Kindheit im Ruhrgebiet: Die Luft roch nach Teer und Bluna

 

Spielplatz Hanomag-Pritschenfläche

Mein Vater machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei einer Straßenbaufirma im Dortmunder Hafen. Ende der 1960er Jahre wechselte er die Seiten und übernahm eine Baugeräte- und Baumaschinen Firma in Dortmund Mitte, wo wir im selben Gebäude in der dritten Etage wohnten. In einzelnen Garagen, die abwechselnd rostrot und jägergrün angestrichen waren, lagerte das ganze Inventar, das mein Vater im Angebot hatte: von Speiskellen, über Nägel und Teereimern bis hin zu allem vorstellbaren Handwerks- und Maschinenzeug, das im Hoch- und Tiefbau gebraucht wurde. Gegen Jahresende, wenn mein Vater seine Inventur für den Steuerberater anfertigen musste, halfen meine Schwester und ich mit und hatten alles mögliche durchzuzählen und aufzuschreiben: Batterien, Moniereisen, Spitzhacken, Gasflaschen – das ganze Programm von A bis Z.

Wenn uns in den Ferien langweilig war, spielten wir auf dem Hof. Ich belauschte die Aushilfsfahrer meines Vaters, wie sie über Truck Stop und Gunter Gabriel fachsimpelten. Oder erbettelte mir eine Mark Extra-Taschengeld für ein Eis am Kiosk. Die Luft bei der Bude roch nach Teer und Bluna. Oder nach einem kalten Waschlappen, den ich brauchte, wenn ich mir im Hof beim Fangenspiel wieder einmal eine Schürfwunde zugezogen hatte. Am liebsten spielten meine Schwester und ich auf der Pritschenfläche des Hanomag Henschel-LKW, den wir liebevoll in ›Matadonna‹ umgetauft hatten. Was das bedeuten sollte, weiß ich heute nicht mehr. Dieses Foto stammt aus dem Jahr 1975. Meine Schwester ist heute Professorin für Chemie in Köln, damals erprobten wir unsere ersten ››Lachgas-Experimente‹‹ auf dem „Matadonna“.

 

Kindheit im Ruhrgebiet: Eine gute Zeit

Kulturelle Aneignung war in meiner Kindheit in den 70er Jahren noch kein großes Thema und zum Glück lebten damals auch wenige Skandinavier, die älter als 800 Jahre waren, in Gladbeck, so dass ich mich ohne Hemmungen als Wikinger verkleiden konnte.

Das Foto, ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen wäre, wurde an einem strahlenden Augusttag im Garten des Hauses von Tante Käthe aufgenommen, der besten Freundin meiner Großeltern. Dass die Büsche im Hintergrund trotz der Jahreszeit keine Blätter haben, liegt am allgegenwärtigen sauren Regen der aus den dunklen Staubwolken fiel, durch welche die Sonne niemals durchdrang. Doch wir einfachen Menschen im Ruhrgebiet waren trotzdem glücklich, aßen heiße Fleischwurst mit Senf bis uns übel wurde und bewarfen Autos mit fremden Kennzeichen mit Kohlebrocken. Es war eine gute Zeit.

Kindheit im Ruhrgebiet: Puzzle der Erinnerungen

Bine Hahnefeld: „Wenn man als Kind fasziniert feststellt, dass der Hund Wum, den man in der Hand hält, plötzlich hinter einer Glasscheibe mit einem Elefanten auf dem Sofa sitzt und sprechen kann.“

 

In ihr Museum der Gefühle laden die Ruhrbarone alle Leser ein, die im Ruhrgebiet aufwuchsen. Angeregt von Daniel Spoerris Musée sentimentale, soll der Lebens-Raum Pott in seiner Vielgesichtigkeit aus persönlichen Erinnerungen wiedererstehen: Kindheit im Ruhrgebiet ist das Thema. Ein paar Zeilen, ein Foto aus dem Album an info@ruhrbarone.de übermittelt, und schon baut jede(r) mit am Puzzle einer oftmals unterschätzten Region, deren Kernwort Kumpel heut soviel wie Freund heißt.

 

Was die Corona-Pandemie in gut sechs Monaten mit uns gemacht hat

3D-Grafik des SARS-CoV-2-Virions Bild: CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAM – This media comes from the Centers for Disease Control and Prevention’s Public Health Image Library (PHIL), with identification number #23312 Lizenz: Gemeinfrei

Rund sechs Monate leben wir hier in Deutschland jetzt schon mit der Corona-Pandemie. Verglichen mit dem Ausland erging es uns hier verhältnismäßig gut. Trotzdem bringt das Virus natürlich für uns alle Einschränkungen und auch Sorgen mit sich.

Meiner Beobachtung nach betrifft dies die Leute jedoch sehr unterschiedlich, was nicht nur auf die Einstellung der Leute zurückzuführen ist, sondern natürlich auch auf unterschiedliche Lebensumstände.

Ich persönlich habe mich inzwischen mit den gegebenen Umständen bestmöglich arrangiert. Es gibt Tage, da

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NRW-Kommunalwahl: Das Beispiel Waltrop zeigt, dass die Naivität vieler Wähler erschreckend ist!

Solche Wahlplakate sorgten in Waltrop vor Jahren mit dafür, dass die SPD, die am stetigen Niedergang der Stadt verantwortlich beteiligt war, von den Wählern abgestraft wurde. Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

So, die erste Phase Kommunalwahl in NRW ist gelaufen. In vielen Städten unseres Landes wird gerade heiß diskutiert. Zahlreiche Stichwahlen werden in zwei Wochen noch erforderlich sein um über die endgültige Besetzung der Bürgermeisterämter endgültig zu entscheiden. Das ist auch bei mir in Waltrop so. Und doch hat die gestrige Wahl hier einmal mehr vieles Grundsätzliche offenbart, was einen frustrieren, ja sogar wütend machen kann, aus meiner Sicht sogar fast muss. Und genau darüber will ich hier heute einmal schreiben…

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NRW-Kommunalwahl 2020: War der Wahlkampf eigentlich immer schon so schlecht?

