziplin alle Attribute eines harmlosen Kinderspiels. Das ist Psychokrieg, wenn man plötzlich Männern wie Helmut gegenüber steht, die sich mitten im Duell einfach umdrehen und das Spielfeld verlassen, nur um den Gegner zu verunsichern und die johlende Menge weiter anzustacheln. Der Schiedsrichter ist immer kurz vorm Durchdrehen. Im Zentrum des Geschehens: Tommyboy und sein neuer Mitbewohner Mr. Big Bee, einem Grundschullehrer aus Osnabrück. Tommyboy weist ihn gerade in die Geheimnisse des Spiels ein, denn Mr. Big Bee wurde vom Komitee für das Turnier nominiert.

„Am besten ich mach immer Papier.“
„Nein, so darf man gar nicht denken.“
„Klar, weil der Gegner das auch weiß.“
„Eben. Der Gegner weiß, dass du es weißt und jeden Schritt, den du weiter denkst, denkt der Gegner mit.“
„Aber was dann?“
„Du musst eben blitzschnell entlang dieser Endlosschleife vorandenken.“
„Ja, und dann?“
„Keine Ahnung, aber auf jeden Fall kein Papier. Besser Stein, das kommt unerwartet und zeugt von Selbstbewusstsein.“
„Warum nicht Schere?“
„Von mir aus auch Schere, aber der Gegner darf dir das nicht ansehen. Am besten du denkst an Papier und machst dann Schere.“

Da zieht die Fee auch schon seinen Namen aus dem Pokal. Mr. Big Bee muss direkt gegen den mächtigen Helmut antreten. Was für ein Wahnsinn: er schlägt ihn 3:1! Tommyboy und ich liegen uns in den Armen. „Bring Glamour in die WG“, skandiert Mademoiselle Richeux. Der WM-Pokal ist sehr begehrt, denn seine Reputation zählt innerhalb der Szene beinah genauso viel, wie eine offen beglaubigte Affäre mit der Fee. Punkt 0.12 Uhr erreicht Mr. Big Bee das Viertelfinale. Besonders ich tue mich mit wüsten Beschimpfungen der gegnerischen Fans hervor. Um 0.47 Uhr heißt es dann Halbfinale. Was für eine Sensation! Leider fliegt Mr. Big Bee im Halbfinale raus. Aber immerhin ist er jetzt in Bochum angekommen. Sie wissen jetzt, wer wir sind. Wir brauchen uns nicht mehr zu verstecken.

Vertrauen

Ich sollte jetzt schleunigst ins Bett. Nein, nicht noch saufen mit My Baby Wants To Eat Your Pussy. Unbedingt brauche ich ein bisschen Schlaf, denn morgen gibt es viel zu tun. Vor meiner Wohnungstür hat jemand eine Flasche Jacquart hinterlassen. Wirklich sweet, aber auch gefährlich. Noch ein Schluck und ich würde morgen auf der Autobahn tot umfallen. So liege ich im Bett und kann nicht schlafen. Meine Nerven sind so überdreht, dass ich kein Auge zubekomme. Immer wieder schrecke ich beim Gedanken an die morgige Lesung auf. Aus purer Gehässigkeit hatte mich Tommyboy noch heute ganz großartig in der Tageszeitung angekündigt: „Carsten Marc Pfeffer liest Gedichte aus seinem Amsterdam-Zyklus“. Dabei weiß er genauso so gut wie ich, dass ich überhaupt keine Gedichte geschrieben habe. Ich wollte welche schreiben. Ja, das ist richtig. Ich war auch mehrere Wochen in Amsterdam, um den Beat einzufangen. Aber als ich zuletzt in meinen Entwürfen blätterte, hätte ich weinen können. Da stand nur Mist. „Wer brachte das Feuer? Heute ist es Rauch!“ – Fürchterlich. Das Gedicht über den Elektroschuppen Korsakow an der Lijnbaansgracht 161 könnte vielleicht noch gehen. Besonders der Epilog:

glockengiebel cruise grachten
langgestreckte leidsestraat
matzerazzi gegen planke
50 cent und schiebedach
jugend war jugend bleibt
blutsturz ecke prinzengracht
aspirin statt etikette
eine letzte zigarette
die atmung verflacht

Das geht doch schon ganz gut an, aber für eine Überarbeitung letzter Hand bedürfte es mehrerer Tage. Gedichte sind Arbeit. Aber Absagen will ich die Lesung auch nicht. Das sind so nette Leute beim FKT. Außerdem gibt es einen Brunch, und da ich eh nichts mehr zu essen im Haus habe und auch ansonsten total abgebrannt bin, könnte ich mich dort schadlos halten. Aber ohne Text geht das natürlich nicht. Also los jetzt. Raus aus dem Bett, den Champagner aufgemacht und noch einmal kurz an den Schreibtisch. Hab Vertrauen. Irgendetwas fällt dir immer ein.
Ich beginne einen Text, der in verschlungenen Prosaschleifen die Entwicklungsphasen meiner letzten Jahre thematisiert: „gegen darstellung“. So war es halt schon immer. Seit meiner Kindheit muss ich dauernd irgendwelche Geschichten erzählen. Und weil ich eben immer älter werde, fallen mir immer bessere Geschichten ein. Es ist perfekt. Besonders die Passage über Meike ist mir ausgesprochen allegorisch gelungen: „Ihre Finger brachen an meinem Glöckchen. Doch einmal hatte es geschlagen“, hehe. Immer wieder schichte ich nun die Phasen übereinander, bis der Verdichtungsgrad der beiden Seiten Prosa hoch genug ist, um als Gedicht durchzugehen. Dann erst spanne ich das Netz der Leitmotive. Schließlich rhythmisiere ich das Ganze noch, so gut ich kann und schraub ein bisschen an den Vokalen rum. Fertig. Als ich aufblicke ist es 9:30 Uhr. Sonntagmorgen. Prima. Dann kann es ja sofort weitergehen.

Der Ruhrpilot

Loveparade: Techno ist out…Welt

Loveparade II: Loveparade wird zum Tanz auf dem Drahtseil…Der Westen

Kohle: EU plant vorzeitiges Aus für Kohlezechen…Welt

Kohle II: Kraft lehnt Steinkohle-Pläne der EU ab…Der Westen

Ruhr2010: Autobahn Closed for Festival…New York Times

Ruhr2010 II: Interview mit Frl. Nina…Rosette

Bochum: Freie Bühne bleibt voll auf Kurs…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Erste Fankonferenz von “Wir sind VfL”…Pottblog

Dortmund: Beschwerden gegen Straßenmusiker….Ruhr Nachrichten

Debatte: Gentrifizierung – oder: Profit ohne Leistung…Frontmotor

Umland: Union sieht Gefahr für die Regionale 2013…CO

Umland II: Schulstandort Madfeld vor dem Aus?…Zoom

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Update II: DGB hat Anzeige erstattet – Offener Brief an Dieter Gorny, Fritz Pleitgen und Oliver Scheytt: Helfen Sie den Essener Besetzern!

Update II: Das besetze Künstlerhaus hat die erste Nach überstanden. Nach Angaben der Polizei hat der Besitzer, eine Vermögensgesellschaft des DGB, mittlerweile eine Anzeige gestellt. Innerhalb der nächsten Tage könnte das Haus nun geräumt werden. Es bleibt also noch Zeit für Verhandlungen. Die sollten jetzt allerdings schnell gehen. Auf den offenen Brief, der auch an Dieter Gornys E-Mail-Adresse ging, gab es bislang keine Antwort.

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An die Leitung der Ruhr2010

Sehr geehrte Herren Gorny, Scheytt und Pleitgen,

gestern haben mehrere dutzend Künstler aus dem Ruhrgebiet ein seit drei Jahren leerstehendes Haus des DGB an der Schützenbahn in Essen besetzt. Sie wollen es als Galerie und Künstlerhaus nutzen. Die Vermögensverwaltung u. Treuhandgesellschaft des DGB mit Sitz in Berlin droht den Besetzern über ihre Anwaltskanzlei Heinemann und Partner mit der Räumung.

Wir fordern Sie auf, sich sofort beim DGB dafür einzusetzen, dass die Künstler die Räume weiter nutzen können. Schalten Sie sich als Moderatoren ein und helfen Sie, eine Lösung zu finden.