Lokalpolitiker in der Fußgängerzone. Bringt das was? Foto: Robin Patzwaldt

Nächsten Sonntag wird hier bei uns gewählt. In NRW sind bekanntlich Kommunalwahlen angesagt. Wer hier lebt, dem wird der dazugehörige Wahlkampf, obwohl nach Bekunden vieler Beteiligter in diesem Jahr deutlich weniger plakatiert und organisiert wurde, kaum verborgen geblieben sein.

In Zeiten von Corona hat sich auch in diesem Bereich des Lebens viel verändert. Viele Wahlkampfveranstaltungen, die ansonsten in den Gesellschaftszimmern der örtlichen Kneipen oder in den Stadthallen abgelaufen wären, sind notgedrungen ins Netz verlegt worden. Trotzdem findet auch in den örtlichen Fußgängerzonen derzeit wieder so einiges ‚im echten Leben‘ statt. Wirklich faszinierend ist all dies für viele Bürger jedoch nicht. Es scheint häufig so, dass sich die Lokalpolitiker dabei in erster Linie mit sich selber unterhalten und beschäftigen. Da stellt sich einem als interessiertem Bürger doch die Frage: War der Wahlkampf auf lokaler Ebene eigentlich immer schon so schlecht?

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NRW-Kommunalwahl 2020: Klare Fragen von Politikern, ehrliche Antworten der Bürger

Lokalpolitiker in NRW wünschen sich landesweit mehr Engagement von den Bürgern. Im Kreis Recklinghausen, genauer gesagt in Waltrop, sind jetzt erste Früchte eines modernen Dialogs zwischen Politik und Wählern zu erkennen.

Auf seinen Wahlplakaten fragt der ‚Waltroper Aufbruch‘ die Wähler im laufenden Kommunalwahlkampf, in welcher Stadt wir leben wollen. Die ehrliche Antwort einiger Waltroper erfolgte postwendend. Aber wohl nicht ganz so, wie es sich die Fragesteller ursprünglich vorgestellt hatten… 😉

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Trotz vermeintlich guter Nachrichten für Karstadt/Kaufhof-Mitarbeiter: Das Problem bleibt!

Shopping in besonderen Zeiten. Foto: Meike Ruschmeyer

Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) steckt nicht nur durch die Corona-Pandemie aktuell in einer schweren Krise. Etliche Filialschließungen wurden beschlossen um den Konzern zu retten. Insbesondere auch die Ruhrgebietsstädte Dortmund und Essen waren von den Plänen betroffen. In Dortmund sollten ursprünglich sogar alle drei Häuser im Innenstadtbereich dem berüchtigten Rotstift zum Opfer fallen.

Inzwischen ist klar, dass einige dieser zunächst von den Schließungen betroffenen Häuer nun doch nicht geopfert werden sollen. Sowohl in Dortmund als auch in Essen führten Verhandlungen mit den jeweiligen Vermietern der Gebäude offenbar zu besseren Konditionen, so dass die auf der Kippe stehenden Filialen nun, zumindest vorerst, teilweise weitermachen dürfen.

Die Freude bei den Mitarbeitern dieser Niederlassungen war und ist groß. Es sollen sogar Freudentränen geflossen sein. Das kann man verstehen, schließlich ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere hier bei uns im Ruhrgebiet, mehr als angespannt. Einen neuen Job zu finden, von dem man dann auch angemessen leben kann, das ist eine riesige Herausforderung. Wer seine Arbeit verliert, der hat häufig ein existenzbedrohendes Problem. Vor diesem Hintergrund ist die Freude der Mitarbeiter, die nun an ihren angestammten Arbeitsplätzen weitermachen dürfen, natürlich verständlich.

Doch die Nachrichten sollten auch keine Illusionen hervorrufen

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Werner Bergmann: Die Geschichte machen – Helden und Schurken im Ruhrgebiet

Helden und Schurken im Ruhrgebiet die Geschichte machten; Foto: Peter Ansmann
Helden und Schurken im Ruhrgebiet die Geschichte machten; Foto: Peter Ansmann

Auch als größter Fan des Online-Handels: Seit der Coronakrise kaufe ich Bücher konsequent nur noch im lokalen Buchhandel – was dazu führt, dass manchmal ein Buch mehr als geplant in meiner Einkaufstasche landet.

Ein Buch, das so bei meinem letzten Besuch in der Buchhandlung meines Vertrauens in meiner Einkaufstasche landete ist „Die Geschichte machen – Helden und Schurken im Ruhrgebiet von anno dazumal bis heute“ von Werner Bergmann.

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Ruhrbarone-Ausflugstipp: Die Zeche Waltrop

Das alte Zechengelände in Waltrop. Foto(s): Robin Patzwaldt

Im Ruhrgebiet gibt es bekanntlich zahlreiche lohnende Ausflugsziele, wie wir in unserer losen Reihe der Ruhrbarone-Ausflugstipps ja schon seit ein paar Jahren immer wieder neu unter Beweis zu stellen versuchen.

Häufig sind das bisher überregional bekannte Orte gewesen, die Besucher aus dem gesamten Ruhrgebiet und darüber hinaus anziehen.

Heute will ich an diese Stelle auch einmal ein weniger bekanntes Ziel vorstellen, das mich persönlich schon seit frühester Jugendzeit begleitet, und welches ich bis in die Gegenwart hinein mehrfach im Jahr gerne Besuche: Die ehemalige Zeche in Waltrop.

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