Die Besetzer machen das, was  Sie  als Verantwortliche der Kulturhauptstadt seit langem propagieren: Sie führen alte Räume einer neuen Nutzung für Kultur zu. Sie vitalisieren einen Teil der Essener Innenstadt. Sie eröffnen neue Perspektiven.

Die Besetzer sind genau die Leute, von denen Sie behaupten, dass das Ruhrgebiet sie dringend braucht, dass es diese Leute nicht verlieren darf: Junge Kreative, die den Mut haben, ihre eigenen Wege zu gehen. Die nicht warten, bis andere ihnen ein subventioniertes Bett gemacht haben, sondern die bereit sind, für Ihre Arbeit ein Risiko einzugehen. Sie haben sich den Raum genommen, von dem sie sagen, er muss an andere Stelle für viel Geld geschaffen werden. Die Besetzer machen Ihren Job!

Wenn irgendetwas von dem, was Sie in den vergangenen Jahren auch in unsere Mikrofone gesagt haben, ernst gemeint war, greifen Sie jetzt zu ihren Handys und nutzen Sie  Ihre Kontakte. Tun sie es nicht, war nichts von dem, was sie gesagt haben, ernst gemeint. Können sie es nicht, haben wir Sie wohl überschätzt.

Stefan Laurin

Für das Blog Ruhrbarone

Update: Essener-Hausbesetzung: DGB droht mit Räumung – Besetzer bitten um Hilfe

Die Besetzer des seit drei Jahren leerstehenden DGB-Hauses in Essen droht die Räumung. Der DGB hat über seine Anwaltskanzlei Heinemann und Partner die Besetzer aufgefordert, noch heute das Gebäude zu verlassen.

Sie wollen Ateliers und eine Galeriefläche. Nach monatelangen, erfolglosen Verhandlungen mit dem DGB über die Nutzung des ehemaligen Gewerkschaftshauses in der Essener Innenstadt als Kunsthaus, hat gestern eine Gruppe von 50 Ruhrgebietskünstlern das Haus an der Schützenbahn besetzt. „Wir brauchen dringend Arbeitsräume“, sagt uns Jens von den Besetzern im Gespräch. Die Suche nach Atelierräumen war erfolglos und Unterstützung gab es auch nicht. Imme wieder hatten die jetzigen Besetzer mit den Kreativwirtschaftsexperten der Ruhr2010 GmbH gesprochen. Ausser warmen Worten gab es von denen keine Hilfe. Wie auch? Das groß angekündigte Immobilienprojekt der Ruhr2010 GmbH ist noch immer nicht gestartet. Die versprochenen Räume für Künstler gibt es nur als PR-Gelaber.

Die Besetzer wollen  erst einmal die Galerie nutzen. Als Atelierräume taugen nur wenige Flächen in der maroden Immobilie. Sobald der DGB einen Nachmieter hat, wollen sie raus. „Uns geht es um eine Zwischennutzung“, sag Yellow. Man will nichts kaputt machen. Im Gegenteil: Die Türen des Hauses seien vor der Besetzung offen gewesen. Eine Nutzung durch die Besetzer könnte auch vor Vandalismus schützen. Die Besetzer haben gestern auch einen Verein gegründet. Als  „Freiraum 2010“ wollen sie ihre Interessen durchsetzen.

Doch all das interessiert den DGB nicht. Zwar kamen heute Morgen ein paar DGB-Vertreter bei den Besetzern vorbei. Man duzte sich, die Atmosphäre war gut, aber sie war es nicht lange.  Mittlerweile hat der DGB  den Besetzern durch einen Anwalt der Kanzlei Heinemann und Partner (Der sich im übrigen einmal die Schuhe putzen sollte, bevor er das Büro verlässt) mitteilen lassen, dass sie heute das Gebäude verlassen müssten. Die Besetzer rechnen für Morgen mit einer Räumung. „Wir würden uns freuen wenn möglichst viele Leute kommen um uns zu unterstützen“, sagt Yellow. Wer helfen möchte: Die Adresse lautet Schützenbahn 11.

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